Als Rabbi Waldbaum in der Synagoge

Literatur, Malerei, Bildhauerei
Munro
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#1 Als Rabbi Waldbaum in der Synagoge

Beitrag von Munro » Di 17. Sep 2019, 12:25

@ Als Rabbi Waldbaum in der Synagoge

Ich hätte diese Geschichte hier auch so nennen können: "Als Rabbi Munro in der Synagoge"
Denn es geht hier um meine eigenen Erlebnisse in einer Synagoge.


Doch: Im Original habe ich diese Geschichte einmal mit meinen Waldbaum-Nick erzählt.
Und: "Waldbaum" gibt es in den USA tatsächlich als einen jüdischen Namen.
Also: Passt scho ....
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Die Sanftmütigen werden die Erde besitzen, aber nicht die Schürfrechte.

Munro
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#2 Re: Als Rabbi Waldbaum in der Synagoge

Beitrag von Munro » Di 17. Sep 2019, 12:27

Diese Geschichte habe ich schon vor einiger Zeit geschrieben. Mancher kennt sie vielleicht schon. :)

Nun erzähle ich sie auch hier.

Den ersten Beitrag poste ich als Kopie, da die Zeitangabe ja nun nicht mehr stimmt.

Diesen Freitag werde ich zum ersten Mal im Leben an einem jüdischen Gottesdienst in einer Synagoge teilnehmen.

Angemeldet habe ich mich schon.

Aus Sicherheitsgründen ist das notwendig, und man muss auch seinen Personal-Ausweis mitbringen.

Ich verstehe das gut!

Traurig, dass das leider notwendig ist.

-------

Eine Frage:

Hat jemand von euch schon irgendwelche Erfahrung mit dem Judentum - oder kennt Juden persönlich?


Geschrieben am 21.11.2006 um 08 Uhr 58. :)
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Munro
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#3 Re: Als Rabbi Waldbaum in der Synagoge

Beitrag von Munro » Di 17. Sep 2019, 12:29

Nun möchte ich beginnen, von meinem Besuch zu erzählen.

Es sind viele Eindrücke. Darum möchte ich sie gerne auf meine Art erzählen: Nicht ein einziges großes Posting, sondern etliche kleine.

So dass Schreiber und Leser verschnaufen können dazwischen.


------------------------------------------------------------------------------------



Am Freitagabend stand ich nun vor der Tür der Synagoge. Sie war verschlossen, wie immer.

Durch die Glastüre sah ich einen würdigen Herren in schwarzer Kleidung auf mich zukommen, der mir aufmachte.

Er fragte mich nach meinem Begehr, nach dem Wohin und Woher, und wer ich sei. Ich beantwortete alle seine Fragen und zeigte ihm auch meinen Personalausweis, wie mir das im Büro schon vor ein paar Tagen gesagt worden war.

Ich wurde eingelassen.


Nun fragte ich meinerseits, mit wem ich es zu tun habe. Sicher ein etwas höheres Mitglied der Gemeinde, vielleicht gar der Rabbiner persönlich?

So vermutetet ich.

Doch nein, mein "Empfangs-Chef" war gar kein Mitglied der jüdischen Gemeinde, ja, er war noch nicht mal Jude!

Er war ein Beamter der baden-württembergischen Kriminalpolizei ..... im Sondereinsatz ... bewaffnet ... licensed to kill!

Echt wahr!

Und gleichzeitig war er auch eine Seele von Mensch und erklärte mir dann nach und nach einiges, während er alle Neuankömmliche einließ und begrüßte.

Außer mir war ja kein Fremder darunter, der überprüft werden musste ......
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#4 Re: Als Rabbi Waldbaum in der Synagoge

Beitrag von Munro » Di 17. Sep 2019, 18:23

Die Besucher begrüßten den Sicherheits-Chef des Hauses mit "Schabbes Schalom!"

Also etwa: "Friede sei mit dir am Sabbat!"

Ich wurde ebenso begrüßt - und grüßte schon bald mit "Schabbes Schalom!" zurück, als hätte ich meiner Lebtag nichts anderes gesagt!

Ich erfuhr dann, wie die Gemeinde sich zusammensetzt. Der Großteil kommt aus Russland. Daher waren viele Mitteilungen dort sowohl auf Deutsch wie auch auf Russisch zu sehen - in den kyrillischen Buchstaben, die ich so gerne entziffere!

Einen eigenen Rabbiner hat die Gemeinde zur Zeit nicht, doch gibt es einen Gast-Rabbiner aus New York und einen Kantor aus Frankreich.

Als badische Katholiken waren der Sicherheits-Chef und ich also die beiden Exoten im Haus. Recht international - oder sagen wir mal multikulturell - ging es da zu!

Der Rabbiner aus New York erinnerte mich übrigens sehr an den Rabbi Seligmann aus dem Film "Die Abenteuer des Rabbi Jacob" mit Louis de Funès. Und ich meine das als Kompliment!

Schließlich ging ich in den Gebetsraum, und bald danach begann der Gottesdienst.


Als der Kantor mit seinem Gesang begann, war ich SOFORT gepackt!

Es war sehr berührend und sehr feierlich.

Und ich war mir bewusst: Was ich jetzt höre, das sind Worte und Melodien, die Jahrtausende alt sind! Dagegen ist der Gregorianische Gesang, den ich auch sehr mag, geradezu modern!

Obwohl ich außer dem immer wiederkehrenden "Adonai!" so gut wie kein Wort verstand, war es mir nie auch nur eine Sekunde langweilig.

Ich war fast enttäuscht, als der Gottesdienst zu Ende war, und jeder jedem die Hand gab zum Friedensgruß "Schalom!"

Doch mein Besuch war ja noch nicht zu Ende ......
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#5 Re: Als Rabbi Waldbaum in der Synagoge

Beitrag von Munro » Di 17. Sep 2019, 18:24

Ich erzähle weiter ...

Nach dem Gottesdienst wurde ich noch zu einer Art Imbiss eingeladen.

Auf einem ovalen altar-ähnlichen Tisch standen Gläser mit Rotwein und Tellerchen mit Knabbersachen, auch schöne Feigen darunter.

Der Kantor stand hinter dem Tisch und sang wunderbar eindrucksvoll.

Der Gast-Rabbiner bemerkte, dass ich noch keinen Rotwein hatte.

Er zog mich zum Altar, und der Kantor schenkte mir lächelnd aus einer Rotweinflasche ein, ohne dabei seinen Gesang zu unterbrechen.

Überhaupt ging es sehr leger zu.

Schließlich hob der Kantor eine rote und goldbestickte Samt-Decke auf, und darunter kam ein schöner Brotlaib zum Vorschein.

Der wurde dann verteilt gemeinsam gegessen.

Spätestens da dämmerte es mir:

"Was ich hier erlebe, das ist die Urform des Abendmahls!"

Doch in einer angenehm entspannten Mischung von Feierlichkeit und Normalität, fast wie bei einem richtigen Essen!

Und weil ich als badischer Winzer gerne gewusst hätte, was für einen Wein ich getrunken hatte, ging ich später hinter den "Altar" und schaute mir die Flasche an.

Das Etikett war drei-sprachig: Hebräisch, Englisch, deutsch.

Es war Rotwein aus Israel, koscher also!

Ein Cabernet Sauvignon, Jahrgang 2004. Nicht schlecht!

Einer der Umstehenden nickte mir anerkennend zu.

-----------------------------

Nun stellt euch mal vor, ihr geht in einer katholischen Kirche beim Gottesdienst hinter den Altar und fragt den Pfarrer: "Ähmmm .... was haben Sie denn da so .. als Messwein? ....... einen Riesling Kabinett aus Baden? ... aha ... nicht schlecht ........ist er denn auch trocken?"

Könnt ihr euch das vorstellen?
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#6 Re: Als Rabbi Waldbaum in der Synagoge

Beitrag von Munro » Di 17. Sep 2019, 18:39

*mal eine Zwischenfrage*

Wer von euch Christen war auch schon mal bei einem G'ttesdienst in einer Synagoge? :idea:
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#7 Re: Als Rabbi Waldbaum in der Synagoge

Beitrag von Munro » Mi 18. Sep 2019, 12:44

Ich erzähle weiter:

Das war nun mein erstes Freitagsgebet in einer Synagoge gewesen. Bei der Verabschiedung ermunterte mich der Sicherheits-Chef des Hauses, doch morgen wiederzukommen. Der Samstagsgottesdienst sei noch eindrucksvoller als das Freitagsgebet.

Ich müsse mich nun auch nicht mehr ausweisen, ich sei ihm ja nun schon persönlich bekannt.

Ich zögerte und sagte, ja, ich würde gewiss einmal wiederkommen, wenn auch nicht gerade am nächsten Tag schon wieder.

Doch am Samstagmorgen dachte ich dann: "Warum eigentlich nicht?"

Gesagt, getan. Ich ging zum jüdischen Samstagsgottesdienst.

Und da erlebte ich eine nette Begebenheit, die ich so ankündigen könnte:

Wie ich einen kleinen Faux-Pas beging - und enttarnt wurde!

Doch man hat mir verziehen ......
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#8 Re: Als Rabbi Waldbaum in der Synagoge

Beitrag von janosch » Mi 18. Sep 2019, 16:38

Munro hat geschrieben:
Di 17. Sep 2019, 18:39
*mal eine Zwischenfrage*

Wer von euch Christen war auch schon mal bei einem G'ttesdienst in einer Synagoge? :idea:

Ich schon... :yawn:

Es gibt unterschiedlichen Art von Gottesdinsten, je nach dem wie Fundamental (radikal) sind!

Munro
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#9 Re: Als Rabbi Waldbaum in der Synagoge

Beitrag von Munro » Mi 18. Sep 2019, 16:58

janosch hat geschrieben:
Mi 18. Sep 2019, 16:38
Munro hat geschrieben:
Di 17. Sep 2019, 18:39
*mal eine Zwischenfrage*

Wer von euch Christen war auch schon mal bei einem G'ttesdienst in einer Synagoge? :idea:

Ich schon... :yawn:


Öfters vielleicht? :idea: :wave:
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Laodizea
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#10 Re: Als Rabbi Waldbaum in der Synagoge

Beitrag von Laodizea » Mi 18. Sep 2019, 18:05

Ich lese ganz gespannt mit :thumbup:

so kann ich zum ersten mal im Geiste hinein schauen und
durch deine Erzählart nacherleben.
Das ist sehr schön!

Gruss,Laodicea :engel:
"Herr steh auf! 
Lass deine Feinde zerstreut werden und alle, die dich hassen, flüchtig werden vor dir!"
Komm wieder Herr! 
  4.Mose 10,35,36

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