Festgefügte Begrifflichkeit?

Philosophisches zum Nachdenken
Pluto
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#11 Re: Festgefügte Begrifflichkeit?

Beitrag von Pluto » Di 18. Nov 2014, 00:14

Savonlinna hat geschrieben:Nietzsche lässt seinen Zarathustra sagen - sinngemäß -, dass alle Weisheit im Leib liegt.
Aber es ist dann schon auch das Ziel, immer "richtiger und richtiger" zu werden.
Aber diese Richtigkeit ist keine objektive Wahrheit.
Goethe sagt: "Mensch, werde wesentlich!" Und das bedeutet dann schon: "Als Mensch wahr sein" - "ohne Falsch sein".
Das "wesentlich" bei Goethe könnte man aber auch "gerecht" nennen, oder?

Für mich sind beide Begriffe relativ zu irgendwelchen Konventionen (Kriterien, Absprachen), aber niemals absolut.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#12 Re: Festgefügte Begrifflichkeit?

Beitrag von closs » Di 18. Nov 2014, 00:52

Pluto hat geschrieben:Für mich sind beide Begriffe relativ zu irgendwelchen Konventionen (Kriterien, Absprachen), aber niemals absolut.
Im Dasein ist das in der Tat so. Da ist alles Vereinbarung, die allerdings mit Substanz zu tun haben kann, aber nicht zwingend ist.

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Savonlinna
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#13 Re: Festgefügte Begrifflichkeit?

Beitrag von Savonlinna » Di 18. Nov 2014, 01:02

Pluto hat geschrieben:Für mich sind beide Begriffe relativ zu irgendwelchen Konventionen (Kriterien, Absprachen), aber niemals absolut.
Das auf jeden Fall. Menschen, die in ähnlichen Konventionen groß geworden sind oder sich da hineinbegeben haben, können sich schneller verständigen.
Äh - welche beiden Begriffe meinst Du jetzt? Aber absolut sind sie nie. :)

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Goethe sagt: "Mensch, werde wesentlich!" Und das bedeutet dann schon: "Als Mensch wahr sein" - "ohne Falsch sein".
Das "wesentlich" bei Goethe könnte man aber auch "gerecht" nennen, oder?
Habe ich bisher nicht so verstanden.
Sehe aber gerade, dass ich das bei Goethe gar nicht finde. Soll irgendwo im "Faust " sein, aber auf die Schnelle finde ich es nicht. Vielleicht hat er nur paraphrasiert?

Der Satz ist älter, stammt von Angelus Silesius.
Interessanter finde ich aber das Gedicht von dem Expressionisten Ernst Stadler: Der Spruch. wo er den Satz am Ende zitiert.

1 In einem alten Buche stieß ich auf ein Wort,
2 Das traf mich wie ein Schlag und brennt durch meine Tage fort:
3 Und wenn ich mich an trübe Lust vergebe,
4 Schein, Lug und Spiel zu mir anstatt des Wesens hebe,
5 Wenn ich gefällig mich mit raschem Sinn belüge,
6 Als wäre Dunkles klar, als wenn nicht Leben tausend wild verschloßne Tore trüge,
7 Und Worte wiederspreche, deren Weite nie ich ausgefühlt,
8 Und Dinge fasse, deren Sein mich niemals aufgewühlt,
9 Wenn mich willkommner Traum mit Sammethänden streicht,
10 Und Tag und Wirklichkeit von mir entweicht,
11 Der Welt entfremdet, fremd dem tiefsten Ich,
12 Dann steht das Wort mir auf: Mensch, werde wesentlich!

Pluto
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#14 Re: Festgefügte Begrifflichkeit?

Beitrag von Pluto » Di 18. Nov 2014, 19:08

Savonlinna hat geschrieben:Äh - welche beiden Begriffe meinst Du jetzt? Aber absolut sind sie nie. :)
"Wahrheit" und "Richtigkeit".
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Salome23
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#15 Re: Festgefügte Begrifflichkeit?

Beitrag von Salome23 » Mi 19. Nov 2014, 02:21

Savonlinna hat geschrieben:
1 In einem alten Buche stieß ich auf ein Wort,
2 Das traf mich wie ein Schlag und brennt durch meine Tage fort:
3 Und wenn ich mich an trübe Lust vergebe,
4 Schein, Lug und Spiel zu mir anstatt des Wesens hebe,
5 Wenn ich gefällig mich mit raschem Sinn belüge,
6 Als wäre Dunkles klar, als wenn nicht Leben tausend wild verschloßne Tore trüge,
7 Und Worte wiederspreche, deren Weite nie ich ausgefühlt,
8 Und Dinge fasse, deren Sein mich niemals aufgewühlt,
9 Wenn mich willkommner Traum mit Sammethänden streicht,
10 Und Tag und Wirklichkeit von mir entweicht,
11 Der Welt entfremdet, fremd dem tiefsten Ich,
12 Dann steht das Wort mir auf: Mensch, werde wesentlich!

Vielleicht wars einfach nur Zufall-oder vielleicht auch gefügt( wer weiss das schon und vielleicht ist es auch gar nicht mal so wichtig) aber ich sann gestern- kurz bevor ich deinen Beitrag las-über etwas ( sehr persönliches) nach und dann las ich dieses Gedicht-und einige Sätze darin "berührten" mich sehr intensiv -waren für mich sehr hilfreich und passend ... :thumbup:

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#16 Re: Festgefügte Begrifflichkeit?

Beitrag von 2Lena » Mi 19. Nov 2014, 05:21

@Savonlinna
Du kannst dich sehr gut ausdrücken. Es ist angenehm deine Beiträge zu lesen, etwas mit Gespür und Kunst, das berührt - und obleich keine genaue "Definition" mit Kanten vorhanden ist, fließt so ein Teil der Verständigung - oder doch nicht ganz?

Savonlinna: Ich bin mit meinen Aussagen angewiesen auf das, was ich wahrnehme und dann versuche, in Worte zu kriegen und zu schauen, ob eine Religion - mit vielleicht anderen Worten - das ausdrückt, was ich auch meine.
Das "auch meinen" ist bisweilen schwer zu erfassen. Sagen die das so und meinen sie es auch so.

Da liegen in Jerusalem in einer Synagoge die Blutlachen. Die gestrigen Bilder erschrecken. Man erstarrt zu Stein - und weiß immer noch nicht was die anderen meinen und was das alles sollte. Da versagt einem auch noch die Sprache.

Alles klar - denkt einer, der schon die Bibel im Regal hat,
die machen das im Nahen Osten immer so. Er schlägt sie auf, liest in 4. Mose 25.
http://bibelserver.com/ref/4025001#/text/LUT/4.Mose25
Die haben gehurt, Gott nicht richtig gedient - und dann kam die Strafe ...

Ein unverständliches Dilemma ... Ich bringe das ausgerechnet bei "Festgefügter Begrifflichkeit".
Dass man sich etwa da ein Beispiel nimmt?
"Religionseiferer - bloß nicht" ... sagen die Meisten.
Die haben doch nur gebetet ...
Wer das liest, lässt schon mal Islam, Judentum und das davon infizierte Christentum los.

Bleibt der Buddhismus ...
wer will da schon mit dem Kastenunwesen aufräumen?

Bleibt der Nadelstreifenanzug ... die Ideologie des Geldes? ... ich habe noch nie eine Euromünze essen können und auch keine Einzige noch zum Wachsen gebracht. Zugegeben - versucht habe ich es noch nicht, ein Zwei-Eurostück in den Garten zu stecken.

Bleibt Konfuzius ... wie in Korea die Spitze darlegte: gestärkte weiße Kleider und lange Fingernägel. Beides taugt nicht gut zur Arbeit.

Unsere Tradition sagte:
Schau die Hände von jemand an, wenn du wissen willst was er kann.
..."Dann ging er nach Beer Scheva ..." erzählt die Geschichte Isaak. Da gingen die lange nicht hin, denn es ist mitten in der Wüste, obgleich der Ort "Sieben Brunnen / Quellen" heißt. Aber die Tradition wurde überliefert:
*Tüchtigsein, das sei die Quelle der Zufriedenheit.*
Übersetzt war "....Beer Scheva ...

Solange nichts übersetzt war - konnte man beides sehen, war sich aber nicht sicher, was herauskommt.

Was haben die nur bei 4.Mose 25 angestellt, werdet ihr (hoffentlich) fragen. Es wäre die Antwort auf die Diskussion hier: Die haben alles richtig "auf den Punkt" gebracht, und damit war die Plage beendet, bzw. das Erreichte definiert.

Weil ich das aber eben nicht definiert habe, erwarte ich doch einige Fragen ...
.... und keine Gähnen oder Müdigkeit vortäuschen!

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Savonlinna
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#17 Re: Festgefügte Begrifflichkeit?

Beitrag von Savonlinna » Mi 19. Nov 2014, 08:10

Salome23 hat geschrieben:Vielleicht wars einfach nur Zufall-oder vielleicht auch gefügt( wer weiss das schon und vielleicht ist es auch gar nicht mal so wichtig) aber ich sann gestern- kurz bevor ich deinen Beitrag las-über etwas ( sehr persönliches) nach und dann las ich dieses Gedicht-und einige Sätze darin "berührten" mich sehr intensiv -waren für mich sehr hilfreich und passend ... :thumbup:
Das kenne ich. Wenn man auf etwas sehr konzentriert ist, das einen beschäftigt, dann "fallen einem lauter Kommentare dazu zu".


2Lena hat geschrieben:@Savonlinna
2Lena hat geschrieben:Ich bin mit meinen Aussagen angewiesen auf das, was ich wahrnehme und dann versuche, in Worte zu kriegen und zu schauen, ob eine Religion - mit vielleicht anderen Worten - das ausdrückt, was ich auch meine.
Das "auch meinen" ist bisweilen schwer zu erfassen. Sagen die das so und meinen sie es auch so.
Ja, es ist schwer zu fassen. Im Moment sehe ich das auch eher als gescheitert an. Wenn man Gläubige fragt, dann bekommt man oft gestanzte Antworten, die ich ohnehin in der Regel kenne.
Weiterkommen tue ich eher bei denen, die ohnehin schon vorn vornherein "festgefügten Begrifflichkeiten" misstrauen und ihre eigene Nähe zur Religion bereits reflektiert haben. Und diese sind sehr selten.

Da liegen in Jerusalem in einer Synagoge die Blutlachen. Die gestrigen Bilder erschrecken. Man erstarrt zu Stein - und weiß immer noch nicht was die anderen meinen und was das alles sollte. Da versagt einem auch noch die Sprache.
Dieses Thema habe ich bisher nicht angesprochen, jedenfalls nicht in diesem Forum. In anderen wird das unter "Religion" heftig diskutiert, aber das wollte ich hier nicht auch noch tun.

Den zweiten Teil Deiner Aussagen verstehe ich irgendwie nicht.
Kannst Du etwas deutlicher erklären, was das von Dir Geschriebene mit "festen Begrifflichkeiten" zu tun hat?

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#18 Re: Festgefügte Begrifflichkeit?

Beitrag von 2Lena » Mi 19. Nov 2014, 15:27

Feste Begriffe - das sollten wasserdichte Eimer sein, wie man so sagt.
Jeder kennt die Zahl "Pi" als festen Begriff.

Überlieferungen vieler Völker gerieten durch Sprachverwirrungen und Wanderungen und mangelhafte Traditionen durcheinander. Schließlich ist durch Jesus Christus ein wichtiger Schritt und "Versöhnung" erfolgt.

Du meinst - reflektieren. Es sei richtiger die Bibel zu kritisieren. Wieso glauben die anderen, wieso können sie nichts sagen. Bring das mal auf einen Nenner in der Rechnung.

Die Lösung die ich fand:
Mehrdimensionale, flexible Dichtkunst in der Bibel,
durch Übersetzung erstarrt,
bei Mitnahme früherer Lösungen.

Das ergibt:
Leute laufen Sturm gegen die Bibel,
Glaubige behaupten was,
keine Partei weiß etwas - vom Dahinter.


P.S. mein Beispiel: Der Fall hatte sich schon ein paarmal ereignet.

JackSparrow
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#19 Re: Festgefügte Begrifflichkeit?

Beitrag von JackSparrow » Do 20. Nov 2014, 22:22

Savonlinna hat geschrieben:Nietzsche reagierte hochallergisch gegen alles "Falsche" am Menschen. Merkwürdig ist, dass er gerade die Christen der Falschheit bezichtigte, der Doppelzüngigkeit, der verlogenen Gefühle.
Da Christen einerseits die gesamte menschliche Natur für sündhaft halten, es sich andererseits bei Christen aber meist selbst um Menschen handelt, kann man davon ausgehen, dass ein Christ nur äußerst selten seine wahre Natur zeigt. Er muss das Bild wahren, das von ihm erwartet wird.

Nichtchristen haben deutlich weniger Gründe, sich selbst zu verleugnen.

ThomasM
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#20 Re: Festgefügte Begrifflichkeit?

Beitrag von ThomasM » Fr 21. Nov 2014, 10:06

JackSparrow hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Nietzsche reagierte hochallergisch gegen alles "Falsche" am Menschen. Merkwürdig ist, dass er gerade die Christen der Falschheit bezichtigte, der Doppelzüngigkeit, der verlogenen Gefühle.
Da Christen einerseits die gesamte menschliche Natur für sündhaft halten, es sich andererseits bei Christen aber meist selbst um Menschen handelt, kann man davon ausgehen, dass ein Christ nur äußerst selten seine wahre Natur zeigt. Er muss das Bild wahren, das von ihm erwartet wird.

Nichtchristen haben deutlich weniger Gründe, sich selbst zu verleugnen.
Das Problem liegt im Gegensatz zwischen dem, was ein Christ ist und dem, was andere von diesem Christ erwarten.
Der Erwartungsdruck ergibt sich aus den menschlich, gesellschaftlichen Umständen.

Da sagt ein Christ "ich bin gerechtfertigt, obwohl ich sündig bin" (was dem Evangelium entspricht).
Die gesellschaftliche Erwartung macht daraus "du bist gerechtfertigt, also ohne Sünde, d.h. du machst all die Dinge nicht, die wir so für Sünde halten, insbesondere nicht die Dinge, die mit Fortpflanzung zu tun haben"

Diese Verdrehung des Evangeliums macht dem Christ Probleme, denn er kann nicht sagen "du hast Unrecht und ich bin wie ich bin". Denn die gesellschaftliche Erwartung erzeugt einen Blick, der wenn er enttäuscht wird, zu Ablehnung führt. Das führt zu dem Zeigen mit Finger, der Behauptung, die da sind verlogen.
Auf diese Falle ist Nietzsche hereingefallen. Auch eine Frau Käsmann hat diesen Erwartungsdruck zu spüren bekommen.
Und da Kirche gesellschaftlich relevant ist, muss man gesellschaftlich reagieren.

Das echte christliche Bild und das gesellschaftliche Bild, wie Christen sein sollten, lassen sich schlicht nicht überein bringen.

Für Nichtchristen gibt es keine solch moralisch geprägte Erwartungshaltung. Also müssen sie sich auch nicht darum bemühen. Im Gegenteil. Es gibt eher die Tendenz zu erwarten, dass sie unmoralisch sind. Was sie unter Umständen ja recht gerne bestätigen.

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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