Edward Snowden -- Weihnachtsansprache

Politik und Weltgeschehen
closs
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#11 Re: Edward Snowden -- Weihnachtsansprache

Beitrag von closs » Fr 27. Dez 2013, 09:34

Magdalena61 hat geschrieben:das Problem ist, wie soll man jemanden achten und ihm vertrauen, der seine Schweigepflicht bricht und- medienwirksam- Dienstgeheimnisse ausplaudert?
Medien-wirksam muss es ja sein, weil es sonst keiner hört. - Entscheidend finde ich, dass er keinen Vorteil, sondern nur Nachteile hat.

Gilt zur Aufdeckung von Verbrechen die Schweigepflicht? - Bei Priestern mit Beicht-Geheimnis ja - aber sonst?

Magdalena61 hat geschrieben: wirklich so naiv waren zu denken, Geheimdienste und sonstige Überwachungsorgane würden irgendwelche Privatsphären respektieren.
Viele haben das tatsächlich geglaubt. - Viele glaubten, dass Überwachung nur bei Spionen und Terroristen stattfindet - und dass man befreundete Politiker nicht abhört.

Magdalena61 hat geschrieben:Ich gehöre noch zu den Benachteiligten, die tatsächlich ohne Handy/ Smartphone aufwuchsen- man überlebt es
Festnetz wird auch abgehört. - Aber im Prinzip hast Du hier recht.

Pluto hat geschrieben:Wiedersprichst du dir da nicht selbst?
Ich denke NEIN. - Denn die Tatsache, dass mich ein Gesetzes-Verstoß nicht persönlioch stört, heisst ja nicht, dass es keiner ist.

Pluto hat geschrieben:Die Zeiten der Privatsphäre, so wie wir sie kannten, sind damit endgültig vorbei.
So ist es - und das gilt auch für das Festnetz-Telefon.

Pluto hat geschrieben:Von den Medien, die seine Geschichte vermarkten wollen, vielleicht?
Gut möglich - es sei denn, der russische Staat bezahlt ihn. - Von seinem alten Arbeitgeber wird er sicherlich nichts bekommen. - Oder er lebt von Spenden humanitärer Einrichtungen.

barbara
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#12 Re: Edward Snowden -- Weihnachtsansprache

Beitrag von barbara » Fr 27. Dez 2013, 11:26

Magdalena61 hat geschrieben:Man fragt sich, ob er dafür bezahlt wird.... und von wem.

Wer fragt sich das, und warum? Weil es so undenkbar ist, dass ein Mensch sein Gewissen über einen gut bezahlten Job, persönliche Sicherheit und goldene Käfigstangen stellt?


Und wofür er sich eigentlich hält. Ist er der Papst? Oder ein Bundespräsident? Braucht die Welt die Botschaft eines Edward Snowden?

Er hält sich, nach allem, was ich beurteilen kann, korrekterweise für Edward Snowden. Also für jene Person, die einen der grössten Regierungsskandale ans Licht gebracht hat. Was deutlich mehr ist, als jeder Bundespräsident dieses Jahr geleistet hat.


- Haben wir tatsächlich, bevor Edward Snowden zum Verräter wurde, nicht gewußt, dass alles, was elektronisch übermittelt wird...u.U. die Spatzen von den Dächern pfeifen werden?

nicht in dem Ausmass, nein.

Und nein, ein "Verräter" ist jemand, der die Absicht hat, seiner Gruppe zu schaden. Während Snowdens Absicht war, ein schmutziges Geheimnis öffentlich zu machen - ein Geheimnis, das seinem Land und seinen Landsleuten und der ganzen Welt schadet. Verräter sind eher die, die in der NSA die hohen Posten bekleiden und die dieses Spiel spielen - und nicht die Person, die öffentlich sagt, dass es dieses Spiel gibt.

gruss, barbara

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#13 Re: Edward Snowden -- Weihnachtsansprache

Beitrag von barbara » Fr 27. Dez 2013, 11:32

Pluto hat geschrieben: Ich denke auch, wir haben die Kontrolle darüber, was wir über uns in den Medien verlauten lassen. Wenn man was privates hat kann man das unter vier Augen besprechen. Es sind IMO die gleichen Leute die ihre Lebensgeschichte für ihre "Freunde" auf Facebook veröffentlichen, die sich dann lautstark über den Verlust ihrer Privatsphäre beklagen. Die Menschen wollen die Vorzüge allgegenwärtiger Wissensquellen, sind aber nicht bereit auf den "alten Zopf" der Privatsphäre zu verzichten.

Dann bist du immer ohne Handy unterwegs? dein Auto hat kein GPS? Du bezahlst deine Einkäufe, vor allem Lebensmittel und/oder Medikamente, immer in bar? Du trägst in der Öffentlichkeit konsequent einen Hut? Du hast kein Fernsehgerät mit integrierter Kamera, keinen Computer mit Webcam, der Bilder von deinem Privatraum irgendwohin schicken kann, ohne dass du es merkst? Kein Mikrofon, das Geräusche von deinem Privatraum übertragen kann?

- nun, falls du zu all dem Ja sagst, bist du in der Tat relativ unauffällig - aber schon wieder auffällig durch die Tatsache, dass du so wenig digitale Spuren hinterlässt. Ist nicht einer, der sich so unauffällig macht, verdächtig?



Die Gesellschaft steht mitten in einer Informations-"Revolution". Die Zeiten der Privatsphäre, so wie wir sie kannten, sind damit endgültig vorbei.
Richten wir uns also danach, und passen uns an!

ja, passen wir uns an - aber intelligent, besonnen und immer mit Blick auf unsere grundlegenden Werte, die Nächstenliebe, die Menschenwürde. Nicht einfach durch besinnungsloses Nachstolpern der aktuellen Mode.

gruss, barbara

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#14 Re: Edward Snowden -- Weihnachtsansprache

Beitrag von barbara » Fr 27. Dez 2013, 11:34

closs hat geschrieben: Von seinem alten Arbeitgeber wird er sicherlich nichts bekommen. - Oder er lebt von Spenden humanitärer Einrichtungen.

Er wurde bei seinem alten Arbeitgeber sehr gut bezahlt, womöglich hat er sowas Altmodisches getan wie Geld sparen...?

gruss, barbara

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sven23
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#15 Re: Edward Snowden -- Weihnachtsansprache

Beitrag von sven23 » Fr 27. Dez 2013, 11:40

Magdalena61 hat geschrieben:Hm.... das Problem ist, wie soll man jemanden achten und ihm vertrauen, der seine Schweigepflicht bricht und- medienwirksam- Dienstgeheimnisse ausplaudert?
Gewisse Regierungen sollten mal ein bißchen besser auf ihre "streng geheimen" Planungen und Dokumente aufpassen. DA sehe ich das größere Problem--

Also nicht die Tatsache, daß gegen bestehende Gesetze verstoßen wird, ist der Skandal, sondern daß es rausgekommen ist. Seltsame Vogel-Strauss Einstellung.

Magdalena61 hat geschrieben: Ich frage mich, ob die Leute, bevor Edward Snowden uns alle "aufklärte" wirklich so naiv waren zu denken, Geheimdienste und sonstige Überwachungsorgane würden irgendwelche Privatsphären respektieren.

Daß Geheimdienste am liebsten alles wissen wollen, ist klar. Auch, daß sie dafür Grenzen überschreiten. Aber es geht hier um das Ausmaß der Datensammelwut, bei der praktisch jeder unter Generalverdacht steht.
Und in welchem Verhältnis steht der gigantische Aufwand zum Ergebnis? Laut NSA konnte deswegen noch kein einziger Terroranschlag verhindert werden.

Whistelblower habens schwer, sie haben in Deutschland keinen besonderen Informantenschutz.
Der Gammelfleischskandalaufdecker verlor seinen Job, und zu Recht, wie das Arbeitsgericht feststellte.
Nur zwielichtige V-Leute in der rechten Szene genießen besonderen Schutz des Geheimdienstes. Das hat den NSU Skandal nicht verhindert, vielleicht sogar noch befördert.
Zuletzt geändert von sven23 am Fr 27. Dez 2013, 11:44, insgesamt 1-mal geändert.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#16 Re: Edward Snowden -- Weihnachtsansprache

Beitrag von sven23 » Fr 27. Dez 2013, 11:43

barbara hat geschrieben: Er hält sich, nach allem, was ich beurteilen kann, korrekterweise für Edward Snowden. Also für jene Person, die einen der grössten Regierungsskandale ans Licht gebracht hat. Was deutlich mehr ist, als jeder Bundespräsident dieses Jahr geleistet hat.


Heh, heh. :thumbup: :clap:
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#17 Re: Edward Snowden -- Weihnachtsansprache

Beitrag von Pluto » Fr 27. Dez 2013, 14:01

barbara hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Ich denke auch, wir haben die Kontrolle darüber, was wir über uns in den Medien verlauten lassen.
Dann bist du immer ohne Handy unterwegs? dein Auto hat kein GPS? Du bezahlst deine Einkäufe, vor allem Lebensmittel und/oder Medikamente, immer in bar? Du trägst in der Öffentlichkeit konsequent einen Hut? Du hast kein Fernsehgerät mit integrierter Kamera, keinen Computer mit Webcam, der Bilder von deinem Privatraum irgendwohin schicken kann, ohne dass du es merkst? Kein Mikrofon, das Geräusche von deinem Privatraum übertragen kann?
Ich muss mich nicht vor der Öffentlichkeit verstecken, weil ich nichts zu verbergen habe. Weder mein Aussehen noch meine Bewegungen muss ich verheimlichen. Auch welche Waren ich kaufe ist kein Geheimnis -- im Gegenteil, wenn mir Google anhand meiner Gewohnheiten gezielt Werbung bietet, empfinde ich das sogar als Vorteil.
Im Gegenteil... Jemand der sich um solche Fragen sorgt vermutlich "Dreck am Stecken".

Zur Privatsphäre gehören mein Schlafzimmer, meine sexuellen Präferenzen, oder wie viel Geld ich au dem Konto habe. Das weiss nur derjenige dem ich das bewusst erzähle. So was erfahren die Geheimdienste nur wenn sie mich aus irgendeinem Grund ins Visier nehmen. Da ich mich aber ein "stinknormales" Leben führe, bin ich für die etwa so interessant wie ein Sandkorn am Strand. Sie schauen es sich an, gehen weiter, und suchen sich interessantere Ziele.

ja, passen wir uns an - aber intelligent,
Ja! Unter Intelligenz verstehe ich z. Bsp., dass man eben nicht jeden Mist auf Facebook Seiten veröffentlicht. Damit bewahre ich mir die Teile meiner Menschenwürde die mir persönlich wertvoll sind. Über den Rest verliere ich keinen Schlaf.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#18 Re: Edward Snowden -- Weihnachtsansprache

Beitrag von barbara » Fr 27. Dez 2013, 14:19

Pluto hat geschrieben:Ich muss mich nicht vor der Öffentlichkeit verstecken, weil ich nichts zu verbergen habe.

Als Antwort hierzu ein Artikel von Falkvinge, der das besser sagt, als ich es kann:

http://de.falkvinge.net/2012/07/19/entl ... efurchten/

Zur Privatsphäre gehören mein Schlafzimmer, meine sexuellen Präferenzen, oder wie viel Geld ich au dem Konto habe.

Hast du einen Fernseher im Schlafzimmer? Prüfe mal, ob das ein Gerät ist, das zur Überwachung geeignet wär. Wenn ja, schmeiss ihn raus. Zu deinen sexuellen Präferenzen tippst du hoffentlich nichts aufs Internet.

Wie viel Geld du auf dem Konto hast, ist keineswegs eine private Information. Der Staat hat ein Recht darauf, über Einkommen und Vermögen bis ins Detail Bescheid zu wissen. Diese Informationspflicht ist immerhin wenig häufig, aber sobald du Online-Banking machst, werden von der NSA zumindest die Metadaten aufgezeichnet. Vielleicht auch die detaillierten Transaktionen.

Und da kann auch das System übereifrig reagieren:
http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/Die ... y/29970854

und: je intensiver überwacht wird, desto mehr falsch-positive Warnungen gibt es. Und folglich immer mehr Leute, die völlig harmlos sind, aber die eine oder andere Schrulle haben, die sie als auffällig markiert.


So was erfahren die Geheimdienste nur wenn sie mich aus irgendeinem Grund ins Visier nehmen.

Das ist eben das Problem: der Grund kann tatsächlich "irgend einer" sein. Auch einer, der nicht das Geringste mit dir zu tun hat, aber dich zum Verdächtigen macht, auch wenn du vollkommen unschuldig bist.

gruss, barbara

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#19 Re: Edward Snowden -- Weihnachtsansprache

Beitrag von Demian » Fr 27. Dez 2013, 14:30

closs hat geschrieben:Gar nicht - weil es mir egal ist, ob ich überwacht werde. - My Home is my Castle. Die Zukunft wird sein, dass man den NSA-Radar unterfliegt - ein öffentlich uninteressantes Leben führen. Fällt mir leicht - anderen nicht. - Und weil man diese Anderen schützen muss, hat Snowdon im Prinzip recht.

Das klingt nun nach „dem Mund halten und Opportunist werden“, um möglichst unauffällig zu leben. Mal ganz direkt gefragt: was hat das dann noch mit Bürger- und Menschenrechten, Demokratie und Mündigkeit zu tun? Und wie willst du „diese Anderen“ schützen - und es geht ja nicht nur um die Freiheit einzelner Weniger, die für alle den Kopf hinhalten, sondern um die generelle Freiheit - wenn du „ein öffentlich uninteressantes Leben“ führst? Selbst wenn wir uns auf das Private beschränken würden: wie schützen wir die Freiheit unsrer Kinder? Hannah Arendt sagte mal, dass der politische Raum unser Raum der Freiheit ist, da wir uns dort als aktive, lebendige, gestaltende Wesen erfahren. Dem würde ich zustimmen.
Zuletzt geändert von Demian am Fr 27. Dez 2013, 15:18, insgesamt 1-mal geändert.

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#20 Re: Edward Snowden -- Weihnachtsansprache

Beitrag von Demian » Fr 27. Dez 2013, 14:36

Magdalena61 hat geschrieben:Hm.... das Problem ist, wie soll man jemanden achten und ihm vertrauen, der seine Schweigepflicht bricht und- medienwirksam- Dienstgeheimnisse ausplaudert? Gewisse Regierungen sollten mal ein bißchen besser auf ihre "streng geheimen" Planungen und Dokumente aufpassen. DA sehe ich das größere Problem--

Lasst uns die Bibel zitieren und auswendig üben, täglich beten, Ablenkungsdebatten und ein unauffälliges Leben führen und das ganze dann Christentum nennen?! Mal ehrlich: Edward Snowden ist doch Christus mehr nachgefolgt, als wir alle hier zusammen. Egal wie man über ihn denkt: wir waren nie in dieser schwierigen Situation - und er hat sich im Sinne des ursprünglichen amerikanischen Freiheitsgeistes für die Aufklärung entschieden. Diesem Mut gebührt mein großer Respekt und Dank.

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