Das Gehirn und unser Bewusstsein.

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Savonlinna
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#81 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Savonlinna » So 12. Apr 2015, 11:44

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Entscheidend aber ist wohl, ob man den anderen überhaupt verstehen will
Deshalb wäre es eine gute Übung, wenn man sich im Rollenspiel in die Schuhe des anderen stellen würde - im Sinne von:

"Wie würde ich, Christ, denken, wenn ich Materialist wäre"/"Wie würde ich, Materialist, denken, wenn ich Christ wäre". - Dies setzt jedoch voraus, dass man das System des anderen kapiert.

Am besten ist, wenn man diese Seiten alle selber in sich hat. Ich glaube, das ist eigentlich auch normal, dass man viele Seiten in sich hat. Dann kann man den anderen mühelos verstehen. Man hat das materialistische Denken in sich, das religiöse Denken in sich usw.

Man entscheidet sich dann vielleicht für die eine Seite irgendwann, und dann kann es kommen, dass man alle Menschen ablehnt, die sich anders entschieden haben. Man will sie also gar nicht mehr verstehen, sondern bekämpfen. Und mitunter kommt es dann auch so, dass man nur die eigene Seite für "richtig" hält und die anderen für "falsch". Das sind dann seltsame Auswüchse.

Es gibt aber auch die Möglichkeit, das Zusammenspiel dieser unterschiedlichen Seiten zu befürworten. Es ist oft ja gar nicht wünschenswert, dass die ganze Menschheit sich so entscheidet, wie man sich selber entschieden hat. Ich möchte keinen reinen Idealismus haben auf der Erde, genausowenig wie einen reinen Materialismus. Und keinen reinen Atheismus und keine reine Bibelgläubigkeit.


Novalis hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Jeder hat seine eigene Sprache, seine eigenen Begrifflichkeiten, und gemeinsame Inhalte sind nicht eruierbar, weil das eigene Begrffssystem die Schallmauer ist, die keiner überwinden kann.

Es kommt auf das Bewusstsein an, würde ich sagen. Wir alle gebrauchen Begriffe und Konzepte, wenn es nützlich ist, aber viel wichtiger ist die Begegnung im Geist

Und schon sehe ich wieder diese Schallmauer. Was ist denn "Geist"?

Dieser Begriff wird in meinen Augen in diesem Forum inflationär benutzt und dient irgendwie als Kampfbegriff, womit man sich von anderen abgrenzt und denen ein Gefühl gibt von: "Du bist ja so, aber du solltest so sein". Nur dass man eben nicht mal weiß, was dieser von einem fordert.
Ein bisschen wie bei Kafka, wo man beurteilt oder gar verurteilt wird, ohne dass man je erfährt, wegen was.

"Geist" ist ein Abstraktum. Aber wovon wird hier abstrahiert? Erfährt man nicht. Man erfährt nur, dass man nicht okay ist, wenn man nicht-geistig denkt oder interpretiert.

Klar, der Vorwurf geht gegen die "Materialisten". Aber "Materialist" ist auch ein Kampfbegriff. Ein Abstraktum, eine Klassifizierung, die sträflich den ganzen Menschen vernachlässigt. Kein Mensch dieser Erde ist nur "Materialist". Aber man kann mit solchen Reduzierungen die Schallmauer zwischen Mensch und Mensch auftürmen, sodass sie einander nicht mehr verstehen können, sondern sich nur noch verbal bekämpfen.

Pluto
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#82 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Pluto » So 12. Apr 2015, 11:55

Savonlinna hat geschrieben:Und schon sehe ich wieder diese Schallmauer. Was ist denn "Geist"?
Es ist ein Frage der Perspektive.
Ich sehe Geist einfach als den Körper dienenden Prozess, der vom Gehirn erzeugt wird.

Savonlinna hat geschrieben:Klar, der Vorwurf geht gegen die "Materialisten". Aber "Materialist" ist auch ein Kampfbegriff. Ein Abstraktum, eine Klassifizierung, die sträflich den ganzen Menschen vernachlässigt. Kein Mensch dieser Erde ist nur "Materialist". Aber man kann mit solchen Reduzierungen die Schallmauer zwischen Mensch und Mensch auftürmen, sodass sie einander nicht mehr verstehen können, sondern sich nur noch verbal bekämpfen.
Das unterschreibe ich voll und ganz.
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Savonlinna
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#83 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Savonlinna » So 12. Apr 2015, 13:02

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Und schon sehe ich wieder diese Schallmauer. Was ist denn "Geist"?
Es ist ein Frage der Perspektive.
Ich sehe Geist einfach als den Körper dienenden Prozess, der vom Gehirn erzeugt wird.
Ja, es ist eine Frage der Perspektive. Aber die, die sagen, dass das geistige Denken verloren gegangen sei, meinen damit etwas anderes als Du.
Auf die Begrifflichkeiten kommt es einfach nicht an. Ich möchte wissen, was bei den Erwähnten damit gemeint ist. Was genau sei verloren gegangen. Was genau sei eine geistige Deutung.

Für mich sind das so lange hohle und leere Begriffe, wie sie einfach nur als Wort eingesetzt werden. Die Diskussion über Worthülsen macht keinen Sinn.

Ich verstehe unter "geistig" zum Beispiel, wenn ich mir in der Phantasie einen Baum vorstelle. Der Unterschied zwischen realem Sehen eines Baumes und der geistigen Vorstellung eines Baumes ist allgemein bekannt, vermute ich. Und dass dieser Unterschied besteht, wird wahrscheinlich keiner anzweifeln.

Und das Verstehen der Buchstaben B-a-u-m geschieht immer - in meiner Begrifflichkeit - durch eine geistige Tätigkeit. Ich muss aus den Buchstaben den sinnlich erfahrbaren Baum erkennen. Codierung und Decodierung sind für mich immer geistige Tätigkeiten.
Alles, was sinnlich wahrgenommen werden kann, kann also auch geistig - im von mir erwähntem Sinne - wahrgenommen werden. Darüber herrscht vermutlich Einigkeit.

Aber Novalis - in dem Fall - geht offenbar darüber hinaus. Aber in welchem Sinn?

Ich selber gehe ja auch darüber hinaus. Zum Beispiel sehe ich in einer geistigen Wahrnehmung eines Baumes - also im Abruf einer Erinnerung - schon nicht mehr dasselbe wie den einer sinnlichen Wahrnehmung.
In die Erinnerung mischen sich nämlich vielleicht noch andere Bäume, vielleicht sogar Träume über Bäume.
Ich kann auch anfangen, das zu malen, was vor meinem geistigen Auge als Baum steht.

Wäre ich van Gogh, käme das zum Beispiel dabei rum:

Bild

Zweifellos stand dem Maler hier ein mit den äußeren Sinnen erfasster Baum zu Grunde: eine Zypresse.
Aber die gemalte Zypresse ist im Vergleich zu der realen Zypresse so verändert, dass sie in der Natur in dieser Form nicht vorkommt.

Welche Art der Realität hat dieser gemalte Baum? Er ist immerhin von dem gemalten Schwung her seiner Umgebung sehr ähnlich. Da schwingt alles miteinander. Himmel, Bach, Gras, Baum - alles im gemeinsamen Schwung.

Und das könnte dann das sein, was ich vorher sagte: rufe ich einen real gesehenen Baum vor meine Erinnerung, ist das auf jeden Fall schon mal ein geistiger Baum. Und dieser geistige Baum kann mehr oder anderes als der reale Baum: er kann plötzlich mit der ganzen Umgebung in einem gemeinsamen Schwung sein.

Das könnte daran liegen, dass man zum Beispiel die Natur als zusammenhängende und miteinander schwingende Einheit erlebt.
Es ist dann also ein Erleben, das sich in das innere Bild reingemogelt hat und das man in dem Gemälde mitzuteilen sucht.

Und dann geht es noch einen Schritt weiter.
Viele künstlerisch angehauchte Menschen gehen durch die reale Natur und sehen - zum Beispiel - bereits in der Natur selber diesen gemeinsamen Schwung. Sie müssen den Umweg über die erinnerte Natur gar nicht mehr gehen. Sie nehmen gleich und sofort doppelt wahr.

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#84 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Pluto » So 12. Apr 2015, 13:15

Savonlinna hat geschrieben:Welche Art der Realität hat dieser gemalte Baum? Er ist immerhin von dem gemalten Schwung her seiner Umgebung sehr ähnlich. Da schwingt alles miteinander. Himmel, Bach, Gras, Baum - alles im gemeinsamen Schwung.
Tja... Van Gogh malte NICHT die Wirklichkeit die er wahrnahm, sondern er malte das was er bei einem Anblick empfand. Das ist typisch für alle Impressionisten.

Das könnte daran liegen, dass man zum Beispiel die Natur als zusammenhängende und miteinander schwingende Einheit erlebt.
Ja. Aber man muss Künstler (Impressionist?) sein um die Welt so als Erlebnis zu sehen.

Es ist dann also ein Erleben, das sich in das innere Bild reingemogelt hat und das man in dem Gemälde mitzuteilen sucht.
Genau! :D
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#85 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Savonlinna » So 12. Apr 2015, 13:32

@ Pluto

Irgendwie weißt Du immer alles so genau. Hast fertige abgepackte Antworten.
Ehrlich gesagt, lasse ich das dann auf sich beruhen.

Pluto
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#86 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Pluto » So 12. Apr 2015, 18:41

Savonlinna hat geschrieben:@ Pluto

Irgendwie weißt Du immer alles so genau. Hast fertige abgepackte Antworten.
Ehrlich gesagt, lasse ich das dann auf sich beruhen.
Nicht immer, liebe Savonlinna: http://www.4religion.de/viewtopic.php?p=134839#p134839

Meine verstorbene Frau war sehr an Malerei interessiert (hat selbst gemalt).
Sie hat mir Vieles über Impressionisten und die Empfindungen ihrer Kunst erklärt.
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#87 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Savonlinna » So 12. Apr 2015, 19:09

Ja, aber dennoch kannst Du damit nicht meine Herleitung enthebeln.

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#88 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Pluto » So 12. Apr 2015, 19:21

Savonlinna hat geschrieben:Und dann geht es noch einen Schritt weiter.
Viele künstlerisch angehauchte Menschen gehen durch die reale Natur und sehen - zum Beispiel - bereits in der Natur selber diesen gemeinsamen Schwung. Sie müssen den Umweg über die erinnerte Natur gar nicht mehr gehen. Sie nehmen gleich und sofort doppelt wahr.
Wir nehmen das wahr was ist, und das was wir empfinden.
Minst du es so?
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#89 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Savonlinna » So 12. Apr 2015, 19:58

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Und dann geht es noch einen Schritt weiter.
Viele künstlerisch angehauchte Menschen gehen durch die reale Natur und sehen - zum Beispiel - bereits in der Natur selber diesen gemeinsamen Schwung. Sie müssen den Umweg über die erinnerte Natur gar nicht mehr gehen. Sie nehmen gleich und sofort doppelt wahr.
Wir nehmen das wahr was ist, und das was wir empfinden.
Minst du es so?
Du bringst das in Dein Weltbild.
Ich habe versucht zu erklären, was man - meiner Auffassung nach - in der Regel unter "geistig" versteht.
Ich finde das Spannende an dieser Welt, dass es mehrere Wahrnehmungsschichten gibt.
Welche davon als "wahr" bezeichnet wird, gehört in den Bereich der Ideologie. Mir geht es einfach nur um Unterscheidung von Wahrnehmungen. Introvertierte nehmen vielleicht eher die inneren Bilder wahr, die Extrovertierten mehr nur die äußeren Bilder.

Ich wollte in dem Fall von Novalis gerne wissen, ob er das auch mit "geistig" meint.

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#90 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Novas » So 12. Apr 2015, 21:05

Savonlinna hat geschrieben:Und schon sehe ich wieder diese Schallmauer. Was ist denn "Geist"?

Grundsätzlich meine ich damit das bewusste Sein oder die lebendige Gegenwart, welche die Schönheit der Natur, die Heiligkeit oder die Essenz einer Blume oder eines Menschen fühlen kann und jede Lebensform belebt. Das, was wir meinen, wenn wir „Ich“ oder „Du“ sagen. Der Verstand versucht das Bewusstsein zu definieren und zu objektivieren, aber das funktioniert nicht, weil etwas immaterielles damit gemeint ist, das, was die Form mit Leben erfüllt und daraus hervor 'scheint', aber kein Ding.

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