Novalis hat geschrieben:Ich persönlich denke, dass es in der Lehre des Buddha ebenfalls (im besten Sinne des Wortes) um die Vereinigung mit Gott und das ewige Leben geht, auch wenn in anderen Begriffen davon gesprochen wird.
Es kommt darauf an, wie du "Gott" und "das ewige Leben" definierst. Nibbana ist definitiv keine Person und kein Ort und auch nichts, das mit dem gängigen Verständnis von "Leben" bezeichnet werden könnte.
Der Buddha hat jedoch sehr wohl über Gott (Brahman) gesprochen und kritisierte die Brahmanen dafür, dass sie das Licht Gottes nicht mehr wirklich reflektieren.
Das ist richtig, jedoch hat er niemals Brahman als das Höchste bezeichnet und dem Atman (der ewigen Seele) hat er seine Anatman- (Anatta-) Lehre entgegengesetzt (eigentlich müsste übersetzt werden: Lehre von der "Seelenlosigkeit" - das Problem der ersten Übersetzer war, dass "Seelenlosigkeit" bei uns als moralische Verwerflichkeit verstanden worden wäre). Für den Buddha gab es kein ewiges Leben und kein ewig lebendes Wesen, wie erhaben und göttlich auch immer es gedacht wird. Auch der Buddha selber - wie auch Nirvana - ist "anatta", leer von einem Ich oder Selbst, oder eben: seelenlos.
Deshalb auch seine Aussage, es gäbe Erlösung, aber kein erlöstes Wesen. Die Erlösung besteht ja gerade als Erlösung von all dem, was wir als "Wesen" identifizieren.
Gerade das, was Du als das Bewundernswerte am Buddhismus bezeichnest, halte ich eher für eine typisch westliche Verzerrung, weil wir Probleme damit haben, die Mehrdeutigkeit der östlichen Religion zu verstehen.
Wir müssen ebenso aufpassen mit typisch westlichen - oder genauer: christlichen - Verzerrungen des Dhamma, der Lehre Buddhas. Vieles an den beiden Wegen korrespondiert durchaus miteinander. Aber einiges eben auch nicht (auch wenn wir es vielleicht gerne so sehen möchten).
Aber, um dir hier entgegenzukommen, Novalis: Auch ich setze gelegentlich in Gesprächen Gott, das Reich Gottes und das ewige Leben mit Nibbana analog und Gottes Wille mit dem Dhamma. Dies zu Verständniszwecken mit gott- und seelengläubigen Menschen, betone aber auch stets mein buddhistisches Verständnis dieser Begriffe und Symbolismen.
Der Dalai Lama sagte zu dem Problem in einem Gespräch mit Christen (zu finden in
Das Herz aller Religionen ist eins - Die Lehre Jesu aus buddhistischer Sicht):
Nach meinem Empfinden gibt es ausserordentlich viele Punkte der Annäherung oder Übereinstimmung zwischen der buddhistischen und der christlichen Überlieferung und ein enormes Potenzial zu wechselseitiger Bereicherung durch den Dialog: zumal im Bereich der Ethik und in der spirituellen Praxis, wenn es um Mitgefühl, Liebe, Meditation und grössere Toleranz geht. Und ich spüre, dass dieser Dialog sehr weit gehen könnte. Wenn es aber zu einem Dialog in Bezug auf philosophische und metaphysische Fragen kommt, müssen wir, so glaube ich, getrennte Wege einschlagen. Die gesamte buddhistische Weltsicht basiert auf einem philosophischen Standpunkt, dessen zentraler Gedanke das Prinzip der wechselseitigen Bedingtheit ist: Ihm zufolge treten alle Dinge und Geschehnisse allein infolge von Wechselwirkungen zwischen Ursachen und Bedingungen ins Dasein. Innerhalb dieser Philosophie ist es nahezu unmöglich, Raum zu schaffen für eine ausserzeitliche, ewige, absolute Wahrheit. Ebensowenig ist es möglich, die Vorstellung einer göttlichen Schöpfung unterzubringen. Entsprechend hat für einen Christen, dessen gesamte metaphysische Weltsicht auf dem Glauben an die Schöpfung und einen göttlichen Schöpfer beruht, die Vorstellung, dass alle Dinge und Geschehnisse aus der blossen Interaktion zwischen Ursachen und Bedingungen entstehen, keinen Platz. Im Bereich der Metaphysik wird es also an einem bestimmten Punkt problematisch, und die Auffassungen der beiden Überlieferungen müssen hier voneinander abweichen.
Gruss, erbreich