Anti-Wissenschaft

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ThomasM
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#11 Re: Anti-Wissenschaft

Beitrag von ThomasM » Do 20. Dez 2018, 11:56

Pluto hat geschrieben:
Do 20. Dez 2018, 10:42
Der Anthropologe und Psychologe Prof. Manfred Spitzer schrieb vor einigen Jahre folgendes:
Wissenschaft ist das Beste, was wir haben! Sie ist die gemeinschaftliche Suche nach wahren, verlässlichen Erkenntnissen über die Welt einschließlich unserer selbst. Wer in die Apotheke geht und eine Kopfschmerztablette kauft, ein Auto oder Flugzeug besteigt, den Herd oder auch nur das Licht einschaltet (von Fernseher oder Computer gar nicht zu reden!), der hat im Grunde jedes Mal schon unterschrieben, wie sehr er sich auf die Erkenntnisse der Wissenschaft verlassen kann und auch tatsächlich verlässt. Wer die Verlässlichkeit der Ergebnisse von Wissenschaft in Bausch und Bogen einfach ablehnt, der weiß entweder nicht, was er sagt, oder sagt bewusst die Unwahrheit.
Das Problem gilt nicht nur für die Wissenschaft, sie gilt für alle Errungenschaften der Aufklärung, insbesondere auch die der Freiheit.

Deutschland ist auf dem Weg in die Unfreiheit. Das sieht man an (mindestens) zwei Phänomenen.

- Der Versuch von Merz, Parteivorsitzender der CDU zu werden, ist gescheitert. Merz steht für das alte Denken der Ära Kohl, in dem man der Meinung war, dass jeder selbst für sein Glück oder auch Unglück verantwortlich ist und dass die eigene Leistung die Zukunft bestimmt. Diese Meinung hat keine Mehrheit mehr, stattdessen soll der Staat alles bestimmen und alles Unglück ausgleichen. Die Menschen sind nur noch Empfänger staatlicher Wohltaten, wofür dann auch alle bezahlen müssen.

- Wer eine konservative Meinung vertritt und gar die AfD gut findet, muss heutzutage sehr leise sein und darf nicht auffallen. Sonst verliert er seine Arbeitsstelle, seine Kinder dürfen nicht auf private Schulen gehen, die Menschen, mit denen sie umgehen werden bedroht oder deren Eigentum zerstört. Bisher sind das nur Einzelfälle, aber ein öffentlicher Aufschrei unterbleibt, denn es leiden hier ja Nazis, das kann man akzeptieren.

Wissenschaft ist in dieser schönen neuen Welt nur ein Gehilfe der Politik. Solange die Ergebnisse der Wissenschaft die vorherrschende Meinung bestätigt, ist sie gut. Sollte sie aber konservative Meinungen stützen, dann ist sie böse und die Wissenschaftler sind zu verfolgen und zum Schweigen zu bringen.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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AlTheKingBundy
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#12 Re: Anti-Wissenschaft

Beitrag von AlTheKingBundy » Do 20. Dez 2018, 16:14

Pluto hat geschrieben:
Mi 19. Dez 2018, 10:19
Vor rund 500 Jahren, setzte die Aufklärung ein, eine Weltanschauung basierend auf Sketizisus, Objektivität und Vernunft. Die Technologie die Jahrhunderte später aus dieser Aufklärung hervorging, beschert uns heute das Internet, smartphones und soziale Medien, die es Einigen gestattet, mit eben dieser Technologie, bizarre antwissenschaftliche Thesen aufzustellen.

Verkörpert dieser Trend zur Anti-Wissenschaft einen Angriff auf unsere innersten werte wie z.B. die Demokratie?

Naja, in einer wirklichen Demokratie haben Menschen noch nie gelebt ebenso nicht im Kommunismus. Wissenschaft ist für die meisten Menschen zu komplex (obwohl ich das anders sehe), deswegen grefien sie zu einfacheren, primitiven Mitteln. Das Prinzip: wenn nur genügend Leute laut genug brüllen, wirds schon stimmen, ist da viel einfacher umzusetzen. Man muss nur zum Handy greifen und Blödsinn posten oder den Daumen hoch machen und nicht einmal mehr zum Marktplatz wandern, um dort seine Thesen kund zu tun (was die meisten auch nicht mehr könnten bei den verstümmelten kommunikativen Fähigkeiten). Kein Wunder also dass schwachsinnige VT Hochkonjunktur haben.
Beste Grüße, Al

Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.
(Albert Einstein, 1879-1955)

kolibri
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#13 Re: Anti-Wissenschaft

Beitrag von kolibri » Fr 19. Apr 2019, 23:00

jose77 hat geschrieben:
Mi 19. Dez 2018, 10:37
Wieso. Die Pendel gehen mal nach links, mal nach rechts.
Die Wissenschaft attackiert die Religion. Die Religion attackiert die Wissenschaft.

Ich habe nichts gegen Wissenschaft. Bringt sie uns doch auch vorwärts.

Es ist auch Wissenschaft sie anzuzweifeln sie zu hinterfragen, Wissenschaft ist Datenerfassung , wie man sie nun darlegt oder verkauft eine andere

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lovetrail
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#14 Re: Anti-Wissenschaft

Beitrag von lovetrail » Fr 19. Apr 2019, 23:05

ThomasM hat geschrieben:
Do 20. Dez 2018, 11:56

Das Problem gilt nicht nur für die Wissenschaft, sie gilt für alle Errungenschaften der Aufklärung, insbesondere auch die der Freiheit.

Deutschland ist auf dem Weg in die Unfreiheit. Das sieht man an (mindestens) zwei Phänomenen.

- Der Versuch von Merz, Parteivorsitzender der CDU zu werden, ist gescheitert. Merz steht für das alte Denken der Ära Kohl, in dem man der Meinung war, dass jeder selbst für sein Glück oder auch Unglück verantwortlich ist und dass die eigene Leistung die Zukunft bestimmt. Diese Meinung hat keine Mehrheit mehr, stattdessen soll der Staat alles bestimmen und alles Unglück ausgleichen. Die Menschen sind nur noch Empfänger staatlicher Wohltaten, wofür dann auch alle bezahlen müssen.

- Wer eine konservative Meinung vertritt und gar die AfD gut findet, muss heutzutage sehr leise sein und darf nicht auffallen. Sonst verliert er seine Arbeitsstelle, seine Kinder dürfen nicht auf private Schulen gehen, die Menschen, mit denen sie umgehen werden bedroht oder deren Eigentum zerstört. Bisher sind das nur Einzelfälle, aber ein öffentlicher Aufschrei unterbleibt, denn es leiden hier ja Nazis, das kann man akzeptieren.

Wissenschaft ist in dieser schönen neuen Welt nur ein Gehilfe der Politik. Solange die Ergebnisse der Wissenschaft die vorherrschende Meinung bestätigt, ist sie gut. Sollte sie aber konservative Meinungen stützen, dann ist sie böse und die Wissenschaftler sind zu verfolgen und zum Schweigen zu bringen.
Ist das derselbe Thomas der mich immer von der superliberalen Seite herkommend attackiert? ich bin verwirrt.
Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, so wird Christus dich erleuchten!

Claymore
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#15 Re: Anti-Wissenschaft

Beitrag von Claymore » Sa 20. Apr 2019, 13:20

Pluto hat geschrieben:
Mi 19. Dez 2018, 10:19
Vor rund 500 Jahren, setzte die Aufklärung ein, eine Weltanschauung basierend auf Sketizisus, Objektivität und Vernunft. Die Technologie die Jahrhunderte später aus dieser Aufklärung hervorging, beschert uns heute das Internet, smartphones und soziale Medien, die es Einigen gestattet, mit eben dieser Technologie, bizarre antwissenschaftliche Thesen aufzustellen.

Verkörpert dieser Trend zur Anti-Wissenschaft einen Angriff auf unsere innersten Werte wie z.B. die Demokratie?
Sehr verspätet antworte ich jetzt auch mal darauf.

Diese “Anti-Wissenschaft” bezieht sich in 90% der Fälle auf bestimmte, einzelne Ergebnisse, wo es wissenschaftlichen Konsens gibt. Mit
  1. Klimaskeptizismus
  2. Kreationismus
  3. Schädlichkeit von Gen-Food
  4. Impfgegnertum
  5. Homöopathie
hat man da das meiste abgedeckt. Der Rest sind kuriose Nischenphänomene ohne politische Organisation (dagegen sind c und e bspsws. bei den Grünen akzeptiert, a bei der AfD) und ohne Mainstream-Appeal. Insbesondere ist es extrem selten, dass jemand “die Verlässlichkeit der Ergebnisse von Wissenschaft in Bausch und Bogen einfach ablehnt” (Manfred Spitzer).

Man kann einen bedeutenden Unterschied zwischen den Punkten a bis e und den wissenschaftlichen Disziplinen, von denen die meiste unserer Technologie abhängt, erkennen. Punkte a bis e sind wissenschaftliche Ergebnisse, die sich nicht durch Experimente im engeren Sinn verifizieren lassen, sondern z. B. nur durch Studien; im Falle a und b kann man sie in der Gegenwart sogar kaum irgendwie direkt empirisch belegen (Punkt a: die bereits beobachtbare Erderwärmung ist nicht drastisch genug) stattdessen wird der entscheidende, letzte Schritt hier durch komplexe Schlussfolgerungen gezogen.

Von daher ist der “Anti-Wissenschaftler” nicht inkonsistent. Dagegen gilt: das Smartphone funktioniert, die Lampe brennt, das Auto fährt, die Straßenbahn setzt sich in Bewegung, das Flugzeug fliegt, etc. – auch der völlige Laie sieht hier durch sehr konkrete Vorführung ein, dass die wissenschaftlichen Theorien dahinter wohl irgendwie eine gewisse Korrektheit erreicht haben. Es wäre daher jenseits von gut und böse an der Elektrodynamik, Festkörperphysik oder Aerodynamik fundamental zu zweifeln. Derart verrückte Menschen sind tatsächlich extrem selten.

So paradox finde ich es also nicht, dass einzelne wissenschaftliche Ergebnisse oder Disziplinen deren Korrektheit nicht ohne größere Hürden direkt empirisch einsichtig ist, heftig von Laien kritisiert werden, während sie dabei die Technologie nutzen, die ohne Wissenschaft nicht möglich wäre.

Jerry Coyne, der sich selbst andauernd mit Kreationisten herumschlägt, kritisiert die “etablierte Wissenschaft” namens Psychiatrie. Warum sollte das zu kognitiver Dissonanz führen? Beim auf Facebook vernetzten Impfgegner spielt sich doch das gleiche nur auf deutlich niedrigerem Niveau ab.

Die Unterteilung in “als etablierte Wissenschaft getarnte pathologische Scheinwissenschaft” und “seriöse Wissenschaft” ist schnell gemacht. Ersteres gibt es ja auch definitiv: Wer laienhaft dachte, dass eine Lobotomie (für die immerhin der Nobelpreis verliehen wurde) keine gute Idee oder die Freud’sche Psychoanalyse ziemlicher Unsinn ist, hatte einfach Recht.

Es gibt mMn keine simple Abkürzung um das Problem zu lösen. Es kann keine Lösung sein von den Menschen mehr Autoritätsgläubigkeit gegenüber “der Wissenschaft” zu verlangen. Nicht bloß, weil man das nur schwer bewerkstelligen dürfte, sondern allein schon da nicht klar ist, was denn nun zur Wissenschaft dazugehört. Auch wenn vielleicht “Wenn man keine Ahnung hat: Einfach mal Fresse halten” von Dieter Nuhr ein ganz guter Leitsatz ist, gilt das doch allein wenn man wirklich keine Ahnung hat. Würde man als soziale Norm durchsetzen, dass man sich mit seiner Meinung komplett zurückzuhalten muss, wenn man kein entsprechendes solides Fachwissen besitzt, würde das wiederum dazu führen, dass die allermeisten Menschen (außer der ein oder andere professionelle Häretiker) jede akademisch etablierte und “Wissenschaft” genannte Kuriosität wie z. B. Genderwissenschaften kritiklos hinnehmen müssen.

Es ist verwandt mit dem Problem, das ich in dem Homöopathie-Thread bereits beschrieben habe:
Claymore hat geschrieben:
Sa 30. Mär 2019, 21:56
Für Fragen wie Gott gibt es keine passende Spezialisierung. Oder doch? Wären das dann die Religionsphilosophen? Es ist jedoch klar, dass da eine Selbst-Selektion stattfindet: wer will schon als Atheist Religionsphilosoph werden? Es gibt zwar atheistische Religionsphilosophen – wie der bereits genannte Graham Oppy, aber sie sind doch recht rar.

Und da sind wir wieder bei einem anderen Problem, was das oben gesagte etwas relativiert: nämlich dass es in vereinzelten Fällen diese Selbstselektion und Groupthink bei Spezialisten gibt. Wenn Informatiker eher meinen, dass Linux ein wunderschön-makelloses Betriebssystem ist, oder Kernphysiker eher meinen, dass Kernkraft doch vergleichsweise unproblematisch ist, wie ist dann das zu bewerten?

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sven23
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#16 Re: Anti-Wissenschaft

Beitrag von sven23 » Sa 20. Apr 2019, 13:36

ThomasM hat geschrieben:
Do 20. Dez 2018, 11:56
- Der Versuch von Merz, Parteivorsitzender der CDU zu werden, ist gescheitert. Merz steht für das alte Denken der Ära Kohl, in dem man der Meinung war, dass jeder selbst für sein Glück oder auch Unglück verantwortlich ist und dass die eigene Leistung die Zukunft bestimmt. Diese Meinung hat keine Mehrheit mehr, stattdessen soll der Staat alles bestimmen und alles Unglück ausgleichen. Die Menschen sind nur noch Empfänger staatlicher Wohltaten, wofür dann auch alle bezahlen müssen.
Na ja, nach der Aera Kohl gab es eine neoliberal angehauchte Phase einer rot-günen Regierung, in der Privatisierung und "Liberalisierung" der Märkte, vor allem der Finanzmärkte, das Gebot der Stunde war. In der großen Koalition war es anfangs nicht viel besser. Den Salat haben dann Wirtschaft und Finanzmärkte der Politik vor die Tür gekehrt, sprich für die Repaturschäden war dann der Steuerzahler wieder "zuständig". Ein großer Teil der weltweiten Schulden geht auch auf das Konto der Finanzkrise von 2008.


ThomasM hat geschrieben:
Do 20. Dez 2018, 11:56
Wissenschaft ist in dieser schönen neuen Welt nur ein Gehilfe der Politik. Solange die Ergebnisse der Wissenschaft die vorherrschende Meinung bestätigt, ist sie gut. Sollte sie aber konservative Meinungen stützen, dann ist sie böse und die Wissenschaftler sind zu verfolgen und zum Schweigen zu bringen.
Dass Wissenschaft gerne mal instrumentalisiert wird, liegt auch darin begründet, dass es immer weniger unabhängige Forschung gibt. Und das liegt u.a. auch an der immer weiter fortschreitenden Ökonomisierung aller Lebensbereiche und der Marginalisierung staatlicher Ordnungspolitik.
So langsam könnte ein Umdenkprozess stattfinden, wie gerade durch den Druck auf die Immobilienpreise zu sehen ist.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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