Wenn man das im Straßencafé diskutiert, werden viele zustimmen. Aber wenn man sich die Mühe macht, global zu denken, dann stellt sich mir zumindest die Frage, was der Mindestlohn soll. Der Lohn wird ausgehandelt, Leistunsggebern und Leistungsnehmer einigen sich. Wenn der Leistungsnehmer einseitig minimal vergüten will, geht der Leistungsgeber eben wieder und verzichtet auf den Job.
Die Frage wird doch offensichtlich vorher geklärt. Wenn Leistungsgeber allerdings der sog. "Arbeitgeber" ist, dieser also Almosen verteilt, dann muß der Jobsuchende nehmen was er kriegt.
Wovon also reden wir, wenn wir "Lohn" meinen, wer soll den bekommen?
Wenn ein "Arbeitgeber" einen Leistungsgeber (Arbeiter) benötigt, dann ist das eben so. Und wenn er kein Geld hat den zu bezahlen, hat er eben Pech. Wenn der Arbeiter aber egal um welchen Preis unbedingt den Job haben will, dann wird er auch für 5€ dort arbeiten.
Die Frage ist also: wer will was von wem?
Mit "Mindestlohn" macht der Staat sich zum Advokaten all derer, die nicht den Mut haben und das Risiko eingehen, indem sie ihrem Leistungsnehmer (sog. "Arbeitgeber") sagen, was sie bekommen werden (Lohn).
Hier gilt also ein ganz einfaches marktwirschaftliches Prinzip: "Angebot ./. Nachfrage"
Gibt es noch anderweitige Verpflichtungen (moralische Pflichten) gilt die Marktwirtschaft allerdings nicht.
Meine Hilfe kommt von Jahweh, der Himmel und Erde gemacht hat. [Ps 121;2]
Abischai hat geschrieben:Gibt es noch anderweitige Verpflichtungen (moralische Pflichten) gilt die Marktwirtschaft allerdings nicht.
Ja. Die gibt es in der Tat!
Früher galten die Arbeitgeber als "Stütze der Nation".
Die Rede ist hier nicht von den modernen Großunternehmen die allzu anonym geleitet (beherrscht) werden, sondern vom mittelständischen Unternehmen, wo der Chef früher die Rolle des patriarchalischen "Vaters" seiner Lohnempfänger wirkte und sich dieser Verantwortung bewusst war. Diese Gattung von Arbeitgebern ist leider in der heutigen Zeit des "Shareholder Value" vom Aussterben bedroht.
Schade.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.
Pluto hat geschrieben: Diese Gattung von Arbeitgebern ist leider in der heutigen Zeit des "Shareholder Value" vom Aussterben bedroht.
So ist es - das ist aus meiner Sicht sogar eine Bedrohung der freiheitlich-demokratischen Gesellschaft.
Letztlich lautet die Frage: Sind wir eine Leistungsgesellschaft oder eine Marktgesellschaft? - Antwort: Wir werden immer mehr eine Marktgesellschaft und immer weniger eine Leistungsgesellschaft. - Denn ginge es nach Leistung, wäre der Mindestlohn kein Thema - UND die Schere zwischen arm und reich würde nicht auseinandergehen.
Eine Marktgesellschaft hat diese ethischen Zwänge nicht - hier gilt: Welche Arbeit kann ich für welchen Preis einkaufen. Und man wird dann für dieselbe Arbeit einmal 100 Euro pro Stunde oder 1 Euro pro Stunde bezahlen - wie sich der Markt halt gerade darstellt.
closs hat geschrieben:Letztlich lautet die Frage: Sind wir eine Leistungsgesellschaft oder eine Marktgesellschaft?
Was ist denn der Unterschied?
In einer Leistungsgesellschaft kriegt jeder was er verdient.
Und wer oder was bestimmt was er verdient? — Der Markt natürlich!
Eine Marktgesellschaft hat diese ethischen Zwänge nicht - hier gilt:
Ich sehe keinerlei ethische Zwänge.
Für die alten Firmenchefs waren ihren Arbeitnehmer die "Seele" ihrer Unterhemen, und sie handelten aus einem Gefühl der Verantwortung und Solidarität mit dieser Vorstellung.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.
Pluto hat geschrieben:In einer Leistungsgesellschaft kriegt jeder was er verdient.
Nein - dort sollte er bekommen, was er leistet.
Pluto hat geschrieben:Was ist denn der Unterschied?
Dass jemand in der Leistungsgesellschaft bekommt, was er leistet - und in der Marktgesellschaft, was sein Marktwert ist. - Es gibt allerdings Koinzidenzen zwischen beiden Systemen.
Pluto hat geschrieben:In einer Leistungsgesellschaft kriegt jeder was er verdient.
Nein - dort sollte er bekommen, was er leistet.
Ist dasseble in grün (mit andern Worten ausgedrückt)!
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was ist denn der Unterschied?
Dass jemand in der Leistungsgesellschaft bekommt, was er leistet - und in der Marktgesellschaft, was sein Marktwert ist. - Es gibt allerdings Koinzidenzen zwischen beiden Systemen.
Das ist nicht konsequent zu Ende gedacht, lieber closs.
In deiner Vorstellung einer Leistungsgeselschaft gibt es keinen Maßstab, womit man den Wert der Leistung bewerten kann. Es ist letztendlich, egal ob Leistungsgesellschaft oder Marktgesellschaft, Löhne müssen nach Leistung bezahlt werden, aber auch dem Markt entsprechen, sons bricht das System zusammen.
Was glaubst du warum in der Schweiz so hohe Löhne bezahlt werden? — Weil die Leistung stimmt und der Markt es zulässt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.
closs hat geschrieben:
Letztlich lautet die Frage: Sind wir eine Leistungsgesellschaft oder eine Marktgesellschaft? -
Sagen wir mal so: In dieser Beziehung ist die Gesellschaft zweigeteilt. Auf der unteren Lohnskala gilt immer noch das Leistungsprinzip. Wer hier seine Leistung nicht bringt, kriegt ganz schnell Probleme oder wird aussortiert.
In Spitzenpositionen der DAX Unternehmen hat man sich weitgehend vom Leistungsprinzip abgekoppelt.
Wer in diesem Club angekommen ist, wird weich fallen, egal wie er sich anstellt. Beispiele dafür gibts genügend.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell
Ohne einen festgesetzten Mindestlohn verdient man für die gleich Arbeit oft weniger. Da es genug Arbeitslose gibt, diktiert der Arbeitgeber die Löhne. Und wenn man nicht so wenig verdienen will, wie einem angeboten wird, steht man möglicherweise ohne Arbeit da, wenn man Pech hat. Da hat man keine Wahl. Arbeitslose müssen dem Jobcenter Rechenschaft ablegen - eine Sanktion droht, wenn man sich nicht für wenig Geld ausnutzen lassen will. Es gilt: entweder wenig verdienen oder gar nicht.
Samantha hat geschrieben:Ohne einen festgesetzten Mindestlohn verdient man für die gleich Arbeit oft weniger. Da es genug Arbeitslose gibt, diktiert der Arbeitgeber die Löhne. Und wenn man nicht so wenig verdienen will, wie einem angeboten wird, steht man möglicherweise ohne Arbeit da, wenn man Pech hat. Da hat man keine Wahl. Arbeitslose müssen dem Jobcenter Rechenschaft ablegen - eine Sanktion droht, wenn man sich nicht für wenig Geld ausnutzen lassen will. Es gilt: entweder wenig verdienen oder gar nicht.
So ist es. Der Markt diktiert auch den Wert der Arbeitsleistung.
Ich bin für einen Mindestlohn, aber aus anderen Gründen: Ein Mindestlohn verhindert Vorurteile seitens der Arbeitgeber und sichert dem einzelnen Arbeitssuchenden einen Lohn zu, wovon er leben kann. Das ist ein Beitrag der das Auseinanderdriften der Schere zwischen Arm und Reich bremst.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.