alles fliesst...

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Novas
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#31 Re: alles fliesst...

Beitrag von Novas » So 2. Apr 2017, 17:13

Pluto hat geschrieben:
erbreich hat geschrieben:Meines Erachtens - und soweit, wie ich den Buddhismus verstehe und praktiziere - lassen sich das Körperliche und das Geistige des Menschen nicht voneinander trennen. Das buddhistische Ziel ist Nirvana (das Erlöschen) , und das kennen wir unter zwei Aspekten:
Das ist das Bewundernswerte am Buddhismus. Er erhebt keinerlei Ansprüche an einen Gott oder an ein Versprechen von ewigem Leben, wie es andere Religionen tun

Die Entwicklung des Buddhismus muss auch in der historischen Perspektive gesehen werden. Als Buddha erschien, war die vedische Religion in Indien in einer Periode des Niedergangs. Die buddhistische Erzählung sagt, dass die privilegierte Priesterkaste, korrupt geworden war und wenig von dem wahren Geist der Religion wusste, der sie unfähig machte, anderen den Weg zu Gott zu lehren.
Der Buddha lebte zu einer Zeit, als die Menschen in einem Meer unterschiedlicher Lehren über Gott ertranken und die Brahmanen/Priester, welche die Vermittler dieser Lehren sein sollten, unfähig dazu waren sie auf eine heilbringende und erleuchtende Weise zu vermitteln, ähnlich wie unsre heutige Zeit, was vielleicht die Sympathie erklärt. Der Buddha hat jedoch sehr wohl über Gott (Brahmān) gesprochen und kritisierte die Brahmanen dafür, dass sie das Licht Gottes nicht mehr wirklich reflektieren.

Ich persönlich denke, dass es in der Lehre des Buddha ebenfalls (im besten Sinne des Wortes) um die Vereinigung mit Gott und das ewige Leben geht, auch wenn in anderen Begriffen davon gesprochen wird. Gerade das, was Du als das Bewundernswerte am Buddhismus bezeichnest, halte ich eher für eine typisch westliche Verzerrung, weil wir Probleme damit haben, die Mehrdeutigkeit der östlichen Religion zu verstehen.

Pluto
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#32 Re: alles fliesst...

Beitrag von Pluto » So 2. Apr 2017, 17:48

Novalis hat geschrieben:Ich persönlich denke, dass es in der Lehre des Buddha ebenfalls (im besten Sinne des Wortes) um die Vereinigung mit Gott und das ewige Leben geht, auch wenn in anderen Begriffen davon gesprochen wird. Gerade das, was Du als das Bewundernswerte am Buddhismus bezeichnest, halte ich eher für eine typisch westliche Verzerrung, weil wir Probleme damit haben, die Mehrdeutigkeit der östlichen Religion zu verstehen.
Das scheint mir deine persönliche Meinung zu sein, die aber nicht mit dem Buddhismus im Einklang steht.
Wo, im Buddhismus, wird ewiges Leben proklamiert oder gar versprochen? Das Gegenteil ist der Fall.

Was bedeutet für dich der Begriff "Nirwana"?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Novas
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#33 Re: alles fliesst...

Beitrag von Novas » So 2. Apr 2017, 18:02

Pluto hat geschrieben:Was bedeutet für dich der Begriff "Nirwana"?

Das ist die passende Frage: was sagt der Buddha über Gott, das Absolute, die transzendente Realität? Über diese hat er zweifellos gesprochen. Ich denke, dass es sich hier eher um ein semantisches Problem handelt. Mein Verständnis der Lehre des Buddha ist, dass er nicht für oder gegen Gott argumentierte (wie das heute im Westen gerne getan wird), weil er die Frage, ob Gott existiert, für irrelevant hielt.

Ich halte diese Frage übrigens ebenfalls für vollkommen irrelevant. Ja, richtig gelesen, ich halte sie für derart irrelevant, dass ich nicht wirklich nachvollziehen kann, weshalb darüber überhaupt so viel diskutiert wird seit Jahrhunderten, so als müsste der Allmächtige bei uns um Erlaubnis bitten, um existieren zu können. Letztlich ist die einzige relevante Frage, wie Leiden überwunden werden kann (für Buddhisten "Erleuchtung") bzw. um das christliche Wort zu verwenden: wie Erlösung, Errettung, Seelenheil möglich wird. Wenn es dem Seelenheil eines Menschen dient an Gott zu glauben, dann ist das ein ausreichender Grund für die Legitimität dieses Glaubens.
Zuletzt geändert von Novas am So 2. Apr 2017, 18:12, insgesamt 1-mal geändert.

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erbreich
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#34 Re: alles fliesst...

Beitrag von erbreich » So 2. Apr 2017, 18:11

Novalis hat geschrieben:Ich persönlich denke, dass es in der Lehre des Buddha ebenfalls (im besten Sinne des Wortes) um die Vereinigung mit Gott und das ewige Leben geht, auch wenn in anderen Begriffen davon gesprochen wird.
Es kommt darauf an, wie du "Gott" und "das ewige Leben" definierst. Nibbana ist definitiv keine Person und kein Ort und auch nichts, das mit dem gängigen Verständnis von "Leben" bezeichnet werden könnte.

Der Buddha hat jedoch sehr wohl über Gott (Brahman) gesprochen und kritisierte die Brahmanen dafür, dass sie das Licht Gottes nicht mehr wirklich reflektieren.
Das ist richtig, jedoch hat er niemals Brahman als das Höchste bezeichnet und dem Atman (der ewigen Seele) hat er seine Anatman- (Anatta-) Lehre entgegengesetzt (eigentlich müsste übersetzt werden: Lehre von der "Seelenlosigkeit" - das Problem der ersten Übersetzer war, dass "Seelenlosigkeit" bei uns als moralische Verwerflichkeit verstanden worden wäre). Für den Buddha gab es kein ewiges Leben und kein ewig lebendes Wesen, wie erhaben und göttlich auch immer es gedacht wird. Auch der Buddha selber - wie auch Nirvana - ist "anatta", leer von einem Ich oder Selbst, oder eben: seelenlos.

Deshalb auch seine Aussage, es gäbe Erlösung, aber kein erlöstes Wesen. Die Erlösung besteht ja gerade als Erlösung von all dem, was wir als "Wesen" identifizieren.

Gerade das, was Du als das Bewundernswerte am Buddhismus bezeichnest, halte ich eher für eine typisch westliche Verzerrung, weil wir Probleme damit haben, die Mehrdeutigkeit der östlichen Religion zu verstehen.
Wir müssen ebenso aufpassen mit typisch westlichen - oder genauer: christlichen - Verzerrungen des Dhamma, der Lehre Buddhas. Vieles an den beiden Wegen korrespondiert durchaus miteinander. Aber einiges eben auch nicht (auch wenn wir es vielleicht gerne so sehen möchten).

Aber, um dir hier entgegenzukommen, Novalis: Auch ich setze gelegentlich in Gesprächen Gott, das Reich Gottes und das ewige Leben mit Nibbana analog und Gottes Wille mit dem Dhamma. Dies zu Verständniszwecken mit gott- und seelengläubigen Menschen, betone aber auch stets mein buddhistisches Verständnis dieser Begriffe und Symbolismen.

Der Dalai Lama sagte zu dem Problem in einem Gespräch mit Christen (zu finden in Das Herz aller Religionen ist eins - Die Lehre Jesu aus buddhistischer Sicht):

Nach meinem Empfinden gibt es ausserordentlich viele Punkte der Annäherung oder Übereinstimmung zwischen der buddhistischen und der christlichen Überlieferung und ein enormes Potenzial zu wechselseitiger Bereicherung durch den Dialog: zumal im Bereich der Ethik und in der spirituellen Praxis, wenn es um Mitgefühl, Liebe, Meditation und grössere Toleranz geht. Und ich spüre, dass dieser Dialog sehr weit gehen könnte. Wenn es aber zu einem Dialog in Bezug auf philosophische und metaphysische Fragen kommt, müssen wir, so glaube ich, getrennte Wege einschlagen. Die gesamte buddhistische Weltsicht basiert auf einem philosophischen Standpunkt, dessen zentraler Gedanke das Prinzip der wechselseitigen Bedingtheit ist: Ihm zufolge treten alle Dinge und Geschehnisse allein infolge von Wechselwirkungen zwischen Ursachen und Bedingungen ins Dasein. Innerhalb dieser Philosophie ist es nahezu unmöglich, Raum zu schaffen für eine ausserzeitliche, ewige, absolute Wahrheit. Ebensowenig ist es möglich, die Vorstellung einer göttlichen Schöpfung unterzubringen. Entsprechend hat für einen Christen, dessen gesamte metaphysische Weltsicht auf dem Glauben an die Schöpfung und einen göttlichen Schöpfer beruht, die Vorstellung, dass alle Dinge und Geschehnisse aus der blossen Interaktion zwischen Ursachen und Bedingungen entstehen, keinen Platz. Im Bereich der Metaphysik wird es also an einem bestimmten Punkt problematisch, und die Auffassungen der beiden Überlieferungen müssen hier voneinander abweichen.

Gruss, erbreich

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#35 Re: alles fliesst...

Beitrag von Rembremerding » So 2. Apr 2017, 18:27

erbreich hat geschrieben: Wir müssen ebenso aufpassen mit typisch westlichen - oder genauer: christlichen - Verzerrungen des Dhamma, der Lehre Buddhas. Vieles an den beiden Wegen korrespondiert durchaus miteinander. Aber einiges eben auch nicht (auch wenn wir es vielleicht gerne so sehen möchten).

Danke für die Differenzierung.
Es ist weder einem Buddhisten noch einem Christen dienlich die Lehre Buddhas sowie den Glauben an die göttliche Person Jesus, dem Erlöser, zu einem Konglomerat zusammenzufügen. Das wäre wie Öl und Wasser.
Allerdings sind wechselseitig oftmals die Grenzen dort die Chancen hier.
Da Gott für mich omnipräsent, allwissend und unendlich liebevoll ist, wird er für jede Seele das Beste bereit halten, damit seine Erlösung wirken kann.

Aber, lieber @erbreich, lasst doch die christlichen Seelen nicht so lange bei Gott oder im Nichts warten, bis die buddhistischen Seelen mit ihren reinkarnierten "Ehrenrunden" endlich auch dort ankommen. Wir brauchen euch doch, denn Buddhisten müssen ja dann besonders "alte" Seelen sein. :D

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Novas
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#36 Re: alles fliesst...

Beitrag von Novas » So 2. Apr 2017, 18:37

Hallo, erbreich. Meine Sichtweise kommt sehr nahe dem Verständnis, wie es in der orthodoxen Theologie des östlichen Christentums gedacht wird. Dort wird die Existenz Gottes bejaht, aber zugleich seine Transzendenz und Unerkennbarkeit, als der „ganz andere“ betont. Das göttliche Wesen ist also prinzipiell unerkennbar und ein ewiges Mysterium, was auch unter dem Begriff der negativen Theologie bekannt ist (griechisch theología apophatikḗ, lateinisch theologia negativa) das ist auch der Grund, weshalb eine Diskussion über seine Existenz für mich keinen wirklichen Sinn ergibt.
Denn damit wird unterstellt, dass der Mensch fähig ist Gott denken zu können, denn nur so können wir mit Sicherheit eine Aussage über seine Existenz oder Nicht-Existenz machen. Ich persönlich denke, dass der Mensch unendlich weit davon entfernt ist Gott denken und begrifflich erfassen zu können. Es gibt aber verschiedene Arten und Weisen über/mit/von ihm zu sprechen, persönlich oder unpersönlich. Beides gibt es in unserer spirituellen Tradition.

Da ich mich intensiv mit der Religionsgeschichte der östlichen Religionen beschäftigt habe, weiß ich auch, dass es dort ganze Schulen/Denkrichtungen gab, die entweder Gott eher als Höchste Person oder vollkommen unpersönlich verstanden haben. Da diese Diskussion in Indien mehrere Jahrtausende geführt und bis heute an kein Ende gekommen ist, glaube ich nicht, dass wir zu einem endgültigen Ergebnis kommen werden :D so viel sei dazu von meiner Seite gesagt: es gibt für beides gute Gründe dafür und dagegen. Ein typisches Argument jener, welche Gott als Person verstehen: wenn schon ein Mensch persönliches Bewusstsein besitzt - also dieses auf der relativen Ebene existiert - wie kann es dann im Absoluten nicht vorhanden sein? Wenn ich eine Person bin, dann kann Gott nicht weniger sein.
Zuletzt geändert von Novas am So 2. Apr 2017, 18:54, insgesamt 4-mal geändert.


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#38 Re: alles fliesst...

Beitrag von Pluto » So 2. Apr 2017, 19:07

Novalis hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was bedeutet für dich der Begriff "Nirwana"?
Das ist die passende Frage: was sagt der Buddha über Gott, das Absolute, die transzendente Realität? Über diese hat er zweifellos gesprochen. Ich denke, dass es sich hier eher um ein semantisches Problem handelt. Mein Verständnis der Lehre des Buddha ist, dass er nicht für oder gegen Gott argumentierte (wie das heute im Westen gerne getan wird), weil er die Frage, ob Gott existiert, für irrelevant hielt.
Warum beantwortest du nicht einfach meine Frage?
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#39 Re: alles fliesst...

Beitrag von Pluto » So 2. Apr 2017, 19:09

Schon gut....

Wohl bekommts!
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Rembremerding
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#40 Re: alles fliesst...

Beitrag von Rembremerding » So 2. Apr 2017, 19:13

Novalis hat geschrieben:Meine Sichtweise kommt sehr nahe dem Verständnis, wie es in der orthodoxen Theologie des östlichen Christentums gedacht wird. Dort wird die Existenz Gottes bejaht, aber zugleich seine Transzendenz und Unerkennbarkeit, als der „ganz andere“ betont. Das göttliche Wesen ist also prinzipiell unerkennbar und ein ewiges Mysterium, was auch unter dem Begriff der negativen Theologie bekannt ist (griechisch theología apophatikḗ, lateinisch theologia negativa) das ist auch der Grund, weshalb eine Diskussion über seine Existenz für mich keinen wirklichen Sinn ergibt.
Natürlich ist diese theologia negativa auch in der lateinischen Theologie präsent, etwa bei Thomas von Aquin. Er und die orthodoxen Theologen bauen auf Dionysius Areopagita auf, der erstmals darüber nachdachte.

Für Dionysius ist Gott der „ganz jenseitige“, jenseits aller menschlichen Erkennbarkeit. Als der Eine und Vollkommene ist Gott jenseits allen Seins, das niemals erreicht wird. Gott selbst ist der Gute, der Seiende und ewig lebende, den man nicht endgültig erfassen kann, obwohl er Ursache, Anfang und Leben alles Seins ist. Eine Gotteserkenntnis kann nur durch Analogien geschehen, welche die Ursache von allem, jedoch nicht das Wesen dahinter erfasst. Man kann Attribute erkennen, was Gott nicht ist: beispielsweise endlich, in Raum und Zeit. Diese theologia negativa ist nur ein Versuch das Unsagbare auszusprechen. Was Gott ist (theologia positiva), kann nur von der biblischen Offenbarung Gottes ausgehen. Schließlich wurde Gott in Jesus Christus offenbar als Mensch und kann durch ihn durch sein Handeln erfahrbar werden. Gott bleibt dabei jedoch größer als alles menschliche Bemühen.

Gott lässt sich jedoch vom Menschen mystisch erfahren. Dies geschieht ohne Augen, schweigsam, ohne Laut und Wort in der Ekstase, um mit Gott eins zu werden. Ein Vergleich zur Liebe bietet sich an: Man kann sie als süß bezeichnen, sie wohnt im Herzen, doch man kann sie nicht endgültig beschreiben und sehen. Gott und die Liebe sollen nicht zerredet werden. Seine Allwissenheit, Allmacht, Ewigkeit ist zwar wahr, aber in Gott ungleich gering. Die Sprache, Vernunft und der Verstand erfassen Gott niemals vollständig. So geschieht die Erfahrung Gottes stets ohne Bild, ohne Begriff, ohne Worte. Der Mensch muss sich von seinen Gottesvorstellungen trennen, seinem Verstand nicht mehr hinterherlaufen. In der Ekstase der Seele, ihrer Entleerung alles sinnlichen und gedanklichen, kann es ihr gelingen aus sich heraus in Gott zu sein, aber eben immer als Person, weil Gott ebenso drei Personen ist.

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