Jeden Tag ein Gedicht

Literatur, Malerei, Bildhauerei
Rembremerding
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#41 Re: Jeden Tag ein Gedicht

Beitrag von Rembremerding » Mo 9. Jun 2014, 15:59

Pfingsten, das liebliche Fest, war gekommen; es grünten und blühten
Feld und Wald; auf Hügeln und Höhn, in Büschen und Hecken
Übten ein fröhliches Lied die neuermunterten Vögel;
Jede Wiese sproßte von Blumen in duftenden Gründen,
Festlich heiter glänzte der Himmel und farbig die Erde.


(aus Johann Wolfgang von Goethe: „Reineke Fuchs“, Kapitel 2, 1. Gesang)
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Rembremerding
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#42 Re: Jeden Tag ein Gedicht

Beitrag von Rembremerding » Sa 14. Jun 2014, 21:05

Damit die in Lebensfreude schwelgende Frühsommerzeit nicht ohne Poesie vergehe:

Blütenreife

Die Blüten schlafen am Baume
In schwüler, flüsternder Nacht,
Sie trinken in duftigem Traume
Die flimmernde, feuchte Pracht.
Sie trinken den lauen Regen,
Den glitzernden Mondenschein,
Sie zittern dem Licht entgegen,
Sie saugen es taumelnd ein:
Sie sprengen die schweigende Hülle
Und gleiten berauscht durch die Luft
Und sterben an der Fülle
Von Glut und Glanz und Duft.

Das war die Nacht der Träume,
Der Liebe schwül gärende Nacht,
Da sind mit den Knospen der Bäume
Auch meine Lieder erwacht.
Sie sprengten die schweigende Hülle
Und glitten berauscht durch die Luft
Und starben an der Fülle
Von Glut und Glanz und Duft.


Hugo von Hofmannsthal (1874-1929)
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#43 Re: Jeden Tag ein Gedicht

Beitrag von Demian » So 22. Jun 2014, 08:12

Thich Nhat Hanh

Der Klang des Lotos-Sutra, bei Nacht rezitiert, erschüttert die Galaxien.
Morgens wachte die Erde auf, und ihr Schoß war voller Blumen.
Wer immer ihren Namen anruft, ihr Bildnis ansieht
mit vollkommen gesammeltem, reinem Geist,
wird fähig sein, das Leiden aller Welten zu überwinden.

Treffen wir auf Skorpione und giftige Schlangen,
die Feuer ausströmen und giftiges Gas,
dann rufen wir die Stärke von Avalokita an -
und sie verschwinden, die Luft wird klar.

Alle Lebewesen, in Verzweiflung befangen,
niedergedrückt von unendlichem Leiden,
werden auf zehntausend Weisen gerettet
von der wundervollen Kraft ihres Verstehens.

Ausdruck der Wahrheit, Ausdruck der Reinheit,
Ausdruck unbegrenzten Verstehens,
Ausdruck der Liebe, Ausdruck des Mitgefühls -
all dies sollte stets verehrt und geübt werden.

Im Gerichtssaal, auf Anklagebänken,
auf den Feldern inmitten von Kriegen
rufen wir die Stärke von Avalokita an -
und unsere Feinde werden zu Freunden.

In Dankbarkeit verneigen wir uns
vor der, die all diese Tugenden hat,
die auf die Welt sieht mit Augen des Mitgefühls -
ein Meer des Wohlergehens ohne Grenzen.


*Avalokita ... Gemeint ist der Name der Avalokita - Buddha der 1000 Arme - Mitgefühl


[Quelle: Thich Nhat Hanh.]

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#44 Re: Jeden Tag ein Gedicht

Beitrag von Pluto » So 22. Jun 2014, 13:33

Quellenangabe?!
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#45 Re: Jeden Tag ein Gedicht

Beitrag von Demian » So 22. Jun 2014, 15:16

Pluto hat geschrieben:Quellenangabe?!

Thich Nhat Hanh. :thumbup:

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#46 Re: Jeden Tag ein Gedicht

Beitrag von Pluto » So 22. Jun 2014, 15:29

Demian hat geschrieben:Thich Nhat Hanh. :thumbup:
Puh...!
So viele "h" habe ich noch nie in einem Satz gesehen. :lol:

Danke!
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#47 Re: Jeden Tag ein Gedicht

Beitrag von Demian » Di 24. Jun 2014, 09:45

Johann Wolfgang von Goethe

Wär nicht das Auge sonnenhaft,
Die Sonne könnt es nie erblicken;
Läg nicht in uns des Gottes eigne Kraft,
Wie könnt uns Göttliches entzücken?

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#48 Re: Jeden Tag ein Gedicht

Beitrag von Demian » Di 24. Jun 2014, 11:01

Ryokan

Selbst wenn ein Mensch hundert Jahre alt wird,
Ist doch sein Leben wie schwimmendes Wassergras,
ostwärts, westwärts, ohne eine Zeit der Ruhe.
Shakyamuni entsagte seiner adligen Herkunft
und widmete sein Leben,
Um andere davor zu bewahren sich selbst zu zerstören.
Achtzig Jahre auf dieser Erde,
Fünfzig Jahre das Dharma verkündend,
Schenkt er die Sutren als ein ewiges Erbe;
Selbst heute noch eine Brücke.
um ans andere Ufer zu gelangen.


...

Wenn dein Herz rein ist,
dann sind alle Dinge deiner Welt rein.
Gib diese vergängliche Welt auf, gib dich selbst auf.
Dann werden der Mond und die Blumen
dir den Weg weisen.


...

Wer sagt, meine Gedichte seien Gedichte?
Meine Gedichte sind keine Gedichte.
Wenn du verstanden hast,
Daß meine Gedichte keine Gedichte sind,
Dann können wir beginnen, über Poesie zu reden!

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#49 Re: Jeden Tag ein Gedicht

Beitrag von Rembremerding » Di 1. Jul 2014, 20:57

Ein schönes Gedicht für Atheisten.



Geh nicht gelassen in die gute Nacht

Geh nicht gelassen in die gute Nacht,
Glüh, rase Alter, weil dein Tag vergeht,
Verfluch den Tod des Lichts mit aller Macht.

Denn weise Männer, wissend, nichts was sie gedacht
Hat Licht gebracht ins Dunkel, und es ist zu spät,
Gehn nicht gelassen in die gute Nacht.

Und gute Männer, brüllen, schon der letzten Welle Fracht,
Und denkend ihrer Mühn, im Meer verweht,
Verfluchen Tod des Lichts mit aller Macht.

Und wilde Männer, die der Sonne Pracht,
Im Fluge singend fingen, die nun untergeht,
Gehn nicht gelassen in die gute Nacht.

Und ernsten Männer, blind schon, wächst Verdacht,
Auch blindes Auge lacht und blitzt, eh es vergeht,
Verfluchen Tod des Lichts mit aller Macht.

Und du mein Vater, den der bei dir wacht,
Verdamm und segne weinend ihn. Hier mein Gebet:
Geh nicht gelassen in die gute Nacht.
Verfluch den Tod des Lichts mit aller Macht.

(Dylan Thomas)
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#50 Re: Jeden Tag ein Gedicht

Beitrag von Pluto » Mi 2. Jul 2014, 00:57

Rembremerding hat geschrieben:Ein schönes Gedicht für Atheisten.
Da kenne ich auch eins.

Die Hymne der Atheisten — Johnny Nash - 1972

I can see clearly now, the rain has gone
I can see all obstacles in my way
Gone are the dark clouds that had me blind
It's gonna be a bright, bright sun-shining day...
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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