Kritikwürde im Diskurs

Politik und Weltgeschehen
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Halman
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#1 Kritikwürde im Diskurs

Beitrag von Halman » Sa 3. Jun 2017, 23:01

:wave: liebe User-Gemeinde,

eben habe ich ein Interwiev mit Bazon Brock (emeritierter Professor für Ästhetik und Philosophie) gesehen. Er sprach u.a. über die Kritikwürde im Diskurs, darüber, dass wir gerade durch unsere Differenzen in der Lage sind uns selbst zu erkennen (so in meinen Worten, ich hoffe, dass ich in korrekt rezipiert habe).


Dieses Forum lebt ja von diesen Differenzen, davon, dass wir in der Kritik uns positionieren. Dabei ist es wichtig, die andere "Kultur" gelten zu lassen: Gegnerschaften sind KEINE Feindschaften.

Wir bewertet ihr den Diskurs in unserer Gesellschaft? Mein Eindruck ist, dass die Diskurs- und Kritikfähigkeit gelitten hat. Früher war es normal, so oder anders zu wählen usw. Aber heute hat man eine bestimmte Meinung zu vertreten, nämlich die richtige, ansonsten ist man ... ja, kritikunwürdig. Ist das nicht die schlimmste Abqualifizierung?
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

Novas
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#2 Re: Kritikwürde im Diskurs

Beitrag von Novas » Sa 3. Jun 2017, 23:45

Halman hat geschrieben::wave: liebe User-Gemeinde,

eben habe ich ein Interwiev mit Bazon Brock (emeritierter Professor für Ästhetik und Philosophie) gesehen. Er sprach u.a. über die Kritikwürde im Diskurs, darüber, dass wir gerade durch unsere Differenzen in der Lage sind uns selbst zu erkennen (so in meinen Worten, ich hoffe, dass ich in korrekt rezipiert habe).


Dieses Forum lebt ja von diesen Differenzen, davon, dass wir in der Kritik uns positionieren. Dabei ist es wichtig, die andere "Kultur" gelten zu lassen: Gegnerschaften sind KEINE Feindschaften.

Wir bewertet ihr den Diskurs in unserer Gesellschaft? Mein Eindruck ist, dass die Diskurs- und Kritikfähigkeit gelitten hat. Früher war es normal, so oder anders zu wählen usw. Aber heute hat man eine bestimmte Meinung zu vertreten, nämlich die richtige, ansonsten ist man ... ja, kritikunwürdig. Ist das nicht die schlimmste Abqualifizierung?


Erst wenn die Meinungen aufeinanderprallen können die Funken der Wahrheit sprühen. Nicht ganz grundlos sind Feuer und Wind Sinnbilder für den Heiligen Geist ... „Er wird euch mit dem Feuer des Heiligen Geistes taufen“ ... das verstehe ich so, dass der Weg zur Wahrheit und ins Leben immer mit einer Feuerprobe verbunden ist ... :wave:

closs
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#3 Re: Kritikwürde im Diskurs

Beitrag von closs » So 4. Jun 2017, 00:31

Novalis hat geschrieben:Wir bewertet ihr den Diskurs in unserer Gesellschaft? Mein Eindruck ist, dass die Diskurs- und Kritikfähigkeit gelitten hat.
Mein Eindruck ist das auch. - Wahrscheinlich hängt es damit zusammen, dass die meisten Menschen keine Meinung HABEN, sondern nur VERTRETEN: "Welche Meinung entspricht meinem persönlichen Interesse?"

Ein Mittel, um hier ein bißchen Wind reinzubringen, wäre die flächendeckende Einführung des Advocatus Diaboli (eine gute Vatikan-Übung). - Jeder sollte gezwungen werden, die Sache seines Gegenspielers leidenschaftlich zu verteidigen, so dass dann plötzlich Closs den Naturalisten gibt und Pluto den Christlich-Spirituellen. - Solche Sachen sind sehr heilsam - und vor allem machbar, wenn es nicht um Pfründe gehen soll, sondern um Wahrheit.

Anton B.
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#4 Re: Kritikwürde im Diskurs

Beitrag von Anton B. » So 4. Jun 2017, 00:56

Halman hat geschrieben::wave: liebe User-Gemeinde,

eben habe ich ein Interwiev mit Bazon Brock (emeritierter Professor für Ästhetik und Philosophie) gesehen. Er sprach u.a. über die Kritikwürde im Diskurs, darüber, dass wir gerade durch unsere Differenzen in der Lage sind uns selbst zu erkennen (so in meinen Worten, ich hoffe, dass ich in korrekt rezipiert habe).
[...]

Dieses Forum lebt ja von diesen Differenzen, davon, dass wir in der Kritik uns positionieren. Dabei ist es wichtig, die andere "Kultur" gelten zu lassen: Gegnerschaften sind KEINE Feindschaften.

Wir bewertet ihr den Diskurs in unserer Gesellschaft? Mein Eindruck ist, dass die Diskurs- und Kritikfähigkeit gelitten hat. Früher war es normal, so oder anders zu wählen usw. Aber heute hat man eine bestimmte Meinung zu vertreten, nämlich die richtige, ansonsten ist man ... ja, kritikunwürdig. Ist das nicht die schlimmste Abqualifizierung?
Wer sagt denn, man habe eine bestimmte Meinung zu vertreten? Und wo ist genau der Unterschied zu "früher"?

Und wie man sich verrennen kann, wenn die Grundlagen völlig unbekannt sind, dafür ist Brock selber das beste Beispiel. Ich erinnere an sein famoses Vorwort zu Zillmers "Irrtümer der Erdeschichte".

Das ist z.T. einfach Schwadronniererei. So schreibt Brock mit Bezug auf Velikovsky, das Weltuntergangsszenario der Tollmanns und selbstverständlich Zillmer:
Sie und ihre vielen Kollegen erfanden keine neue Wissenschaft als Privatmythologie, die man als new-age-Spiritismus abtun konnte. Vielmehr arbeiten sie alle unter dankbarer Akzeptanz der staunenswerten Arbeitsresultate der etablierten Wissenschaftler diverser Disziplinen.
Diese sogenannten "Arbeitsresultate" werden eben im Allgemeinen von "etablierten Wissenschaftlern" überhaupt nicht dankbar entgegengenommen. Siehe weiter unten.

Sie leugnen nicht, wie die Spiritisten, die erhobenen Daten und Erkenntnisse, sondern stützen ihre Argumentation gerade auf solche Erkenntnisse.
Doch, Zillmer leugnet bestimmte Erkenntnisse und aus anderen, ihm genehmen Erkenntnissen -- wobei er jeden passenden Strohhalm aufgreift -- bastelt er sich seine eigenen Hypothesen. Und die versanden in den Wissenschaften, weil jedem "richtigen" Wissenschaftler jeweils eine ganze Legion von Beobachtungen zu eigen ist, die die Zillmerhypothesen überhaupt nicht stützen, sondern falsifizieren.

Bazon Brock weiß aber davon gar nichts. Wenn er über Lyell, Darwin und die Naturwissenschaften an sich sinniert, dann fehlt ihm jedes Fundament dafür. Jedoch übernimmt er den Erzählfaden Zillmers über diese "Gegenstände". Brock erzählt uns dann:

Zu Zeiten der Gebrüder Grimm, die sich mit zahlreichen Kollegen der Entwicklung der Sprachen und Kulturen widmeten, versuchten die „Gebrüder Charles“, Charles Lyell und Charles Darwin, ebenso erfolgreiche Erzählungen wie die der Kulturforscher, Epiker und Volksmythenerzähler über die Geschichte der Erde und des Lebens unter das Volk zu bringen. Und der Erfolg der Gebrüder Charles als wissenschaftliche Autoritäten war so groß, daß wir noch heute kaum wagen, andere Erzählungen zu akzeptieren oder wenigstens mit ihnen wie Zillmer zu experimentieren. Lyell schrieb bereits 1840 die bis heute sakrosankte geologische Zeitskala fest, obwohl der damalige Stand des erdgeschichtlichen Wissens zum heutigen sich einigermaßen kurios ausnimmt. Wozu wird überhaupt Erdgeschichte betrieben, wenn 150 Jahre Forschung zu keinerlei Korrektur an den Grundannahmen von 1840 führen muß?
Lyell hat keine eigentliche Zeitskala festgeschrieben. Und natürlich wurde seitdem einiges korrigiert, verändert und dazu gefügt. Aber dass -- wie er später schreibt -- basierend auf Lyell katastrophale, zeitlich kurze Ereignisse in der Geologie nicht mehr in das "Denkdogma" der Geologie passten, ist ja Gott sei Dank nur wieder Zillmers Behauptung.

Brock mag auf dem Gebiete der Ästhetik und Kultur ja einiges auf dem Kasten haben, von den Naturwissenschaften im Allgemeinen als auch im Speziellen weiß er nichts. Seine gelobten Zillmerschen Erkenntnisse mögen somit auf ästhetischem und auch künstlerisch-kulturellem Gebiet bedeutsames darstellen, wissenschaftlich sind sie bisher erstmal nur Kokolores. Und das vernünftig begründbar.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

R.F.
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#5 Re: Kritikwürde im Diskurs

Beitrag von R.F. » Mo 5. Jun 2017, 11:39

Halman hat geschrieben: - - -
Dieses Forum lebt ja von diesen Differenzen, davon, dass wir in der Kritik uns positionieren. Dabei ist es wichtig, die andere "Kultur" gelten zu lassen: Gegnerschaften sind KEINE Feindschaften.

Wir bewertet ihr den Diskurs in unserer Gesellschaft? Mein Eindruck ist, dass die Diskurs- und Kritikfähigkeit gelitten hat. Früher war es normal, so oder anders zu wählen usw. Aber heute hat man eine bestimmte Meinung zu vertreten, nämlich die richtige, ansonsten ist man ... ja, kritikunwürdig. Ist das nicht die schlimmste Abqualifizierung?
Die Interviewerin spricht ein weit verbreitetes Phänomen an, das auch bei einigen hier im Forum zu beobachten ist: Wenig auf die Sache selbst eingehen, sondern auf Personen. Wenn ich mal auf eine der Lehrauffassung widersprechende Anmerkung eines von der scientific community anerkannten Wissenschaftlers verweise, kommt unverzüglich eine diesen Kritiker betreffende abwertende Darstellung - meist mithilfe eines Wikipedia-Zitates.

Kaum jemand hat Velikovsky gelesen, wenige haben versucht, geologische Gegebenheiten mit dem kritischen Blick eines Velikovsky zu betrachten.

Der heutigen Einheits-Sicht zugute kommt die der Weltgesellschaft vermittelte Einheits-“Bildung”. Doch noch wirksamer ist die penetrante Feigheit von mindestens 90 Prozent der Menschen.

Es ist natürlich wahr, dass wenn Leute wie Velikovsky oder Zillmer recht haben, das Gros der Menschen, nicht zuletzt Naturwissenschaftler, einen IQ unter dem von Stall-Vieh besitzen...

Anton B.
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#6 Re: Kritikwürde im Diskurs

Beitrag von Anton B. » Mo 5. Jun 2017, 15:41

R.F. hat geschrieben:Kaum jemand hat Velikovsky gelesen, wenige haben versucht, geologische Gegebenheiten mit dem kritischen Blick eines Velikovsky zu betrachten.
Velikovsky wird eben besonders in einem ganz kleinen Umfeld von auch noch vorwiegend Laien auf dem Gebiete der Naturwissenschaften verehrt. Echte Naturwissenschaftler in den von Velikovsky ausgelebten Spezial-Disziplinen verfügen aber über eine Kenntnis von Hypothesen, Theorien, Beobachtungen und Diskursverläufen, die kritisch eingebracht und mit den Hypothesen eines Velikovsky verglichen die letzteren vernünftig begründet nicht weiter verfolgenswert erscheinen lassen.

R.F. hat geschrieben:Der heutigen Einheits-Sicht zugute kommt die der Weltgesellschaft vermittelte Einheits-“Bildung”. Doch noch wirksamer ist die penetrante Feigheit von mindestens 90 Prozent der Menschen.
Die Ergebnisse der Naturwissenschaften sind halt nicht "wahlfrei". Und wenn -- wie in diesem Falle unter anderem Du -- man eine nicht von den Fachleuten "allgemein" vertretene Ansicht pflegt, dann sind neben der unvermeidlichen Scheuklappe der Fachleute, den Zwängen im Berufsumfeld überhaupt, gemeinen Verschwörungen zum Schutz des eigenen Status die vermalmedeite "Einheitsbildung" und halt die Feigheit von Laien Schuld, dass die Wissenschaft skeptisch bleibt. Vernünftige Begründungen jedenfalls als Argumente für die wissenschaftliche Nicht-Akzeptanz Deiner bzw. Velikovkys Meinungen kannst Du wohl von vornherein völlig ausgeschließen.

R.F. hat geschrieben:Es ist natürlich wahr, dass wenn Leute wie Velikovsky oder Zillmer recht haben, das Gros der Menschen, nicht zuletzt Naturwissenschaftler, einen IQ unter dem von Stall-Vieh besitzen...
'tschuldigung! Ergänzend zum vorher Gesagten kommt natürlich noch die generelle "Blödheit" von Naturwissenschaftlern hinzu. Sonst noch was vergessen?
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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