Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

Philosophisches zum Nachdenken
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fin
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#71 Re: Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

Beitrag von fin » So 2. Jul 2017, 13:50

-- Vernunft --

closs hat geschrieben: Du definierst "Vernunft" als NICHT-maßstäbliche Größe des Erkennens - das kann man machen.
Der wahre Philosoph weiß: Vernunft folgt der Erkenntnis, ist also eine (mögliche) Folge, die durch Erkenntnisse getragen wird, aber nicht maßstäbliche Größe für das Erkennen selbst.

Guter Closs, laß dir doch nicht solche Bären aufbinden :D

closs hat geschrieben: Wenn ich Dich richtig übersetze, sagst Du:
"Vernunft ist eine sinnvolle Einrichtung in der Welt, aber zum Erkennen von Gott und der Welt reicht sie nicht aus - wenn nicht einmal Gott vernünftig sein muss". - Finde ich echt sympathisch.
Nein, du verknüpftst die Zusammenhänge nicht richtig!

Gott (jene sagenhafte übernatürliche Größe) ist - gemäß deiner Vorstellung - Urgrund und Ursprung der uns bekannten Welt, aber selbst nur bedingt greifbar. Das Spektrum reicht von der harten Gesteinswelt bis zum flüchtigen Gedanken, wobei du jene geistige Sphäre als originären schöpferischen Treibstoff betrachtest und nicht als Folgeerscheinung einer dinghaften Evolution. So weit so gut ...

Meiner Ansicht nach, stellt das Befragen einer göttlichen Größe, keine Unvernunft dar, sondern kann durchaus einleuchten und vernünftig sein, wie bereits die frühen Philosophen bestätigt haben. Warum ist das so? Jeder, der den geistreichen Verstand befragt, um unsere Welt (Sinn) zu ergründen, beschreitet sozusagen einen vernünftigen Weg, den Weg der Überlegungen & Reflexion und nicht den Weg der alten Hasen, die Zickzack springen und ihren Emotionen freien Lauf lassen (kleiner Scherz) - ich spreche hier also von Spontaneität und Intuition.

Wie ich bereits sagte, die Vernunft orientiert sich in erster Linie an der Ratio, an entsprechende Ordnungen und Regelwerke, die sich im/für den Alltag (Lebenserhalt) etabliert haben und über den Verstand eingesehen werden können. Ich wiederhole es gerne nochmal: Vernunft ist & entspricht einer Haltung!

Nachtrag: Der Mensch ist (zb. in Existenzfragen) auf diese innere/äußere Haltung angewiesen, Gott ist es nicht, denn er ist alles in allem, darum braucht er auch nicht vernünftig zu sein, was aber noch lange nicht bedeutet, daß eine vernünftige Rechnung, wie zb. 1+1=2 in der göttlichen Vernunft keinen Bestand hätte.

closs
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#72 Re: Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

Beitrag von closs » So 2. Jul 2017, 15:57

Pluto hat geschrieben:Ein bisschen krass formuliert, aber sinngemäß durchaus richtig.
Siehst Du: Ich kann mich in andere Denksysteme eindenken und in deren Sinn formulieren. - Wäre das nicht eine sinnvolle Übung für alle?

Thaddäus hat geschrieben:Schon mit deiner Formulierung des von mir oben rot gesetzten Absatzes verpflichtest du dich zur Einhaltung gewisser Regeln, die dezidiert keine Vorannahmen darstellen (an die du erst glauben müsstest)!
Doch - weil ihnen ein gesetzter Vernunft- und Plausibilitäts-Verständnis zugrundeliegt - zur Erinnerung: "Vernunft" als anthropozentrisch-generierte Größe ist etwas anderes als als ontologische Größe.

Thaddäus hat geschrieben:der sinnvollen Verwendung der Wörter in diesem Absatz, indem du ihre im Deutschen gebräuchlichen Bedeutungen bzw. Defintionen akzeptierst
So einfach ist es nicht - als (ehemaliger) Linguist kann ich Dir sagen, dass es mehr als üblich ist, dass Worte semantisch unterschiedlich besetzt sind. - Das muss nicht gleich ein Polysem sein, aber es ist selten eindeutig.

Thaddäus hat geschrieben:Und wenn du hier argumentieren willst, dann musst du die für argumentative Auseinandersetzungen gültigen Rationalitäts- und Plausibilitätskriterien teilen
Wenn wir über die Bedeutung von "Ratio/Vernunft" und "Plausibilität" sprechen, kann der Ausgangspunkt dafür doch nicht DEINE bzw. die momentane philosophische Mainstream-Definition sein: "Wir überlegen uns, was das ist - unter der Voraussetzung, dass es das ist, was ich meine". - Was soll das?

Nimm andere Begriffe wie "Bewusstsein" und "Geist": Ein Naturalist wird diese Begriffe ganz anders besetzen als ein spirituell-orientierter/christlicher Mensch. - Hoheit über den Stammtischen des heutigen Mainstream-Denkens kann doch keine Grundlage für anspruchsvolle ontologische/philosophische/theologische Gespräche sein. - Was ist hier denn los?

fin hat geschrieben:sondern produzierst nur mehr oder weniger sinnvolle Äußerungen ohne Anspruch auf Gültigkeit
Unter "Gültigkeit" meinst Du ausschließlich "Gültigkeit im Sinne DEINES weltanschaulichen Systems" - das ist in einer Grundsatz-Diskussion nicht nützlich.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn du Gott Rationalität und Vernunft zusprichst, dann bist offensichtlich DU es (ein Mensch), der ihm diese Eigenschaften zuspricht. WEIL du ein Mensch bist, ist diese Zusprechung von Eigenschaften ebenso offensichtlich anthropozentrisch.
Das ist IMMER so, weil der Mensch nur seine eigene Wahrnehmung und sein eigenes Res cogitans hat. - Aber es ist doch ein Unterschied, ob er mit diesen Einrichtungen zum Erkenntnis kommt, dass der Mensch das Maß des Urteils ist, oder zum Urteil kommt, dass der Mensch NICHT das Maß des Urteils ist.

Die Tatsache, dass das Seiende nur das (anthropozentrisch) thematisiert, wozu es in der Lage ist, sagt doch nichts darüber aus, ob das, was es thematisiert, anthropozentrischen Gesetzen/anthropozentrischer Vernunft folgt. - Christlich gesehen ist es gerade die ultimative Aufklärungs-/Lux-Arbeit, zu erkennen, dass der Mensch NICHT der Maßstab für das ist, was "ist".

So etwas kann man doch nicht sprachlich verwässern, indem man "anthropozentrisch" auf das Schicksal jeden Menschens ("Ich habe nur mich als Wahrnehmungsgröße") projeziert, den Begriff damit verbraucht, und dann keinen Platz mehr für die Frage hat, ob "Gott und die Welt" nach anthropozentrischer Thematisierungs-Fähigkeit funzt oder unabhängig davon bzw. nach einer uns nicht verstehbaren höheren Vernunft.

ODER: Man definiert "Vernunft" als rein anthropozentrische Größe (kann man) UND verzichtet folgerichtig darauf, über Naturalistisches hinausgehende Fragen damit beantworten zu können. - Dann aber ist "Vernunft" keine Adelung menschlichen Erkennens, sondern beschreibt lediglich ein geistig nicht weiter zu beachtendes Instrument für Alltagsfragen (wir hatten einen Professor, der dazu "Lebensnotdurft" gesagt hat). - Willst Du das?

Thaddäus hat geschrieben:Man ist doch kein Materialist, weil man davon ausgeht, dass Naturgesetze wirken und Tote nicht mehr lebend zurückkommen ...
Jeder Christ denkt genauso, weil er glaubt (siehe Descartes), dass die Natur keine Illusion ist und mit der Schöpfung auch Naurgesetze mitgegeben wurden. - Aber er weiß genauso, dass dies kann Muss ist, wenn Gott eingreift - das ist keine glühende Glaubensaussage, sondern nüchterner logischer Schluss, wenn man weiß, dass man im Grunde nichts weiß.

Wer garantiert Dir, dass Gott NICHT eingreift? - Was würdest Du tun, wenn Gott Dir beweisen würde, dass Tote lebend zurückkommen (davon abgesehen, dass es bei der Auferstehung um etwas anderes geht)? - Woher "weißt" das - außer über Deine weltanschauliche Glaubensentscheidung (siehe Descartes)?

Thaddäus hat geschrieben:Alles weitere ist ehrlich gesagt die Mühe einer Antwort nicht wert bzw. wurde bereits mehrfach beantwortet.
Es wurde im Rahmen Deines Denk-Systems beantwortet. - Das würde nichts machen, wenn Du nicht dem Irrtum aufsitzen würdest, dass Dein Denk-System das einzig wahre, redliche, anspruchsvolle, vernünftige wäre.

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#73 Re: Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

Beitrag von closs » So 2. Jul 2017, 16:22

fin hat geschrieben:Gott (jene sagenhafte übernatürliche Größe) ist - gemäß deiner Vorstellung - Urgrund und Ursprung der uns bekannten Welt, aber selbst nur bedingt greifbar. Das Spektrum reicht von der harten Gesteinswelt bis zum flüchtigen Gedanken, wobei du jene geistige Sphäre als originären schöpferischen Treibstoff betrachtest und nicht als Folgeerscheinung einer dinghaften Evolution.
Prinzipiell richtig - klarzustellen wäre, dass geistige Wahrnehmung biologisch-evolutionär getragen wird = ohne ausreichend leistungsfähiges Gehirn kann Vernunft nicht umgesetzt werden.

fin hat geschrieben:Wie ich bereits sagte, die Vernunft orientiert sich in erster Linie an der Ratio, an entsprechende Ordnungen und Regelwerke, die sich im/für den Alltag (Lebenserhalt) etabliert haben und über den Verstand eingesehen werden können.
Das kann man so definieren - dann wäre "Vernunft" so etwas Ähnliches wie ein Werkzeug zur Alltagsbewältigung. Kann ich echt mit leben - nur: So wird "Vernunft" in der philosophischen Kommunikation nicht dargestellt.

Wäre es "Aufklärung", wenn man "Vernunft" als "Werkzeug zur Alltagsbewältigung" versteht? - Wäre "Vernunft" überhaupt ein relevantes Wort, wenn es um die großen Fragen geht "Woher kommt der Mensch?"/"Was ist der Mensch?"/Wohin geht der Mensch?". - Ist die "vernünftige" Antwort "Aus dem Reagenzglas"/"Ein besonders gut entwickelter Trockennasenaffe"/"In den Boden oder ins Krematorium" ausreichend für solche Fragen?

Unter christlichen Gesichtspunkten ist "Vernunft" dagegen einer der höchsten überhaupt: Da ist eine für uns eine (gut begründbar) nicht verstehbare göttliche Vernunft (in der in der Tat AUCH unsere Vernunft "aufgehoben" ist und 1+1=2 gilt), aus der unser Vernunft-Vermögen ein Abbild ist. - Da hilft sogar Kant weiter: " In der Kritik der reinen Vernunft wird der Begriff im Sinne der göttlichen Vernunft (intellectus archetypus) verwendet im Gegensatz zur menschlichen Vernunft (intellectus ectypus). Durch die göttliche Anschauung und durch das Selbstverständnis Gottes seien alle Gegenstände selbst gegeben (KrV B 68, 72, 135, 138 f., 145, 159, 723). Die menschliche Vernunft (intellectus ectypus) sei nur diskursiv (begrifflich), nicht anschauend (Prolegomena § 57).- 'In der Kritik der reinen Vernunft wird der Begriff im Sinne der göttlichen Vernunft (intellectus archetypus) verwendet im Gegensatz zur menschlichen Vernunft (intellectus ectypus). Durch die göttliche Anschauung und durch das Selbstverständnis Gottes seien alle Gegenstände selbst gegeben (KrV B 68, 72, 135, 138 f., 145, 159, 723). Die menschliche Vernunft (intellectus ectypus) sei nur diskursiv (begrifflich), nicht anschauend (Prolegomena § 57). „Das Ideal [der reinen Vernunft] ist ihr [der Vernunft] das Urbild (Prototypon) aller Dinge, welche insgesamt als mangelhafte Kopien (ectypa) den Stoff zu ihrer Möglichkeit daher nehmen … (B 606)'. (zitiert aus wik)“

Wie auch immer: Ich verstehe wirklich (zumindest nach und nach), was hier von unterschiedlichen Foristen unter "Vernunft" und "plausibel" verstanden wird - aber es sollte nicht zu viel verlangt sein zu erkennen, dass diese Verständnisse jeweils in sich konsistent sein können - im Rahmen ihrer Vorannahmen. - Ich protestiere deshalb nicht gegen Werkbank-Definitionen von Vernunft oder sonstiges, sondern gegen den Anspruch "Nur wir sind konsistent", etc. - Das Gegenteil ist beweisbar.

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Thaddäus
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#74 Re: Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

Beitrag von Thaddäus » So 2. Jul 2017, 17:06

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Schon mit deiner Formulierung des von mir oben rot gesetzten Absatzes verpflichtest du dich zur Einhaltung gewisser Regeln, die dezidiert keine Vorannahmen darstellen (an die du erst glauben müsstest)!
Doch - weil ihnen ein gesetzter Vernunft- und Plausibilitäts-Verständnis zugrundeliegt
Mach' dich nicht vollends lächerlich ...
Du triffst also jedesmal einen Glaubensentscheid, wenn du sinnvolle Sätze schreibst und die Grammatik und Bedeutung der Wörter respektierst?

closs hat geschrieben:zur Erinnerung: "Vernunft" als anthropozentrisch-generierte Größe ist etwas anderes als als ontologische Größe.
Es gibt nur eine Vernunft wie es nur eine Rationalität gibt.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:der sinnvollen Verwendung der Wörter in diesem Absatz, indem du ihre im Deutschen gebräuchlichen Bedeutungen bzw. Defintionen akzeptierst
So einfach ist es nicht - als (ehemaliger) Linguist kann ich Dir sagen, dass es mehr als üblich ist, dass Worte semantisch unterschiedlich besetzt sind.
Und als aktive Linguistin kann ich dir sagen, dass sowohl die anderen User als auch ich deine Sätze und Wörter hier sehr gut verstehen, auch wenn deine behauptenden Aussagen meist nicht besonders vernünftig sind. Wir müssen nicht jedesmal nachfragen, was du mit welchem Wort meinst. Nur dann, wenn du willkürlich Begriffe umdeutest und versuchst, ihnen Bedeuteungen und Definitionen zu geben, die sie nicht haben.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Und wenn du hier argumentieren willst, dann musst du die für argumentative Auseinandersetzungen gültigen Rationalitäts- und Plausibilitätskriterien teilen
Wenn wir über die Bedeutung von "Ratio/Vernunft" und "Plausibilität" sprechen, kann der Ausgangspunkt dafür doch nicht DEINE bzw. die momentane philosophische Mainstream-Definition sein: "Wir überlegen uns, was das ist - unter der Voraussetzung, dass es das ist, was ich meine". - Was soll das?
Ich habe dir die Begründung oben genannt. Du musst sie nur lesen ...
Schon mit deiner Formulierung des von mir oben rot gesetzten Absatzes verpflichtest du dich zur Einhaltung gewisser Regeln, die dezidiert keine Vorannahmen darstellen (an die du erst glauben müsstest)! So verpflichtest du dich zur Einhaltung der grammatischen Regeln der deutschen Sprache (was dir oben allerdings nicht ganz gelingt), der sinnvollen Verwendung der Wörter in diesem Absatz, indem du ihre im Deutschen gebräuchlichen Bedeutungen bzw. Defintionen akzeptierst, zur begriffslogischen Konsistenz deines Gedankengangs in diesem Absatz und der Sprachlogik, weil der Text sonst nicht verständlich für andere wäre, zu der kommunikativen Gepflogenheit, deinen Gedanken an die User dieses Forums und alle Leser deiner Zeilen zu adressieren, in der Hoffnung, dass andere auf deine Aussagen eingehen, weil sie davon ausgehen können, dass du das willst usw.
Du widersprichst dir also unmittelbar, wenn du abstreitest, dich den rationalen Kriterien argumentativer Kommunikation schon bei deiner nächsten Antwort bedienen zu MÜSSEN.

closs hat geschrieben:Unter "Gültigkeit" meinst Du ausschließlich "Gültigkeit im Sinne DEINES weltanschaulichen Systems" -
Nein, damit meine ich, dass du keine Behauptungen mit dem Anspruch auf Gültigkeit formulieren kannst, wenn du das nicht innerhalb der rationalen Kriterien argumentativer Kommunikation tust. Denn die geben an, welche Aussagen Gültigkeit beanspruchen können und welche nicht. Das Minimum ist die Einhaltung logischer Konsistenz und Widerspruchsfreiheit deiner Aussagen.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Wenn du Gott Rationalität und Vernunft zusprichst, dann bist offensichtlich DU es (ein Mensch), der ihm diese Eigenschaften zuspricht. WEIL du ein Mensch bist, ist diese Zusprechung von Eigenschaften ebenso offensichtlich anthropozentrisch.
Das ist IMMER so, weil der Mensch nur seine eigene Wahrnehmung und sein eigenes Res cogitans hat.
Nein.
Das ist so, weil ...
Es ist klar, dass du als Mensch Gott nur solche Eigenschaften zusprechen kannst, von denen du selbst weißt, was für Eigenschaften das überhaupt sein sollen. Es macht keinen Sinn, Gott Eigenschaften zusprechen zu wollen, von denen man selbst nicht weiß, was das für Eigenschaften sein sollen. Also kannst du logischerweise Gott Rationalität und Vernunft nur in der Form, in der Defintion und mit dem Begriffsumfang zusprechen, wie du selbst Rationalität und Vernunft verstehst. Und das heißt: du sprichst Gott Eigenschaften zu, so wie du diese Eigenschaften verstehst, denn anders ist es logisch nicht denkbar.
Habe ich dir alles schon einmal geschrieben. Du nimmst es nur nicht zur Kenntnis.

closs hat geschrieben: Aber es ist doch ein Unterschied, ob er mit diesen Einrichtungen zum Erkenntnis kommt, dass der Mensch das Maß des Urteils ist, oder zum Urteil kommt, dass der Mensch NICHT das Maß des Urteils ist.
Der Mensch ist IMMER und STETS das Maß des Urteils, solange es Urteile über Aussagen sind, die von Menschen getroffen werden. Alles andere ist schon logisch nicht möglich.

closs hat geschrieben: Die Tatsache, dass das Seiende nur das (anthropozentrisch) thematisiert, wozu es in der Lage ist, sagt doch nichts darüber aus, ob das, was es thematisiert, anthropozentrischen Gesetzen/anthropozentrischer Vernunft folgt. - Christlich gesehen ist es gerade die ultimative Aufklärungs-/Lux-Arbeit, zu erkennen, dass der Mensch NICHT der Maßstab für das ist, was "ist".
Deshalb haben die Christen ja auch nicht recht. Und ehrlich gesagt ist das nur frommes Gerede, welches fundamentale logische Zusammenhänge nicht beachtet.

closs hat geschrieben: So etwas kann man doch nicht sprachlich verwässern, indem man "anthropozentrisch" auf das Schicksal jeden Menschens ("Ich habe nur mich als Wahrnehmungsgröße") projeziert, den Begriff damit verbraucht, und dann keinen Platz mehr für die Frage hat, ob "Gott und die Welt" nach anthropozentrischer Thematisierungs-Fähigkeit funzt oder unabhängig davon bzw. nach einer uns nicht verstehbaren höheren Vernunft.
Die Antwort hierauf ist wiederum:
Tatsächlich und faktisch ist es eine unleugbare Tatsache, dass du oder andere MENSCHEN Gott die EIGENSCHAFTEN der Rationalität und Vernünftigkeit lediglich ZUSPRECHEN könnt, was nichts anderes als eine metaphysische These ist, die damit vertreten wird. Trifft man diese Aussage, BEHAUPTET man etwas: nämlich das Gott diese Eigenschaften zukommen (und dass die irgendwie höher-dimensional seien, was immer das bedeuten soll).
Egal, wie du es drehst und wendest: DU bist es (als Mensch), der Gott die Eigenschaften ZUSPRICHT, rational und vernünftig zu sein. An dieser Tatsache ändert sich auch dann nichts, falls es tatsächlich einen Gott geben sollte, dem diese Eigenschaften tatsächlich zukommen, da du diese deine Überzeugung immer nur in irgendwelchen kommunikativen Prozessen aufstellen und vertreten kannst!

Es ist klar, dass du als Mensch Gott nur solche Eigenschaften zusprechen kannst, von denen du selbst weißt, was für Eigenschaften das überhaupt sein sollen. Es macht keinen Sinn, Gott Eigenschaften zusprechen zu wollen, von denen man selbst nicht weiß, was das für Eigenschaften sein sollen. Also kannst du logischerweise Gott Rationalität und Vernunft nur in der Form, in der Defintion und mit dem Begriffsumfang zusprechen, wie du selbst Rationalität und Vernunft verstehst. Und das heißt: du sprichst Gott Eigenschaften zu, so wie du diese Eigenschaften verstehst, denn anders ist es logisch nicht denkbar.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Man ist doch kein Materialist, weil man davon ausgeht, dass Naturgesetze wirken und Tote nicht mehr lebend zurückkommen ...
Jeder Christ denkt genauso, weil er glaubt (siehe Descartes), dass die Natur keine Illusion ist und mit der Schöpfung auch Naurgesetze mitgegeben wurden. - Aber er weiß genauso, dass dies kann Muss ist, wenn Gott eingreift - das ist keine glühende Glaubensaussage, sondern nüchterner logischer Schluss, wenn man weiß, dass man im Grunde nichts weiß.
Wenn du damit sagen willst, du rechnest jederzeit damit, das Gläser, die aus Händen rutschen auch nach oben fallen können und eine verstorbene Verwandte morgen wieder vor der Tür stehen könnte, dann verarschst du dich selbst, vor allem aber mich und die anderen User.

closs hat geschrieben: Wer garantiert Dir, dass Gott NICHT eingreift? - Was würdest Du tun, wenn Gott Dir beweisen würde, dass Tote lebend zurückkommen (davon abgesehen, dass es bei der Auferstehung um etwas anderes geht)? - Woher "weißt" das - außer über Deine weltanschauliche Glaubensentscheidung (siehe Descartes)?
Wenn Gott meine Tote Oma morgen an meine Tür klopfen lässt, dann bin ich äußerst erstaunt, weil es allen meinen Erfahrungen und der gesamten Menschheitserfahrung mit Verstorbenen widerspricht. Widerlegt wären diese Erfahrungen damit natürlich nicht.
Ich muss nicht erst mit einem Glaubensentscheid daran glauben, dass meine verstorbene Oma morgen nicht an meine Tür klopft und ich muss auch auch nicht erst an ein spezielles Weltbild glauben, um zu wissen, dass das nicht eintreten wird. Und schon gar nicht muss ich dafür descartianischer Rationalist sein.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Alles weitere ist ehrlich gesagt die Mühe einer Antwort nicht wert bzw. wurde bereits mehrfach beantwortet.
Es wurde im Rahmen Deines Denk-Systems beantwortet.
Ich habe rationale und vernünftige Antworten gegeben. Rationalität und Vernünftigkeit sind keine Denksysteme. Sie sind die Grundlage für konsistente Denksysteme.
Zuletzt geändert von Thaddäus am So 2. Jul 2017, 17:29, insgesamt 3-mal geändert.

Pluto
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#75 Re: Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

Beitrag von Pluto » So 2. Jul 2017, 17:22

closs hat geschrieben:Grundsätzlich: Man KANN nicht mit dem Inventarium unserer naturalistischen Erfahrungswelt "beweisen", dass etwaige Phänomene außerhalb "sind".
Das muss man auch gar nicht. Immer wieder versuchst du die Beweislast umzukehren!
Es genügt wenn man eine gesunde Portion Skepsis um Behauptungen eines Jenseits zu negieren. Dann muss der Behaupter die Existenz paranormaler Phänomene nachweisen.

closs hat geschrieben:Der kritisch-rationale Weg ist hier untauglich.
Das glaubst du auch noch zu wissen? :shock:
Nimm doch einfach die Methode deiner Wahl um zu zeigen, dass paranormale Phänomene existieren. Wenn du das nicht kannst, dann sind sie tatsächlich, wie Popper sagt, irrelevant.

closs hat geschrieben:Aber wir sind uns einig, dass es in der Alltags-Praxis keine Rolle spielt, weil jeder den Glauben hat, dass die Res extensae "echt" sind.
Nicht nur im Alltag, sondern unter allen Umständen sind sie echt. Es gibt weder eine Matrix noch einen missgünstigen Gott der alles simuliert.

closs hat geschrieben:Das ist ein Zirkelschluss. - Denn Du definierst "plausibel" so, dass eine Auferstehung nicht plausibel sein kann.
Nein. Siehe Absatz 1. oben. Es genügt eine gesunde Portion Skepsis um derartige Behauptungen zurückzuweisen.

  • What can be asserted without evidence can be dismissed without evidence.
    Was ohne Beleg behauptet werden kann, kann auch ohne Beleg verworfen werden.

    [Chrisopher Hitchens]

closs hat geschrieben:Insofern würde ich sagen: Die Auferstehung ist rational, plausibel, vernünftig, logisch konsistent und bei Kenntnis der Argumentationsgrundlage (Setzungen/Vorannahmen) intersubjektiv verständig (wollen wir Intelligenzfragen außen vorlassen - daran liegt es meistens nicht). - Und ich sage das nicht provokativ, sondern aus purer Erfahrung im Denken und in Gesprächen mit Philosophen und Theologen - geschweige denn, dass es auch so etwas wie einen geistigen Instinkt gibt, der ohne begrifflich fett untermalter intellektueller Argumentation einfach spürt und "weiß", was Sache ist.
Das ist wieder eine Aussage, die vollkommen aus der Luft gegriffen ist. Die Auferstehung ist weder rational erklärbar, noch plausibel oder vernünftig. Und... womit soll sie logisch konsistent sein?

closs hat geschrieben:Warum kann ich das sagen? - Weil ich die verwendeten Begriffe aus Deinem Denksystem/weltanschaulichen System in ein anderes rübergeholt habe - dort funktionieren diese Begriffe ganz genauso.
Die Begriffe sind nur dann tauglich, wenn man an sie glaubt.

closs hat geschrieben:Jetzt habt Ihr mit mir einem ein seltenes Exemplar :P der Spezies, die sowohl innen als auch außen denken können/wollen - und das schmeckt Euch nicht in Eurem geistigen Biedermeier.
Ich vermute eher das genaue Gegenteil. Du bist von deinem Glaubenssystem derart eingenommen, dass es jenseits deiner Sicht der Dinge nichts anderes geben darf und deshalb unfähig bist über den Tellerrand hinaus zu blicken um zu sehen, wie die Welt wirklich funktioniert.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Novas
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#76 Re: Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

Beitrag von Novas » So 2. Jul 2017, 18:22

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Aber wir sind uns einig, dass es in der Alltags-Praxis keine Rolle spielt, weil jeder den Glauben hat, dass die Res extensae "echt" sind.
Nicht nur im Alltag, sondern unter allen Umständen sind sie echt. Es gibt weder eine Matrix noch einen missgünstigen Gott der alles simuliert

Doch. Allerdings ist es ein barmherziger Gott. An den Missgünstigen glauben nur Atheisten, um dann gegen ihn zu sein :) selbst ein Atheist muss zugeben, dass nur eine nahezu wundersame Verkettung von Zufällen das Leben im Universum ermöglicht. In der islamischen Mystik heißt es, dass alles, was existiert, nichts anderes darstellt als den Atem des Allbarmherzigen (nafas ar-Raḥmān)

Ibn Arabi ist einer der größten Philosophen während der „Hochzeit” in Andalusien, in der Judentum, Islam und Christentum Jahrhunderte friedlich in Spanien existierten. Er wurde der größte Meister genannt und gilt als einflussreichster Mystiker des Islam. In Mekka wurde er inspiriert, die sog. „Mekkanischen Eröffnungen” niederzuschreiben. In diesem Werk wird das Verhältnis zwischen Gott, Mensch und Welt deutlich. Hier spricht er von der anfänglichen Urwolke, aus der sich die Schöpfung vollzog und von der Zwischenwelt, der Allseele, der Imagination durch geistige Berührung.

Ibn Arabi differenziert die Zwischenwelt in

barzah: Das ist der Bereich zwischen 2 Dingen wie Sein und Nichtsein, Geist und Körper, oder Diesseits und Jenseits.
al-barzah al-ala: Dies ist etwa gleichbedeutend mit dem Atem des Allbarmherzigen, der Urwolke.
Ibn Arabi spricht auch nicht unmittelbar von der Weltseele, sondern von der Allseele und unterscheidet die Formen in elementare und luminöse Formen, die von Geistwesen verwaltet werden. Der ursprüngliche Geist heißt bei ihm der erste Intellekt. Dieser sowie die Allseele gehören zu den aus dem Licht der Majestät Gottes geschaffenen luminösen Körpern (auch Cherubim genannt).

Im Islam wird dieser Schöpfungsprozess in Koranversen als „Schreibrohr und Tafel” umschrieben, wobei das Schreibrohr dem Geistigen entspricht und die Tafel die Allseele ist. Beides sind von Gott geschaffene Mittel zur Hervorbringung des gesamten Universums.

http://stiftung-rosenkreuz.org/blog/wel ... pler-bach/


Solch eine Beschreibung kommt mir deutlich sinnvoller und vernünftiger vor, als das große Ganze auf ein paar wundersame Zufälle zurück zu führen.

Johannes Kepler 1571 – 1630

Johannes Kepler, der dem Tübinger Kreis nahestand und zu den Rosenkreuzern vor 400 Jahren zu zählen ist, war der Entdecker der Planetenbewegungsgesetze. Er bemühte sich ernsthaft, die Astrologie wieder auf ein sicheres wissenschaftliches Fundament zu stellen. Er untermauerte sie mit philosophischen Erwägungen. Kepler war nicht nur Mathematiker und Astronom sondern auch Philosoph, Mystiker und Harmoniker. Er betrachtete die Erde und die Planeten nicht als rein materielle Weltkörper (wie die heutige Astronomie), sondern als große kosmische Organismen. Die Erde ist ein pulsierendes Lebewesen. Sie besitzt einen Leib, der meteorologischen Einflüssen ausgesetzt ist und eine Seele besitzt, die empfindsam reagiert auf Konstellationen der Planeten, des Mondes und der Sonne. Meteorologie war übrigens im alten Griechenland die Wissenschaft, die überirdische Dinge und Himmelskörper untersuchte.
Erdseele nennt Kepler den Erd-Herrscher, wie vor ihm Paracelsus, der die Weltseele als „Archaeus Terrae” bezeichnete.
Wörtlich formulierte Kepler: Die ganze Schöpfung bildet in der Anordnung der Gedanken, des Geistes und der stofflichen Wesen eine wunderbare Symphonie. Alles wird durch gegenseitige unauflösliche Beziehungen gehalten und verbunden. Alles bildet ein zusammenklingendes Ganzes. In Gott ist dieselbe Harmonie, denn Gott hat uns nach seinem Bilde erschaffen und uns den Gedanken und das Gefühl der Harmonie gegeben. Kepler legte seinen astronomischen Forschungen die Vorstellung existierender Sphärenharmonien zugrunde. Eine Schrift Keplers heißt „Harmonice mundi”. Alles was besteht, ist belebt und beseelt, weil alles harmonisch miteinander verbunden und verknüpft ist. Deutlich wird hier das pansophistische Denken Keplers.

Auf Keplers Grabstein steht:

Himmel durchmaß mein Geist
Nun mess ich die Tiefen der Erde
Ward mir vom Himmel der Geist
Ruht hier der irdische Leib.

Was ist die richtige Form der Harmonie? Lässt sich das sagen? Über die richtige Form lässt sich sicher streiten. Dennoch gibt es eine harmonische Grundregel, die uns aus Urzeiten überliefert ist und die ganz erstaunlich viele Menschen sagen lässt: Das ist stimmig! Dazu ist es nicht nötig die Grundregel zu kennen. Es ist der sog. „Goldene Schnitt”, der in der Natur, der Architektur, der Mathematik und in der Malerei aber auch in der Musik erkennbar ist

Es gab zu allen Zeiten Einzelne, welche diese Zusammenhänge verstanden haben. Solche Menschen bewirkten damals die Renaissance.
Zuletzt geändert von Novas am So 2. Jul 2017, 18:56, insgesamt 1-mal geändert.

closs
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#77 Re: Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

Beitrag von closs » So 2. Jul 2017, 18:54

Thaddäus hat geschrieben:Du triffst also jedesmal einen Glaubensentscheid, wenn du sinnvolle Sätze schreibst und die Grammatik und Bedeutung der Wörter respektierst?
Du verdrehst. - Wenn ich weiß, dass die Bedeutung eines Wortes je nach weltanschaulicher Ausrichtung unterschiedlich ist, kann ich nicht einfach dichtmachen, indem ich die Bedeutung auf Basis MEINES gesetzen Verständnisses als alternativlos setze.

Thaddäus hat geschrieben:Es gibt nur eine Vernunft wie es nur eine Rationalität gibt.
Die Frage ist, was das ist. - Woher willst Du sicher sein, dass Deine anthropozentrische Definition sicher ist? - Sogar Kant sieht das anders: " In der Kritik der reinen Vernunft wird der Begriff <hier ist vom 'Archetyp' die Rede> im Sinne der göttlichen Vernunft (intellectus archetypus) verwendet im Gegensatz zur menschlichen Vernunft (intellectus ectypus). Durch die göttliche Anschauung und durch das Selbstverständnis Gottes seien alle Gegenstände selbst gegeben (KrV B 68, 72, 135, 138 f., 145, 159, 723). Die menschliche Vernunft (intellectus ectypus) sei nur diskursiv (begrifflich), nicht anschauend (Prolegomena § 57)."(wik)

Welche Vernunft meinst DU? Intellectus archetypus oder Intellectus ectypus? - Wie auch immer und worauf ich hinaus will: Woher willst Du wissen, dass Du mit DEINEM Vernunft-Vermögen göttliche Vernunft als solche wahrnehmen kannst?

Thaddäus hat geschrieben:Mach' dich nicht vollends lächerlich ...
Weißt Du: Das mag ich an Dir NICHT. - Du springst zu kurz und machst das lächerlich, was über Dein System hinausdenkt.

Thaddäus hat geschrieben:Nur dann, wenn du willkürlich Begriffe umdeutest und versuchst, ihnen Bedeuteungen und Definitionen zu geben, die sie nicht haben.
Die sie im heutigen Mainstream-Verständnis nicht haben - aber dieses kann doch nicht Grundlage einer philosophischen Diskussion sein.

Zur Erinnerung: Worte wie "Geist", "Bewusstsein", "Vernunft", etc. können je nach Weltanschauung semantisch ganz unterschiedlich besetzt sein. - Es reicht doch nicht, auf heutiges Alltagsverständnis oder sogar heute vorherrschendes philosophisches Verständnis zu verweisen. - Damit werden doch die eigentlichen Fragen nicht beantwortet.

Thaddäus hat geschrieben:Ich habe dir die Begründung oben genannt. Du musst sie nur lesen ...
Heute modisch-gebräuchliche Bedeutungen reichen eben NICHT.

Thaddäus hat geschrieben:Das Minimum ist die Einhaltung logischer Konsistenz und Widerspruchsfreiheit deiner Aussagen.
Die Aussagen sind selbstverständlich logisch konsistent und widerspruchsfrei - es sei denn, man prüft sie über modisch-gebräuchliche Bedeutungen. - Ein Philosoph sollte es sich doch nicht leisten, über erworbene Sprachhoheiten weltanschaulich ungewünschte Fragestellungen zu eliminieren.

Thaddäus hat geschrieben:Also kannst du logischerweise Gott Rationalität und Vernunft nur in der Form, in der Defintion und mit dem Begriffsumfang zusprechen, wie du selbst Rationalität und Vernunft verstehst.
Falsch - Deine Argumentationsführung ist falsch. - Man kann die eigene Ratio/Vernunft auf menschlicher Ebene reflektieren und postulieren, dass eine höhere Wahrnehmungs-Ebene eine höhere Form von Ratio/Vernunft hat, die wir als Menschen NICHT verstehen.

Es gibt da einfachste Bilder, die sogar in Schulen gebräuchlich sind: Da ist ein Mensch in der 2D-Welt in einer Gefängnis-Zelle, die außer der Tür keinen Zugang hat. Vor dieser Tür sitzt eine 2D-Wärter. - Nachts wird der 2D-Häftling von einem 3D-Typen befreit, indem dieser jenen nach oben heraushebt. - Am nächsten Tag schaut der 2D-Wärter in die Zelle und findet den Häftling nicht vor - und kann sich das mit seiner Vernunft nicht erklären. - Sein 3D-Kollege kann es sich sehr wohl erklären.

Wir sind jetzt 3D-Leute. - Was steht dagegen, dieses 2D-3D-Beispiel, das wir vernünftig begreifen können, auf ein 3D-(3+n)D-Modell zu übertragen? - Nichts steht dagegen. - Und wenn wir es tun, wissen wir, dass es etwas geben kann, was wir in höherer Dimension mit unserer Vernunft nicht verstehen, obwohl es vernünftig ist. - So ähnlich versteht man theologisch "Gott".

Thaddäus hat geschrieben:Der Mensch ist IMMER und STETS das Maß des Urteils, solange es Urteile über Aussagen sind, die von Menschen getroffen werden. Alles andere ist schon logisch nicht möglich.
Um so wichtiger ist es doch, dass der Mensch als Maß des anthropozentrischen Urteils ("Ich habe nichts als mich") erkennt, dass dieses Maß nicht entscheidend ist für das, was "ist".

Das ist doch gerade die christliche Grundaussage, dass der Mensch seinen Anthropozentrismus erkennend in das aufheben lässt, was "ist" - also dem Sein den Vorrang vor seinem anthropozentrischen Urteil darüber gibt. - Ist dieser Gedanke wirklich so weit weg von Deinem System, dass er nicht verständlich sein kann?

Thaddäus hat geschrieben:Deshalb haben die Christen ja auch nicht recht. Und ehrlich gesagt ist das nur frommes Gerede, welches fundamentale logische Zusammenhänge nicht beachtet.
Puuh - wenn DAS Deine Weltanschauung ist, hast Du noch einen langen Weg vor Dir.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn du damit sagen willst, du rechnest jederzeit damit, das Gläser, die aus Händen rutschen auch nach oben fallen können und eine verstorbene Verwandte morgen wieder vor der Tür stehen könnte, dann verarschst du dich selbst, vor allem aber mich und die anderen User.
Wenn ich das täte, hättest Du ausnahmsweise mal recht. - Aber Du hast überhaupt nicht verstanden, was ich geschrieben hatte:
Closs hat geschrieben:Jeder Christ denkt genauso, weil er glaubt (siehe Descartes), dass die Natur keine Illusion ist und mit der Schöpfung auch Naurgesetze mitgegeben wurden.
Das ist der Normalfall, an den man sich getrost halten kann.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn Gott meine Tote Oma morgen an meine Tür klopfen lässt, dann bin ich äußerst erstaunt, weil es allen meinen Erfahrungen und der gesamten Menschheitserfahrung mit Verstorbenen widerspricht.
Keine Angst - es wird mit Wahrscheinlichkeit nahe 1 nicht passieren. - Sogar Jesus erschien den Jüngern, indem er durch die geschlossene Tür hereinkam, aber gleichzeitig seine Wunden berührt werden konnten - also nicht so, wie irdisch üblich.

Trotzdem: WENN Materie aus Geist ist (das sagen mindestens die drei abrahamitischen Religionen), ist es möglich. - Wenn man dagegen setzt, dass Geist genuin aus Materie ist, kann man es ausschließen.

Thaddäus hat geschrieben:Rationalität und Vernünftigkeit sind keine Denksysteme. Sie sind die Grundlage für konsistente Denksysteme.
Bezüglich dieser Begriffe ist zwischen uns so viel offen, dass diese Fragen nicht diskutierbar sind.

Novas
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#78 Re: Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

Beitrag von Novas » So 2. Jul 2017, 19:08

Was ist Spiritualität? Es ist der Klang der Weltenseele, der durch das Licht der individuellen Seele des Menschen reflektiert wird. Die Morgendämmerung des Logos, die im Herzen glüht und Feuer fängt in einer Welt voller Erblindeter.

Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht ergriffen Johannes 1,5.

Bild
Die Schule von Athen, Wandfresco von Raffael, 1509–1510

Pluto
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#79 Re: Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

Beitrag von Pluto » So 2. Jul 2017, 19:27

Novalis hat geschrieben:Doch. Allerdings ist es ein barmherziger Gott. An den Missgünstigen glauben nur Atheisten, um dann gegen ihn zu sein :)
Dass das Unsinn ist, weißt du genau. Ein barmherziger Gott würde die Menschen nicht täuschen.


Novalis hat geschrieben:Ibn Arabi
[...]
Johannes Kepler
Du scheinst dich in der Vergangenheit wohler zu finden als in der Gegenwart.

Novalis hat geschrieben:Es gab zu allen Zeiten Einzelne, welche diese Zusammenhänge verstanden haben. Solche Menschen bewirkten damals die Renaissance.
In der Moderne ist kein Platz mehr für Träumereien dieser Art. Die Menschen von heute verstehen solche Zusammenhänge sehr wohl. Das wussten schon die alten Philosophen.

Sieh nicht nach oben; erwarte keine Antwort.
Bete nicht; Keiner hört das Gebet.
'Nah' ist so nah bei Gott wie jedes 'fern'
und hier ist derselbe Schwindel wie dort.

Glaubt ihr, dass Menschen wie ihr es seid
mit den Gedanken einer Made
von Gott erhielten eine besond're Gabe
die mir verwehrt? — In dem Gedanken bleibt!


Aus den Rubaiyat des Omar Khayam [1048 - 1123]
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Lena
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#80 Re: Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

Beitrag von Lena » So 2. Jul 2017, 19:46

Hoffnungslos.

Wie viele Menschen haben unendlich schweres durch den Glauben ertragen können.
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

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