(Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

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closs
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#141 Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von closs » Do 20. Aug 2015, 15:06

Pluto hat geschrieben:Ein Großteil des Fortschritts unserer Zivilisation basiert auf "trial and error".
Da habe ich gar nichts dagegen - meinen Alltag bestreite ich nicht viel anders. - Es bedeutet aber einen Verzicht auf jeglichen Überbau - was ja gar nicht schlimm sein muss. - Im besten Fall landet man dabei beim christlichen "Werdet wie die Kinder".

Savonlinna hat geschrieben:Ideologisch ist, wenn man seine Weltanschauung als allgemein wahr behauptet.
Meine Weltanschauung ist, dass keine Weltanschauung als allgemein wahr behauptet werden kann - deshalb unterschiede ich zwischen "dem, was der Fall ist" und "dem, was man wahrnimmt". - Jetzt sagst Du, die Feststellung, dass keine Weltanschauung als allgemein wahr behauptet werden kann, sei selber Ideologie. - Das macht mich schon etwas ratlos.

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Savonlinna
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#142 Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von Savonlinna » Do 20. Aug 2015, 15:19

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Genau das bemängele ich schon seit Jahren wenn nicht Jahrzehnten an der Theologie.
Man sollte es halt mal doch mit der HKM versuchen... :angel:
Man kann alles Mögliche bemängeln
Natürlich kann man Vieles bemängeln. Aber du weichst aus.
Nein, ich weiche nicht aus. Ich weiche eigentlich nie aus, weil es mir darum geht, so ehrlich und transparent wie möglich meine Sicht zu vermitteln.
Meinst Du im Ernst, ich will DIR ausweichen?
Du hast nur einfach den Zusammenhang zwischen meinen Beispielen nicht verstanden: dass man alles Mögliche bemängeln kann, dessen Existenz an aber nicht ändern kann. Geisteswissenschaften und ihre Methodik gibt es nun einmal.


Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Womit Du dann man eben locker allen heutigen Wissenschaften unterstellst, dass sie nur Strohmann-Argumente haben.
Das halte ich für eine ungerechtfertigte Unterstellung.
Es gibt empirische Wissenschaften, z. Bsp. Chemie, ein Großteil der Physik, Mikrobiologie, pharmazeutische Forschung u.v.m.
Wir sprachen von Geisteswissenschaften.


Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Was ich blau gefärbt habe, steht heute mehr denn je im wissenschaftstheoretischen Disput. "Das erkenntnisleitende Interesse" (Habermas), von dem jeder Deutende geprägt wird, führt zu der Frage, aus welcher Perspektive und welchem (geistigem) Standort die Vergangenheit jeweils betrachtet und gedeutet wird.
Das ist ein pauschalisierendes Scheinargument welches große Teile der historisch arbeitenden Wissenschaft ler verurteilt.
Damit lässt man die Möglichkeit von vornherein nicht zu, dass die die Mehrzahl der Wissenschaftler von intellektueller Integrität geleitet werden.
Wie bitte?
Du unterstellst allen heutigen namhaften Wissenschaftstheoretikern den Mangel an "intellektueller Redilichkeit"?
Mal eben so, ohne es zu belegen?

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Savonlinna
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#143 Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von Savonlinna » Do 20. Aug 2015, 15:21

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ein Großteil des Fortschritts unserer Zivilisation basiert auf "trial and error".
Da habe ich gar nichts dagegen - meinen Alltag bestreite ich nicht viel anders. - Es bedeutet aber einen Verzicht auf jeglichen Überbau - was ja gar nicht schlimm sein muss. - Im besten Fall landet man dabei beim christlichen "Werdet wie die Kinder".

Savonlinna hat geschrieben:Ideologisch ist, wenn man seine Weltanschauung als allgemein wahr behauptet.
Meine Weltanschauung ist, dass keine Weltanschauung als allgemein wahr behauptet werden kann - deshalb unterschiede ich zwischen "dem, was der Fall ist" und "dem, was man wahrnimmt". - Jetzt sagst Du, die Feststellung, dass keine Weltanschauung als allgemein wahr behauptet werden kann, sei selber Ideologie. - Das macht mich schon etwas ratlos.
Das hast Du falsch verstanden, das habe ich nie gesagt.
Aber ich gebe es auf.

Pluto
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#144 Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von Pluto » Do 20. Aug 2015, 15:32

Savonlinna hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Es gibt empirische Wissenschaften, z. Bsp. Chemie, ein Großteil der Physik, Mikrobiologie, pharmazeutische Forschung u.v.m.
Wir sprachen von Geisteswissenschaften.
Nee... nicht das ich wüsste.
Ich halte die Unterteilung in Geistes- und Naturwissenschaften ohnehin für überholt. Viel besser finde ich die Unterteilung in historische und empirische Wissenschaften.
Aber auch das ist das irrelevant, denn die Geisteswissenschaften werden ohnehin mit der Zeit von der Psychologie und/oder der Hirnforschung vereinnahmt. :lol:


Savonlinna hat geschrieben:Wie bitte?
Du unterstellst allen heutigen namhaften Wissenschaftstheoretikern den Mangel an "intellektueller Redilichkeit"?
Mal eben so, ohne es zu belegen?
Du verstehst mich miss. Genau das Gegenteil fordere ich...
Dass man endlich anerkennt, dass die meisten Wissenschaftler ein ganz starkes persönliches Interesse an intellektueller Redlichkeit haben.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#145 Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von Anton B. » Do 20. Aug 2015, 15:59

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Empirie gäbe es nur, wenn man sich in die Zeit beamen lassen könnte, die man behandelt
Das ist ein Strohmann-Argument!

Wäre es richtig, könnte man alle Erkenntnisse über das römische Reich in die Tonne kippen. Dem ist aber (den Archäologen sei Dank) nicht so.
Ganze Wissenschaftszweige arbeiten so: Astronomie, Geologie, Archäologie, Paläontologie, Biologie, Plattentektonik, Radiometrie, u.v.m.
Diese Wissenschaften haben längst Methoden entwickelt, die sehr detaillierte Aussagen über die Vergangenheit ermöglichen.

- Man kann zwar Dinosaurier nicht bei der Nahrungsaufnahme oder Paarung beobachten, aber die Paläontologen konnten sehr viel rekonstruieren und geben uns heute ein sehr detailliertes Bild ihrer Lebensweise wieder.
- Man kann die Geburt eines Sterns nicht direkt beobachten, aber wir wissen hinreichend genau wie es vor sich geht, weil wir mit den zur Verfügung stehenden Instrumenten mehrere Stufen der Sternbildung beobachten können.
Empirie in der Ausprägung "Empirismus" ist eine eigene, positivistische Methode der Erkenntnisgewinnung, die in der Wissenschaftstheorie für "empirische" Wissenschaften heute keine Rolle mehr spielt. Stattdessen wird die "hypothetische-deduktive Methode" (also das Formulieren von Modellen und das Ableiten von falsifizierbaren Beobachtungsvorhersagen) Poppers genutzt.

Und insbesondere können sich diese Beobachtungen auch auf Zeugnisse der Vergangenheit stützen.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#146 Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von closs » Do 20. Aug 2015, 17:56

Savonlinna hat geschrieben:Das hast Du falsch verstanden, das habe ich nie gesagt.
Mein Eindruck ist, dass Du mir eine Art von Ideologie unterstellst, die mir gar nicht liegt. - Richtig ist, dass ich persönlich eine Weltanschauung habe, die man "ideologisch" nennen kann (= festes Weltbild, an das ich aus Gründen a bis z glaube). - Aber meine generelle Aussage ist: Es gibt keine Weltanschauung, die (aus Sicht des Menschen) Anspruch auf universale Wahrheit erheben könnte, sondern lediglich innerhalb ihrer eigenen Prämissen wahr sein kann.

Und da bleibt meine Frage nach wie vor unbeantwortet: Ist diese generelle Aussage eine ideologische Aussage?

Anton B. hat geschrieben:Stattdessen wird die "hypothetische-deduktive Methode" (also das Formulieren von Modellen und das Ableiten von falsifizierbaren Beobachtungsvorhersagen) Poppers genutzt.
Und das ist gut so - was mit dieser Methode greifbar ist, ist dort gut aufgehoben.

Pluto hat geschrieben:Aber auch das ist das irrelevant, denn die Geisteswissenschaften werden ohnehin mit der Zeit von der Psychologie und/oder der Hirnforschung vereinnahmt.
"Vereinnahmt" ist das richtige Wort. - Gut ist, dass die Neurowissenschaften sich damit innerhalb ihres Zugriffs-Bereichs beschäftigen - schlecht wäre, wenn sie setzen würden, dass sie damit prinzipiell das umfassend beschreiben könnten, was man abendländisch "Geist" nennt.

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#147 Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von Naqual » Do 20. Aug 2015, 17:58

Pluto hat geschrieben:Ich halte die Unterteilung in Geistes- und Naturwissenschaften ohnehin für überholt. Viel besser finde ich die Unterteilung in historische und empirische Wissenschaften.
Aber auch das ist das irrelevant, denn die Geisteswissenschaften werden ohnehin mit der Zeit von der Psychologie und/oder der Hirnforschung vereinnahmt. :lol:
Genau genommen sind die Naturwissenschaften eine Unterdisziplin der Philosophie (also einer Geisteswissenschaft) für gegenständliche Forschungsgebiete. Denn die gesamten Grundlagen der Naturwissenschaften gründen zwingend in der Erkenntnistheorie. :devil:

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Savonlinna
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#148 Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von Savonlinna » Do 20. Aug 2015, 18:50

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Das hast Du falsch verstanden, das habe ich nie gesagt.
Mein Eindruck ist, dass Du mir eine Art von Ideologie unterstellst, die mir gar nicht liegt. - Richtig ist, dass ich persönlich eine Weltanschauung habe, die man "ideologisch" nennen kann (= festes Weltbild, an das ich aus Gründen a bis z glaube). - Aber meine generelle Aussage ist: Es gibt keine Weltanschauung, die (aus Sicht des Menschen) Anspruch auf universale Wahrheit erheben könnte, sondern lediglich innerhalb ihrer eigenen Prämissen wahr sein kann.

Und da bleibt meine Frage nach wie vor unbeantwortet: Ist diese generelle Aussage eine ideologische Aussage?
Ja, verflixt noch mal. Das habe ich doch auch heute wieder begründet.

Deine ideologische Klausel habe ich jetzt blau gefärbt.
Meist erklärst Du dann eben immer noch dazu, dass es aus Gottes Sicht anders aussieht.
Damit implantierst Du eine bestimmte Gottesvorstellung, die längst nicht alle Gläubigen haben.
Es ist eine typisch abendländische Gottesvorstellung - wie oft habe ich das schon geschrieben -, mit Rückgriff auf das rationale Mittelalter -die keineswegs allgemeingültig ist.

Du verallgemeinerst sie aber. Du schließt damit per Dekret aus, zum Beispiel, dass Gott so aufgefasst werden kann, dass es ein Etwas ist, das sich durch alle Menschen realisiert. Also etwas, das wächst, langsam entsteht.
Und dann wäre das, was Du per Dekret ausschließen möchtest, dennoch vorhanden: dass jedem Menschen die "göttliche Wahrheit" innewohnt, also erkennbar ist in dem Sinne, dass man davon gelenkt wird.
Damit wäre Deine strikte Trennung - Gott und Mensch - hinfällig. Das, was Du dem Menschen absprechen willst, gehörte dann als Teil zu ihm und müsste nicht "unerkennbar" genannt werden, weil es jede Sekunde vorhanden ist und geschieht.

Du denkst dualistisch - habe ich auch schon oft gesagt -, für Dich sind Mensch und Gott Gegensätze.
Und dieses - im philosophischen Sinne - ist keinesfalls allgemein so. Wahrscheinlich gibt es gar nicht mehr viele, die diese rationale Sicht haben.
Du schließt mit Deiner obigen Definition nicht nur alle Nicht-Gläubigen aus, sondern ganze Horden von Christen und Theologen.

Außerdem greifst Du auf Begriffe zurück - "Wahrheit" -, als ob Weltanschauung etwas damit zu tun hätte.

Im Übrigen halte ich es nach wie vor für möglich, dass Du an Deine Konstrukte selber nicht glaubst, sondern innerlich ganz anders drauf bist.
Dass diese Konstrukte sich "für Dich" ganz anders anhören als für die Außenstehenden, weil Du Dich selber nicht reden hörst.
Zuletzt geändert von Savonlinna am Do 20. Aug 2015, 19:01, insgesamt 1-mal geändert.

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#149 Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von Savonlinna » Do 20. Aug 2015, 18:51

Naqual hat geschrieben: Denn die gesamten Grundlagen der Naturwissenschaften gründen zwingend in der Erkenntnistheorie. :devil:
Genau so formuliert auch die Wissenschaftstheorie.
In der Erkenntnistheorie ist immer das erkennende Subjekt mitzureflektieren, und das gilt auch für die Theorie der Naturwissenschaften.
Darum scheinen Natur- und Geisteswissenschaften sich tatsächlich anzunähern, aber keineswegs durch Vereinleibung der Geisteswissenschaften durch die Naturwissenschaften, sondern auf der Basis der Vernunft und der Erkenntnis mitsamt ihren Inplikationen.

Pluto
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#150 Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von Pluto » Do 20. Aug 2015, 19:15

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Stattdessen wird die "hypothetische-deduktive Methode" (also das Formulieren von Modellen und das Ableiten von falsifizierbaren Beobachtungsvorhersagen) Poppers genutzt.
Und das ist gut so - was mit dieser Methode greifbar ist, ist dort gut aufgehoben.
Allerdings gab es bei Popper keine Ausnahmen in der Wissenschaft. Er empfahl den KR für alle wissenschaftlichen Erkenntnisse.
Meinst du Popper hätte da übertrieben?
Falls ja, warum?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Aber auch das ist das irrelevant, denn die Geisteswissenschaften werden ohnehin mit der Zeit von der Psychologie und/oder der Hirnforschung vereinnahmt.
"Vereinnahmt" ist das richtige Wort. - Gut ist, dass die Neurowissenschaften sich damit innerhalb ihres Zugriffs-Bereichs beschäftigen - schlecht wäre, wenn sie setzen würden, dass sie damit prinzipiell das umfassend beschreiben könnten, was man abendländisch "Geist" nennt.
Noch ist die Hirnforschung noch nicht so weit... aber ich bin überzeugt, dass auch dieser Tag kommen wird, wo die Vertreter des "abendländischen Geistes" sich vor den neurowissenschaftlichen verbeugen werden, und zugeben werden, dass sie im Unrecht waren.

Die Hinweise sind schließlich heute bereits erdrückend.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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