Novalis hat geschrieben:
Ja, wir haben es hier mit einem linearen und zyklischen Zeitvorstellungen zu tun, die wiederum das menschliche Zeitempfinden, sein Bewusstsein, seine Weltbilder und Deutungen beeinflusst. Der Metapher vom Fluss entspricht die Idee, dass Zeit verrinnt, also linear abläuft, während sie im zyklischen Verständnis eher wie ein ewiger Kreislauf gedacht wird. Ist es nicht so, dass Zeit gleichzeitig linear und zyklisch gedacht werden kann? Wenn wir den Ausschnitt dieses einen Lebens (oder Inkarnation) betrachten, so hat es einen Anfang und Ende, in diesem Sinne scheint es linear zu verlaufen, doch das kann gleichzeitig ein Ausschnitt aus einem größeren Zyklus von Wiedergeburten sein.
Die zyklische Zeitvorstellung hat der Mensch in der Beobachtung der Natur erkannt. Später versuchte er die Zeit in riesigen Zeitabschnitten zu erfassen und zu beherrschen. Im Buddhismus hat der Kreislauf erstmals ein Ende, wenn auch in einen solchen großen Zeitabschnitt.
Nun muss man seit der Inkarnation des Gottessohnes als Christ diesen Zyklus als beendet erkennen. Dies verlangt Logik, Vernunft und die Offenbarung Gottes seit den Propheten. Die Ewigkeit als Dimension Gottes kennt keinen Zyklus. Man stirbt nur einmal und dann das Gericht. Auch das ist des Menschen Anteil an der Erlösung.
Nur dort, wo im esoterischen Christentum Christus nicht als Person, sondern nun als Energie (Sonnengeist) betrachtet wird, gibt er den Anstoß zur nächsten zyklisch verlaufenden Entwicklungsspirale, nun wieder aufsteigend.
Darüber hinaus findet die Theodizee-Frage mit der Reinkarnationslehre eine Beantwortung, da jede Seele eine spirituelle Entwicklung durchläuft, die sie zur Vollendung führt.
Die Theodizee-Frage ist doch für einen gläubigen Christen längst geklärt, da Gott die Liebe ist. Eine Reinkarnationslehre beantwortet doch die Theodizee-Frage nicht, sondern im Gegenteil, multipliziert das Leid. Die Vollendung kann ein Christ in diesem Leben vom Herrn geschenkt bekommen. Gottes Liebe ging durch das Leid und Gottes Leiden ging von der Liebe aus. Im Gegensatz zum Buddhismus muss der Christ das Leid nicht überwinden, sondern es wird im und durch den Herrn verwandelt.
Für orthodoxe Christen ist die Erlösung nicht nur ein einmaliges Ereignis, sondern ein lebenslanger Prozess der zunehmenden Vergöttlichung („Theosis“) der weit über dieses flüchtige zeitliche Leben hinaus führt. Die Heiligenverehrung, die Ikonographie, ergibt sich aus dem festen Glauben, dass alle darauf dargestellten immer noch weiter existieren, wenngleich in einer verwandelten Form.
Für alle Christen geschieht diese Vergöttlichung als Teilhabe an der Gottheit Christi in der Vervollkommnung, der Heiligung durch Christus, im Leben, aber niemals durch einen selbst.
So tut sich beispielsweise jedesmal, wenn durch den Priester ein Stück Hostie zum Leib Christi wird, der gesamte Himmel auf, in der Engel und Heilige an diesem wunderbaren, geheimnisvollen Geschehen freudig mit den irdischen Gläubigen teilhaben. Das einmalige Geschehen im Abendmahlsaal wird vergegenwärtig. Die Ikonostase vor orthodoxen Altären versinnbildlicht sowohl dieses große göttliche Geheimnis durch das Verbergen als auch durch die abgebildete "himmlische" Gemeinschaft. In der RKK ist dies im "Alten Ritus" nicht anders.
Jesus gibt sich als göttliche Nahrung, als Brot des ewigen Lebens hin, nur verwandelt der Mensch nicht diese Nahrung, sondern Jesus den Menschen.
Servus
