Jeden Tag ein Gedicht

Literatur, Malerei, Bildhauerei
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Demian
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#61 Re: Jeden Tag ein Gedicht

Beitrag von Demian » So 3. Aug 2014, 15:26

Urworte Orphisch, Goethe

Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen,
Die Sonne stand zum Gruße der Planeten,
Bist alsobald und fort und fort gediehen
Nach dem Gesetz, wonach du angetreten.
So mußt du sein, dir kannst du nicht entfliehen,
So sagten schon Sibyllen, so Propheten;
Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt
Geprägte Form, die lebend sich entwickelt.

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Demian
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#62 Re: Jeden Tag ein Gedicht

Beitrag von Demian » So 3. Aug 2014, 15:45

Rainer Maria Rilke

Was sind Lieder, die die Saiten
meiner Leier froh beseelen,
gegen das, was deine weiten Wipfel,
Hochwald, sich erzählen?

Was sind Lieder, aus den Launen
müder Sinne, duftbetäubter,
stammend, gegen jenes Raunen
deiner ewig grünen Häupter.

Meine Lieder, die wohl allen
künden sollten, was die Zweige
rauschen, meine Lieder schallen
kaum als Echo, und ich schweige.

Schweige, so ich dich betrete,
Hochwald, wenn du auf und nieder
wogest. Träume oder bete.
Was sind Worte, was sind Lieder?

Bild
Bilder: Shutterstock/Inga Nielsen

"In Deutschland gibt es wunderbare Wälder, fünf der deutschen Buchenwaldgebiete sind sogar Unesco-Weltnaturerbe. Doch leider geht es den Wäldern nicht so gut, wie ich es mir wünschen würde. Das liegt vor allem an der zunehmenden Kommerzialisierung. Weil der Fokus allzu oft auf ertragreichem Holzeinschlag steht, haben viele Wälder eine relativ einförmige Altersstruktur und nur sehr wenig Totholz. Aber genau das brauchen viele bedrohte Arten zum Überleben – vor allem Insekten und Vögel. Ökologische Studien zeigen, dass sich wichtige Waldgebiete in Deutschland in einem unzureichenden bis schlechten Zustand befinden."

National Geographic: Wie geht es dem deutschen Wald?

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Demian
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#63 Re: Jeden Tag ein Gedicht

Beitrag von Demian » So 3. Aug 2014, 16:47

Und dem Tod soll kein Reich mehr bleiben

Und dem Tod soll kein Reich mehr bleiben
Und dem Tod soll kein Reich mehr bleiben.
Die nackten Toten die sollen eins
Mit dem Mann im Wind und im Westmond sein;
Blankbeinig und bar des blanken Gebeins
Ruht ihr Arm und ihr Fuß auf Sternenlicht.
Wenn sie irr werden solln sie die Wahrheit sehn,
Wenn sie sinken ins Meer solln sie auferstehn.
Wenn die Liebenden fallen - die Liebe fällt nicht;
Und dem Tod soll kein Reich mehr bleiben.

Und dem Tod soll kein Reich mehr bleiben.
Die da liegen in Wassergewinden im Meer
Sollen nicht sterben windig und leer;
Nicht brechen die die ans Rad man flicht,
Die sich winden in Foltern, deren Sehnen man zerrt:
Ob der Glaube auch splittert in ihrer Hand
Und ob sie das Einhorn des Bösen durchrennt,
Aller Enden zerspellt, sie zerreißen nicht;
Und dem Tod soll kein Reich mehr bleiben.

Und dem Tod soll kein Reich mehr bleiben.
Keine Möwe mehr darf ins Ohr ihnen schrein
Keine Woge laut an der Küste versprühn;
Wo Blumen blühten darf sich keine mehr regen
Und heben den Kopf zu des Regens Schlägen;
Doch ob sie auch toll sind und tot wie Stein,
Ihr Kopf wird der blühende Steinbrech sein,
Der bricht auf in der Sonne bis die Sonne zerbricht,
Und dem Tod soll kein Reich mehr bleiben.

Übersetzt von Erich Fried

Bild
National Geographic ... Bild: Norbert Rosing

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#64 Re: Jeden Tag ein Gedicht

Beitrag von Demian » So 3. Aug 2014, 17:02

Walt Whitman: Wagst Du es jetzt, O Seele...
Rezitation: Christian Brückner


Wagst du es jetzt, o Seele,
Mit mir zu wandern in das unbekannte Reich,
Wo weder Boden ist für unsere Schritte,
noch irgendein Weg dem folgen man könnte ?

Keine Karte dort, kein Führer,
Keine Stimme erklingt, keine menschliche Hand dich berührt
kein Gesicht mit blühendem Fleisch,
keine Lippen keine Augen findet man in diesem Land.

Ich kenne es nicht, o Seele,
Auch du kennst es nicht, alles ist leer für uns,
Alles wartet, von niemand geträumt, in jener Gegend,
die unzugängliches Land.

Erst wenn die Bande sich lösen,
Bis auf die ewigen Bande von Raum und Zeit,
Dann binden uns weder das Dunkel, die Schwerkraft,
noch andere Bande:

Dann brechen wir auf, wir fluten
In Zeit und Raum, o Seele, für sie wohl bereitet,
Gleich, endlich gerüstet, (o Freude! o herrliche Frucht!),
sie zu erfüllen, o Seele ...

Bild
National Geographic ...Bild: Norbert Rosing

Rembremerding
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#65 Re: Jeden Tag ein Gedicht

Beitrag von Rembremerding » So 10. Aug 2014, 19:13

"Unheimliche Zeitung" von Christian Morgenstern (1871-1914)

Der Pfünder Gedröhn,
der Flinten Alarm,
das Schrein und Gestöhn,
die Wut und der Harm –

der Sturm und die Flucht,
die Hügel voll Qual
der köstlichen Frucht,
der Dörfer Fanal –

der Mensch als Held
und der Mensch als Tier –
in Lettern gestellt
auf ein Blatt Papier.
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#66 Re: Jeden Tag ein Gedicht

Beitrag von Rembremerding » So 17. Aug 2014, 10:04

"Eroberungssucht" von Johann Gottfried Herder (1744-1803)

Weh euch, ihr Prinzen, die für Ruhm
Der Völker Blut vergossen,
Für deren Macht und Eigentum
So bittre Tränen flossen,
Die ihr doch, was ihr habt, nicht nützt
Und nicht genießt, was ihr besitzt,
Die ihr um Wahn nur fechtet
Und um Phantome rechtet!

Die Tränen sind ein bittrer Trank,
Ein Kelch, für euch zu leeren.
Des Ruhmes heisrer Lobgesang
Wird sich in Fluch verkehren,
Wenn um die euch gegrabne Gruft
Nun jeder Seufzer Rache ruft,
Wenn eure Kinder müssen,
Was ihr verschuldet, büßen!
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Rembremerding
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#67 Re: Jeden Tag ein Gedicht

Beitrag von Rembremerding » So 21. Sep 2014, 19:40

Was ist Leben?

Leben ist eine Gelegenheit, nutze sie,
Leben ist eine Schönheit, bewundere sie,
Leben ist Glückseligkeit, fühle sie,
Leben ist ein Traum, realisiere ihn,
Leben ist eine Herausforderung, begegne ihr,
Leben ist eine Pflicht, führe sie aus,
Leben ist ein Spiel, spiele es,
Leben ist kostbar, pflege es,
Leben ist Reichtum, behalte ihn,
Leben ist Liebe, erfreue Dich an ihr,
Leben ist ein Geheimnis, kenne es,
Leben ist ein Versprechen, erfülle es,
Leben ist Kummer, überwinde ihn,
Leben ist ein Lied, singe es,
Leben ist ein Kampf, nimm ihn an,
Leben ist eine Tragödie, umarme sie,
Leben ist ein Abenteuer, wage es
Leben ist Leben, erhalte es,
Leben ist Glück, lebe es,
Leben ist kostbar, zerstöre es nicht.


Sel. Mutter Teresa von Kalkutta
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Rembremerding
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#68 Re: Jeden Tag ein Gedicht

Beitrag von Rembremerding » So 2. Nov 2014, 10:56

Für all jene, die am Gedenktag an liebe Verstorbene in Trauer sind: Der Herr ist auferstanden und bereitet uns eine Wohnung bei ihm zum ewigen Leben.

Im kurzen Abend. Voll Wind ist die Stunde,
Und die Röte so tief und so winterlich klein.
Unsere Hand, die sich zagend gefunden,
Bald wird sie frieren und einsam sein.

Und die Sterne sind hoch in verblassenden Weiten
Wenige erst, auseinander gerückt.
Unsere Pfade sind dunkel, und Weiden breiten
Ihre Schatten darauf, in Trauer gebückt.

Schilf rauschet uns. Und die Irrwische scheinen,
Die wir ein dunkeles Schicksal erlost.
Behüte dein Herz, dann wird es nicht weinen
Unter dem fallenden Jahr ohne Trost.

Was dich schmerzet, ich sag es im Bösen.
Und uns quälet ein fremdes Wort.
Unsere Hände werden im Dunkel sich lösen,
Und mein Herz wird sein wie ein kahler Ort.


"Im kurzen Abend" von Georg Heym (1887-1912)
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Lena
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#69 Re: Jeden Tag ein Gedicht

Beitrag von Lena » Do 27. Nov 2014, 11:07

Die vielen Dinge

Die vielen Dinge, die du tief versiegelt

durch deine Tage trägst in dir allein,

die du auch im Gespräche nie entriegelt,

in keinen Brief und Blick sie ließest ein.

die schweigenden, die guten und die bösen,

die so erlittenen, darin du gehst,

die kannst du erst in jener Sphäre lösen,

in der du stirbst und endend auferstehst.

Gottfried Benn
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

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#70 Re: Jeden Tag ein Gedicht

Beitrag von Rembremerding » Mo 5. Jan 2015, 20:28

Der einfache Weg!
Die Frucht der Stille ist das Gebet.
Die Frucht des Gebetes ist der Glaube.
Die Frucht des Glaubens ist die Liebe.
Die Frucht der Liebe ist das Dienen.
Die Frucht des Dienens ist der Friede!


- Sel. Mutter Teresa von Kalkutta (bürgerlicher Name Anjeza Gonxhe Bojaxhiu, 1910–1997) -
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