Jeden Tag ein Gedicht
#81 Re: Jeden Tag ein Gedicht
Abseits
Es ist so still; die Heide liegt
Im warmen Mittagssonnenstrahle,
Ein rosenroter Schimmer fliegt
Um ihre alten Gräbermale;
Die Kräuter blühn; der Heideduft
Steigt in die blaue Sommerluft.
Laufkäfer hasten durchs Gesträuch
In ihren goldnen Panzerröckchen.
Die Bienen hängen Zweig um Zweig
Sich an der Edelheide Glöckchen,
Die Vögel schwirren aus dem Kraut -
Die Luft ist voller Lerchenlaut.
Ein halbverfallen, niedrig Haus
Steht einsam hier und sonnbeschienen,
Der Kätner lehnt zur Tür hinaus,
Behaglich blinzelnd nach den Bienen;
Sein Junge auf dem Stein davor
Schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr.
Kaum zittert durch die Mittagsruh
Ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten;
Dem Alten fällt die Wimper zu,
Er träumt von seinen Honigernten.
- Kein Klang der aufgeregten Zeit
Drang noch in diese Einsamkeit.
Theodor Storm
Es ist so still; die Heide liegt
Im warmen Mittagssonnenstrahle,
Ein rosenroter Schimmer fliegt
Um ihre alten Gräbermale;
Die Kräuter blühn; der Heideduft
Steigt in die blaue Sommerluft.
Laufkäfer hasten durchs Gesträuch
In ihren goldnen Panzerröckchen.
Die Bienen hängen Zweig um Zweig
Sich an der Edelheide Glöckchen,
Die Vögel schwirren aus dem Kraut -
Die Luft ist voller Lerchenlaut.
Ein halbverfallen, niedrig Haus
Steht einsam hier und sonnbeschienen,
Der Kätner lehnt zur Tür hinaus,
Behaglich blinzelnd nach den Bienen;
Sein Junge auf dem Stein davor
Schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr.
Kaum zittert durch die Mittagsruh
Ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten;
Dem Alten fällt die Wimper zu,
Er träumt von seinen Honigernten.
- Kein Klang der aufgeregten Zeit
Drang noch in diese Einsamkeit.
Theodor Storm
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich
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#82 Sachliche Romanze
Als sie einander acht Jahre kannten
(und man darf sagen sie kannten sich gut),
kam ihre Liebe plötzlich abhanden.
Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.
Sie waren traurig, betrugen sich heiter,
versuchten Küsse, als ob nichts sei,
und sahen sich an und wussten nicht weiter.
Da weinte sie schliesslich. Und er stand dabei.
Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken.
Er sagt, es wäre schon Viertel nach vier
und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken.
Nebenan übte ein Mensch Klavier.
Sie gingen ins kleinste Café am Ort
und rührten in ihren Tassen.
Am Abend sassen sie immer noch dort.
Sie sassen allein, und sie sprachen kein Wort
und konnten es einfach nicht fassen.
Erich Kästner
(und man darf sagen sie kannten sich gut),
kam ihre Liebe plötzlich abhanden.
Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.
Sie waren traurig, betrugen sich heiter,
versuchten Küsse, als ob nichts sei,
und sahen sich an und wussten nicht weiter.
Da weinte sie schliesslich. Und er stand dabei.
Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken.
Er sagt, es wäre schon Viertel nach vier
und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken.
Nebenan übte ein Mensch Klavier.
Sie gingen ins kleinste Café am Ort
und rührten in ihren Tassen.
Am Abend sassen sie immer noch dort.
Sie sassen allein, und sie sprachen kein Wort
und konnten es einfach nicht fassen.
Erich Kästner
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Erbreich
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#83 Re: Sachliche Romanze
Ja.Lena hat geschrieben:Als sie einander acht Jahre kannten...
Es heißt ja nicht umsonst das verflixte siebente Jahr.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.
#84 Re: Jeden Tag ein Gedicht
Wenige nur, ach, wenige sind,
Deren Aug in der Schöpfung
Den, der geschaffen har, sieht!
Wenige, deren Ohr
In dem mächtigen Rauschen des Sturmwinds,
Im Donner, der rollt,
Oder im lispelnden Bache,
Den Unerschaffnen hört!
Wenige Herzen erfüllt
Mit Ehrfurcht und Schauer
Gottes Allgegenwart.
Lass mich, im Heiligtume,
Dich, Allgegenwärtiger!
Stets suchen, und finden!
Und wenn er mir entflieht,
dieser himmlische Gedanke,
lass mich ihn tiefanbetend
Aus den Chören der Seraphim
Ihn mit lauten Tränen der freude
Herunter rufen,
Damit ich, dich zu schaun,
Mich bereite, mich weihe,
Dich zu schaun!
Im Allerheiligsten!
Friedrich Gottlieb Klopstock
Deren Aug in der Schöpfung
Den, der geschaffen har, sieht!
Wenige, deren Ohr
In dem mächtigen Rauschen des Sturmwinds,
Im Donner, der rollt,
Oder im lispelnden Bache,
Den Unerschaffnen hört!
Wenige Herzen erfüllt
Mit Ehrfurcht und Schauer
Gottes Allgegenwart.
Lass mich, im Heiligtume,
Dich, Allgegenwärtiger!
Stets suchen, und finden!
Und wenn er mir entflieht,
dieser himmlische Gedanke,
lass mich ihn tiefanbetend
Aus den Chören der Seraphim
Ihn mit lauten Tränen der freude
Herunter rufen,
Damit ich, dich zu schaun,
Mich bereite, mich weihe,
Dich zu schaun!
Im Allerheiligsten!
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Erbreich
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#85 Re: Sachliche Romanze
... geht das denn so einfach? Diese Vorstellung macht mir Gänsehaut.Lena hat geschrieben: kam ihre Liebe plötzlich abhanden.
Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.
#86 Re: Sachliche Romanze
Es ist vielleicht mehr so, dass es einem auf einmal, ja eben plötzlich, so richtig bewusst wird, dass sie abhanden kam, die Liebe zum andern...
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Erbreich
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#87 Re: Jeden Tag ein Gedicht
Wenn man aneinander vorbei lebt, ganz bestimmt.Pflanzenfreak hat geschrieben:... geht das denn so einfach? Diese Vorstellung macht mir Gänsehaut.Lena hat geschrieben: kam ihre Liebe plötzlich abhanden.
Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.
Ermüdet machten beide halt
Um in der grünen Heide bald
Nach regem Küssetausch zu ruhn
Und freudig das im Rausch zu tun
Was schließlich ihn zum Vater kürte
Und zu dem schlimmsten Kater führte
Zwar zahlte er stets willig bar
Doch merkt' er, weils nicht billig war
Dass eine Rast im Heidekraut
Doch mächtig in die Kreide haut
Günter Nehm.

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#88 Re: Sachliche Romanze
... denn aufbewahrt war sie am falschen Ort,Lena hat geschrieben:Es ist vielleicht mehr so, dass es einem auf einmal, ja eben plötzlich, so richtig bewusst wird, dass sie abhanden kam, die Liebe zum andern...
im schwindenden Rauch der Gefühle,
aufsteigend, nicht niedersteigend,
enttäuschend sich verflüchtend,
weil fordernd anstatt schenkend,
nicht im Feuerherd des Geistes,
dort stets sich erneuernd,
stets sich vermehrend,
gewollt
aus Liebe zur Wahrheit
aus Liebe zum Leben
aus Liebe zum Licht.
EWIG
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#89 Re: Sachliche Romanze
steckt in dieser Aussage Wahrheit oder Vermutung?Rembremerding hat geschrieben: enttäuschend sich verflüchtend,
weil fordernd anstatt schenkend,
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#90 Re: Sachliche Romanze
Wahrheit, denn zu fordern, dass ein Mensch einen anderen glücklich machen soll, ist eine Täuschung, die ent-täuscht wird.Pflanzenfreak hat geschrieben:steckt in dieser Aussage Wahrheit oder Vermutung?Rembremerding hat geschrieben: enttäuschend sich verflüchtend,
weil fordernd anstatt schenkend,
Liebe dient der Liebe des anderen und umgekehrt, denn sie ist Geschenk, die sich schenkt.
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