Warum kann man aus einer falschen Aussage alles mögliche ableiten?

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Thaddäus
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#21 Re: Warum kann man aus einer falschen Aussage alles mögliche ableiten?

Beitrag von Thaddäus » Sa 22. Jun 2019, 14:39

closs hat geschrieben:
Sa 22. Jun 2019, 11:13
Dann ist aber "WENN" nicht konditional gemeint im Sinne von "Falls morgens die Sonne aufgeht, dann befindet sich der Eiffelturm in Paris"
Korrekt.
der Sonnenaufgang ist also keine notwendige Bedingung - richtig?
Richtig.
Hieße dies nicht, dass die Wahrheitstabelle koinzidental und nicht konditional definiert ist? Ist es so gemeint?
Eine Wahrheitswerttabelle ist weder koinzidental, noch konditional definiert, sondern SO.
Wiki hat geschrieben:Die Wahrheitstabelle zeigt für alle möglichen Zuordnungen von endlich vielen (häufig zwei) Wahrheitswerten zu den aussagenlogisch nicht weiter zerlegbaren Teilaussagen, aus denen die Gesamtaussage zusammengesetzt ist, welchen Wahrheitswert die Gesamtaussage unter der jeweiligen Zuordnung annimmt.
Von einer Koinzidenz spricht man, wenn man einen kausalen Zusammenhang vermutet, für den es aber keinen Beweis gibt. Die Vermutung einer Koinzidenz führt oft zu dem bekannten Fehlschluss cum hoc, ergo propter hoc (Mit diesem, also wegen diesem). Nur, weil ein Ereignis B zeitlich parallel zu einem Ereignis A eintritt, wird auch ein kausaler Zusammenhang vermutet. Z.B. das Erscheinen eines Kometen am Firmament mit dem Ausbrechen eines Vulkans (oder der Geburt des Messias usw.)

Das Ganze gibt es auch als post hoc, ergo propter hoc (Nach diesem, also wegen diesem)
Z.B. das gute Abschneiden in einer Prüfung am Nachmittag (B), nachdem der Gebetskreis am Vormittag für ein gutes Abschneiden gebetet hat (A).

JackSparrow hat geschrieben:
Sa 22. Jun 2019, 12:41
Zu unterscheiden ist "immer dann, wenn" (A => B) und "genau dann, wenn" (A <=> B).

Befindet sich der Turm immer dann in Paris, wenn die Sonne aufgegangen ist, ist zwar der Sonnenaufgang hinreichend, um die Lokalisation des Turms zu bestimmen, aber aus der Lokalisation des Turm folgt nicht notwendig, dass auch ein Sonnenaufgang stattgefunden hat.
Genau so ist es.

AlTheKingBundy hat geschrieben:
Sa 22. Jun 2019, 12:45
Das verstehen die wenigsten, dass aus A => B NICHT zwangsläufig folgt, dass gilt: B => A
Das ist ebenfalls richtig: Wenn es regnet (A), ist die Straße nass (B).Hieraus darf aber nicht geschlossen werden dass, wenn die Straße nass ist (B), es zwingend geregnet haben muss (A). Denn die Straße kann auch nass sein, weil sie von einem Reinigungswagen nass gespritzt wurde o.ä.

closs
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#22 Re: Warum kann man aus einer falschen Aussage alles mögliche ableiten?

Beitrag von closs » Sa 22. Jun 2019, 14:52

Thaddäus hat geschrieben:
Sa 22. Jun 2019, 14:39
Von einer Koinzidenz spricht man, wenn man einen kausalen Zusammenhang vermutet, für den es aber keinen Beweis gibt. Die Vermutung einer Koinzidenz führt oft zu dem bekannten Fehlschluss cum hoc, ergo propter hoc (Mit diesem, also wegen diesem).
Ja - aber zunächst steht das Phänomenische im Vordergrund ("Da fällt etwas deckungsgleich zusammen") - das "cum hoc, ergo propter hoc" ist dann typisch Mensch.

Wird die Wahrheitstafel eigentlich als "Gesetz" gehandelt? Ich frage deshalb, weil der Fall 2 (w f f) in der Romantik durchaus vorkommt: Der Mensch ist wahrheits-strebend auf der Suche und scheitert DESHALB. - Würde man diese Konstellation als "So ist das Leben - es ist wahr" bezeichnen, würde man "w f w" sagen müssen - oder ist es falsch, im Kontext "Wahrheitstabelle" so zu denken?

JackSparrow
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#23 Re: Warum kann man aus einer falschen Aussage alles mögliche ableiten?

Beitrag von JackSparrow » Sa 22. Jun 2019, 14:57

closs hat geschrieben:
Sa 22. Jun 2019, 14:37
Wir sitzen also in Paris und sehen am Erscheinen des Turms ("plopp"), dass am hier zugrundliegenden Ort die Sonne aufgegangen ist - richtig?`- A <=> B wäre also so etwas wie ein if-Abfrage, oder?
A <=> B bedeutet, dass entweder Turm und Sonnenaufgang gemeinsam auftreten oder dass keins von beiden auftritt:
(A & B) v (¬A & ¬B)

closs
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#24 Re: Warum kann man aus einer falschen Aussage alles mögliche ableiten?

Beitrag von closs » Sa 22. Jun 2019, 15:04

JackSparrow hat geschrieben:
Sa 22. Jun 2019, 14:57
A <=> B bedeutet, dass entweder Turm und Sonnenaufgang gemeinsam auftreten oder dass keins von beiden auftritt:
(A & B) v (¬A & ¬B)
Das passt.

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Thaddäus
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#25 Re: Warum kann man aus einer falschen Aussage alles mögliche ableiten?

Beitrag von Thaddäus » Sa 22. Jun 2019, 15:13

closs hat geschrieben:
Sa 22. Jun 2019, 14:52
Ja - aber zunächst steht das Phänomenische im Vordergrund ("Da fällt etwas deckungsgleich zusammen")
Was ist "das Phänomenische"? Du meinst zwei Ereignisse treten gleichzeitig auf. Das ist korrekt. Und manche ziehen dann den bekannten Fehlschluss eines kausalen Zusammenhangs zwischen den beiden Ereignissen, wo in Wahrheit nur der Zufall gleichzeitigen Eintretens besteht.

closs hat geschrieben:
Sa 22. Jun 2019, 14:52
Wird die Wahrheitstafel eigentlich als "Gesetz" gehandelt?
Die logischen Grundoperationen stellen die Basis der Logik dar. Auf diesen Operationen baut alles auf. Logik kommt im Alltag ständig vor, weshalb es erstaunlich ist, dass so viele Schwierigkeiten mit ihr haben. Kleines Beispiel: neulich hielt ich mich auf meinem Rad sitzend an an einer Kreuzung bei rot an der Radfahrerampel fest, um nicht absteigen zu müssen. Dabei verdeckte ich mit meiner Hand das Grünsignal für die Radfahrer. Oben leuchtete das Radsignal rot, dann folgte gelb und ganz unten, verdeckt von meiner Hand war das grüne Fahrradsymbol.
Ein älterer Herr hinter mir rief mir zu, er könne nicht sehen, wann es grün wird, wenn ich meine Hand darüber hielte. Ich lachte sehr herzlich, dreht mich um sagte zu dem Herrn: "Doch, das können sie!" Ich vergaß leider hinzuzufügen: "Wegen der Logik!"

closs hat geschrieben:
Sa 22. Jun 2019, 14:52
Ich frage deshalb, weil der Fall 2 (w f f) in der Romantik durchaus vorkommt: Der Mensch ist wahrheits-strebend auf der Suche und scheitert DESHALB. - Würde man diese Konstellation als "So ist das Leben - es ist wahr" bezeichnen, würde man "w f w" sagen müssen - oder ist es falsch, im Kontext "Wahrheitstabelle" so zu denken?
Ja, es ist falsch im Kontext "Wahrheitstabelle" so zu denken. Solche komplexen Zusammenhänge, wie du sie hier ausdrücken möchtest, können durch einfache Implikation nicht wiedergegeben werden.

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#26 Re: Warum kann man aus einer falschen Aussage alles mögliche ableiten?

Beitrag von closs » Sa 22. Jun 2019, 20:15

Thaddäus hat geschrieben:
Sa 22. Jun 2019, 15:13
Ja, es ist falsch im Kontext "Wahrheitstabelle" so zu denken. Solche komplexen Zusammenhänge, wie du sie hier ausdrücken möchtest, können durch einfache Implikation nicht wiedergegeben werden.
In welchem semantischen Feld kann die Wahrheitstabelle eine Rolle finden, wenn sie solche komplexen Zusammenhänge nicht wiedergeben kann? - Geht es nur um Grundmuster für Wissenschaft?

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#27 Re: Warum kann man aus einer falschen Aussage alles mögliche ableiten?

Beitrag von JackSparrow » Sa 22. Jun 2019, 20:21

closs hat geschrieben:
Sa 22. Jun 2019, 14:52
Der Mensch ist wahrheits-strebend auf der Suche und scheitert DESHALB.
A: der Mensch ist auf der Suche
B: der Mensch scheitert

Der Mensch scheitert NUR, wenn er auf der Suche ist: A <=> B
Der Mensch scheitert AUCH, wenn er auf der Suche ist: A => B
Der Mensch scheitert MANCHMAL, wenn er auf der Suche ist: A => B v ¬B
Der Mensch scheitert, WEIL er auf der Suche ist: B => A

closs
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#28 Re: Warum kann man aus einer falschen Aussage alles mögliche ableiten?

Beitrag von closs » Sa 22. Jun 2019, 21:00

JackSparrow hat geschrieben:
Sa 22. Jun 2019, 20:21
Der Mensch scheitert, WEIL er auf der Suche ist: B => A
Moment: Ist das nicht B <=> A? (Das "weil" ist doch eine notwendige Bedingung, oder nicht?)

Ich versuche mich jetzt mal selber zu falsifizieren:
Da der Mensch auch dann scheitern kann, wenn er NICHT auf der Suche ist, ist B => A richtig - richtig?

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Thaddäus
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#29 Re: Warum kann man aus einer falschen Aussage alles mögliche ableiten?

Beitrag von Thaddäus » Sa 22. Jun 2019, 21:47

closs hat geschrieben:
Sa 22. Jun 2019, 20:15
In welchem semantischen Feld kann die Wahrheitstabelle eine Rolle finden, wenn sie solche komplexen Zusammenhänge nicht wiedergeben kann? - Geht es nur um Grundmuster für Wissenschaft?
Nein, es geht um die Grundmuster dafür, wann wir es überhaupt mit wahren Aussagen zu tun haben. Die logischen Operationen zeigen die Regeln dafür auf, in welchem Falle Aussagen wahr sind.
Wenn die Zusammenhänge von Gedanken zu komplex sind - wie der romantische Gedanke, dass das Leben der Maßstab von Wahrheit ist, weshalb auch aus etwas Falschem etwas Wahres folgen kann - dann muss diese komplexe These in präziser definierte Einzelthesen aufgedröselt werden, deren Wahrheit oder Falschheit leichter festzustellen ist und dann der Gesamtaufbau betrachtet werden.

Aber du willst eigentlich etwas Anderes ausdrücken. Du willst ausdrücken, dass nicht jedes Problem mit logischen Mitteln zu klären ist. Das ist auch korrekt. Es gibt sogar logische bzw. mathematische Probleme, die mit logischen Mitteln nicht geklärt werden können.
Das hat der größte Logiker des 20. Jahrhunderts bewiesen: Kurt Gödel. Kurt Gödel hat - mit formal-logischen Mitteln! - nachgewiesen, dass nicht einmal jedes formal-logische Problem mit formal-logischen Mitteln gelöst werden kann.

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#30 Re: Warum kann man aus einer falschen Aussage alles mögliche ableiten?

Beitrag von closs » Sa 22. Jun 2019, 22:39

Thaddäus hat geschrieben:
Sa 22. Jun 2019, 21:47
Kurt Gödel hat - mit formal-logischen Mitteln! - nachgewiesen, dass nicht einmal jedes formal-logische Problem mit formal-logischen Mitteln gelöst werden kann.
Das erinnert mich instinktiv an die Aussage eines Chaos-Theoretikers, dass Mathematik am Rande ihres Systems nicht mehr Mathematik sei.

Thaddäus hat geschrieben:
Sa 22. Jun 2019, 21:47
Wenn die Zusammenhänge von Gedanken zu komplex sind - wie der romantische Gedanke, dass das Leben der Maßstab von Wahrheit ist, weshalb auch aus etwas Falschem etwas Wahres folgen kann - dann muss diese komplexe These in präziser definierte Einzelthesen aufgedröselt werden, deren Wahrheit oder Falschheit leichter festzustellen ist und dann der Gesamtaufbau betrachtet werden.
Tja - das führt letztlich zur Frage, ob "Wahrheit" definiert ist als Summe von Wahrheits-Puzzle-Teilchen ("100.000 nach der Wahrheitstabelle wahre Puzzle-Teilchen = 'große' Wahrheit"), oder ob ('große') Wahrheit überhaupt puzzle-bar ist. - Instinktiv glaube, dass Wahrheit NICHT puzzle-bar ist.

Etwas konkreter:
Ich war mal mykologisch interessiert und habe bei dieser Gelegenheit rund 75 selbst gesammelte Pilz-Sorten gegessen und überlebt. ;) . - Mir ist dabei etwas aufgefallen: Man erkennt einen Pilz an seinem "Habitus" alias "Gesamterscheinung". --- Zumindestens konnte ich nie einen Pilz wissenschaftlich befriedigend gut beschreiben, aber ich wusste, welchen Pilz ich vor mir hatte.

Nein - das hat nichts mit "spirituell" zu tun, sondern mit ganzheitlicher Wahrnehmung, der man möglicherweise - jetzt sind wir wieder beim Thema - nicht per Wahrnehmung einzelner Puzzle-Teile hinreichend gerecht werden kann. Aber wie das geht, weiß ich nicht - aber es geht.

Beispiele:
1) Eine essbarer Trichterling neben einem giftigen Trichterling - beide sehen für meine Begleiter farblich gleich aus (nebelgrau mit aufhellendem Hutrand) - aber ich "sehe" sofort, dass da was nicht stimmt, kann es aber nicht erklären.
2) Man stößt aus Faulheit einen Pilz mit dem Fuß an (dann muss man sich nicht bücken) und er schwingt "so" - der nächste von oben gleichfarbig erscheinende Pilz schwingt genauso weit aus, aber "anders". - Man geht gleich weiter - ist ja ein anderer.
3) etc. - Da würde mir noch viel einfallen.

Also: Führen 100.oo0 "präzise definierte Einzelthesen", die wahr nach der Wahrheitstabelle sind, zu einem wahren Gesamten? - Kann man sagen: "Weil 75% der 100.000 Einzelthesen wahr sind, besteht eine Wahrscheinlichkeit, dass das Ganze daraus zu 75% wahr ist? (Ich befürchte, dass es manchmal so läuft)

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