sven23 hat geschrieben:Beim Kriminologen Pfeiffer hatte man offensichtlich Angst, daß er zuviel an die Öffentlichkeit trägt.
Da ging es eher um unterschiedliches Rechtsverständnis - denn folgendes objektives Problem gab es bis vor wenigen Jahren:
Es gibt Strafrecht und Kirchenrecht. Bis vor kurzem war es üblich, dass Straftaten innerhalb der Kirche mit Duldung der säkularen Gerichtsbarkeit per Kirchenrecht geahndet werden konnten - das wurde durch Leutheusser-SChnarrenberger im Rahmen der Missbrauchs-Affäre geklärt zugunsten einer Meldepflicht gegenüber der Staatsanwaltschaft. - Früher lief es in etwa so (habe mich da vor einigen Jahren über meine katholischen Kontakte schlau gemacht):
Bischof Sven nimmt sich den Pfarrer Closs vor, dem Missbrauch mit Jugendlichen vorgeworfen wird (wollen wir hier annehmen, dass es berechtigte Vorwürfe sind). Es gibt ein Gespräch, nach dem Bischof Sven entscheidet, was er jetzt mit Pfarrer Closs macht. Gleichzeitig wird ein hoher Geistlicher zur Familie des Opfers geschickt, um mit ihr das Geschehen und die Folgen daraus zu besprechen. - Insofern also gab es schon früher Schuldeingeständnisse seitens der Kirche für ihre Geistlichen.
Pfarrer Closs weiß, dass er schwer gesündigt hat - und er weiß, dass es im engeren Zirkel bekannt ist. - Er wird deshalb NICHT geschnitten (weil man so nicht mit Sündern umgeht), aber er wird versetzt in einen Bereich, in dem er keinen Zugang zu Jugendlichen hat
(wenn nicht, ist das ein Versagen des Bischofs). - Soweit die Familie des Opfers oder das Opfer selbst keine Anzeige bei einem weltlichen Gericht erstatten, passiert weltlich nichts, weil es der Bischof NICHT tut. Er hat es ja kirchenrechtlich geklärt. Außerdem gibt es innerhalb des Christentums eine andere Logik in Bezug auf Ahndung: Der formalen Strafe der weltlichen Gerichtsbarkeit (Geldstrafe, Gefängnis) stehen im Kirchenrecht Reue und Buße im Vordergrund - und zwar OHNE Verjährung
(in manchen Fällen ist das Kirchenrecht somit sogar strenger als das Staatsrecht).
Und jetzt zurück zu Pfeiffer: Wenn Pfeiffer als Vertreter der weltlichen Gerichtsbarkeit vergangene Fälle untersucht, die noch unter kirchenrechtlichen Gesichtspunkten abgehandelt wurden, muss es zu Konfrontation kommen. Denn dann wird Pfeiffer die vergangenen Fälle so ansehen, wie man sie unter strafrechtlichen Gesichtspunkten sehen müsste - also so, als wären sie kirchenrechtlich nicht abgehandelt worden. - Und dann liegt der Vorwurf der Vertuschung nahe - weil es ja DANN nicht abgehandelte Fälle sind.
Die Kirche sagt dann zu Pfeiffer: "Moment - Dich gehen nur die Fälle etwas an, die wir NICHT abgehandelt haben. Wenn Du also einen Fall findest, den wir damals kirchenrechtlich hätten abhandeln müssen, trifft uns zu Recht Dein Vorwurf. Aber lass die Finger von abgehandelten Fällen - die gehen Dich nach damaligem Rechts-Usus (der den staatlichen Behörden bekannt war) nichts an.
Folge wird dann sein (und so war es ja dann auch), dass Pfeiffer unter SEINER Prämisse sagt: "Mir werden Einblicke nicht gewährt". - Die Kirche hält dagegen: "Pfeiffer hatte Einblick in alle nicht-behandelten Fälle - ihm wurden also Einblicke gewährt". - Das Medien-Publikum gibt natürlich Pfeiffer recht - ohne zu wissen, um was es eigentlich geht. Die Medien selbst tun nichts, um fair zu informieren - weil das ja kontra-produktiv im Sinne des Hypes ist.
Die Missbrauchs-Diskussion ist wirklich wichtig - aber die Medien verfügen über ein derartig monströses Irrleitungs-Potential, das sie auch nutzen, so dass sie Täter am Ende zu Opfern machen (ganz gegen ihre Absicht).