Magdalena61 hat geschrieben:Die Frage ist, wofür das Einkommen des Vaters nicht reicht.
Auwau!
Darf ich hier einhaken?
Denn ich möchte vermeiden, dass Hartz-IV-Empfänger populistisch als Schmarotzer gesehen werden, die ihr vom Staat "erschlichenes Vermögen" ausschließlich für unnötigen Tand ausgeben und ihre Kinder vernachlässigen. Das trifft eher auf andere Bevölkerungsgruppen zu.
Aber so hast du es sicher auch nicht gemeint.
Es gibt Schmarotzer - jawohl - in allen Bevölkerungsschichten, auch bei Hartz-IV-Empfängern. Vermutlich in einem ähnlichen Verhältnis. Bei ihnen schlägt es aber zu Buche, weil der gesellschaftliche Sozialneid dann natürlich zuschlägt und sagt: eigentlich müssten diese Steuergeld doch mir zu Gute kommen. Aber diese Leute sind nicht die Regel.
BTW: ich bin nicht stolz drauf, aber ich habe selber Erfahrungen mit dem Hartz-IV-System; durchweg negative.
Ich würde aber gerne darauf aufmerksam machen, dass alleine ein Drittel (!) der Hartz-IV-Empfänger alleinerziehende Mütter sind. Und die haben nun wirklich die Ar***karte gezogen. Denn es gibt ein Dilemma:
Bleibe ich zuhause beim Kind und beziehe Stütze? Oder gehe ich arbeiten und gebe mein Kind in eine Kita?
Im ersten Fall Folgendes:
416 Euro für die Mutter
240 Euro für das unter fünfjährige Kind
Zusammen: 656 Euro
Alle anderen Zuwendungen sind zweckgebunden, können also nicht beispielsweise für eine bessere Ernährung eingesetzt werden. Kindergeld wird zwar ausgezahlt, aber vom Hartz-IV-Satz wieder abgezogen, so dass ein Nullsummenspiel bleibt. Vom Kindergeld haben nur Menschen mit Erwerbseinkommen etwas. Für andere ist es nicht greifbar.
Um diesen Zuwendungsbetrag von 656 Euro noch etwas deutlicher zu beleuchten, muss hier einmal gesagt werden, welcher Anteil davon gemäß Bundesregierung für die Ernährung angedacht ist:
die Mutter darf im Monat
145,04 Euro für ihr eigenes Essen aufbringen und für das Kind sind
84,12 Euro zur Ernährung vorgesehen.
Da bleibt weder viel für eine gesunde, ausgewogene Ernährung, noch für den vielbeschworenen und populistisch propagierten LED-Breitformat-Fernseher, den angeblich viele Hartz-IV-Empfänger einer guten Ernährung (ihrer Kinder) vorziehen.
In Wahrheit ist Hartz-IV blanker, menschenverachtender Zynismus.
Im Zweiten Fall, die Mutter geht arbeiten, verdient sie als - sagen wir ungelernte Schulabbrecherin, die Irgendjemand unvorsichtigerweise geschwängert hat - wenn es gut läuft 1200 Euro, aber im Durchschnitt eher deutlich darunter. Wenn sie die Erziehung ihres kindes ernstnimmt und deswegen vielleicht nur halbtags arbeitet, reduziert sich das Nettoeinkommen entsprechend. Auch nicht viel besser als Hartz-IV.
Aber es kommen andere Ausgaben auf sie zu: wenn wir schon von Kita reden, dann sollten wir auch über die Kosten dafür sprechen. In Rheinland-Pfalz beispielsweise ist die Kita kostenlos. Hier könnte das Konzept mit der Billigexistenz, die der Kapitalismuis den Menschen aufbürdet, vielleicht aufgehen.
Aber bei uns hier kostet ein Kita-Platz monatlich 200,- Euro für das erste Kind und 160,- Euro für das zweite (ungefähr, ohne Garantie der genauen Exaktheit). Wie gut, dass die Frau nur ein Kind hat. Dann bleiben nach Abzug der Kitagebühren immer noch 1000,- Euro zum Leben. Das ist immerhin doppelt so viel wie bei Hartz-IV. Das Kind darf dann also mit sage und schreibe 170,- Euro im Monat ernährt werden. Da kann man nicht täglich ins Steakhaus gehen, aber für eine gesunde Ernährung könnte das ausreichen.
Aber es gibt weitere Ausgaben: wenn die Frau arbeitet, muss sie zum Arbeitsplatz kommen. Ein Auto wollen wir erst gar nicht in Erwägung ziehen, denn die (höhere) Gesellschaft dürfte sich weitgehend einig sein, dass es unmoralisch ist, wenn arme Menschen Auto fahren. Das steht nur den Reichen zu und die dürfen dann auch 25-Liter-Geländewagen zum Schaden der Umwelt und der Lungen fahren - das ist widerum moralisch völlig in Ordnung.
Nein, die Frau hat eine Monatskarte für den ÖPNV. Kostenpunkt: 120,- Euro im Monat.
Damit schmälert sich das Nettoeinkommen wieder bis auf rund 880,- Euro.
Weitere Ausgaben lassen wir mal außen vor, obwohl wir alle wissen, dass es sie gibt. Vielleicht sollte das kind einen Sportverein besuchen - oder ist das unmoralisch bei Armen?
Aber eines vielleicht noch: die alleinerziehende Mutter muss nach der Arbeit zuhause ihr ind versorgen und noch den Haushalt machen, wenn es nicht aussehen soll wie bei Hempels unterm Sofa und das Kind in geordneten Verhältnissen aufwachsen soll.
Am Ende des Tages klappt die Alleinerziehende Mutter halbtot ins Bett, wird aber nach Mitternacht wird aus dem Schlaf gerissen, weil das Kind Bauchweh hat. Morgens um 6 Uhr geht es wieder los: Kind fertig machen und dann zur Arbeit.
Aber halt - wie kriegt die Mutter ihr Kind in die Kita? Ein Auto hat sie nicht. Die Nachbarin - ebenfalls eine stinkfaule Hartz-IV-Socke - ebenfalls nicht. Mit dem Bus! Ist der Bustransfer für unter Fünfjährige kostenlos? Nicht überall! Hoffentlich bei ihr.
Langer Rede kurzer Sinn: ich gönne Jedem eine gesunde ausgewogene Ernährung - egal ob vegan oder nicht - der es sich leisten kann. Ich würde mir aber darüber hinaus eine gerechte Gesellschaft wünschen, in der sich alle Menschen eine solche Ernährung leisten können.
Und vor allem würde ich mir ein Sozialsystem wünschen, in dem - anders als bei Hartz-IV - die Kinder nicht darunter leiden müssen, dass ihre Eltern keine Arbeit finden und von der Gesellschaft ausgespuckt werden.
Ich habe fertig!
