Goethes Glaubensbekenntnis

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Demian
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#1 Goethes Glaubensbekenntnis

Beitrag von Demian » Mo 4. Aug 2014, 03:03

Goethe: Das Glaubensbekenntnis des Faust
Johann Wolfgang Goethe (1808): Faust, Der Tragödie erster Teil


Margarete: Versprich mir, Heinrich!

Faust: Was ich kann!

Margarete: Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?
Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub’, du hältst nicht viel davon.

Faust: Laß das, mein Kind! du fühlst, ich bin dir gut;
Für meine Lieben ließ’ ich Leib und Blut,
Will niemand sein Gefühl und seine Kirche rauben.

Margarete: Das ist nicht recht, man muß dran glauben!

Faust: Muß man?

Margarete: Ach! wenn ich etwas auf dich könnte!
Du ehrst auch nicht die heil’gen Sakramente.

Faust: Ich ehre sie.

Margarete: Doch ohne Verlangen.
Zur Messe, zur Beichte bist du lange nicht gegangen.
Glaubst du an Gott?

Faust: Mein Liebchen, wer darf sagen:
Ich glaub’ an Gott?
Magst Priester oder Weise fragen,
Und ihre Antwort scheint nur Spott
Über den Frager zu sein.

Margarete: So glaubst du nicht?

Faust: Mißhör’ mich nicht, du holdes Angesicht!
Wer darf ihn nennen?
Und wer bekennen:
Ich glaub’ ihn.
Wer empfinden?
Und sich unterwinden
Zu sagen: Ich glaub’ ihn nicht.
Der Allumfasser,
Der Allerhalter,
Faßt und erhält er nicht
Dich, mich, sich selbst?
Wölbt sich der Himmel nicht dadroben?
Liegt die Erde nicht hierunten fest?
Und steigen freundlich blickend
Ewige Sterne nicht herauf?
Schau’ ich nicht Aug’ in Auge dir,
Und drängt nicht alles
Nach Haupt und Herzen dir,
Und webt in ewigem Geheimnis
Unsichtbar sichtbar neben dir?
Erfüll’ davon dein Herz, so groß es ist,
Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,
Nenn’ es dann, wie du willst,
Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott!
Ich habe keinen Namen dafür!
Gefühl ist alles;
Name ist Schall und Rauch,
Umnebelnd Himmelsglut.

Margarete: Das ist alles recht schön und gut;
Ungefähr sagt das der Pfarrer auch,
Nur mit ein bißchen andern Worten.

Faust: Es sagen’s aller Orten
Alle Herzen unter dem himmlischen Tage,
Jedes in seiner Sprache;
Warum nicht ich in der meinen?

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Demian
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#2 Re: Goethes Glaubensbekenntnis

Beitrag von Demian » Mo 4. Aug 2014, 03:20

An dieser Stelle verweise ich gerne auf diesen sehr intelligenten und inspirierenden Blog "Evolutionäre Spiritualität von dem ehrwürdigen Dr. phil. Michael Leicht: "Evolutionäre Spiritualität ist eine globale spirituelle Weltsicht, die versucht den materialistischen Reduktionismus zu überwinden. Es geht um eine evolutionäre Perspektive mit spiritueller Tiefe. Die Welt ist ein interdependentes Netz, und sie wird als heilig angesehen. Meine Gedanken zum Thema versuchen dabei sowohl kritisch-aufgeklärter Philosophie zu folgen, wie auch offen zu sein für die Weisheit der verschiedenen Weltreligionen."
[Quelle]

;)

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NIS
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#3 Re: Goethes Glaubensbekenntnis

Beitrag von NIS » Mo 4. Aug 2014, 14:08

Des Pudels Kern - "Faust" - August von Goethe

"Ich bin der Geist, der stets verneint und das mit Recht, denn alles, was entsteht, ist Wert, dass es zu Grunde geht. So ist denn Alles, was ihr Zerstörung, Sünde, kurz das Böse nennt, mein eigentliches Element." (Mephisto)
Der Heilige Geist (Hauke)

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#4 Re: Goethes Glaubensbekenntnis

Beitrag von Pluto » Mo 4. Aug 2014, 14:17

NIS hat geschrieben:Des Pudels Kern - "Faust" - August von Goethe
Johann Wolfgang...? :?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#5 Re: Goethes Glaubensbekenntnis

Beitrag von NIS » Mo 4. Aug 2014, 14:21

Bingo! Pluto! ;-)

Ich war gerade bei dem Verlag meiner Wahl: http://august-von-goethe-literaturverlag.de

Ich schreibe an einem Buch! ;-)

"WISSEN IST MACHT" von NIS
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#6 Re: Goethes Glaubensbekenntnis

Beitrag von closs » Mo 4. Aug 2014, 15:11

NIS hat geschrieben:"Ich bin der Geist, der stets verneint und das mit Recht, denn alles, was entsteht, ist Wert, dass es zu Grunde geht. So ist denn Alles, was ihr Zerstörung, Sünde, kurz das Böse nennt, mein eigentliches Element." (Mephisto)
Das ist spirituell so was von tief gedacht - da deckt sich Goethe mühelos mit der Bibel. - Als Jugendlicher habe ich diesen Satz nie verstanden - man muss offenbar älter werden, um schlauer zu werden - naja, oder andersrum. :lol:

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#7 Re: Goethes Glaubensbekenntnis

Beitrag von 2Lena » Mo 4. Aug 2014, 15:36

Goethe hat in seiner Jugend seinen Lehrer nach den wahren Bedeutungen der Bibel gefragt, nachdem er beim Spielen in der Judengasse immer wieder mal die einen oder anderen Wörter gelernt hatte. Dann beschreibt er in seinen "Jugenderinnerungen", wie er Lehrer auf die vielen Buchreihen wies, die alle "ungültig" würden. Dann ging Goethe enttäuscht davon.

Die Bücher werden ungültig, keine Sorge, zusammen mit etlichen Geschichtswerken und Philosophien. Goethe ist es gelungen, etwas von der Materie, die er ein bisschen besser verstehen konnte, recht schön - ohne Gehässigkeit darzustellen und dann mit der "Faust" auf den Tisch zu hauen.

Aber, all das ist bei Weitem nicht, was der Bibelinhalt ist, der mit weit mehr Einfühlungsvermögen und mit direkter Sprache auf die Mechanismen und den "Himmel" verweist. Entschuldigt dass ich nur die Eindrücke schreib, die ich erhielt.
Es kommen leider keine Fragen in diese Richtung.

Goethe gab ein "Weltbild" seiner Zeit, schön formuliert.
Lest mal die Kirchenväter, welches Weltbild sie geben... und wundert euch über deren "Glaubensfestigkeit".

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sven23
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#8 Re: Goethes Glaubensbekenntnis

Beitrag von sven23 » Mo 4. Aug 2014, 15:39

Jedenfalls war Goethe kein Freund der Kirche, stand aber auch der Bibel kritisch gegenüber.


"Es ist gar viel Dummes in den Satzungen der Kirche. Aber sie will herrschen, und da muss sie eine bornierte Masse haben, die sich duckt und die geneigt ist, sich beherrschen zu lassen. Die hohe, reich dotierte Geistlichkeit fürchtet nichts mehr als die Aufklärung der unteren Massen".
(Goethe, zu Eckermann)

"Das Märchen (der Bibel) ist Ursache, dass die Welt noch 10.000 Jahre stehen kann und niemand recht zu Verstande kommt, weil es ebensoviel Kraft des Wissens, des Verstandes, des Begriffes braucht, um es zu verteidigen, als es zu bestreiten."
(Johann Wolfgang von Goethe, dt. Dichter, 1749-1832)


"Du hältst das Evangelium, wie es steht, für die göttliche Wahrheit. Mich würde eine vernehmliche Stimme vom Himmel nicht überzeugen, dass das Wasser brennt und dass das Feuer löscht, dass ein Weib ohne Mann gebiert und dass ein Toter aufersteht. Vielmehr halte ich dieses für Lästerungen gegen den großen Gott und seine Offenbarung in der Natur".
(Goethe, an Lavater, 9.8.1782)


"Die Geschichte des guten Jesus hab ich nun so satt, dass ich sie von keinem, außer von ihm selbst, hören möchte".
(Johann Wolfgang von Goethe, dt. Dichter, 1749-1832)


"Der Glaube ist nicht der Aufgang, sondern das Ende allen Wissens".
(Johann Wolfgang von Goethe, dt. Dichter, 1749-1832)

"Er ist ein heller Geist und also ungläubig."
(Goethe, Wilhelm Meisters Wanderjahre III, 15)

"Glaubt nicht, daß ich fasele, daß ich dichte;
Seht hin und findet mir andre Gestalt!
Es ist die ganze Kirchengeschichte
Mischmasch von Irrtum und von Gewalt."

(Goethe, poetische Werke 1)

"Mir willst du zum Gotte machen
Solch ein Jammerbild am Holze!"

(Johann Wolfgang von Goethe, dt. Dichter, 1749-1832)

Dazu ein Schlußzitat von Arno Schmidt

"Gibt denn niemand die Tatsache zu denken, daß von unserem großen Sechsfachgestirn - Goethe, Herder, Klopstock, Lessing, Schiller, Wieland: nie sah die Welt gleichzeitig ihresgleichen! -, daß von diesen Sechsen n i c h t e i n e r katholisch war; dafür aber drei - die besseren Drei! - e r k l ä r t e F e i n d e jeder positiven Religion, deutlicher: des Christentums?!"
(Arno Schmidt, dt. Schriftsteller, 1914-1979)
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
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#9 Re: Goethes Glaubensbekenntnis

Beitrag von closs » Mo 4. Aug 2014, 16:00

sven23 hat geschrieben:Jedenfalls war Goethe kein Freund der Kirche, stand aber auch der Bibel kritisch gegenüber.
Das Ziel der Wahrheitssuche ist weder die Kirche noch die Bibel, sondern die Wahrheit.- Kirche und Bibel können und sollen auf dem Weg dorthin Hilfe sein - das Gegenteil kann auch der Fall sein. - Aber sie sind in Bezug auf Gott beide irrelevant.

Insofern läufst Du Gefahr, die geistige Tiefe von Goethe zu diskreditieren, indem Du an Nebenkriegsschauplätzen andockst.

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sven23
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#10 Re: Goethes Glaubensbekenntnis

Beitrag von sven23 » Mo 4. Aug 2014, 16:16

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Jedenfalls war Goethe kein Freund der Kirche, stand aber auch der Bibel kritisch gegenüber.
Das Ziel der Wahrheitssuche ist weder die Kirche noch die Bibel, sondern die Wahrheit.- Kirche und Bibel können und sollen auf dem Weg dorthin Hilfe sein - das Gegenteil kann auch der Fall sein. - Aber sie sind in Bezug auf Gott beide irrelevant.

Insofern läufst Du Gefahr, die geistige Tiefe von Goethe zu diskreditieren, indem Du an Nebenkriegsschauplätzen andockst.

Das ist interessant. Du sagst, daß Kirche und Bibel in Bezug auf Gott irrelevant sind.

Goethe sah das wohl ähnlich, insofern muß man seine Äußerungen und die geistige Tiefe der Aussagen ernst nehmen.

Warum aber dann so viel Zeit und Energie darauf verwenden, um sie zu verteidigen und ihre Fehlleistungen zu rechtfertigen?
Ich erinnnere daran, daß erst gestern ein "guter Christ" hier bekundet hat, daß er froh darüber sei, daß es die Inquistion gegeben habe. Was nichts anderes bedeutet, daß er froh darüber war, daß Menschen gefoltert und getötet wurden. :sick:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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