closs hat geschrieben:Deshalb wäre es eine gute Übung, wenn man sich im Rollenspiel in die Schuhe des anderen stellen würde - im Sinne von:Savonlinna hat geschrieben:Entscheidend aber ist wohl, ob man den anderen überhaupt verstehen will
"Wie würde ich, Christ, denken, wenn ich Materialist wäre"/"Wie würde ich, Materialist, denken, wenn ich Christ wäre". - Dies setzt jedoch voraus, dass man das System des anderen kapiert.
Am besten ist, wenn man diese Seiten alle selber in sich hat. Ich glaube, das ist eigentlich auch normal, dass man viele Seiten in sich hat. Dann kann man den anderen mühelos verstehen. Man hat das materialistische Denken in sich, das religiöse Denken in sich usw.
Man entscheidet sich dann vielleicht für die eine Seite irgendwann, und dann kann es kommen, dass man alle Menschen ablehnt, die sich anders entschieden haben. Man will sie also gar nicht mehr verstehen, sondern bekämpfen. Und mitunter kommt es dann auch so, dass man nur die eigene Seite für "richtig" hält und die anderen für "falsch". Das sind dann seltsame Auswüchse.
Es gibt aber auch die Möglichkeit, das Zusammenspiel dieser unterschiedlichen Seiten zu befürworten. Es ist oft ja gar nicht wünschenswert, dass die ganze Menschheit sich so entscheidet, wie man sich selber entschieden hat. Ich möchte keinen reinen Idealismus haben auf der Erde, genausowenig wie einen reinen Materialismus. Und keinen reinen Atheismus und keine reine Bibelgläubigkeit.
Novalis hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Jeder hat seine eigene Sprache, seine eigenen Begrifflichkeiten, und gemeinsame Inhalte sind nicht eruierbar, weil das eigene Begrffssystem die Schallmauer ist, die keiner überwinden kann.
Es kommt auf das Bewusstsein an, würde ich sagen. Wir alle gebrauchen Begriffe und Konzepte, wenn es nützlich ist, aber viel wichtiger ist die Begegnung im Geist
Und schon sehe ich wieder diese Schallmauer. Was ist denn "Geist"?
Dieser Begriff wird in meinen Augen in diesem Forum inflationär benutzt und dient irgendwie als Kampfbegriff, womit man sich von anderen abgrenzt und denen ein Gefühl gibt von: "Du bist ja so, aber du solltest so sein". Nur dass man eben nicht mal weiß, was dieser von einem fordert.
Ein bisschen wie bei Kafka, wo man beurteilt oder gar verurteilt wird, ohne dass man je erfährt, wegen was.
"Geist" ist ein Abstraktum. Aber wovon wird hier abstrahiert? Erfährt man nicht. Man erfährt nur, dass man nicht okay ist, wenn man nicht-geistig denkt oder interpretiert.
Klar, der Vorwurf geht gegen die "Materialisten". Aber "Materialist" ist auch ein Kampfbegriff. Ein Abstraktum, eine Klassifizierung, die sträflich den ganzen Menschen vernachlässigt. Kein Mensch dieser Erde ist nur "Materialist". Aber man kann mit solchen Reduzierungen die Schallmauer zwischen Mensch und Mensch auftürmen, sodass sie einander nicht mehr verstehen können, sondern sich nur noch verbal bekämpfen.