Naqual hat geschrieben: ↑Fr 25. Feb 2022, 20:11
Russland hat erhebliche Überschüsse in der Handelsbilanz, also anders ausgedrückt: die Welt braucht Russland mehr als Russland die Welt.
Das ist so nicht zutreffend, wenn auch richtig ist dass deren Exporte gegenüber den Importen einen enormen Überschuss aufweisen. Dieser liegt aber ursächlich fast ausschließlich an den Gas- und Ölexporten (und Aluminium), die ich ja schon erwähnte. Wohingegen die Importe auf sämtliche Produkte/Rohstoffe verteilt sind, viele unterschiedliche Ressourcen auf die Russland eben zu Teilen durchaus gewaltig angewiesen ist.
Die russischen Staatsreserven hingegen sind beträchtlich und sicherlich nicht nachteilig. Gesteuerte riesige Überschüsse wurden ja seit viele Jahren in diesem „Nationalen Wohlfahrtsfonds“ angesammelt, das Land damit auf den Krieg seit spätestens 2014 vorbereitet, doch mit stolzen 185 Milliarden Dollar (Stand Ende 2021) sind das halt trotzdem „nur“ ~12 Prozent dessen Bruttoinlandsproduktes. Das ist bei scharfen Sanktionen, wie sie sich derzeit abzeichnen, dann doch relativ schnell verzehrt.
Etwas feiner und durchaus respektabel sieht es mit den Währungsreserven aus, die lagen laut der russischen Zentralbank Mitte Februar bei ~640 Milliarden Dollar. Jedoch hält Russland davon knapp ein Drittel in Euro (32,4 Prozent) und 16,4 Prozent in US-Dollar – die jetzt wohl weg sind. Die verbliebenen 328 Milliarden mit vorhandenem Zugriff machen dann noch mal ~22% des Bruttoinlandsprodukts aus. Der verpufft also bei entsprechenden Maßnahmen relativ zügig, wie sich jeder einfach ausrechnen kann.
Naqual hat geschrieben: ↑Fr 25. Feb 2022, 20:11
US-Investitionen gibt es in Rußland nur verschwindend.
Es geht ja allen voran um die Finanzmärkte und damit die Wirtschaft in Russland. Du musst hier wissen, dass die russischen Finanzinstitutionen jeden Tag und weltweit betrachtet Währungsgeschäfte (also: Handel) im Wert von ~45 Milliarden US-Dollar ausführen. Davon passieren ~80 Prozent in(!) US-Dollar.
Eine übergroße Mehrheit dieser Transaktionen ist jetzt bereits unterbrochen, stillgelegt. Die größten russischen Banken wurden vom US-Präsident bereits aus dem US-Finanzmarkt und Währungssystem ausgeschlossen, weitere Kreditinstitute sind angekündigt. Ausgesprochen schmerzhaft, ganz egal dabei dass Russland für ne kleine Weile durch ihren vorgesorgten Haushalt (siehe oben) das Sozialsystem, das Gesundheitssystem, das Militär, erstmal auch die Banken im Inland betreffend und weitere fixe Staatsausgaben unbeeinträchtigt halten werden können. Das hilft der Wirftschaft und damit den meisten Bürgern nur kaum etwas, die von der Invasion außerdem auch nicht so begeistert sind, wie Putin das gerne hätte.
Naqual hat geschrieben: ↑Fr 25. Feb 2022, 20:11
Wenn ein eher diktatorischer Staat wie Russland den Degen mit demokratischen Staaten kreuzt, spielt die Zeit für Russland. Und die wissen das m.E. auch.
Also DAS glaube ich keinesfalls. Gerade Putin weiß nämlich im Gegenteil, dass sein Herrschaftsmodell auf wackeligen Füßen steht (weshalb er auch kritische Demonstranten und Journalisten ebenso wegsperrt wie potenziell erfolgreiche politische Gegner) – und vor allem weiß er sehr genau, wie schnell auch große Imperien in sich zusammenbrechen können.
Als KGB-Major hat Putin 1989 in Dresden selbst miterlebt, wie erst die Stasi-Zentrale im Oktober von Demonstranten überrannt wurde, kurz darauf die ganze DDR zerfiel. Nur zwei Jahre später war dann auch das Auseinanderbrechen der gesamten Sowjetunion nicht mehr aufzuhalten, die sich dann im Dezember 1991 auflöste. Diese gefühlte Demütigung steckt dem doch erkennbar noch heute in den Knochen.
Naqual hat geschrieben: ↑Fr 25. Feb 2022, 20:11
Russland steht seit 8 Jahren bereits unter Sanktionen, die politisch keine Auswirkungen hatten, wenn auch Nationalökonomen davon ausgehen, dass deren Bilanz etwa um 2 Prozent kleiner sein dürfte als ohne dies Sanktionen.
Das ist soweit absolut richtig und ja, ich kritisiere die vorausgegangenen Sanktionen schon seit 2014 eben genau deshalb: Sie haben keinerlei Biss (also: Wirkung), sind viel zu milde.
Das sieht jetzt aber gewaltig anders aus, schon die oben genannten von den USA ausgehenden Sanktionen sind gewaltiger als die meisten bis dahin durchgesetzten Sanktionen aller Länder zusammen.
Und mit den USA hört es halt auch nicht auf, wenn auch deren russischen Abtrennung für sich genommen das größte Gewicht hat. Das geht ja mit der ganzen EU (außer Schweiz) samt Großbritannien natürlich weiter. Japan hat sich diesen Schritten (Ausschluss aus dem Finanzsystem, Einfrieren des Vermögens russischer Banken, …) ebenfalls angeschlossen, außerdem noch den Export nach Russland von Halbleitern eingeschränkt.
Wobei mittlerweile sogar die Schweiz schon von der absoluten Neutralität abgerückt ist; es wurden zwar noch keine Schweizer-Konten eingefroren, wohl aber wurde den Banken untersagt, noch weiter Geschäftsbeziehungen mit sämtlichen russischen Banken/Institutionen und Personen einzugehen, die auf den EU-Sanktionslisten stehen. Das sind einige hunderte.
Naqual hat geschrieben: ↑Fr 25. Feb 2022, 20:11
Seit 2011 ist Siluanov der Finansminister der Russen (er ist auch im Sicherheitsrat der russischen Förderation). Nach ihm ist Russland auf das Swift-System nicht zwingend angewiesen, es wird eine stärkere Orientierung des Finanzsystem landesintern erfolgen.
Landesintern gut und schön, aber wie gesagt: Der Ausschluss aus dem Swift-System hätte erstmal unweigerlich und augenblicklich zur Folge, dass JEGLICHER Handel mit dem weltweit gesamten(!) Ausland und jedweder damit verbundene Import/Export vollständig(!) zum Erliegen kommt.
Das ist übrigens auch der Grund, weshalb einige europäische Länder und insbesondere Deutschland da noch zögerlich reagieren, obwohl mit deren Zustimmung die Sache längst geklärt wäre: Russland würde – und müsste – jegliche Gaslieferung einstellen, weil es praktisch keine Möglichkeit mehr gäbe, Russland für Gaslieferungen weiter zu bezahlen.
Diese Länder hoffen aktuell noch darauf, dass Russland zu Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten bereit ist und sich die Angelegenheit trotz aller entstandenen Schäden noch diplomatisch lösen lässt – ehe sie diese wirtschaftliche Bombe ernsthaft in die Hand nehmen.
Tatsächlich zeigte sich Putin heute gesprächsbereit und möchte, dass sich die Delegierten beider Länder an einem neutralen Geschehen treffen. Meiner Meinung nach aber nichts weiter als sein übliches Theater. Am Ende wird Putin völlig absurde Forderungen stellen, die der ukrainische Präsident unmöglich akzeptieren kann (wie: russische „Friedenstruppen“ ersetzen das ukrainische Militär) – um dann später zu behaupten „seht ihr, ich habs doch versucht… jetzt ist die Ukraine selbst schuld an dem, was wir tun müssen“. Oder so ähnlich.
Man kennt ja seine Propaganda ebenso wie seine realitätsfernen „Rechtfertigungen“ hinsichtlich seiner Handlungen schon lange nur zu gut.