Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

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Thaddäus
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#51 Re: Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

Beitrag von Thaddäus » So 2. Jul 2017, 00:06

closs hat geschrieben:Tust Du NICHT, weil man nicht mit den eigenen weltanschaulichen Annahmen Hypothesen auf Basis anderer Weltanschauungen widerlegen kann.
Ich treffe keine weltanschaulichen Annahmen, im Gegensatz zu dir.
Deshalb sind meine Argumente auch verständlich und intersubjektiv nachvollziehbar und deine nicht.

closs hat geschrieben: Du musst nur EINE Frage beantworten: Ist "Vernunft" anthropozentrisch oder ein ontologisch gemeint?
Solange du meine Argumentation nicht widerlegt hast, werde ich sie wiederholen, bis du es tust. Darin steht nämlich alles, was die Antwort ausmacht.

Tatsächlich und faktisch ist es eine unleugbare Tatsache, dass du oder andere MENSCHEN Gott die EIGENSCHAFTEN der Rationalität und Vernünftigkeit lediglich ZUSPRECHEN könnt, was nichts anderes als eine metaphysische These ist, die damit vertreten wird. Trifft man diese Aussage, BEHAUPTET man etwas: nämlich das Gott diese Eigenschaften zukommen (und dass die irgendwie höher-dimensional seien, was immer das bedeuten soll).
Egal, wie du es drehst und wendest: DU bist es (als Mensch), der Gott die Eigenschaften ZUSPRICHT, rational und vernünftig zu sein. An dieser Tatsache ändert sich auch dann nichts, falls es tatsächlich einen Gott geben sollte, dem diese Eigenschaften tatsächlich zukommen, da du diese deine Überzeugung immer nur in irgendwelchen kommunikativen Prozessen aufstellen und vertreten kannst!

Es ist klar, dass du als Mensch Gott nur solche Eigenschaften zusprechen kannst, von denen du selbst weißt, was für Eigenschaften das überhaupt sein sollen. Es macht keinen Sinn, Gott Eigenschaften zusprechen zu wollen, von denen man selbst nicht weiß, was das für Eigenschaften sein sollen. Also kannst du logischerweise Gott Rationalität und Vernunft nur in der Form, in der Defintion und mit dem Begriffsumfang zusprechen, wie du selbst Rationalität und Vernunft verstehst. Und das heißt: du sprichst Gott Eigenschaften zu, so wie du diese Eigenschaften verstehst, denn anders ist es logisch nicht denkbar.

closs
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#52 Re: Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

Beitrag von closs » So 2. Jul 2017, 00:25

Thaddäus hat geschrieben:Ich treffe keine weltanschaulichen Annahmen, im Gegensatz zu dir.
Der Unterschied zwischen Dir und mir ist, dass ich meine Weltanschauung kenne und weiß, welche meiner Äußerungen ihr geschuldet sind. - Ein weiterer Unterschied ist, dass ich in verschiedenen Weltanschauungen denken kann, weshalb ich Deine Argumente sehr wohl respektieren kann, weil sie im Sinne Deiner Weltanschauung folgerichtig sind. - Das geht Dir zur Zeit noch ziemlich ab.

Thaddäus hat geschrieben:Solange du meine Argumentation nicht widerlegt hast, werde ich sie wiederholen, bis du es tust. Darin steht nämlich alles, was die Antwort ausmacht.
Aus Deiner Argumentation würde man schließen, dass aus Deiner Sicht "Vernunft" eine anthropozentrische Größe ist - ich hätte halt gerne, dass Du eine solche kurze Aussage mit einem JA bestätigst.

Wenn ich bis auf Widerruf von Deinem JA ausgehen darf, heißt dies, dass ich "Vernunft" als ontologische Größe verstehe. Demnach wäre menschliche Vernunft eine dem menschlichen Vermögen angemessene Ausdrucksform dieser ontologischen Größe. - Christlich gesehen wäre diese ontologische Größe gleichzusetzen mit Gott.

Solchen extremen weltanschaulichen Unterschieden ist nicht mit System-Spielchen wie "Widerlege mich in MEINEM weltanschaulichen System" beizukommen. - Hier wäre eher die Frage: Welche Fragen können von dem einen und dem anderen Vernunft-Begriff gelöst werden und welche nicht. - Eine inhaltliche Diskussion könnte also hiermit beginnen, nachdem die (unterschiedlichen) Grundlagen klar benannt sind.

Mal ganz nebenbei: Vielleicht sollten wir uns mal der Übung des "Advocatus diabolus" befleißigen - es ist sehr heilsam, sich der Argumente der anderen Seite bedienen zu müssen. ;)

Novas
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#53 Re: Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

Beitrag von Novas » So 2. Jul 2017, 00:51

Thaddäus hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:
Und wir haben erkannt und geglaubt die Liebe, die Gott zu uns hat: Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. (1Joh 4,16)

Ich habe alle Religionen studiert und bin immer wieder auf diese Aussage zurück gekommen. Auf dieser Basis betreibe ich auch Religionskritik, wenn Religion dem Geist der Liebe nicht gerecht wird. Viele Muslime glauben an Gott als den großen Erbarmer, den Gerechten, Barmherzigen und Liebevollen, der alle Dinge mit seiner Liebe umfasst, ihre Existenz ermöglicht und erhält. Al-Wadud, der Liebevolle, der alles mit seiner Liebe Umfassende, ist für sie einer der 99 schönen Namen Gottes. Die islamischen Mystiker, die Sufis nennen Gott meistens einfach "der Geliebte". Das akzeptiere ich sofort, weil es im Einklang mit dem jesuanischen Gottesverständnis ist.

Bild
Jedenfalls ist dies ein schöner Gedanke, dem ich jederzeit folgen kann. Die Welt wäre eine bessere und schönere, wenn alle Menschen diesem Gedanken folgen würden

Ich halte es für möglich, dass sich das irgendwann universal durchsetzen wird :thumbup: dahingehend stimme ich den Worten von Martin Luther King zu: »Der Bogen des moralischen Universums ist weit, aber er neigt sich Richtung Gerechtigkeit.« ~ ich traue es der Menschheit zu, dass sie das Zeitalter der Reife und Vereinigung der Menschheit erreichen wird. Die geistigen Grundlagen dafür gibt es bereits. Die Technologie ebenfalls, denn das Internet ist ein sehr machtvolles Instrument, wenn es mit Bewusstheit benutzt wird.

Ich selbst bin davon überzeugt, dass Gott die Idee des Menschen ist, dass es etwas gibt, welches größer ist als er selbst. Ich glaube - denn beweisen lässt es sich nicht -, dass die Menschen damit unbewusst eine regulative Idee erschaffen haben (ganz im Sinne Kants), die verhindern soll, dass er einem psychischen Größenwahn verfällt: nämlich einem grenzenlosen - und deshalb gefährlichen - Narzissmus. In den Mythologien der Welt, scheint mir das immer wieder zum Ausdruck gebracht zu werden

Richtig, das ist ein sehr gutes Argument dafür. Namensgeber für die “narzisstische Persönlichkeitsstörung” (narcissistic personality disorder) ist der Halbgott Narziss (griechisch Νάρκισσος, Narkissos) aus der griechischen Mythologie, der Verehrerinnen hochmütig abwies und sich zur Strafe in sein eigenes Spiegelbild im Wasser verliebte, worin er schließlich ertrank.

Als Narziss eines Tages an einer klaren Quelle seinen Durst stillen wollte, beugte er sich über das Wasser und erblickte darin das Bild eines wunderschönen Jünglings. Er war entzückt von diesem Anblick, konnte aber nicht erkennen, dass er es selbst war und verliebte sich in das Bild. Bei dem Versuch, sich dem geliebten Gesicht im Wasser zu nähern, sich mit seinem Ebenbild zu vereinen, beugte er sich voller Liebesschmerz immer tiefer und tiefer über das Wasser bis er in den See stürzte und ertrank.
Quelle

Jede wahre Religion will uns zu dem Verständnis führen, dass wir den Sinn des Lebens nicht allein, in Vereinzelung, sondern nur miteinander finden können. Das Individuum ist wie eine Zelle innerhalb des kollektiven Körpers der Menschheit. Ein Mensch mit einer narzisstischen Störung gleicht der Krebszelle, die aufhört mit den anderen Zellen - basierend auf der natürlichen Intelligenz - zusammen zu arbeiten und stattdessen einen Tumor bildet, der den ganzen Körper bedroht. Narzissmus ist auf der geistigen und moralischen Ebene, was der Krebs auf der physischen Ebene ist. Das positive Gegenbild ist die Spirituelle Intelligenz des Menschen: Integrale Spiritualität: Spirituelle Intelligenz rettet die Welt. Die fortschreitende Globalisierung stellt uns vor die Herausforderung unsre spirituelle Intelligenz zu entwickeln, wenn die Menschheit auf dieser Erde überleben will.

Institutionen wie die christlichen Kirchen oder religiöse Strömungen wie der Wahabismus u.a. machen daraus aber einen institutionellen Murks


Ja, da ist etwas Wahres dran. Religion, wenn sie richtig verstanden wird, ist nicht nur irgendein Glaubenssystem - also eine Abstraktion, die dann dem Leben übergestülpt wird - sondern sie ist der Weg des Leben selbst, seiner wahren Bedeutung nach eher vergleichbar mit dem Versuch eines Lao Tse im Einklang mit dem Tao zu leben. Das „Tao“ ist in der chinesischen Weisheitslehre der Weg des Lebens, mit dem wir zu kooperieren und uns zu ergeben haben, wenn wir glücklich und im Frieden leben wollen. Soetwas lässt sich jedoch nicht institutionalisieren.

LAO-TSE TAO TÊ KING

XXV

Es gibt ein Wesen, unbegreiflich, vollkommen, vor Himmel und Erde entstanden.

So still!, so gestaltlos!

Es allein beharrt und wandelt sich nicht. Durch alles geht es und gefährdet sich nicht. Man kann es ansehen als der Welt Mutter. Ich kenne nicht seinen Namen.

Bezeichne ich es, nenne ich es: Tao.
Bemüht, ihm einen Namen zu geben, nenne ich es: Groß.

Als groß nenne ich es: Fortgehen,
Als fortgehen nenne ich es: Entfernt,
Als entfernt nenne ich es: Zurückkehren.

Denn Tao ist groß, der Himmel ist groß, die Erde ist groß, der König ist auch groß.

In der Welt gibt es vier Große, und der König ist von ihnen einer.

Des Menschen Richtmass ist die Erde, der Erde Richtmass ist der Himmel, des Himmels Richtmass ist Tao, Taos Richtmass ist sein Selbst.


Das Tao wird als die Mutter aller Dinge bezeichnet, so wie Gott als der mütterlich lebengebende Urgrund aller Dinge bezeichnet wird. Der arabische Begriff für Gnade ist Rahmah und das Wort für Gebärmutter ist Rahiem. Die göttliche Barmherzigkeit wird mit der Gebärmutter verglichen, die das ungeborene Kind im Bauch der Mutter ernährt und behütet. Die Basmala lautet: بسم الله الرحمن الرحيم / bismi ʾllāhi ʾr-raḥmāni ʾr-raḥīmi / ‚Im Namen des barmherzigen und gnädigen Gottes‘. Ar-rahman („der Barmherzige“) und ar-rahim („der Gnädige“) sind auch die ersten beiden der 99 Namen Allahs. Im Koran lesen wir:

»Allah ist es, der das Korn und den Dattelkern keimen lässt. Er bringt das Lebendige hervor aus dem Toten, und Er ist der Hervorbringer des Toten aus dem Lebendigen«
(6:96).
Es spielt keine Rolle ob wir diese mütterliche Lebensquelle, als Universelles Bewusstsein, Großer Geist, Allah, den Schöpfer, Gott, Yahweh, Brahman, Ishvara, das Tao oder irgendwie anders bezeichnen, denn es ist immer der selbe Ur-Grund allen Seins, aus dem alles Leben stammt, und Liebe ist immer das Weltbaugesetz, die bewegende Kraft des Universums.
Zuletzt geändert von Novas am So 2. Jul 2017, 04:09, insgesamt 5-mal geändert.

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Thaddäus
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#54 Re: Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

Beitrag von Thaddäus » So 2. Jul 2017, 00:56

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Ich treffe keine weltanschaulichen Annahmen, im Gegensatz zu dir.
Der Unterschied zwischen Dir und mir ist, dass ich meine Weltanschauung kenne und weiß, welche meiner Äußerungen ihr geschuldet sind. - Ein weiterer Unterschied ist, dass ich in verschiedenen Weltanschauungen denken kann, ...
Ich habe hieauf bereits ausführlich geantwortet und dich widerlegt ...

Weder mache ich für meine obige Analyse die Vorannahme eines naturalistischen Wirkungszusammenhangs oder der Unmöglichkeit von Wundern, noch fordere ich solches. Meine obige Analyse hat bestand, egal welche Annahmen man diesbezüglich macht. Und selbst wenn ich deine unterstellten Vorannahmen machen würde, handelte es sich nicht um Glaubensentscheide, sondern um selbst wieder Plausibilitätskriterien unterliegenden Basisannahmen, die rational begründet würden, aber keinesfalls auf Glaubensannahmen beruhen würden (wie das bei der kanonischen Exegese nachweislich der Fall ist).

Du triffst dagegen den Glaubensentscheid, die christlichen Schriften müssten wegen der heilsgeschichtlichen Wirkung von Jesus als Erlöser und Gottessohn als Dogma der katholischen Tration als einheitlicher Kanon interpretiert werden. Du trifft diesen Glaubensentscheid faktisch, da du die kanonische Exegese für deine Interpretation in Anschlag bringst und kanonische Exegese ohne den entsprechenden Glaubensentscheid nicht angewendet werden KANN!

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fin
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#55 Re: Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

Beitrag von fin » So 2. Jul 2017, 00:59

-- Tricks --

closs hat geschrieben:
fin hat geschrieben:Lieber closs, eine göttliche Vernunft ins Spiel zu bringen, welche die menschliche Vernunft übersteigt, weil sie göttlich ist, was auch immer man darunter verstehen mag, dies scheint mir ein fragwürdiges Spiel
Wenn menschliche Vernunft von göttlicher Vernunft überstiegen wird, heißt das nicht, dass dann der Satz 1+1=2 nicht mehr gilt.
Meine Rede.

closs hat geschrieben: Ein Beispiel: Stelle Dir zwei Halbkugeln vor - sie haben jeweils eine Kreisfläche. - Klappt man beide Halbkugeln zusammen, sind diese Kreisflächen "aufgehoben" im Sinne von "außer Kraft gesetzt" (sie sind "weg"), aber auch "bewahrt" - sie sind sofort wieder da, wenn man die Halbkugeln wieder aufklappt - also nichts verloren. (...)
Closs, du konstruierst einen willkürlichen Vorgang, eine Art Taschenspielertrick, wie die Hütchenspieler, die in Berlin die Touris abzocken ...

Klar, die 'sheeples' durchschauen den Betrug in aller Regel nicht, aber nicht darum, weil es ihre Vernunft übersteigt, sondern weil sie mit den wahren Vorgängen nicht vertraut sind. Die Vernunft und ihre Prinzipien bleibt aber eine eigenständige Größe, für sheeples, Hütchenspieler und alle göttlichen Halbkreise - auch der dritten Art :D !

Bild
http://www.huetchenspieler.info/css/ima ... pieler.jpg

closs hat geschrieben:
fin hat geschrieben:Warum sollte die göttliche Vernunft davon abweichen?
Wer sagt, dass sie davon abweicht? - Die Aussage ist, dass sie für unsere Vernunft-Wahrnehmung nicht erkennbar ist ...

Closs, auch wenn irgendwelche Vorgänge 'verdeckt' ablaufen oder sich der Wahrnehmung entziehen, bleibt die Vernunft das, was sie ist. Ich meine ...

fin hat geschrieben:Vernunft ist von Vernunft begleitet, handelt vernünftig und wird als solche (von der Vernunft) erkannt.

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#56 Re: Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

Beitrag von closs » So 2. Jul 2017, 01:20

Thaddäus hat geschrieben: Und selbst wenn ich deine unterstellten Vorannahmen machen würde, handelte es sich nicht um Glaubensentscheide, sondern um selbst wieder Plausibilitätskriterien unterliegenden Basisannahmen, die rational begründet würden
"Plausibilitätskriterien" SIND Glaubensentscheide, weil "Plausibilität" einer "Kalibrierung" bedarf, woran gemessen sie erst plausibel sein kann. - Beispiel:

Für einen Materialisten ist die leibliche Auferstehung Jesu historisch unplausibel, weil er von einem naturalistischen Wirkungszusammenhang der Historie ausgehen muss. - Für eine Christen ist die leibliche Auferstehung Jesu historisch plausibel, weil er von der natürlichen Welt als gottgeschaffenes Phänomen asugehen muss. - Beide Weltanschauungen sind rational/vernünftig begründbar - wenn man Vernunft als eine ontologische Größe versteht (Vernunft = "wichtigstes Mittel der geistigen Reflexion" - wik).

Thaddäus hat geschrieben:Du trifft diesen Glaubensentscheid faktisch, da du die kanonische Exegese für deine Interpretation in Anschlag bringst und kanonische Exegese ohne den entsprechenden Glaubensentscheid nicht angewendet werden KANN!
Davon abgesehen, dass ich selbst gar nicht weiß, ob die kanonische Exegese MEINE favorisierte Exegese ist, hast Du recht. - Aber das gilt für Dich genauso: Deine Glaubensentscheidung besteht u.a. darin, dass Du die Bibel so interpretierst, als gäbe es einen naturalistischen Wirkungszusammenhang der Geschichte (keine leibliche Auferstehung historisch möglich) und als könnte der Mensch mit seiner Vernunft göttliche Vernuft erkennen, also auch erkennen, wenn Gott NICHT vernünftig ist. - Du bestreitest das zwar hin und wieder, argumentierst aber so.

Thaddäus hat geschrieben:Ich habe hieauf bereits ausführlich geantwortet und dich widerlegt ...
Du meinst fälschlich, es widerlegt zu haben, weil Du DEINE Kalibrierungen/Vorannahmen als gegeben ansiehst und ignorierst dabei, dass ich andere Kalibrierungen/Vorannahmen habe. - Du widerlegst also MEIN Denksystem innerhalb DEINES Denksystems - das ist Inzucht.

Ich dagegen mache das NICHT, weil mir Dein System inzwischen halbwegs klar ist und ich deshalb in etwa den Gedankengängen Deines Systems folgen kann - in diesem Sinne sind Deine Gedanken folgerichtig, aber nicht notwendig wahr - sie können sogar ganz falsch sein, weil "wahr" und "falsch" sich üblicherweise nicht an Argumentations-Geschick entscheiden, sondern an den Kalibrierungen/Vorannahmen: Ist eine Vorannahme authentisch zur Wahrheit oder nicht?

Genau diese Frage können wir aber nicht beantworten (es sei denn, es ist eine wirklich unsinnige Vorannahme - aber dann muss man aufpassen, dass man nicht alles als "unsinnig" bezeichnet, was den eigenen Vorannahmen widerspricht - soll es geben :angel: ).

Novas
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#57 Re: Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

Beitrag von Novas » So 2. Jul 2017, 01:23

fin hat geschrieben:Klar, die 'sheeples' durchschauen den Betrug in aller Regel nicht, aber nicht darum, weil es ihre Vernunft übersteigt, sondern weil sie mit den wahren Vorgängen nicht vertraut sind. Die Vernunft und ihre Prinzipien bleibt aber eine eigenständige Größe, für sheeples, Hütchenspieler und alle göttlichen Halbkreise - auch der dritten Art :D !

Die Vernunft jedes Menschen, so lehrte Meister Eckhart, ist ein unmittelbarer Ausdruck Gottes. Weder lässt sich die Vernunft denken ohne die Einheit mit ihrem göttlichen Urbild, noch die göttliche Vernunft ohne ihr Bild, die menschliche Vernunft. Sie macht uns zu Söhnen und Töchtern Gottes.
Meister Eckhart Brevier: Worte für jeden Tag

closs
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#58 Re: Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

Beitrag von closs » So 2. Jul 2017, 01:26

fin hat geschrieben:Closs, du konstruierst einen willkürlichen Vorgang, eine Art Taschenspielertrick
Es ist nichts anderes als der Versuch, einen möglicherweise nicht einfach zu verstehenden Sachverhalt in einem Bild anschaulich zu machen. - Kam der Doppelsinn von "aufheben" an?

fin hat geschrieben:auch wenn irgendwelche Vorgänge 'verdeckt' ablaufen oder sich der Wahrnehmung entziehen, bleibt die Vernunft das, was sie ist.
Gemessen an der ontologischen Vernunft stimme ich Dir zu - sie ist, was sie ist, selbst wenn sich einiges von ihr unserer Wahrnehmung entzieht.

Deshalb habe ich doch den Doppelsinn von "aufheben" (ist übrigens von Hegel) eingebracht: Das, was wir vernünftig (Ratio recta) erkennen, geht NICHT verloren, selbst wenn es in eine für uns nicht erkennbare göttliche Vernunft aufgeht.

Novalis hat geschrieben:Weder lässt sich die Vernunft denken ohne die Einheit mit ihrem göttlichen Urbild, noch die göttliche Vernunft ohne ihr Bild, die menschliche Vernunft.
Diesen Gedanken findest Du auf säkularer Ebene in anderen Worten in der hegelschen Dialektik genauso wie in der heideggerschen Ontologie.

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#59 Re: Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

Beitrag von Pluto » So 2. Jul 2017, 09:04

closs hat geschrieben:Für einen Materialisten ist die leibliche Auferstehung Jesu historisch unplausibel, weil er von einem naturalistischen Wirkungszusammenhang der Historie ausgehen muss. - Für eine Christen ist die leibliche Auferstehung Jesu historisch plausibel, weil er von der natürlichen Welt als gottgeschaffenes Phänomen asugehen muss. - Beide Weltanschauungen sind rational/vernünftig begründbar - wenn man Vernunft als eine ontologische Größe versteht (Vernunft = "wichtigstes Mittel der geistigen Reflexion" - wik).
Wunder entstehen entweder weil die Technik zu fortgeschritten ist, um sie zu verstehen (3.Clarke'sches Gesetz) oder wenn Naturgesetze außer Kraft gesetzt werden. Wenn Gott die Naturgesetze geschaffen hat, dann wird er wohl kaum seine eigenen Gesetze nach Belieben ausschalten.

closs hat geschrieben:Genau diese Frage können wir aber nicht beantworten (es sei denn, es ist eine wirklich unsinnige Vorannahme - aber dann muss man aufpassen, dass man nicht alles als "unsinnig" bezeichnet, was den eigenen Vorannahmen widerspricht - soll es geben :angel: ).
Vorannahmen sind Zeichen von Argumentationsschwäche.
Warum muss man überhaupt Vorannahmen machen?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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sven23
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#60 Re: Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

Beitrag von sven23 » So 2. Jul 2017, 09:37

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Mhm, im Sinne des Vorhabens kann die Planung zielgerichtet und plausibel sein, aber ich würde Bankraub, Frauenmord und Steuerbetrug nicht per se als vernünftig bezeichnen.
Einiges widerstrebt mir da auch - aber was ist "Vernunft"? - Du wirst Waffen-Lobbyisten in den USA erleben, die Waffen für jedermann "vernünftig" finden.

Was ist Vernunft? - Eine intellektuelle Größe? - Eine ethische Größe? (Wenn ja, nach welchen Kriterien?) - Eine geistige Größe?
Eine Größe, die sich laut Definition an moralisch-ethischen Werten orientiert, wenn es menschliche Handlungweisen betrifft.
Neu wäre mir, dass Bankraub, Frauenmord und Steuerbetrug in einen ethischen Wertekanon aufgenommen worden wären.


closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Das kannst du gerne so sehen, interessiert aber niemanden, da du nicht nachweist, inwiefern deine Neudefinitionen richtig und besser sind.
Naja - davon abgesehen, dass meine Auffassung der theologischen Auffassung nicht ferne ist, besteht hier das Problem, dass Du damit wahrscheinlich meinst, wie ich meine Definition im Sinne DEINER Weltanschauung als richtig und besser nachweise - das dürfte schwierig sein - s.o.: "weil man nicht mit den eigenen weltanschaulichen Annahmen Hypothesen auf Basis anderer Weltanschauungen widerlegen kann".
Genau das hat man dem Hütchenspieler closs schon x-mal vorgeworfen. Wenn es argumentativ eng für ihn wird, definiert er einfach Begriffe nach seinem Gusto um.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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