Paßt der Islam zu Deutschland?

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Halman
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#631 Re: Paßt der Islam zu Deutschland?

Beitrag von Halman » Do 24. Nov 2016, 13:46

Novalis hat geschrieben:Ich kenne selbst eine deutsche Muslima, die Jura studiert hat, die vollkommen integriert ist (immerhin soweit, dass sie wirklich Goethe und andere Klassiker der Literatur mit Interesse gelesen hat), und nur aufgrund ihres Glaubens und der einfachen Tatsache, dass sie ein Kopftuch trägt, regelmäßig als „Kopftuchschlampe“ bezeichnet wird. Das hindert sie jedoch nicht daran, trotzdem freundlich zu bleiben, weil das ein Bestandteil ihres Glaubens ist. Ein weiteres Prinzip des Koran ist die Glaubens- und Religionsfreiheit:

“Es soll kein Zwang sein im Glauben.“ (2:257)
Abrogiert durch Sure 9.

Novalis hat geschrieben:Betrachte diese Begründung:

“Und bekämpft sie, bis sie euch nicht mehr verfolgen, und die Religion Allahs frei ausgeübt werden kann. Wenn sie aber einlenken, erinnert euch, dass keine Feindschaft erlaubt ist, außer gegen die Angreifenden.“ ( Al-Baqarah, Sure 2, Vers 194)


Der Islam ist tatsächlich keine pazifistische Religion, in dem Sinne, dass Gewalt nicht vollkommen abgelehnt wird. Nach islamischer Lehre gibt es tasächlich ein natürliches Recht auf Selbstverteidigung, welches mit der Vernunft vereinbar und an klare Grenzen gebunden ist.
Du missverstehst die späte medinensische Phase.

„Kein Zwang im Glauben".
Ein Vers aus der Sure 2 des Korans, der von liberalen und Euromuslime als eine Perle islamischer Toleranz angesehen und sehr gern angeführt wird, um die Vorwürfe über einen intoleranten und diskriminierenden Islam abzuwehren.
Darf man aufgrund dieser einzigen Steller aus dem Koran den Schluss ziehen, der Islam gewähre den Menschen Selbstbestimmungsrecht und Religionsfreiheit?
Wenn es keinen Zwang im Glauben gäbe, wieso verfolgt man die Abtrünnigen und fordert ihren Tod?
Die allgemeine islamische Rechtsauffassung aller islamischen Rechtsschulen, und nicht nur die Fundamentalistische Variante wohl bemerkt, bestätigt, dass Muslime nicht die Freiheit besitzen, den Islam zu verlassen... wer dies tut, wird hingerichtet.
Diese Rechtsauffassung gründet sich auf Koran und Hadith des Propheten Mohammad:
Sure 9.74 „...Wenn sie sich nun bekehren, ist es besser für sie. Wenn sie sich aber abwenden, wird Allah ihnen im Diesseits und Jenseits eine schmerzhafte Strafe zukommen lassen...".
Sure 4.89 „... Und wenn sie sich abwenden, dann greift sie und tötet sie, wo ihr sie findet ...".
„Wer seine Religion wechselt, den tötet ihr".
Iben Majha 2535, Al-Bukhari (6922)
Es sind Interne Maßnahmen zur Bewahrung der islamischen Umma vor dem Zerfall, Sagen Islamgelehrten. „Kein Zwang im Glauben" beziehe sich nur auf Andersgläubigen, denn sie dürfen nicht zur Annahme des Islams gezwungen werden.
Diese Interpretation beruht sich ebenso wenig auf Wissenschaftsmethode der Koranauslegung,...
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Novas
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#632 Re: Paßt der Islam zu Deutschland?

Beitrag von Novas » Do 24. Nov 2016, 14:20

Halman hat geschrieben:
“Es soll kein Zwang sein im Glauben.“ (2:257)
Abrogiert durch Sure 9.

Es gibt die Doktrin der Abrogation (nasikh wa mansukh), doch das Abrogationsprinzip wird nicht von allen Muslimen akzeptiert. Wenn der Koran die Menschen auffordert ihren Verstand selbstständig zu gebrauchen, dann sollten wir das hier tun. Mein Verstand sagt mir, dass der Koran (wie auch die Bibel und jede andere Heilige Schrift) in seiner Ganzheit gelesen werden muss und nur so verstanden werden kann: das heißt, es gibt keine abrogierte Version und alle Verse des Korans besitzen Gültigkeit und beziehen sich aufeinander, so wie sich die Teile einer Komposition aufeinander beziehen.

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Zeus
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#633 Re: Paßt der Islam zu Deutschland?

Beitrag von Zeus » Do 24. Nov 2016, 14:24

Azathoth hat geschrieben:Der Islam ist keine friedliche Religion. Friedlich können einzelne Moslems sein, die davon unabhängig an den Islam glauben aber nichts davon praktizieren und von Gewalt abstand nehmen. Mit dem eigentlichen (= ursprünglichen, von Mohammed ins Leben gerufene) Islam hat das dann aber nichts mehr zu tun. Rosinenpickerei ist das.
Novalis hat geschrieben:Alle diese Prinzipien werden von religiösen Extremisten und Terroristen verneint
Azathoth hat geschrieben:So wird da aber doch kein Schuh draus. Im Gegenteil werden von dir (und anderen) die extremistischen Prinzipien von Koran und Mohammed verneint und übergangen während man sich auf die paar friedfertigen Suren beruft, die es im Koran von Mohammed nur aus einer kurzen Zeitspanne gibt.
Es ist wichtig zu wissen, dass die paar friedfertigen Suren aus einer älteren Zeit stammen. Die gewalttätigen Suren sind die zuletzt offenbarten.
"Im Islam gibt es das sogenannte Abrogations-Prinzip. Diese Doktrin sieht die Aufhebung einer Anweisung im Koran durch eine zeitliche Nachfolge vor. Das heißt, wenn sich zwei Koranstellen widersprechen, dann ist diejenige gültig, die zuletzt offenbart wurde.
Das ist historisch auch ganz einfach zu erklären. Am Anfang seines Wirkens glaubte Mohammed noch, dass Juden und Christen ihn als Prophet annehmen würden. Das haben sie aber nicht getan. Und daraufhin wandte Mohammed Gewalt an. Mohammed war am Anfang einfach nicht stark genug, um seine Ziele militärisch durchzusetzen. Er konnte seinen Dschihad erst leben, als er Macht hatte. Und dann folgten auch die gewalttätigen Suren.
Das heißt, dass in der islamischen Theologie gewaltpropagierende Stellen des Korans mehr Gewicht haben als friedfertige."
mehr
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

Azathoth
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#634 Re: Paßt der Islam zu Deutschland?

Beitrag von Azathoth » Do 24. Nov 2016, 14:29

Novalis hat geschrieben:Es gibt die Doktrin der Abrogation
Sie ist ein umfangreicher Teil des Korans. Davon kannst du aber natürlich nichts wissen, übergehst du nämlich die größten Teile des Korans.
:lol:

Novalis hat geschrieben:doch das Abrogationsprinzip wird nicht von allen Muslimen akzeptiert.
Von manchen rechtsradikalen wird auch der Holocaust nicht akzeptiert.
Es ändert ja nichts.

Novalis hat geschrieben:Mein Verstand sagt mir, dass der Koran in seiner Ganzheit gelesen werden muss
Nur: Du tust es nicht.

ThomasM
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#635 Re: Paßt der Islam zu Deutschland?

Beitrag von ThomasM » Do 24. Nov 2016, 14:32

Der Islamkritiker Hamed Abdel-Samad bringt es auf den Punkt (der Artikel ist kostenpflichtig, aber die Einleitung bringt es auf den Punkt)
http://www.spiegel.de/panorama/gesellsc ... 16451.html
Der Koran ist wie ein großer Supermarkt.

Es ist das Grundproblem aller Schriftreligionen.
Texte können je nach Leser und Kontext unterschiedlich gelesen werden. Das gilt nicht nur für die Bibel, das gilt auch für den Koran.
Für den Koran ist das ein besonders großes Problem, denn der wurde ja angeblich von Gott diktiert, während man bei der Bibel weiß, dass sie von Menschen geschrieben wurden.

Auch aus aus dem Koran liest jeder das heraus, was er gerne herauslesen möchte.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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#636 Re: Paßt der Islam zu Deutschland?

Beitrag von Azathoth » Do 24. Nov 2016, 14:35

ThomasM hat geschrieben:Auch aus aus dem Koran liest jeder das heraus, was er gerne herauslesen möchte.
Nur können die einen sich auf den Gründer des Islams und Verfasser des Korans berufen. Und die anderen eben nicht.

Novas
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#637 Re: Paßt der Islam zu Deutschland?

Beitrag von Novas » Do 24. Nov 2016, 14:36

ThomasM hat geschrieben:Der Koran ist wie ein großer Supermarkt

Genau auf dem Niveau liest Richard Dawkins die Bibel, er behandelt sie wie einen Supermarkt. Ist die Bibel ebenfalls ein Supermarkt, in deinen Augen? Der Koran ist eine Heilige Schrift und sollte so gelesen werden. Mit einer gewissen Achtung. Was Du daraus gewinnst, hängt von der Tiefe deines eigenen Lesens ab.

Der Islamkritiker Hamed Abdel-Samad bringt es auf den Punkt (der Artikel ist kostenpflichtig, aber die Einleitung bringt es auf den Punkt)

Mit Sicherheit ist eine kritische Betrachtung des Islam wichtig. Ich wünsche mir mehr davon aus den Reihen der Muslime.
Zuletzt geändert von Novas am Do 24. Nov 2016, 14:57, insgesamt 1-mal geändert.

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#638 Re: Paßt der Islam zu Deutschland?

Beitrag von Halman » Do 24. Nov 2016, 14:56

Novalis hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:Der Koran ist wie ein großer Supermarkt

Genau auf dem Niveau liest Richard Dawkins die Bibel, er behandelt sie wie einen Supermarkt. Ist die Bibel ebenfalls ein Supermarkt, in deinen Augen? Der Koran ist eine Heilige Schrift und sollte so gelesen werden. Mit einer gewissen Achtung. Was Du daraus gewinnst, hängt von der Tiefe deines eigenen Lesens ab.
Wenn es nur darum ginge, dass wir uns auf eine gemäßigte Interpretation des Korans einigen, hätten wir kein Problem. Aber nicht wir, nicht unsere Islamwissenschaftler, nicht Markus Lanz, sondern die Koranschulen, die Mullahs und Imane und die Rechtsschulen legen die gültige[n] Interpretation[en] des Islam fest. Dies können wir nicht wegquatschen. Daher hat Azathoth leider recht.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#639 Re: Paßt der Islam zu Deutschland?

Beitrag von ThomasM » Do 24. Nov 2016, 15:14

Azathoth hat geschrieben: Nur können die einen sich auf den Gründer des Islams und Verfasser des Korans berufen. Und die anderen eben nicht.
Da irrst du. Alle können das. Auch und insbesondere die, die sich inhaltlich und logisch widersprechen.
Denn egal, wen du mit dem Verfasser meinst - Mohamed oder Gott - befragen lassen sich beide nicht.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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#640 Re: Paßt der Islam zu Deutschland?

Beitrag von ThomasM » Do 24. Nov 2016, 15:21

Novalis hat geschrieben: Genau auf dem Niveau liest Richard Dawkins die Bibel, er behandelt sie wie einen Supermarkt. Ist die Bibel ebenfalls ein Supermarkt, in deinen Augen? Der Koran ist eine Heilige Schrift und sollte so gelesen werden. Mit einer gewissen Achtung. Was Du daraus gewinnst, hängt von der Tiefe deines eigenen Lesens ab.
Texte werden von dem Leser gelesen - und zwar egal, was der Verfasser wollte, was gelesen werden soll.

So geht Dawkins selbstverständlich mit seinem atheistischen Glauben an das Lesen der Bibel.
Ich ebenso selbstverständlich mit meinem wissenschaftlich gebildeten und glaubenden Rationalismus
Und du selbstverständlich mit deiner Faszination von östlichem Gedankengut.

Und jeder liest das in die Texte, was er hineinlesen will.

Im Islam ist das genauso. Es wird nur - im Gegensatz zum heutigen Christentum - immer noch gewalttätig auf abweichende Lesarten reagiert. Das hat aber sozial/gesellschaftliche Gründe, die nichts mit dem Koran zu tun haben. Das Stichwort ist hier "Abwehr des Kulturimperialismus".

Aber auch im Islam bestimmt jede Gruppe, seien es die Extremisten des IS oder die gemäßigten Moslems in Deutschland, die Inhalte, die sie aus den Texten herauslesen.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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