#1 Rainer Maria Rilkes Kunst- und Gottesbegriff
Verfasst: Do 31. Okt 2013, 03:11
Einer der Kunst und Religion, Wahrheit und Dichtung noch zusammen gedacht hat ...
Die Kunst stellt sich dar als eine Lebensauffassung wie etwa die Religion und die Wissenschaft und der Sozialismus auch. Sie unterscheidet sich von den anderen Auffassungen nur dadurch, dass sie nicht aus der Zeit resultiert und gleichsam als die Weltanschauung des letzten Zieles erscheint. (...) Wenn ihr einmal die Welt unter den Füßen zerbricht, bleibt sie als das Schöpferische unabhängig bestehen und ist die sinnende Möglichkeit neuer Welten und Zeiten.
Deshalb ist auch der, welcher sie zu seiner Lebensanschauung macht, der Künstler, der Mensch, des letzten Zieles, der jung durch die Jahrhunderte geht, mit keiner Vergangenheit hinter sich. Die anderen kommen und gehen, er dauert. Die anderen haben Gott hinter sich wie eine Erinnerung. Dem Schaffenden ist Gott die letzte, tiefste Erfüllung. Und wenn die Frommen sagen: "Er ist", und die Traurigen fühlen: "Er war", so lächelt der Künstler: "Es wird sein". Und sein Glauben ist mehr als Glauben; denn er selbst baut an diesem Gott. Mit jedem Schauen, mit jedem Erkennen, in jeder seiner leisen Freuden fügt er ihm eine Macht und einen Namen zu, damit der Gott endlich in einem späten Urenkel sich vollende, mit allen Mächten und allen Namen geschmückt. Das ist die Pflicht des Künstlers.
( Rilke - Von Kunst-Dingen - "Über die Kunst" )

Paul Klee: Mit dem Regenbogen
Die Kunst stellt sich dar als eine Lebensauffassung wie etwa die Religion und die Wissenschaft und der Sozialismus auch. Sie unterscheidet sich von den anderen Auffassungen nur dadurch, dass sie nicht aus der Zeit resultiert und gleichsam als die Weltanschauung des letzten Zieles erscheint. (...) Wenn ihr einmal die Welt unter den Füßen zerbricht, bleibt sie als das Schöpferische unabhängig bestehen und ist die sinnende Möglichkeit neuer Welten und Zeiten.
Deshalb ist auch der, welcher sie zu seiner Lebensanschauung macht, der Künstler, der Mensch, des letzten Zieles, der jung durch die Jahrhunderte geht, mit keiner Vergangenheit hinter sich. Die anderen kommen und gehen, er dauert. Die anderen haben Gott hinter sich wie eine Erinnerung. Dem Schaffenden ist Gott die letzte, tiefste Erfüllung. Und wenn die Frommen sagen: "Er ist", und die Traurigen fühlen: "Er war", so lächelt der Künstler: "Es wird sein". Und sein Glauben ist mehr als Glauben; denn er selbst baut an diesem Gott. Mit jedem Schauen, mit jedem Erkennen, in jeder seiner leisen Freuden fügt er ihm eine Macht und einen Namen zu, damit der Gott endlich in einem späten Urenkel sich vollende, mit allen Mächten und allen Namen geschmückt. Das ist die Pflicht des Künstlers.
( Rilke - Von Kunst-Dingen - "Über die Kunst" )

Paul Klee: Mit dem Regenbogen