Begleitung von Sterbenden

Politik und Weltgeschehen
ThomasM
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#1 Begleitung von Sterbenden

Beitrag von ThomasM » So 22. Nov 2015, 21:20

Anlässlich des heutigen Ewigkeitssonntag (im Volksmund Totensonntag genannt) wurde in unserer Gemeinde die Arbeit des diakonischen Hospizvereins in den Mittelpunkt gestellt.

Dieser Verein wird von den drei Kirchen an unserem Ort (katholisch, evangelisch, baptistisch) getragen und mit freiwilligen Mitgliedern versorgt.
Die Mitglieder stehen bereit, Schwerstkranken und Sterbenden sowie deren Angehörige zu begleiten, ihnen Hilfe und Nähe zu geben und den Prozess des Sterbens würdevoll zu gestalten.
Eine sehr anspruchsvolle, wichtige und unendlich notwendige Arbeit.
Von Ehrenamtlichen.

Dabei fiel mir heute auf:
In so einer Arbeit engagiert sich kein Humanist, kein Atheist, kein weltlich eingestellter Mensch.
Dieses unmittelbare Erleben des Todes zu ertragen, dieser Wunsch, den Moment des Todes für andere zu gestalten, ist etwas, was typischerweise Christen tun. Und zwar an allen, die darum bitten, unabhängig von Religion, Hautfarbe, Geschlecht oder Herkunft.

Wenn die Hoffnung auf das ewige Leben eine Illusion sein soll, dann zeigt sich in dieser Arbeit die Kraft und die absolute Notwendigkeit für die Illusion. Da können die Humanisten allesamt einpacken.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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Savonlinna
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#2 Re: Begleitung von Sterbenden

Beitrag von Savonlinna » So 22. Nov 2015, 23:22

Ich habe einen Freund, seit Jahrzehnten, der in einem Hospiz als Pfleger arbeitet.
Er ist kein Christ, soviel ich weiß, wir haben darüber allerdings nie geredet, obwohl wir wirklich viel miteinander reden.

Er hat sich vor rund 20 Jahren für diese Arbeit entschieden, weil er da erfahren hat, dass er HIV positiv ist.
Er, damals zum Tänzer ausgebildet, wollte sich dem Tod stellen, daher dieser neue Job.

Die Medizin war damals noch nicht so weit, dass er sicher sein konnte, noch lange zu leben; sein Lebenspartner war ebenfalls infiziert.
Ich werde ihn fragen, ob er seinen Job als Christ versieht, und wie viele von den dort Ehrenamtlichen Christen sind.

Ich empfinde es als unangenehm, diese Trennung zwischen Christ und Nicht-Christ überhaupt machen zu müssen.
Ich sehe darin keinen Unterschied, habe ihn auch nie gesehen. Es gibt verschiedene Menschen, die unterschiedlich geartet sind, ja.

ThomasM
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#3 Re: Begleitung von Sterbenden

Beitrag von ThomasM » Mo 23. Nov 2015, 09:06

Savonlinna hat geschrieben: Er ist kein Christ, soviel ich weiß, wir haben darüber allerdings nie geredet, obwohl wir wirklich viel miteinander reden.

Er hat sich vor rund 20 Jahren für diese Arbeit entschieden, weil er da erfahren hat, dass er HIV positiv ist.
Er, damals zum Tänzer ausgebildet, wollte sich dem Tod stellen, daher dieser neue Job.
Das ist ein sehr persönliches Motiv, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen und ihm bewusst zu begegnen.
Ich habe auch noch einmal über meine Aussage nachgedacht und will sie in einer Richtung abschwächen:
Der Bedarf, Sterbende von Fremden begleiten zu lassen, entsteht erst in der modernen westlichen Gesellschaft. In fast allen anderen Gesellschaften übernimmt die Familie diese Aufgabe, so z.B. in China oder den arabischen Ländern. Aber bei uns gibt es die Familie als tragender Berstandteil der Gesellschaft praktisch nicht mehr.

Jedoch bleibe ich dabei, dass die Weltanschauungen, die keinen Glauben an ein Leben nach dem Tod beinhalten, den Tod eher verdrängen oder ignorieren und keine Bereitschaft zu dieser Art der Hilfeleistungen triggern.

Savonlinna hat geschrieben: Ich empfinde es als unangenehm, diese Trennung zwischen Christ und Nicht-Christ überhaupt machen zu müssen.
Ich sehe darin keinen Unterschied, habe ihn auch nie gesehen. Es gibt verschiedene Menschen, die unterschiedlich geartet sind, ja.
Ja, die gibt es. Und ich bin der Letzte, der diese Tatsache leugnen würde.
Aber hier wurde so oft so schlimm gegen den christlichen Glauben gemobbt, dass ich es für nötig empfinde, dieses Beispiel hervorzuheben, das eben aus der vollkommen anderen Sicht herrührt, den die Christen auf den Tod haben.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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Savonlinna
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#4 Re: Begleitung von Sterbenden

Beitrag von Savonlinna » Mo 23. Nov 2015, 10:48

ThomasM hat geschrieben: Aber hier wurde so oft so schlimm gegen den christlichen Glauben gemobbt, dass ich es für nötig empfinde, dieses Beispiel hervorzuheben, das eben aus der vollkommen anderen Sicht herrührt, den die Christen auf den Tod haben.
Es ist wahr, dass dieses Mobben gegen den christlichen Glauben, so wie es hier im Forum geschieht, widerlich ist. Es beruht, soweit ich das erkennen kann, nicht auf Wissen, sondern auf der Lust, sich aufzuspielen und andere zu treten.

Darum sehe ich, egal, ob es Christen oder Nicht-Christen sind, die da mobben, es als Charakterfrage an. Meist sind die Mobber dümmlich und reden von Sachen, als hätten sie sich damit beschäftigt. Haben sie aber nicht, es sind Aufschneider, die gerne andere demütigen.

Ich merke, dass ich irritiert bin, dass Du Christen und Nichtchristen in dieser Weise unterscheidest, werde aber versuchen, dem gerecht zu werden.
Ich möchte andererseits aber nicht durch diese dummdreisten Mobber genötigt sein, zwischen Christen und Nicht-Christen unterscheiden zu müssen.
Es ist erst maximal zwei Jahrzehnte her, wo dieser Graben erneut aufgerissen wurde, wo diese Kluft zwischen den Menschen wieder geschaffen wurde.

Eins möchte ich Dir aber bestätigen: die, die hier im Forum gegen das Christentum mobben, möchte ich mit Sicherheit nicht an meinem Sterbebett haben. Sie lieben das Destruktive, den Hohn, das Täuschen von Menschen.

Andererseits gibt es auch eine bestimmte Art von Christen, die ich genauso wenig an meinem Sterbebett haben möchte.

Das bringt mich zu der Frage, welche Menschen ich für geeignet halte, ehrenamtlich in einem Hospiz zu arbeiten.
Du vermutest, dass die schon von sich aus dazu neigen, die zu dem Tod ein anderes Verhältnis haben als die Nicht-Gläubigen.
Das werde ich überdenken, werde auch mit oben erwähntem Freund, der Pfleger in einem Hospiz ist, besprechen, ich werde ihn in diesem Jahr wohl noch sehen.

Aber eins ist eben auch wahr, Thomas:
Wenn ich je in einem Hospiz landen würde: ich möchte keine Christen haben, die mich betreuen.
Auch dieses Forum hier hat gezeigt, wie sie Schwache ausnützen würden, um ihre Drohbotschaft zu vermitteln.
Wenn man im Sterben liegt, arbeitet die Phantasie sehr stark. Man wäre dann blind diesen Drohbotschaften ausgeliefert, kann nicht weglaufen.

So sehr ich im Leben es für unerlässlich halte, mit Kirchen zusammenzuarbeiten - im Sterben will ich nicht von strenggläubigen Christen in den Tod begleitet werden.

Salome23
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#5 Re: Begleitung von Sterbenden

Beitrag von Salome23 » Mo 23. Nov 2015, 12:54

Savonlinna hat geschrieben:
Aber eins ist eben auch wahr, Thomas:
Wenn ich je in einem Hospiz landen würde: ich möchte keine Christen haben, die mich betreuen.

Für die Begleiter ist es von Bedeutung, die Weltanschauung oder religiöse Überzeugung des Sterbenden zu respektieren.
https://de.wikipedia.org/wiki/Sterbebegleitung

In Wien ist es eigentlich dem Pflegepersonal untersagt(verboten), mit Klienten(Patienten) über die eigenen Glaubensansichten auszutauschen oder gar einen Klienten zum Glauben etc. zu bewegen.
Spricht ein Klient/Patient von sich aus über seine eigenen Glaubensansichten, hat man dies "wortlos" zu respektieren. (frei wiedergegeben)
Das lernt sowohl das Pflegepersonal, als auch ehrenamtliche Mitarbeiter in der Schulung.

ThomasM
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#6 Re: Begleitung von Sterbenden

Beitrag von ThomasM » Mo 23. Nov 2015, 14:27

Savonlinna hat geschrieben: Andererseits gibt es auch eine bestimmte Art von Christen, die ich genauso wenig an meinem Sterbebett haben möchte.
Solche gibt es möglicherweise.
Allerdings sind das dann keine, die im Auftrag des ökumenischen Hospizvereins unterwegs sind. Denn diese sind, wie Salome schon betonte, verpflichtet, zu begleiten, d.h. ihre eigenen Ansichten und Meinungen zurückzustellen.
Das wurde bei dem Gottesdienst letzten Sonntag auch stark betont und als wesentliches Kernelement der Begleitung dargestellt.
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2Lena
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#7 Re: Begleitung von Sterbenden

Beitrag von 2Lena » Mo 23. Nov 2015, 14:38

Salome23 hat geschrieben:Spricht ein Klient/Patient von sich aus über seine eigenen Glaubensansichten, hat man dies "wortlos" zu respektieren. (frei wiedergegeben) Das lernt sowohl das Pflegepersonal, als auch ehrenamtliche Mitarbeiter in der Schulung.
... gelernt wird vor allem auch, welche chemischen Mittel zur Bewusstseinstrübung den Leuten im Altersheim / Hospiz täglich verabreicht werden ... nebst Trübung der Zukunftsaussichten.

Ich hatte mal eine Nachbarin, die es schaffte wieder aus dem Krankenhaus heimzukommen. Sie hat mir von den vielen Nebenwirkungen erzählt, an denen sie durch Medikamente gelitten hat. Durch eine Analyse ist es gelungen, Ärzte und Angehörige zu überzeugen, das Trauma fallen zu lassen und keine künstliche Ernährung sowie keine Drogen mehr zu nehmen. Es war zwar ein Schock für sie zu erfahren, dass ich auch schon eine Woche ohne Essen gelebt habe. Aber, auf diese Weise wurde mit natürlicher Art - ihr Körper in zwei Tagen wieder gesund.

Sie lebte danach, sehr intensiv weitere Jahre. Alle ihre Freunde (als ob sie Abschnied nehmen wollte) lud sie bei sich zum Essen ein oder machte auch sehr viele Besuche. Wir kamen dabei auf viele Gespräche. Anfangs glaubte sie nicht, dass das Leben weiter geht, nicht mit dem Tod endet. Ich zeigte ihr viele Szenen in der Natur sowie auch bei Menschen und "erschreckte" sie, beim Beobachtungen erzählen, wie der Geist in Gang ist. Das sah sie sowohl in guter, als auch in schlechter Weise an vielen Beispielen täglich. Sie wusste um die Vorbereitungen Bescheid - und verschlief selig im Traum.

Savonlinna hat geschrieben:Wenn man im Sterben liegt, arbeitet die Phantasie sehr stark. Man wäre dann blind diesen Drohbotschaften ausgeliefert, kann nicht weglaufen.
Es ist sicher unangenehm, eine vorgefertige Botschaft aufgehalst zu bekommen, die auch ein Überbringer nicht genau kennt - vielleicht gar nicht selbst richtig vertritt. Bei eigenen, dazu unsortierten Meinungen wird das wohl in der Situation schwer in den Griff zu bekommen. Oft passiert sowas mit der Motivation "Seelen retten". Werden da eigensüchtige Strichlisten geführt?

Bei der früheren Nachbarin hatte ich das Gefühl, dass sie verstand. Sie genoss ihre Beerdigung. Zu dieser waren viele Menschen zusammengekommen, auch der Musikverein, der die von ihr gestiftete Fahne trug. Sie blieb nicht missmutig auf dem Friedhof wie viele, sondern betete die viel sagenden Worte mit. Allein gelassen - betrachtete sie alle Blumen um das Grab - besann sie sich nach vielen Stunden und war weg. Dass sie viel mehr verstanden hatte, bestätigte mir im Dorf eine Gruppe von Frauen Tage danach. Als diese über sie in guter Weise sprachen, bekamen alle plötzlich die Züge der Verstorbenen. Sie sprachen plötzlich Worte, die nur sie wissen konnte - in Anbetracht ihres erweiterten Wissens.

Manche, die solche Dinge nicht "sehen", wollen nicht überlegen und spüren auch solche Zeichen nicht auf - selbst wenn sie recht offensichtlich werden.

ThomasM
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#8 Re: Begleitung von Sterbenden

Beitrag von ThomasM » Mo 23. Nov 2015, 14:54

2Lena hat geschrieben: Aber, auf diese Weise wurde mit natürlicher Art - ihr Körper in zwei Tagen wieder gesund.
Was willst du uns damit sagen?
Dass Menschen natürlicherweise nicht sterben und daher auch keine Sterbebegleitung nötig haben?
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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sven23
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#9 Re: Begleitung von Sterbenden

Beitrag von sven23 » Mo 23. Nov 2015, 16:03

ThomasM hat geschrieben: Wenn die Hoffnung auf das ewige Leben eine Illusion sein soll, dann zeigt sich in dieser Arbeit die Kraft und die absolute Notwendigkeit für die Illusion. Da können die Humanisten allesamt einpacken.
In einer Einrichtung mit kirchlicher Trägerschaft sind die Angestellten naturgemäß , bzw. zwangsweise Mitglieder der Kirche. Ich kenne aber auch eine Menge nicht gläubiger Ärzte, Pfleger oder ehrenamtlich Engagierte in der Hospizarbeit. Das ist mir einfach zu pauschal und nützt im Endeffekt dem Sterbenden herzlich wenig.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

ThomasM
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#10 Re: Begleitung von Sterbenden

Beitrag von ThomasM » Mo 23. Nov 2015, 17:19

sven23 hat geschrieben: In einer Einrichtung mit kirchlicher Trägerschaft sind die Angestellten naturgemäß , bzw. zwangsweise Mitglieder der Kirche. Ich kenne aber auch eine Menge nicht gläubiger Ärzte, Pfleger oder ehrenamtlich Engagierte in der Hospizarbeit.
Kennst du denn diese Art von Einrichtung mit einer humanistischen oder atheistischen Trägerschaft?
Und wieso zwangsweise? Nach deiner Darstellung arbeiten besagte Menschen doch in kirchlichen Hospizvereinen mit. Ich habe nicht das soziale Engagement einzelner kritisiert, sondern die Beobachtung mitgeteilt, dass Humanisten oder Atheisten irgendwie nicht auf die Idee kommen, solche Vereine zu gründen.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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