Charlie Hebdo: Freiheitsrechte grenzenlos?

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sven23
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#151 Re: Charlie Hebdo: Freiheitsrechte grenzenlos?

Beitrag von sven23 » Fr 9. Jan 2015, 18:56

closs hat geschrieben: Da hatte die SPD mehr Druck auszuhalten - Dein Link scheint von einem Vertreter der bürgerlichen Nachfolgeparteien verfasst worden zu sein - siehe "Blockflöten" der SED.

Das Fernbleiben der Abgeordneten hätte nichts bewirkt. Weil das Quorum nicht erreicht worden wäre, hätte die NSDAP eine Änderung der Geschäftsordnung erwirkt, juristisch zweifelhaft, aber hätte das die Nazis gejuckt?

http://www.zeit.de/1953/12/der-mythos-d ... gsgesetzes
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sven23
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#152 Re: Charlie Hebdo: Freiheitsrechte grenzenlos?

Beitrag von sven23 » Fr 9. Jan 2015, 19:31

Auf die Frage: Was darf Satire? antwortete Kurz Tucholsky

"Die Satire muss übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht. Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird, und sie kann gar nicht anders arbeiten als nach dem Bibelwort: Es leiden die Gerechten mit den Ungerechten. […] Was darf die Satire? Alles." - Kurt Tucholsky

Wen wunderts, daß er von den Nazis fliehen mußte und seine Bücher verbrannt wurden?
Totalitäre Systeme, egal ob säkular oder religiös, haben eins gemeinsam: sie vertragen keine Satire.
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Janina
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#153 Re: Charlie Hebdo: Freiheitsrechte grenzenlos?

Beitrag von Janina » Fr 9. Jan 2015, 19:42

sven23 hat geschrieben:Wo gibts denn im Leben absolute Sicherheit?
Am Ende.

closs hat geschrieben:Das Ermächtigungsgesetz wurde von den gewählten Volksvertretern beschlossen, war also auch demokratisch.
Nein. Die nötige Opposition wurde vorher "verhaftet". Und die Zentrumspartei hat sich mit dem Konkordat kaufen lassen.

closs
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#154 Re: Charlie Hebdo: Freiheitsrechte grenzenlos?

Beitrag von closs » Fr 9. Jan 2015, 20:16

sven23 hat geschrieben:Das Fernbleiben der Abgeordneten hätte nichts bewirkt.
Dann wäre aber alles weitere undemokratisch gewesen - so war es demokratisch.

sven23 hat geschrieben: Was darf die Satire? Alles." - Kurt Tucholsky
Deshalb sollte man ihr einen clownesquen Freibrief geben, sich im besten Fall drüber freuen und ansonsten ignorieren - wie bei Kindern halt.

Das ist ja der Hauptfehler der Empörten im Islam (das war auch früher der Fehler der christlichen Kirchen, die angegriffen wurden): Sie haben nicht genug Hornhaut gegenüber solchen Erscheinungen der freiheitlichen Gesellschaft, die ja mitunter ganz witzig sein können. - Aber man muss drüber stehen.

Wenn unsere Angela in der "Titanic" mit Hakenkreuz und Hitler-Bärtchen abgebildet werden würde, sollte man als Regierung deutlich machen, dass das irrelevant ist - indem man ganz einfach NICHTS macht - es ist halt Satire. - Wenn es der "Spiegel" macht, ebenso - nur könnte man dem "Spiegel" dann stecken, dass er damit eben auch als clownesques Medium verstanden wird - jeder darf sich so positionieren, wie er will. - Und wenn eine Straftat vorliegt, ist es öffentliches Recht - dann muss der Staatsanwalt von sich aus reagieren - das hat mit dem Betroffenen/Angegriffenen nichts zu tun.

sven23 hat geschrieben:Totalitäre Systeme, egal ob säkular oder religiös, haben eins gemeinsam: sie vertragen keine Satire.
Dann müssen sie lernen, drüber zu stehen.

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#155 Re: Charlie Hebdo: Freiheitsrechte grenzenlos?

Beitrag von closs » Fr 9. Jan 2015, 20:20

Janina hat geschrieben: Die nötige Opposition wurde vorher "verhaftet". Und die Zentrumspartei hat sich mit dem Konkordat kaufen lassen.
Wie man immer das persönlich bewertet: Es war demokratisch. - Das frei gewählte Parlament war abstimmungsfähig, weil genug Parlamentarier da waren - es gab auch ziemlich viele Gegenstimmen (das war also AUCH möglich), die aber nicht gereicht haben. - Staatsrechtlich ist das nun mal so.

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Scrypt0n
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#156 Re: Charlie Hebdo: Freiheitsrechte grenzenlos?

Beitrag von Scrypt0n » Fr 9. Jan 2015, 20:24

closs hat geschrieben:Es war demokratisch.
Nein, war es nicht - ich denke es gibt auch keinen Geschichtsexperten, der dir bei diesem unerträglichen Schwachsinn zustimmen würde.

closs hat geschrieben:Das frei gewählte Parlament war abstimmungsfähig
Dessen Entscheidungsfreiheit wurde jedoch durch bereits genannte Aspekte sehr stark eingeschränkt und beeinflusst.
Eine Tatsache, die eben so ist wie sie ist.

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#157 Re: Charlie Hebdo: Freiheitsrechte grenzenlos?

Beitrag von Martinus » Fr 9. Jan 2015, 20:27

Die Jungfrauen werden knapp. Es werden wieder über 200 für drei Gotteskrieger gebraucht. Was für Helden!
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#158 Re: Charlie Hebdo: Freiheitsrechte grenzenlos?

Beitrag von sven23 » Fr 9. Jan 2015, 20:33

closs hat geschrieben:Dann wäre aber alles weitere undemokratisch gewesen - so war es demokratisch.

Demokratische Abstimmungen müssen frei sein, das waren sie aber nicht. Verhaftungen und Ermordungen von Abgeordneten im Vorfeld der Abstimmung sorgten für das nötige Klima der Angst. Die Nazis machten auch damit deutlich, was Abstimmungsverweigerer zu erwarten hatten. Da kann man nicht von freier Abstimmung sprechen.

"Zwei Tage später, am 23. März 1933, stimmte der Reichstag in der Berliner Krolloper über das von Reichskanzler Adolf Hitler vorgelegte "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich" ab. Auf dem Weg dorthin mussten sich die Parlamentarier Beschimpfungen wie "Zentrumsschwein" von Spalier stehenden SA und SS anhören. Die Stimmberechtigten sollten bewusst eingeschüchtert werden."
http://www.wasistwas.de/archiv-geschich ... ratie.html

"26 Abgeordnete der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) waren bereits verhaftet oder geflohen und konnten nicht an der Abstimmung teilnehmen. Die 81 Abgeordneten der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) konnten ebenfalls nicht mit abstimmen, da ihre Mandate kurz nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar annulliert worden waren."
http://www.bpb.de/politik/hintergrund-a ... ungsgesetz

closs hat geschrieben: Dann müssen sie lernen, drüber zu stehen.

Totalitare Systeme wollen nicht lernen, sie machen ihre eigenen Regeln.
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#159 Re: Charlie Hebdo: Freiheitsrechte grenzenlos?

Beitrag von closs » Fr 9. Jan 2015, 21:04

Scrypt0n hat geschrieben:Nein, war es nicht - ich denke es gibt auch keinen Geschichtsexperten, der dir bei diesem unerträglichen Schwachsinn zustimmen würde.
Jaja - die extra-terrestrischen Nazis haben die deutsche Demokratie geknebelt, um an die Macht zu kommen. - Aber es würde mich wirklich interessieren, ob es Historiker gibt, die in Deinem Sinne um das Staatsrecht herum solche Legenden in die Welt setzen. - Das klingt nach Dolchstoßlegende II ("In der Demokratie unbesiegt") :lol: .

sven23 hat geschrieben:Da kann man nicht von freier Abstimmung sprechen.
Psychologisch ist das schon richtig - aber staatsrechtlich? - Wie willst Du im Nachhinein eine parlamentarische Abstimmung als undemokratisch bezeichnen, zu der die Parlamentarier freiwillig gekommen sind UND bei der es 120 Gegenstimmen gab?

Außerdem: Wie willst Du das Verbot der KPD bei dieser Abstimmung STAATSRECHTLICH in die Waagschale legen, wenn zwischen 27. Februar (KPD-Verbot) und 23. März (Abstimmung) kein Gericht den Ausschluss der KPD-Abgeordneten moniert hat. - Hatten die Nazis seit der Reichswahl im November 1932 (also 3 Monate zuvor) die Gerichtsbarkeit auch schon abgesetzt (ich weiss es nicht, aber ich meine NEIN)?

Wir sind uns gesinnungsmäßig einig, dass das so nicht hätte passieren dürfen - aber STAATSRECHTLICH kommt man da nicht so schnell raus.

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#160 Re: Charlie Hebdo: Freiheitsrechte grenzenlos?

Beitrag von Pluto » Fr 9. Jan 2015, 21:18

closs hat geschrieben:Wie willst Du im Nachhinein eine parlamentarische Abstimmung als undemokratisch bezeichnen, zu der die Parlamentarier freiwillig gekommen sind UND bei der es 120 Gegenstimmen gab?
Es beweist, dass Demokratie nicht unfehlbar ist.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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