Vatikan wird abgewatscht.

Politik und Weltgeschehen
Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#21 Re: Vatikan wird abgewatscht.

Beitrag von sven23 » Sa 8. Feb 2014, 15:04

closs hat geschrieben:Da stecken natürlich einige Unterstellungen drin: Was ist "flächendeckend"?

Flächendeckend bezieht sich auf die Vertuschung, denn mir wäre jetzt kein herausragender Fall von vorbildlicher Aufklärung bekannt.

closs hat geschrieben: Es gibt ca. 15.000 Geistliche in D aus ca. 30 Mio Männern - das sind 0,05% (wenn ich mich nicht verrechne). - Dem stehen pro Jahr (laut google) 30.000 Missbrauchsfälle gegenüber - 0,05% davon wären 15 Fälle pro Jahr. - Das sind 15 Fälle zu viel - trotzdem sollte man den Begriff "flächendeckend" überdenken.

Das macht die Sache nicht besser.

Zwischen Kirchenrecht und römischen (also unserem) Recht gibt es sicherlich Unterschiede - einer ist zum Beispiel, dass es im Kirchenrecht meines Wissens keine Verjährung gibt.[/quote]

Ein Grund mehr, mal zu überprüfen, ob überhaupt nach Kirchenrecht gehandelt wurde.


closs hat geschrieben: Unabhängig davon: Begründe bitte einmal, wem gegenüber die Kirche(n) aufklärungspflichtig sein sollten außer der Justiz? Und mit welcher Begründung?

Siemens kann sich in einer Korruptionsaffäre auch nicht rausreden, daß dies nur Siemens Mitarbeiter etwas anginge. Da ist immer die Gesellschaft als Ganzes tangiert.
Davon abgesehen sollte eine Organisation, die für sich die moralische Oberhoheit beansprucht und ihren Mitgliedern sexuelle Verhaltensregeln auferlegt, schon von sich aus und aus ihrem Selbstverständnis heraus für Aufklärung von moralischem Fehlverhalten sein, nicht nur den Mitgliedern gegenüber, sonder der gesamten Gesellschaft. Es sei denn, man legt keinen Wert mehr darauf, neue Mitglieder zu gewinnen. Das fordern übrigens auch Vereinsmitglieder.
Die Kirche will doch wohl nicht zu einem spirituellen ADAC mutieren. :lol:

Übrigens hat die RKK selbst die "ehrliche Aufarbeitung" versprochen, aber wo bleibt sie?

Meiner Meinung nach muß auch das Zölibat auf den Prüfstand, das mit ein Grund für die Verhaltensstörungen vieler Geistlicher verantwortlich ist.

http://www2.evangelisch.de/themen/relig ... orger14156
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#22 Re: Vatikan wird abgewatscht.

Beitrag von closs » Sa 8. Feb 2014, 15:46

sven23 hat geschrieben: denn mir wäre jetzt kein herausragender Fall von vorbildlicher Aufklärung bekannt
Angeblich habe Ackermann in seinem Bistum alles öffentlich gemacht - egal jetzt, ob man das gut oder schlecht findet.

Außerdem klingt "Vertuschung" so, als würde man etwas verhindern, wozu man verpflichtet sei - verpflichtet ist man nur der Justiz gegenüber (und allenfalls den Kirchen-Mitgliedern). Im übrigen haben auch Verdächtige Personen-Rechte. - Meines Wissens dürfen Menschen nur mit Namen öffentlich gemacht werden, wenn sie gerichtlich überführt sind.

sven23 hat geschrieben:Ein Grund mehr, mal zu überprüfen, ob überhaupt nach Kirchenrecht gehandelt wurde.
Das ist in der Tat Sache der Justiz - denn dann kann zusätzlicher Ermittlungsbedarf bestehen.

sven23 hat geschrieben:Siemens kann sich in einer Korruptionsaffäre auch nicht rausreden, daß dies nur Siemens Mitarbeiter etwas anginge.
Solange niemand juristisch überführt ist, geht es nicht einmal die Mitarbeiter etwas an.

sven23 hat geschrieben: Da ist immer die Gesellschaft als Ganzes tangiert.
Weil sie sich dafür interessiert - aber das ist nicht Sache der Verdächtigten. - Die Gesellschaft kann öffentlichen Druck machen - aber sie hat keinen begründbaren Anspruch auf Erfüllung dessen, was sie gerne hätte.

sven23 hat geschrieben:schon von sich aus und aus ihrem Selbstverständnis heraus für Aufklärung von moralischem Fehlverhalten sein, nicht nur den Mitgliedern gegenüber, sonder der gesamten Gesellschaft
Aber es ist nicht Sache der Gesellschaft, ob die Kirche innerbetrieblich aufräumt oder öffentlich.

Im übrigen sollte man gelegentlich betonen, dass sexueller Missbrauch ja ausdrücklich gegen kirchliche Regeln verstößt - da gibt es keinen Bedarf an programmatischer Veränderung. - Es geht um die Ahnung von Regelverstößen.

Mit welchem Grund sich Kirche der säkularen Gesellschaft gegenüber rechtfertigen sollte, ist mir schleierhaft. - Mit ist kein Fall bekannt, in dem sich die säkulare Gesellschaft gegenüber der Kirche gerechtfertigt hätte.

sven23 hat geschrieben:. Es sei denn, man legt keinen Wert mehr darauf, neue Mitglieder zu gewinnen.
Das ist erstrebenswert, aber auch zweitrangig.

sven23 hat geschrieben:Meiner Meinung nach muß auch das Zölibat auf den Prüfstand, das mit ein Grund für die Verhaltensstörungen vieler Geistlicher verantwortlich ist.
Das widerspricht (auch hier im Forum zitierten) Untersuchungen, wonach der %-Satz von sexuellem Missbrauch bei Geistlichen niedriger ist als im Durchschnitt der Gesamtbevökerung.

sven23 hat geschrieben:Übrigens hat die RKK selbst die "ehrliche Aufarbeitung" versprochen, aber wo bleibt sie?
Wie gesagt: Ich weiß nicht, was damit genau inhaltlich gemeint war - und wem gegenüber es gemeint war. - Aus meinen Quellen weiß ich, dass in den letzten Jahren der diesbezügliche Kodex drastisch verschärft wurde - bis ins Übertriebene.

Weiterhin gab es im Bistum, wo ich wohne, viel öffentliche Werbung (von der Kirche bezahlt), dass sich etwaige Opfer da und da melden sollten. - Allerdings gab es auch schon Fälle, bei denen sich - ein konkreter Fall - ein kurz vor Insolvenz stehender ehemaliger Zögling eines Internats daran erinnert hat, vor 30 Jahren missbraucht worden zu sein (600.000 Euro Entschädigung seien angebracht) - durch ehemalige Schulkollegen hat man dann mühsam ermittelt, dass das hinten und vorne nicht stimmen konnte. - Insofern muss jeder Fall geprüft werden - aber doch nicht öffentlich.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#23 Re: Vatikan wird abgewatscht.

Beitrag von sven23 » Sa 8. Feb 2014, 18:13

closs hat geschrieben:
Außerdem klingt "Vertuschung" so, als würde man etwas verhindern, wozu man verpflichtet sei - verpflichtet ist man nur der Justiz gegenüber (und allenfalls den Kirchen-Mitgliedern). Im übrigen haben auch Verdächtige Personen-Rechte. - Meines Wissens dürfen Menschen nur mit Namen öffentlich gemacht werden, wenn sie gerichtlich überführt sind.

Niemand will Opfer oder Täter öffentlich hinrichten. Eine ehrliche historische Aufarbeitung hätte sich laut Pfeiffer an der Fallbetrachtung der Einzelfälle orientiert, ohne Namen zu nennen.
Nur so ließe sich widerlegen- oder eben nicht- daß die Fälle nach den Regeln des Kirchenrechts behandelt wurden. Dazu muß man aber Akteneinsicht haben und eben diese wurde Pfeiffer verweigert.
Wenn die Kirche nichts zu verbergen hat, verstehe ich nicht, warum sie sich dagegen mit Händen und Füßen wehrt, trotz anfänglich anderslautender Verprechungen, die wohl im Moment der allgemeinen Aufregung über die Skandale als Beruhigungspille gedacht waren.
Mein Eindruck: die Kirche hat kalte Füße bekommen und das hat etwas mit einem schlechten Gewissen zu tun. Da lauern wohl noch einige Leichen im Keller.
[/quote]
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#24 Re: Vatikan wird abgewatscht.

Beitrag von closs » Sa 8. Feb 2014, 20:32

sven23 hat geschrieben: Dazu muß man aber Akteneinsicht haben und eben diese wurde Pfeiffer verweigert.
Dazu schrieb die FAZ:
"Ebenfalls unterschätzt worden war der Umstand, dass kaum ein wissenschaftliches Forschungsvorhaben juristisch so vermint ist wie eines, das auf personenbezogenen Daten basiert. Fachjuristen, die den von Pfeiffer und den Bischöfen gutgeheißenen Vertragstext im Herbst 2011 zu Gesicht bekamen, waren entsetzt. Der Text zeugte von einer stupenden Ahnungslosigkeit der Vertragsparteien hinsichtlich der Vorschriften des allgemeinen Kirchenrechts, des kirchlichen Dienstrechts, des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und der staatlich garantierten Fürsorgepflicht des Arbeitgebers" (FAZ/16.1.2013).

Darüber hinaus darf man folgendes vermuten: Die eine Seite wollten möglicherweise eine Aufarbeitung in dem Sinne, dass strafrechtlich relevante Fälle zur Aufarbeitung entdeckt werden würden - die andere Seite wollte so etwas wie eine Gesamt-Aufnahme all dessen, was man findet - egal ob im Jahr 1946 oder 2010 passiert.

"In neun Bistümern alle Personalakten aus den Jahren 1945 bis 2010 auswerten zu lassen von angehenden oder pensionierten Juristen, die keiner strafbewehrten Verschwiegenheitspflicht unterliegen? Ein datenschutzrechtlicher Aberwitz. In den 18 übrigen Bistümern verdachtsunabhängig alle Personalakten aus den Jahren 2000 bis 2010? Ein solches Vorhaben wäre im Fall einer Klage eines kirchlichen Mitarbeiters wohl vor jedem Arbeitsgericht gescheitert, wenn die Justiz des Vatikans den deutschen Bischöfen nicht vorab Einhalt geboten hätte. Als Pfeiffer die Bischöfe im Herbst 2011 dann wissen ließ, dass alleine „der Markt“ regle, wann und wie seine Ergebnisse der Öffentlichkeit vorgestellt würden, und das Forschungsinstitut über die erhobenen Daten nach Gusto verfügen dürfe, dämmerte es auch den Letzten in den Reihen der Bischöfe" (dito)

sven23 hat geschrieben:die Kirche hat kalte Füße bekommen und das hat etwas mit einem schlechten Gewissen zu tun.
Ersteres ja, zweiteres wohl nein. - Man hat eher wohl gemerkt, dass die Öffentlichkeit (wie bei Wulff) das letzte Bobby Car diskutieren würde. - Und dann ist da immer noch die Frage:

Welches Recht hat die Öffentlichkeit, diese Informationen zu bekommen? - Die Antwort ist "keines".

Das wusste die Kirche schon vorher - aber sie hat wohl gemeint, man könne den eigenen Informations-Willen anders umsetzen. Und da hat der Vatikan wohl eine Weile lang zugeguckt und dann gesagt: "Habt Ihr sie noch alle?".

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#25 Re: Vatikan wird abgewatscht.

Beitrag von sven23 » So 9. Feb 2014, 07:54

closs hat geschrieben:
Darüber hinaus darf man folgendes vermuten: Die eine Seite wollten möglicherweise eine Aufarbeitung in dem Sinne, dass strafrechtlich relevante Fälle zur Aufarbeitung entdeckt werden würden - die andere Seite wollte so etwas wie eine Gesamt-Aufnahme all dessen, was man findet - egal ob im Jahr 1946 oder 2010 passiert.

Das meiste seit 1945 wäre eh schon lange verjährt und juristisch nicht mehr verwertbar. Daß man dann kirchlicherseites in letzter Minute seine Liebe zum Datenschutz entdeckt, ist schon mehr als verwunderlich. Laut Pfeiffer sollten die Befragungen sowieso anonymisiert durchgeführt werden. Pfeiffer lobte Ackermann ja ausdrücklich für die kooperative Zusammenarbeit. Aber dann kam die Notbremse aus den bayrischen Bistümern. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.


closs hat geschrieben: Welches Recht hat die Öffentlichkeit, diese Informationen zu bekommen? - Die Antwort ist "keines".

Die Bischöfe werden vom Steuerzahler alimentiert und der hat ein Recht darauf zu erfahren, was mit seinen Geldern so getrieben wird. Mal ganz abgesehen von der moralischen Verpflichtung, solche Mißstände offen und ehrlich aufzuarbeiten, was für eine Institution wie die Kirche eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte.



Ich habe den Verdacht, daß die Kirche mittlerweile am Pfeifferschen Drüsenfieber leidet. :lol:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#26 Re: Vatikan wird abgewatscht.

Beitrag von closs » So 9. Feb 2014, 08:40

sven23 hat geschrieben:Das meiste seit 1945 wäre eh schon lange verjährt und juristisch nicht mehr verwertbar.
Eben. - Und deshalb haben sie nichts an der Öffentlichkeit zu suchen.

sven23 hat geschrieben: Aber dann kam die Notbremse aus den bayrischen Bistümern.
So viel ich weiss, war das Rom.

sven23 hat geschrieben:Die Bischöfe werden vom Steuerzahler alimentiert
Falsch. - Staatsschulden bei der Kirche werden (unglücklicherweise) ersatzweise über Bischofsgehälter abgewickelt - ist bescheuert, hat aber nichts mit Alimentation zu tun.

sven23 hat geschrieben:Mal ganz abgesehen von der moralischen Verpflichtung, solche Mißstände offen und ehrlich aufzuarbeiten
Einer säkularen Gesellschaft gegenüber, die ihre Mißstände NICHT gegenüber der Kirche aufarbeitet und offenlegt?

sven23 hat geschrieben:Ich habe den Verdacht, daß die Kirche mittlerweile am Pfeifferschen Drüsenfieber leidet.
Das wäre eine Überschätzung - Pfeiffer ist schon lange vergessen. - Man darf die Rolle der säkularen Öffentlichkeit innerhalb der Kirche nicht überschätzen.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#27 Re: Vatikan wird abgewatscht.

Beitrag von sven23 » So 9. Feb 2014, 09:41

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das meiste seit 1945 wäre eh schon lange verjährt und juristisch nicht mehr verwertbar.
Eben. - Und deshalb haben sie nichts an der Öffentlichkeit zu suchen.

Welche Fälle wären dir denn überhaupt für eine historische Aufarbeitung genehm?
Man stelle sich vor, man hätte den Historikern untersagt, den Holocaust historisch aufzuarbeiten, mit der Begründung, die Opfer seien ja sowieso schon tot oder würden noch leben und der Datenschutz würde verletzt.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Aber dann kam die Notbremse aus den bayrischen Bistümern.
So viel ich weiss, war das Rom.

Pfeiffer benennt aber explizit bayrische Bistümer. Kann sein, daß Rom dahintersteckte.
Pfeiffer darf übrigens per Gerichtsbeschluß weiter behaupten, daß die Kirche Zensur ausüben wollte, was natürlich für eine wissenschaftliche Aufarbeitung ein absolutes No-go ist.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Bischöfe werden vom Steuerzahler alimentiert
Falsch. - Staatsschulden bei der Kirche werden (unglücklicherweise) ersatzweise über Bischofsgehälter abgewickelt - ist bescheuert, hat aber nichts mit Alimentation zu tun.

Staatsknete bleibt Staatsknete.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Mal ganz abgesehen von der moralischen Verpflichtung, solche Mißstände offen und ehrlich aufzuarbeiten
Einer säkularen Gesellschaft gegenüber, die ihre Mißstände NICHT gegenüber der Kirche aufarbeitet und offenlegt?

Skandale und Mißstände gibt es auch in Wirtschaft und Poltitik zur Genüge und die werden meist auch veröffentlicht und diskutiert.

Wenn das "Mea culpa" der Kirche nicht nur eine leere Worthülse bleiben soll, dann müßen den Worten Taten folgen, denn an ihren Taten sollen sie gemessen werden. ;)

Wie man so etwas machen kann, zeigt das Erzbistum von Chigago, wo man sehr viel mutiger an die Sache heranging. Daß die meisten Täter inzwischen verstorben sind, erleichtert natürlich die Aufarbeitung. ;)
Aber das Ergebnis war schockierend und betätigt den Vorwurf der UNO. Die meisten Geistlichen sind nie bestraft worden, man hat also auch das Kirchenrecht überhaupt nicht angewendet, sondern flächendeckend und systematisch vertuscht.
Der Verdacht liegt nahe, daß dies auch in anderen Ländern, auch in Deutschland, nicht viel anders war.

http://www.sueddeutsche.de/panorama/vor ... -1.1868607
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#28 Re: Vatikan wird abgewatscht.

Beitrag von closs » So 9. Feb 2014, 10:42

sven23 hat geschrieben:Man stelle sich vor, man hätte den Historikern untersagt, den Holocaust historisch aufzuarbeiten
"Untersagt" ist es ja nicht. - Die Frage ist, ob die Gesellschaft ein juristisches Recht hat.

Im Fall "Holocaust" oder "Banken-Krise" oder "SED-Staat", wenn es um System-Versagen geht, ist das Pflicht. - Hier handelt es sich aber nicht um System-Versagen, sondern um strafrechtliches Individualversagen.

Es ist ein Unterschied, ob
* ein System vorsieht, Rassegesetze umzusetzen,
* ein System vorsieht, die Allgemeinheit mit faulen Papieren zu schädigen,
* ein System vorsieht, die Bevölkerung per Waffengewalt von der Ausreise abzuhalten
oder ob
* entgegen des Systems einzelne Menschen Kindesmissbrauch begehen - oder gäbe es jemanden, der der Kirche unterstellt, sie habe Kindesmissbrauch zum Ziel gehabt? - Und nochmals - damit die Maßstäbe nicht vollends verloren gehen: Missbrauch durch Geistliche liegt UNTER dem Schnitt der Gesamtbevölkerung.

Wenn es eine Medien-Demokratie schaffen sollte, system-konformes und system-widriges Verhalten zu verwischen, um fette Assoziationen hinzubekommen, könnte die gesamte Medienlandschaft in einigen Jahren den Ruf der "heute show" bekommen: Gut gemacht, aber nicht ernst zu nehmen.

sven23 hat geschrieben:Pfeiffer darf übrigens per Gerichtsbeschluß weiter behaupten, daß die Kirche Zensur ausüben wollte
Wenn "Zensur" heisst, dass Pfeiffer vollkommene Freiheit haben wollte, seine Erkenntnisse nach seiner Art zu veröffentlichen, kann das gut sein. - Das wollte die Kirche wohl nicht - und das kann mit folgendem zusammenhängen:

"Denn der Wissenschaftler war nicht nur dafür bekannt, im Umgang mit Medien virtuos zu sein. Vor allem war er bei der Beurteilung von Jugendgewalt, Ausländerfeindlichkeit oder Kindstötungen mit Diagnosen und Ratschlägen schnell bei der Sache. Mehr als einmal erwiesen sich seine Einschätzungen als vorschnell, wenn nicht gar grundfalsch, seine politischen Zuspitzungen durchaus seriöser Forschungsergebnisse als effekthascherisch und die schillernden Kausalketten als wenig belastbar – was nicht nur unter Fachkollegen Befremden über einen „inkontinenten“ Kollegen hervorrief, sondern auch in der Politik zu Vorbehalten führte." (Faz, 16.1.2013)

sven23 hat geschrieben:Staatsknete bleibt Staatsknete.
Das ist zu einfach. - Als Deutschland Reparationen an Frankreich gezahlt hat, gab es auch keine Rechte daraus, mitzubestimmen, was mit dem Geld gemacht wird. - Schulden bleiben SChulden.

sven23 hat geschrieben:Wenn das "Mea culpa" der Kirche nicht nur eine leere Worthülse bleiben soll, dann müßen den Worten Taten folgen
Das ist wirklich passiert - kirchenrechtlich wurde der Verhaltenskodex extrem verschärft.

sven23 hat geschrieben:Die meisten Geistlichen sind nie bestraft worden, man hat also auch das Kirchenrecht überhaupt nicht angewendet
Schließt Du aus der Tatsache, dass es kein Gefängnis-Strafen gab, dass das Kirchenrecht nicht angewendet wurde?

sven23 hat geschrieben:Skandale und Mißstände gibt es auch in Wirtschaft und Poltitik zur Genüge und die werden meist auch veröffentlicht und diskutiert.
Aber nicht gegenüber der Kirche gerechtfertigt - darum geht es.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#29 Re: Vatikan wird abgewatscht.

Beitrag von sven23 » So 9. Feb 2014, 12:15

closs hat geschrieben:"Untersagt" ist es ja nicht. - Die Frage ist, ob die Gesellschaft ein juristisches Recht hat.

Hatten wir doch schon geklärt: juristisch nicht, moralisch schon. Es ist ja traurig genug, wenn man die Kirche immer wieder daran erinnern muß.


closs hat geschrieben: Im Fall "Holocaust" oder "Banken-Krise" oder "SED-Staat", wenn es um System-Versagen geht, ist das Pflicht. - Hier handelt es sich aber nicht um System-Versagen, sondern um strafrechtliches Individualversagen.

Genau da liegt der Hund begraben. Die systematische Vertuschung ist ein Systemversagen der Kirche. Da liegt der eigentliche Sprengstoff vergraben und die Kirche hat das - aus ihrer Sicht- noch rechtzeitung erkannt und blockt jetzt ab.

closs hat geschrieben: * entgegen des Systems einzelne Menschen Kindesmissbrauch begehen - oder gäbe es jemanden, der der Kirche unterstellt, sie habe Kindesmissbrauch zum Ziel gehabt? -

So einen Blödsinn will der Kirche doch niemand unterstellen. Es geht ausschließlich um den Umgang mit den Fällen. Da könnte die Kirche doch punkten, indem sie zeigt, wie sie kirchenrechtlich korrekt mit den Fällen umgegangen ist.




closs hat geschrieben: "Denn der Wissenschaftler war nicht nur dafür bekannt, im Umgang mit Medien virtuos zu sein. Vor allem war er bei der Beurteilung von Jugendgewalt, Ausländerfeindlichkeit oder Kindstötungen mit Diagnosen und Ratschlägen schnell bei der Sache. Mehr als einmal erwiesen sich seine Einschätzungen als vorschnell, wenn nicht gar grundfalsch, seine politischen Zuspitzungen durchaus seriöser Forschungsergebnisse als effekthascherisch und die schillernden Kausalketten als wenig belastbar – was nicht nur unter Fachkollegen Befremden über einen „inkontinenten“ Kollegen hervorrief, sondern auch in der Politik zu Vorbehalten führte." (Faz, 16.1.2013)

Man wußte ja auch vorher, wer Herr Pfeiffer ist. Erst als klar war, was er aufdecken könnte, kamen die ad hominem Vorwürfe.
Meinetwegen können das auch andere aufarbeiten, nur sollte es mal gemacht werden, Pfeiffer hin oder her.

closs hat geschrieben: Das ist zu einfach. - Als Deutschland Reparationen an Frankreich gezahlt hat, gab es auch keine Rechte daraus, mitzubestimmen, was mit dem Geld gemacht wird. - Schulden bleiben SChulden.

Na ja, es gibt ja wohl einen Unterschied zwischen Reparationszahlungen und Bischofsgehältern.

closs hat geschrieben: Schließt Du aus der Tatsache, dass es kein Gefängnis-Strafen gab, dass das Kirchenrecht nicht angewendet wurde?

Nein, denn das Kirchenrecht sieht ja wohl keine Gefängnisstrafe vor. (siehe Bericht über Erzbistum in Chicago)

closs hat geschrieben: Aber nicht gegenüber der Kirche gerechtfertigt - darum geht es.

Also wenn die Fälle öffentlich und strafrechtlich behandelt werden, dann ist auch die Kirche mit eingeschlossen, da sie auch Teil des öffentlichen Raumes ist.
Oder willst du etwa kirchliche Sondertribunale nach mittelalterlichem Vorbild einrichten?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#30 Re: Vatikan wird abgewatscht.

Beitrag von closs » So 9. Feb 2014, 13:03

sven23 hat geschrieben: Es ist ja traurig genug, wenn man die Kirche immer wieder daran erinnern muß.
Welches Recht hat die säkulare Gesellschaft, die sich ansonsten über formales Recht definiert, plötzlich die Karte "Moral" zu ziehen?

Auch hier nochmals die Frage: Seit wann nehmen es Politik und Medien ernst, wenn die Kirche "moralische" Standards anmahnt? - Hast Du schon mal erlebt, dass Medien nach Canossa gehen, weil die Kirche Abtreibung und HS moralisch anmahnt? ("Oh - wir Medien haben eine Verpflichtung den moralischen Standards der Kirche gegenüber - da müssen wir jetzt aber zurückrudern" :lol: ).

sven23 hat geschrieben:Die systematische Vertuschung ist ein Systemversagen der Kirche.
"Systematische Vertuschung" ist ja eine Behauptung, die halt kolportiert wird. Da müsste man auch mal die Kirche fragen, ob sie meint, dass sie systematisch vertuscht.

Außerdem ist es ein Unterschied, ob man (beispielsweise) Todesschüsse an der Mauer befiehlt oder deren Aufklärung im Nachhinein nicht forciert.

sven23 hat geschrieben: Da könnte die Kirche doch punkten, indem sie zeigt, wie sie kirchenrechtlich korrekt mit den Fällen umgegangen ist.
WEM zeigt? - Die Kirche hat nur der Staatsanwalt etwas zu zeigen.

Im Grunde fände ich es ja auch gut, wenn die Kirche alle Schubladen öffnen würde - wäre ich verantwortlich dafür, würde ich es der säkularen Medien-Gesellschaft gegenüber jedoch NICHT tun. Denn erstens hat die säkulare Medien-Gesellschaft keine Rechte außer juristische Rechte. Zweitens ist die säkulare Mediengesellschaft diesbezüglich (im besten Sinne des Wortes) weder "wohl-wollend" noch seriös.

sven23 hat geschrieben:nur sollte es mal gemacht werden
Und wieder: Wer hätte außer Staatsanwaltschaft und individuelle Opfer Anspruch darauf?

sven23 hat geschrieben: es gibt ja wohl einen Unterschied zwischen Reparationszahlungen und Bischofsgehältern.
In diesem verbogenen Fall ist es de facto dasselbe.

sven23 hat geschrieben:Also wenn die Fälle öffentlich und strafrechtlich behandelt werden, dann ist auch die Kirche mit eingeschlossen
Strafrechtlich selbstverständlich - darüber hinaus öffentlich nein. - darüber hinaus handelt es sich um ein Entgegenkommen der Kirche.

Antworten