Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

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Novas
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#31 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von Novas » So 18. Jan 2015, 13:40

Ruth hat geschrieben:
JackSparrow hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Gemeint ist damit,
* dass die oberen 2% der Weltbevölkerung 40% des gesamten Weltvermögens halten (Quelle: ZEIT)
Wo ziehen wir die Grenze? Würden sie nur 10% des Vermögens halten, wären sie keine Kapitalisten? Und wieso nur die Weltbevölkerung? Würde jemand 40% des Vermögens eines Dorfes halten, wäre er kein Kapitalist? Ist Privatbesitz genau dann gerechtfertigt, solange es noch jemanden gibt, der mehr hat als man selbst?

Ich würde das Ganze so auf einen, für mich berechenbaren, Nenner bringen:

Ein Kapitalist ist einer, der sein Kapital anhäuft, nur um sich selbst zu bereichern, notfalls auf Kosten anderer Menschen.

Wer den Gewinn zum Kapital nicht nur für sich selbst benutzt, sondern für die Gemeinschaft (welche sicher in sich selbst auch gewisse Grenzen hat) der ist kein Kapitalist.

Niemand kann für die ganze Welt sorgen. Aber jeder einen Beitrag für die "Welt" (Gemeinschaft) in der man selbst lebt. Darum würde ich den Kapitalisten nicht an der ganzen Welt messen, sondern an dem Umkreis, der zu seinem Leben dazu gehört.
ich weiß nicht ob das noch auf eine Informationsgesellschaft zutrifft. Mein Eindruck ist, dass wir in Zukunft ein anderes Verständnis haben werden. Information und die Fähigkeit sie zu verarbeiten, schöpferisch zu verwerten wird immer wichtiger. Was ist dann "Kapital", wenn Information die Währung ist?

Das Bewusstsein des Einzelnen? ;)

jsc
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#32 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von jsc » So 18. Jan 2015, 14:02

Pluto hat geschrieben:Man vergisst nur allzgerne, dass sich aus dieser Schicht gerade die meisten Philanthropen dieser Welt rekrutieren.
Ohne Einrichtungen wie die Bill & Melinda Gates Stiftung wäre die Dritte Welt u einiges ärmer.
Mein Kommentar an wohltätige, reiche Menschen (nicht konkret an die Gates) die viel spenden:
Reichen Menschen werden die "Vermeidung" von Steuern "verziehen", wenn sie im Gegenzug "wohltätig" sind. Ihnen wird sozusagen zugestanden, dass sie ihr Geld besser "für die Menschen" ausgeben können als der Staat es tun könnte. Warum gesteht man es dann nicht allen Menschen zu? Warum darf ich dann meine paar hundert Euro Steuern nicht selbst für sinnvolle Projekte für die Allgemeinheit ausgeben?
Würde es nicht so viele "Steuervergünstigungen" für die Reichen geben und würden sie alle brav prozentual sich an den Steuern beteiligen, dann gäbe es keinen Grund, dass sie ihr Gewissen damit beruhigen müssten oder ihr Ego in der Öffentlichkeit sonnen. Wie gesagt, ich wollte das nicht auf die Gates beziehen sondern allgemein auf das große Ganze...

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Chronos
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#33 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von Chronos » So 18. Jan 2015, 14:08

Abischai hat geschrieben:Die "liberale" Ansicht, völlig freie Märkte würde sich allein regulieren, ist bedauerlicher Glaube an Selbstheilungskräfte in der Wolfsnatur des Menschen, es ist konsequent zu Ende gedachtes Evolutionsdenken auf gesellschaftlichem Gebiet, was ich als Christ entschieden ablehne.

Und dieser Glaube an den Markt und die Umsetzung dieses Glaubens = Kapitalismus. Und dieser Kapitalismus ist menschenverachtend, gottverachtend, egoistisch etc.
Ich halte nicht viel von Karl Marx, aber sein Satz: "ab 300% Profit wird Kapital kühn..." hat schon was...

Wenn heute und hier jemand den "Kapitalismus" verteidigt, dann meint er sicher den sozialen Anteil der trotz Kapitalismus noch nicht ganz in den Boden getreten worden ist.
Wir sind das gewöhnt und können hier besser leben als in Rotchina. Wer also den Kap. verteidigt, weiß offenbar nicht, was das eigentlich ist.

Ich schließe mich dem an und möchte den angesprochenen Satz von Karl Marx hier ganz zitieren:

„Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit, oder sehr kleinen Profit, wie die Natur von der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv und waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens.

Sehen wir die Welt von heute an, nicht mit der dekadenten Brille der satten Westeuropäer, sondern sehen wir den auch von uns ausgebeuteten Menschen in großen Teilen Asiens und Südamerika, so ist der Kapitalismus und auf seiner jetztigen Stufe eín alles in sich verschlingendes, ein alles in seiner maßlosen Gier unter sich zerstampfendes Ungeheuer, für das ein Menschenleben nicht den geringsten Wert hat, es sei denn, der Ausbeutung des zum Sklaven gemachten Menschen um jeden Preis.

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#34 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von Ruth » So 18. Jan 2015, 16:59

Novalis hat geschrieben:ich weiß nicht ob das noch auf eine Informationsgesellschaft zutrifft. Mein Eindruck ist, dass wir in Zukunft ein anderes Verständnis haben werden. Information und die Fähigkeit sie zu verarbeiten, schöpferisch zu verwerten wird immer wichtiger. Was ist dann "Kapital", wenn Information die Währung ist?

Das Bewusstsein des Einzelnen? ;)

Kapital ist alles, aus dem man Gewinn erzielen kann. Also, auch das Saatkorn, aus dem eine gefüllte Ähre entsteht.

Möglicherweise kann auch Bewusstsein des Einzelnen Kapital sein. Dann nämlich, wenn es neue Erkenntnisse bringt, welche derjenige zum Gewinn einsetzt. Das sich möglicherweise vermehrt, indem man es mit anderen teilt.

closs
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#35 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von closs » So 18. Jan 2015, 17:24

Pluto hat geschrieben:Kannst du das auch statistisch belegen?
Die sozialisierten Verluste der Bankenkrise belaufen sich in Deutschland auf einen 3-stelligen Betrag (Quelle: irgendwo mal in der ZEIT gelesen - ich schreibe mir das nicht auf).

Pluto hat geschrieben:Ohne Einrichtungen wie die Bill & Melinda Gates Stiftung wäre die Dritte Welt u einiges ärmer.
Das stimmt - da geht einiges wieder zurück - aber gemessen am Gesamten ist das kein großer Anteil.

Auf der anderen Seite stehen Fälle, in denen durch Hedgefonds u.ä. ganze Staaten in die Knie gezwungen werden - dies betraf mal Rumänien oder Bulgarien, die dann milliarden-schwere Sozial-Projekte daheim canzeln mussten, weil sie Hedgefonds bedienen mussten. - Aktuell ist momentan Argentinien dran. - Allerdings gibt es da jetzt auch eine neue Entwicklung: Man engagiert sich mehr zu Aktien hin, die dem chinesischen und nicht amerikanische Aktienrecht unterworfen sind.

Das geht alles seinen Gang.

Im übrigen fällt mir auch kein Modell ein, das den Raubtier-Kapitalismus ersetzen könnte - weil eine Änderung nur dann möglich wäre, wenn alle (wesentlichen Länder) mitmachen würden. - Es sollte aber im Rahmen der politischen Bildung ein Bildungsauftrag einer anspruchsvollen Zivilisation sein, dass Geld zwar Folge von Leistung sein KANN, es aber (vor allem "oben") oft nicht ist.

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sven23
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#36 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von sven23 » Mo 19. Jan 2015, 07:38

closs hat geschrieben: Im übrigen fällt mir auch kein Modell ein, das den Raubtier-Kapitalismus ersetzen könnte - weil eine Änderung nur dann möglich wäre, wenn alle (wesentlichen Länder) mitmachen würden. - Es sollte aber im Rahmen der politischen Bildung ein Bildungsauftrag einer anspruchsvollen Zivilisation sein, dass Geld zwar Folge von Leistung sein KANN, es aber (vor allem "oben") oft nicht ist.

Auch das stimmt so nicht. Es gibt genügend Länder, die beweisen, daß es Alternativen zum Raubtier-Kapitalismus gibt. Es kommt halt darauf an, ihn mit klugen Regeln auszugestalten.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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ThomasM
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#37 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von ThomasM » Mo 19. Jan 2015, 09:05

Chronos hat geschrieben: Ich schließe mich dem an und möchte den angesprochenen Satz von Karl Marx hier ganz zitieren:

„Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit, oder sehr kleinen Profit, wie die Natur von der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv und waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens.

Sehen wir die Welt von heute an, nicht mit der dekadenten Brille der satten Westeuropäer, sondern sehen wir den auch von uns ausgebeuteten Menschen in großen Teilen Asiens und Südamerika, so ist der Kapitalismus und auf seiner jetztigen Stufe eín alles in sich verschlingendes, ein alles in seiner maßlosen Gier unter sich zerstampfendes Ungeheuer, für das ein Menschenleben nicht den geringsten Wert hat, es sei denn, der Ausbeutung des zum Sklaven gemachten Menschen um jeden Preis.
Interessant, wie sich meine Anregung hier in der Diskussion entwickelt. Interessant auch, wie sehr viele hier nicht in der Lage sind, die feine Ironie in dem von mir zitierten Artikel zu bemerken.

Das liegt eben an einem einfachen Stichwort, wie "Kapital", auf das Abischai und Chronos abfahren, ohne auch nur im Geringsten irgendeine Gehirnzelle einzuschalten. Eine rein gefühlsmäßige Verknüpfung dieses Wortes mit allen möglichen Assoziationen des Bösen. Genau dieser Reflex kommt in der Überschrift zum Ausdruck und wird in dem von mir zitierten Artikel in Frage gestellt.

Wie kann etwas fundamental Böse sein, von dem wir alle, auch Abischai und Chronos, überhaupt leben und existieren?
Wie können wir von etwas als dem fundamental Bösen reden, wenn Abischai und Chronos genauso reagieren, wie all die bösen "Kapitalisten", genauso handeln, genauso denken? Wie könnt ihr es wagen, mit dem Finger auf andere zu zeigen, während vier Finger auf euch zeigen?
Und wie könnt ihr - implizit oder explizit - einen Kampf gegen das Kapital propagieren, wenn die Alternative Diktatur, Mord, Unterdrückung, Vertreibung und Elend ist, in dem genau das, was ihr austreiben wollt, erst recht regiert. War Stalin, Mao und Honecker nicht Lehre genug?

Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

closs
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#38 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von closs » Mo 19. Jan 2015, 09:28

sven23 hat geschrieben:Es gibt genügend Länder, die beweisen, daß es Alternativen zum Raubtier-Kapitalismus gibt.
Dazu gehört unser Land ja auch dazu - nur: Es ist noch nicht ausgemacht, ob die Staatengemeinschaft die überstaatliche Finanzwelt halbwegs in den Griff bekommt.

Lena
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#39 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von Lena » Mo 19. Jan 2015, 10:27

Der Reiche nimmt sich mehr, als was er zum leben benötigt und das geht auf Kosten seines armen Nächsten.

Die Eltern des kapitalistischen Kindes könnten mehr für den Kaugummi bezahlen. Der Mann in Guatemala riskiert sein Leben um den Rohstoff von den Bäumen zu ernten und bekommt dafür einen Lohn der nur peinlich ist...

Ich schäme mich und leide wegen der Ungerechtigkeit in dieser Welt und weil ich mitschuldig bin, auch dort, wo ich es nicht zu ändern vermag.

Wenn aber jemand dieser Welt Güter hat und sieht seinen Bruder darben und schließt sein Herz vor ihm zu, wie bleibt dann die Liebe Gottes in ihm?
1. Joh. 3,17
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

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Chronos
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#40 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von Chronos » Mo 19. Jan 2015, 10:45

Lena hat geschrieben:Der Reiche nimmt sich mehr, als was er zum leben benötigt und das geht auf Kosten seines armen Nächsten.


Diese Welt ist so, sie war eigentlich noch niemals anders.

Wenn nur noch Scham bleibt, wenn sich das schlechte Gewissen regt, wenn sich der Ekel vor dieser Welt summiert, vielleicht begreift man diese Welt dann als die eigentliche Hölle, für Millionen von Menschen ist es diese Welt sicherlich.
Was bleibt? Man mäandert sich jammervoll um sein kosmisches Selbst, hätschelt dabei fürsorglich seine ausgewachsenen Phobien und am ende ist sowieso alles 42.

Tanzen wir gleich Troubadouren
Zwischen Heiligen und Huren,
Zwischen Gott und Welt den Tanz!
(N.)

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