Krieg und Frieden

Politik und Weltgeschehen
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sven23
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#1 Krieg und Frieden

Beitrag von sven23 » Sa 19. Feb 2022, 11:30

Gemeint ist hier nicht der Roman von Tolstoi, sondern die aktuelle Situation in der Ukraine.
Was bezweckt Putin mit den Manövern an der ukrainischen Grenze? Geht es ihm nur darum, sich in eine stärkere Verhandlungsposition gegenüber der NATO und der Osterweiterung der NATO zu bringen?
Einen Punkt jedenfalls kann Putin für sich reklamieren: der versprochene Verzicht des Westens auf die Nato-Osterweiterung ist vielfach gebrochen worden, auch wenn dieses Versprechen nur mündlich gegeben wurde.



Die Frage wäre also, ob auch ein Land wie Rußland ein legitimes Sicherheitsinteresse für sich reklamieren kann, wenn es sich durch geografisch näher rückende Militärpräsenz bedroht fühlt? Man darf in diesem Zusammenhang auch mal an die geplante Stationierung von Atomwaffen auf Kuba erinnern, die fast den 3. Weltkrieg ausgelöst hätte.

Abseits dieser essentiellen Fragen gingen Bilder von Putins absurd langem Verhandlungstisch um die Welt. Ist das nur seiner Angst vor Corona geschuldet oder ist es ganz bewußt eine Inszenierung der Macht? Nach meinem Eindruck wirkt Putin aber genauso verloren an diesem riesigen Tisch wie Scholz.


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Quelle
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R.F.
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#2 Krieg und Frieden

Beitrag von R.F. » So 20. Feb 2022, 17:40

sven23 hat geschrieben:
Sa 19. Feb 2022, 11:30
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Die Frage wäre also, ob auch ein Land wie Rußland ein legitimes Sicherheitsinteresse für sich reklamieren kann, wenn es sich durch geografisch näher rückende Militärpräsenz bedroht fühlt? Man darf in diesem Zusammenhang auch mal an die geplante Stationierung von Atomwaffen auf Kuba erinnern, die fast den 3. Weltkrieg ausgelöst hätte.

Abseits dieser essentiellen Fragen gingen Bilder von Putins absurd langem Verhandlungstisch um die Welt. Ist das nur seiner Angst vor Corona geschuldet oder ist es ganz bewußt eine Inszenierung der Macht? Nach meinem Eindruck wirkt Putin aber genauso verloren an diesem riesigen Tisch wie Scholz.
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Hallo Sven!

Im Gegensatz zu den meisten Spitzenpolitiker macht Putin kein Geheimnis um seine Machtabsichten. Er sieht sich als Zar, will das Russische Reich erhalten. Seine pompösen Auftritte im Kreml spiegeln seine Welt wider.

Der Westen hatte mit der Aufnahme einer Reihe osteuropäischer Staaten in die Nato Russlands Machtbereich erheblich verkleinert. Putin versuchte den Prozess durch freundschaftliche Beziehungen zu Europa aufzuhalten. Doch Frau Doktor Merkel, die Putin seit vielen Jahre kennt, machte ihm einen Strich durch die Rechnung, als sie sich für die andere Seite entschied.
Aber auch andere deutsche Politiker wie der ehemalige Außenminister Guido Westerwelle, der Ende 2013 auf dem Maidan Proteste der pro-europäischen Opposition unterstützte, stieß in dasselbe Horn.

Seit gestern werden die Stimmen lauter, die die Welt vor einem großen Krieg sehen. So insbesondere Joe Biden und Boris Johnson. Schwer zu sagen, ob die das ernst meinen oder welche Absichten hinter ihren beängstigten Einschätzungen stecken.

Doch eine von den Anglo-Kelten befürchtete Folge wird eintreten: Die Verselbständigung Europas. Die dadurch entstehende Gefahr für den Weltfrieden kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.

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sven23
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#3 Krieg und Frieden

Beitrag von sven23 » Mi 23. Feb 2022, 18:26

R.F. hat geschrieben:
So 20. Feb 2022, 17:40
Hallo Sven!

Im Gegensatz zu den meisten Spitzenpolitiker macht Putin kein Geheimnis um seine Machtabsichten.
In der Tat hat er inzwischen die Maske fallen lassen. Sein Vortrag war Geschichtsrevisionismus vom Feinsten. Und Trump hat nichts besseres zu tun als seiner Schmierenkomödie zu applaudieren. Psychopathen unter sich. :thmbdn:
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piscator
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#4 Krieg und Frieden

Beitrag von piscator » Mi 23. Feb 2022, 18:57

Ich bin heilfroh, dass Trump nicht mehr Präsident der USA ist. Unabhängig davon habe ich mit der ganzen Kriegsrhetorik ein großes Problem. Ein Krieg in Europa wäre eine Katastrophe. 
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piscator
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#5 Krieg und Frieden

Beitrag von piscator » Do 24. Feb 2022, 09:01

Ich vermisse das Geschrei der so geannten Friedensbewegung. Die sind anscheinend nur dann auf der Straße, wenn die USA oder Israel angebliche Aggressoren sind.

In manchen angeblich christlichen Foren ist es ähnlich. Da entpuppen sich christliche Impfgegner plötzlich als Putinversteher.

Da die ja nicht alle strunzdumm sein können, stellt sich sofort die Frage wer die bezahlt, den nützlichen Idioten zu spielen.

Teile des Fundi-Christentums zeigenn immer mehr ihr wahres Gesicht. 👹
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Naqual
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#6 Krieg und Frieden

Beitrag von Naqual » Fr 25. Feb 2022, 12:56

piscator hat geschrieben:
Do 24. Feb 2022, 09:01
Da entpuppen sich christliche Impfgegner plötzlich als Putinversteher.
Da die ja nicht alle strunzdumm sein können, stellt sich sofort die Frage wer die bezahlt, den nützlichen Idioten zu spielen.
Teile des Fundi-Christentums zeigenn immer mehr ihr wahres Gesicht. 👹
Ich denke die werden gar nicht bezahlt, als Überzeugungstäter arbeiten Sie für den handelsüblichen "Gotteslohn".

Wobei ich Putin sogar verstehe. Achtung: Verstehen heißt nicht sein Verhalten in irgendeinerweise gut zu befinden.

Seit dem Zusammenfall der Sowjetunion (eigentlich besser als "Großrussisches Reich" zu bezeichnen) ist in den letzten 3 Jahrzehnten die "Nato-Osterweiterung" (Bulgarien, Albanien, Kroatien, Estland, Lettland) in einem Umfang vorangetrieben worden, dass man sich als Rußland durchaus bedroht fühlen kann. Dass wir die "Guten" sind, mag zwar sein, ist aber aus den historischen Fakten heraus nicht abzuleiten (im Gegenteil). Ist die Ukraine in der Nato könnten man die Atomraketen direkt an der russischen Grenze stationieren.
Hinzu kommt, dass die Krim militärpolitisch und geopolitisch für Rußland zentral ist (und ganzjährig Eisfrei für die Marine, die haben sonst wenig Seezugang). Also gerade den Streifen von der russischen Grenze bis runter zur Krim (die neuen "unabhängigen" Staaten per aktueller Deklaration) ist schlicht der einzige krisensichere Zugang zur Krim.

So betrachtet sehe ich zwei Optionen:

a) der Westen macht das, was er tut: werbewirksam ökonomische Blockaden verhängen, die Rußland erstens genauso treffen wie uns und die Russen wissen: in ein paar Jahren beruhigt sich das sowieso wieder und die Blockaden werden aufgehoben. Die Ukraine wird (da sie kein Natomitgliedstaat ist, ist die Nato für die Verteidigung nicht zuständig) bei der Übermacht des Russischen Militärs vereinnahmt. Zumindest eine Marionettenregierung eingesetzt (bei Rollen der Köpfe der "Westsympathisanten") und zumindest der Landstrich von der Russischen Grenze bis zur Krim wird gegen die ukrainischen feindlichen Scharmützel der letzten Jahre abgesichert bzw. diese Aktivitäten wirksam unterbunden (aus russischer Sicht).

b) der Westen akzeptiert die militärische Überlegenheit der Russen vor Ort (es mag einem nicht gefallen, aber Fakt ist Fakt), erklärt dass es der Ukraine selbstverständlich frei steht der EU (Ökonomie) beizutreten, aber man die Ukraine nicht in die Nato aufnimmt bei gegenseitigem Einverständnis, dass militärpolitisch die Ukraine neutral bleibt. Auf den Landstreifen von der russischen Grenze bis zur Krim anerkennt man die verteidigungspolitischen Interessen der Russen (und die prorussischen Mehrheitsverhältnisse in der dortigen Bevölkerung) und stimmt im geeigneten Rahmen den "Absicherungen" zu.

Mit a) geht die gesamte Ukraine verloren, die prowestlichen Kräfte werden getötet, eingesperrt oder vertrieben. Die Ukraine wird ein russischer Vasallenstaat.
mit b) wird die Ukraine abzgl. ca 20 Prozent der Landmasse gerettet.

Also Putin gewinnt in beiden Fällen. Das lässt sich nicht verhindern und da ist der ein kristallklarer Führer.
Der Westen entscheidet sich aber für die falsche Option und verliert alles.

 

piscator
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#7 Krieg und Frieden

Beitrag von piscator » Fr 25. Feb 2022, 13:51

Ich denke die werden gar nicht bezahlt, als Überzeugungstäter arbeiten Sie für den handelsüblichen "Gotteslohn".
Nach meiner Erfahrung wird nirgends so offen und unverblümt gelogen wie in fundi-christlich geprägten Foren. Der von sich überzeugte Fundi-Christ hat stets recht, nicht nur im Glaubensdingen, sondern in allen Belangen des Lebens. 

Da mag eine gewisse Naivität und Weltfremdheit eine Rolle spielen, aber die starke Glaubensüberzeugung führt sehr oft auch zur Hartherzigkeit, zur Arroganz und zur Bösartigkeit. 

Okay, in Bezug auf Putin hast du Recht lieber Naqual, das Thema Ukraine ist aus meiner Sicht gegessen. Ein direktes Eingreifen der NATO würde sehr schnell zu einem großen Blutbad führen, das will niemand haben.







 
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#8 Russland-Ukraine Konflikt

Beitrag von Scrypton » Fr 25. Feb 2022, 14:47

Naqual hat geschrieben:
Fr 25. Feb 2022, 12:56
Also Putin gewinnt in beiden Fällen. Das lässt sich nicht verhindern und da ist der ein kristallklarer Führer.
Sehe ich persönlich nicht so, in keinster Weise.
Bereits die nicht-militärischen Sanktionen könnten je nach Auswahl und Umsetzung fatal für Russland sein, während es mitnichten der Fall ist, dass „wir“ davon gleichermaßen negativ betroffen wären.

Die Überflugrechte europaweit für sämtliche russische Fluggesellschaften stillzulegen wird bereits nach und nach umgesetzt. Vermögen/Konten führender Politiker sowie ganzer russischer Großkonzerne werden ebenfalls nach und nach eingefroren und wurde in vielen Ländern ebenfalls schon umgesetzt.
Die Länder einschließlich der USA sind weiter dabei, wirtschaftliche Investitionen und womöglich auch den Handel mit Russland zu untersagen.

Ebenfalls steht noch im Raum, Russland vom Swift-System und damit vom internationalen Finanzsystem zu trennen – das wäre eine finanzpolitische Atomwaffe, die jegliche russische wirtschaftliche Beziehung mit dem Ausland weltweit und augenblicklich unmöglich machen würde.
Zu guter Letzt gäbe es da noch diese kleine russische Enklave in Mitten der EU (wenns nicht Klick macht, einfach mal nach „Kaliningrad“ googlen), die man landseitig hervorragend und vollständig abriegeln könnte.

Anders als das bei China der Fall wäre ist es hinsichtlich Russlands nämlich so, dass in unsere Richtung hin (EU, USA) abgesehen vom Gas und etwas Öl natürlich praktisch keinerlei wirtschaftliche Abhängigkeiten existieren, umgekehrt aber sehr wohl und beträchtlich.

Nicht zu vergessen ist auch: Was will dieser von krankhafter Paranoia angetriebene und von notorischen Umzingelungsängsten geplagte Putin erreichen?
Was jetzt nämlich passieren wird ist, dass sich die NATO militärisch aufrüstet und außerdem die Ostgrenze massiv verstärkt. Am Ende wird unter anderem damit genau das Gegenteil dessen passieren, was er gerne hätte. Meiner Meinung nach muss das auch sein, ständige Lippenbekenntnisse ohne harte Fakten zu schaffen kennt der doch schon lange und belächelt sie maximal.
Er wird sehr genau beobachten, wie der Westen darauf reagieren wird.

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#9 Krieg und Frieden

Beitrag von piscator » Fr 25. Feb 2022, 15:42

Man sollte zunächst mal die Wirtschaftleistung Russlands anschauen, diese liegt weit hinter Italien und rangiert ungefähr in der Größenordnung der Region von New York.

Im Vergleich zu China hat Russland nichts zu melden.

Das spiegelt auch die Militärausgaben wieder. Wen man auf die Militärausgaben diverser Länder schaut, wird dies deutlich.

Militärausgaben nach Ländern weltweit 2020 | Statista

Natürlich gibt es in den westlichen Medien regelmäßig Berichte von russischen Wunderwaffen, aber das wird mit Sicherheit von der russischen Propaganda gesteuert und hat mit der Realität nur sehr wenig zu tun.

Ein Problem sind die Atomwaffen, wobei Atomwaffen militärisch so gut wie keinen Nutzen haben, sie dienen der gegenseitigen Abschreckung und sind rein politische Waffen.
Hier muss man darauf vertrauen, dass die Militärs ausreichende Sicherungsmaßnahmen haben, damit nicht plötzlich ein wild gewordener Politiker auf den Knopf drückt. 

Ich bin nach wie vor der Meinung, dass in Sachen Ukraine zunächst einmal Tatsachen geschaffen wurden. 

Um da Bewegung rein zu bekommen, braucht man Zeit.

Man sollte Russland zwei Alternativen aufzeigen:

a) die Auswirkungen der Sanktionen,  die Russland isolieren würden und somit Russland noch weiter wirtschaftlich ins Abseits führen, die russische Bevölkerung würde das sehr schnell spüren
b) die Ausweitung der europäischen Wirtschafts- und Handelszonen auf Russland, was letztendlich zu Wohlstand zu Frieden führen könnte.

Mit Putin wird das wahrscheinlich nicht gelingen.

 
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sven23
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#10 Krieg und Frieden

Beitrag von sven23 » Fr 25. Feb 2022, 18:56

Naqual hat geschrieben:
Fr 25. Feb 2022, 12:56
Mit a) geht die gesamte Ukraine verloren, die prowestlichen Kräfte werden getötet, eingesperrt oder vertrieben. Die Ukraine wird ein russischer Vasallenstaat.
Das war vermutlich von Anfang an das eigentliche Ziel Putins. Ein Oligarch in Wartestellung wurde ja schon ins Spiel gebracht.
Wir haben es bei Putin mit einem alternden Autokraten im Cäsarenwahn zu tun. Laut eigener Aussage war die größte Katastrophe im 20. Jahrhundert nicht der 2. Weltkrieg mit Millionen Toten besonders auf russischer Seite, sondern der Zusammenbruch der Sowjetunion. Für ihn persönlich als ehemaligem KGB-Mann war dies wohl die größte Niederlage und Kränkung, die er nie verwunden hat.
Mit konstruierten und absurden Begründungen will er nun mit einem Angriffskrieg die Geschichte revidieren. Militärisch werden die Russen sicher ihre Überlegenheit ausspielen können, aber was danach kommt, ist fraglich. Wie groß ist der Widerstandswille der Ukrainer? Gehen sie zu einem Partisanenkrieg über, wie es im Irak und Afghanistan der Fall war?
Dann könnte es die nächsten Jahre sehr schmutzig werden. Oder ergeben sie sich in ihr Schicksal?
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