Wie wichtig ist Wissenschaft?

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Anton B.
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#71 Re: Wie wichtig ist Wissenschaft?

Beitrag von Anton B. » So 2. Nov 2014, 12:48

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben: Schönborn dagegen hat verschlimmbessert.
Das mag sein - aber mit gutem Willen kann man verstehen, was er meint.
Wenn er sich nicht präzise ausdrückt, kann möglicherweise jedermann mit seinem "guten Willen" verstehen, was man gerade verstehen will. Wahrscheinlich ein Grund, warum wir hier im Forum den Text unterschiedlich verstehen.

Schönborn hat geschrieben:Jedes Denksystem, das die überwältigende Evidenz für einen Plan in der Biologie leugnet oder weg zu erklären versucht, ist Ideologie, nicht Wissenschaft.
[...]
Wissenschaftliche Theorien, die den Versuch machen, das Aufscheinen des Plans als ein Ergebnis von „Zufall und Notwendigkeit“ wegzuerklären, sind nicht wissenschaftlich, sondern - wie Johannes Paul II. festgestellt hat - eine Abdankung der menschlichen Vernunft.
Naturwissenschaft ist durch ihre Methodik bestimmt. Er müsste innerhalb der Methodik aufzeigen, dass die synthetische Evolutionstheorie deren Anforderung nicht entspricht. Dann wäre eine Theorie unwissenschaftlich. Popper hat sich mit der Abgrenzung von Wissenschaft beschäftigt. Damit hätte er argumentieren sollen.

Schönborn hat geschrieben:Die Evolution im Sinn einer gemeinsamen Abstammung (aller Lebewesen) kann wahr sein, aber die Evolution im neodarwinistischen Sinn - ein zielloser, ungeplanter Vorgang zufälliger Veränderung und natürlicher Selektion - ist es nicht.
Ad (1): Wissenschaft erhebt nicht den Anspruch, eine ihrer Theorien wäre "wahr", weil ihr durch ihre Methodik die Mittel dazu fehlen.

Ad (2): Den zweiten Teil seiner Aussage, "... ein zielloser, ungeplanter Vorgang zufälliger Veränderung und natürlicher Selektion - ist es nicht", kann er so, nachdem er (1) schon angesetzt hat, auch wiederum nur aus einer Glaubensposition heraus formulieren. Eigentlich formuliert er den ganzen Satz aus einer Glaubensposition heraus, grenzt es aber nicht explizit ab.

Schon viel besser formuliert es Papst Johannes Paul II in dem in Schönborns Text verwendeten Zitat:

„Es ist klar, dass die Glaubenswahrheit über die Schöpfung den Theorien der materialistischen Philosophie radikal entgegengesetzt ist."

Hier finde ich zwar noch die Ausdrücke "materialistische Philosophie" und "radikal entgegengesetzt" bedenklich (letzteres, weil Aussagen verschiedener Kategorien eigentlich nicht unmittelbar in Konkurrenz zu bringen sind), aber hier ist die Sicht aus einer "Glaubenswahrheit" heraus deutlich klargestellt.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

closs
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#72 Re: Wie wichtig ist Wissenschaft?

Beitrag von closs » So 2. Nov 2014, 16:06

Pluto hat geschrieben: Die Teleologie wurde von Darwin falsifiziert. Und Falsifikation ist systemunabhängig.
Das kommt davon ... - Darwin falsifiziert (wollen wir annehmen: zu Recht), dass innerhalb SEINES Systems (also der Biologie) Teleologie falsifiziert ist. - So weit so gut - da würde sogar Schönborn zustimmen.

Aber jetzt kommt's: Falsifikation gilt nur innerhalb des Systems, in dem sie stattfindet. - Denn Darwin wollte sicherlich NICHT falsifizieren, dass es Gott gibt (hätte er es gewollt, wäre er ein methodischer Stümper).

Pluto hat geschrieben:sondern er widerspricht ganz deutlich mit "es ist nicht so".
Aus seiner geistigen (spirituellen) Sicht (= Weltanschauung) sagt er, dass es ÜBER dem naturwissenschaftlichem System etwas gibt, was der Naturwissenschaft zwar ihre Regeln und Ergebnisse lässt, diese aber nicht für übertragbar hält auf geistige Systeme.

Pluto hat geschrieben:Nein, weil man bewusst eine Illusion erzeugt.
OK - ist der Satz A=A verletzt, wenn Gott aus der Über-Zeitlichkeit bei Gelegenheit in die Zeit eintaucht? - Wenn ja: Warum?

Pluto hat geschrieben:ich habe dir gezeigt, wie du es falsch interpretiert hast
Mit "falsch" meinst Du: nicht im Sinne der wissenschaftlichen Definition. Da stimme ich Dir ja zu. - Meine Verwendung ist wörtlich im (durchaus richtig dargestellten) Sinne von wiki.

Pluto hat geschrieben:Entweder es ist Wissen oder bloß Erfahrung ( = Glaube).
Warum steht dann in wiki "Empirie = Erfahrungswissen"? - Nun kritisiere ich ja auch gelegentlich wiki - aber man muss das dann auch begründen.

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#73 Re: Wie wichtig ist Wissenschaft?

Beitrag von closs » So 2. Nov 2014, 16:11

Anton B. hat geschrieben:Er müsste innerhalb der Methodik aufzeigen, dass die synthetische Evolutionstheorie deren Anforderung nicht entspricht.
Das will Schönborn doch gar nicht - im Gegenteil sagt er sinngemäß: Was die Wissenschaft meint, wird in ihrem Sinne schon richtig sein. - Er greift hier NICHT ein.

Anton B. hat geschrieben:Schon viel besser formuliert es Papst Johannes Paul II in dem in Schönborns Text verwendeten Zitat: „Es ist klar, dass die Glaubenswahrheit über die Schöpfung den Theorien der materialistischen Philosophie radikal entgegengesetzt ist."
OK - man kann Schönborn vorwerfen, sich wasserdichter auszudrücken - ich habe ihn trotzdem auf Anhieb verstanden. - Vorschlag: Wenn Johannes Paul II dasselbe (!) besser ausgedrückt hat, dann haben wir doch eine bessere Grundlage, um uns von Formulierungs-Diskussionen zu verabschieden und darüber zu reden, was eigentlich gemeint ist.

Danke für Dein JPII-Zitat - es ist wirklich klarer.

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#74 Re: Wie wichtig ist Wissenschaft?

Beitrag von sven23 » So 2. Nov 2014, 16:15

closs hat geschrieben:Warum steht dann in wiki "Empirie = Erfahrungswissen"? - Nun kritisiere ich ja auch gelegentlich wiki - aber man muss das dann auch begründen.

In Wiki steht aber auch:
"Empirische Forschung unterscheidet sich von der lebensweltlichen Erfahrung durch die Systematik des Vorgehens – man spricht auch von der Erhebung von Daten – und durch die Forderung nach Objektivität und Wiederholbarkeit der Beobachtungen, die an Alltagserfahrungen in dieser Form nicht gestellt wird."

Wenn diese lebensweltiche Erfahrung/Erfahrungswissen nicht mit Daten untermauert werden kann, muß man sie ganz klar trennen von empirischer Forschung.
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#75 Re: Wie wichtig ist Wissenschaft?

Beitrag von Anton B. » So 2. Nov 2014, 16:37

sven23 hat geschrieben:Wenn diese lebensweltiche Erfahrung/Erfahrungswissen nicht mit Daten untermauert werden kann, muß man sie ganz klar trennen von empirischer Forschung.
Das ist eben der Punkt: Man muss differenzieren, um sauber zu bleiben.

Das gefällt nicht dem ideologischen Vertreter einer Position, der fühlt seine Position missachtet. Und es gefällt auch nicht dem ganzheitlich ausgerichteten Mitmenschen, dem wirft es Schmutz auf das einfache, reine Weltbild.
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#76 Re: Wie wichtig ist Wissenschaft?

Beitrag von sven23 » So 2. Nov 2014, 17:07

Anton B. hat geschrieben: Das ist eben der Punkt: Man muss differenzieren, um sauber zu bleiben.

Das gefällt nicht dem ideologischen Vertreter einer Position, der fühlt seine Position missachtet. Und es gefällt auch nicht dem ganzheitlich ausgerichteten Mitmenschen, dem wirft es Schmutz auf das einfache, reine Weltbild.

Einverstanden, wenn man es sauber trennt, kommt man sich auch nicht gegenseitig ins Gehege.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#77 Re: Wie wichtig ist Wissenschaft?

Beitrag von Pluto » So 2. Nov 2014, 17:32

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Die Teleologie wurde von Darwin falsifiziert. Und Falsifikation ist systemunabhängig.
Das kommt davon ... - Darwin falsifiziert (wollen wir annehmen: zu Recht), dass innerhalb SEINES Systems (also der Biologie) Teleologie falsifiziert ist. - So weit so gut - da würde sogar Schönborn zustimmen.
Ja. Aber einmal Falsifizieiertes ist systemübergreifend falsch.

closs hat geschrieben:Warum steht dann in wiki "Empirie = Erfahrungswissen"? - Nun kritisiere ich ja auch gelegentlich wiki - aber man muss das dann auch begründen.
Es steht in Wiki nicht "Empirie = Efarhungswissen", sondern es steht: "Empirie (von gr. εμπειρία empeiría ‚Erfahrung, Erfahrungswissen‘)"
Das ist eine Erklärung des Wortursprungs.
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#78 Re: Wie wichtig ist Wissenschaft?

Beitrag von Anton B. » So 2. Nov 2014, 17:49

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Die Teleologie wurde von Darwin falsifiziert. Und Falsifikation ist systemunabhängig.
Das kommt davon ... - Darwin falsifiziert (wollen wir annehmen: zu Recht), dass innerhalb SEINES Systems (also der Biologie) Teleologie falsifiziert ist. - So weit so gut - da würde sogar Schönborn zustimmen.
Ja. Aber einmal Falsifizieiertes ist systemübergreifend falsch.
Das lässt sich so nicht sagen: Aus dem Glauben heraus ließe sich weiterhin argumentieren, die wissenschaftliche synthetische Evolutionstheorie verwirkliche den Plan Gottes. Weil Gott es eben so gefügt hat. Und so wird ja auch argumentiert.
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#79 Re: Wie wichtig ist Wissenschaft?

Beitrag von closs » So 2. Nov 2014, 17:56

sven23 hat geschrieben:"Empirische Forschung unterscheidet sich von der lebensweltlichen Erfahrung durch die Systematik des Vorgehens"
Richtig - auch da formuliert wiki gut. - Empirie gibt es demnach im persönlichen Bereich als auch per Systematik objektiviert. - Natürlich ein wichtiger Unterschied.

Warum eigentlich diese Diskussion? - Weil gerne der Eindruck erweckt wird, geistige Dinge seien "erfundene", "erdachte", etc. Dinge - das ist falsch: Geistige Dinge sind persönliches Erfahrungswissen - allerdings ohne die Systematik des naturwissenschaftlichen Vorgehens.

sven23 hat geschrieben:Einverstanden, wenn man es sauber trennt, kommt man sich auch nicht gegenseitig ins Gehege.
Mein Kampf seit 1848. - Wir müssen verschiedene Wahrnehmungs-Systeme sauber trennen. - Und erkennen, dass eine Falsifizierung im System (A) unter den Prämissen des Systems (A) nicht automatisch für System (B) gilt.

Anton B. hat geschrieben: Aus dem Glauben heraus ließe sich weiterhin argumentieren, die wissenschaftliche synthetische Evolutionstheorie verwirkliche den Plan Gottes. Weil Gott es eben so gefügt hat. Und so wird ja auch argumentiert.
Genau so ist es.

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#80 Re: Wie wichtig ist Wissenschaft?

Beitrag von Pluto » So 2. Nov 2014, 17:58

Anton B. hat geschrieben:Aus dem Glauben heraus ließe sich weiterhin argumentieren, die wissenschaftliche synthetische Evolutionstheorie verwirkliche den Plan Gottes. Weil Gott es eben so gefügt hat. Und so wird ja auch argumentiert.
Dass so argumentiert wird, ist mir auch klar, aber dennoch nicht richtig. Man kann zeigen, dass der Mensch weiter "evolviert", und damit meine ich bei Weitem nicht nur die berühmte Laktosetoleranz. Die Veränderungen reichen von der Haarfarbe und -krause, bis hin zur Größe der Zähne (die immer kleiner werden) oder die Konsistenz des Ohrschmalzes.
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