Aufklärung durch Wissenschaft

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Janina
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#61 Re: Aufklärung durch Wissenschaft

Beitrag von Janina » Mi 16. Jul 2014, 10:53

closs hat geschrieben:Zunehmendes wissenschaftliches/intellektuelles Wissen verführt dazu, dass spirituelles Bewusstseins verbleicht
Ich sag ja: Diese Behauptung unterstellt, dass Spiritualität lediglich Dummheit wäre. Du sagst damit, spirituell heißt nur "zu dumm zum Denken". Ich würde von der Behauptung komplett abrücken. Gebildete Menschen müssen nicht weniger spirituell sein.

closs hat geschrieben: - vgl. Gen. 11,6. - Wenn man Pommes Frittes gewohnt ist, weiss man nicht mehr, was eine Kartoffel ist.
Der mündige Bürger kann Pommes aus Kartoffeln machen. Sogar besser weil knusprig. :thumbup:

barbara
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#62 Re: Aufklärung durch Wissenschaft

Beitrag von barbara » Mi 16. Jul 2014, 11:37

Janina hat geschrieben:Ich sag ja: Diese Behauptung unterstellt, dass Spiritualität lediglich Dummheit wäre. Du sagst damit, spirituell heißt nur "zu dumm zum Denken". Ich würde von der Behauptung komplett abrücken. Gebildete Menschen müssen nicht weniger spirituell sein.

Stimmt.

Das was heute allerdings an Universitäten gelehrt ist, ist extrem materialistisch. Böse (oder wahrheitsliebende) Zungen sagen, es gäbe keinen sicheren Weg zum Atheismus, als ein Studium der Theologie... weil da findest du alles, aber sicher nicht Gott. Da wird aller nur noch historisch-kritisch demystifiziert.

Es wäre allerdings durchaus eine Wissenschaft denkbar - besonders im geisteswissenschaftlichen Bereich - die neben der formal korrekten Behandlung des Materiellen auch spirituelle Aspekte einschliesst.
http://thephilosophersmail.com/270214-u ... aduate.php

gruss, barbara

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Demian
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#63 Re: Aufklärung durch Wissenschaft

Beitrag von Demian » Mi 16. Jul 2014, 13:46

Janina hat geschrieben:
dass du Spiritualität als Abwesenheit von Intellektualität definierst.
Verstehe. - Meister Eckart war ein hochintellektueller Mystiker - jedoch gibt es oft spirituelle Menschen ganz "ohne Abitur".

Meister Eckhart ist ein gutes Beispiel für ein erwachsenes Christentum. In seiner Predigt 86 beschreibt er Maria, als die Verkörperung eines Christseins, welches noch in den Kinderschuhen steckt, Martha repräsentiert hingegen ein Christentum, das „reif und weise“ geworden ist. Herz und Verstand, die schöpferische Vernunft und die Liebe sind Kehrseiten. Bildung taugt nichts, wenn sie keine Herzensbildung geworden ist, und Liebe ist dumm, wenn sie keine Weisheit in sich trägt.
Ich plädiere für ein Christentum, das Christen nicht zu „Legasthenikern der Freiheit“ (Metz) macht, sondern sie auf Vernunft und Freiheit verpflichtet. Bei Meister Eckhart ist das ganz klar: der „neue Mensch“ ist jener Mensch, dessen schöpferische Kraft der Vernunft ihn zum „Sohn Gottes“ macht. Manche Menschen haben den Eindruck, dass wir zu Beginn des 21. Jahrhunderts beobachten können, wie das Christentum stirbt. Wenn das Christentum es vorzieht in seinen Kinderschuhen stecken zu bleiben, dann wird es so sein, aber das glaube ich nicht. Die Wahrheit ist m.E.: es beginnt gerade erst erwachsen zu werden und sich selbst richtig zu entdecken, es ist auf dem Weg zu sich selbst. „Darum müssen auch die Christen ihre Pubertät überwinden und reif und weise werden.(J.Moltmann in: Theology Today 51, 1994, S.89)
Es geht um eine INTELLIGENZ DES HERZENS. ;)

closs
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#64 Re: Aufklärung durch Wissenschaft

Beitrag von closs » Mi 16. Jul 2014, 23:47

Janina hat geschrieben:Du sagst damit, spirituell heißt nur "zu dumm zum Denken".
Eigentlich sage, dass Spiritualität keine Frage der Intelligenz ist.

Janina hat geschrieben:Gebildete Menschen müssen nicht weniger spirituell sein.
Absolut richtig - Du bist übrigens ein gutes Beispiel dafür, dass man als Wissenschaftler spirituell sein kann - Du lässt es nur nicht raus.

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sven23
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#65 Re: Aufklärung durch Wissenschaft

Beitrag von sven23 » Sa 19. Jul 2014, 07:58

Lichtenberg spricht ein weises Wort, wenn er sagt:

"Was hilft alle Aufklärung, alles Licht, wenn die Leute entweder keine Augen haben oder die, die sie haben, vorsätzlich verschließen."
(J. Chr. Lichtenberg, dt. Physiker u. Schriftsteller, 1742-1799)

Paßt auch wieder zum Selbsttäuschungs-Thread.
Aber gibt es eine Alternative zur Aufklärung? Ich denke nicht.

"Je religiöser ein Mensch, desto mehr glaubt er; je mehr er glaubt, desto weniger denkt er; je weniger er denkt, desto dümmer ist er; je dümmer er ist, desto leichter kann er beherrscht werden. Das gilt für Sektenmitglieder ebenso wie für die Anhänger der großen Weltreligionen mit gewalttätig intolerantem "Wahrheits"-Anspruch. Dagegen hilft, auf Dauer, nur Aufklärung."
(Adolf Holl, Religionssoziologe)
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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Demian
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#66 Re: Aufklärung durch Wissenschaft

Beitrag von Demian » Sa 19. Jul 2014, 09:31

sven23 hat geschrieben:Lichtenberg spricht ein weises Wort, wenn er sagt:
"Was hilft alle Aufklärung, alles Licht, wenn die Leute entweder keine Augen haben oder die, die sie haben, vorsätzlich verschließen."(J. Chr. Lichtenberg, dt. Physiker u. Schriftsteller, 1742-1799)

Lichtenberg greift hier gezielt auf die Lichtmetaphorik zurück, wie sie in allen spirituell-philosophischen Traditionen vorkommt. Die Erkenntnis geht vom Schatten ins Licht, sagte Platon. Das geht nicht nur Lichtenberg so, sondern ausnahmslos allen Menschen. Jeder hat seine eigene Wahrnehmung und Perspektive und demnach eine eigene Weltanschauung. "Wer Augen hat zu sehen, der sehe. Wer Ohren hat zu hören, der höre." wir alle sehen, hören, leben, schmecken, verstehen, sind mehr oder weniger bewusst. Das LICHT ist ein universales Symbol, welches alles und jeden verbindet, wie uns ja auch die lebensspendende Energie und Wärme des Sonnenlichtes mit dem Kreislauf der Natur verbindet oder das Licht der Sterne mit der unendlichen Weite und Raumhaftigkeit des Universums und seinem Geheimnis, das (frei nach Wittgenstein) nicht darin besteht, wie das Universum ist, sondern in der bloßen Tatsache seiner Existenz.

"Je religiöser ein Mensch, desto mehr glaubt er; je mehr er glaubt, desto weniger denkt er; je weniger er denkt, desto dümmer ist er; je dümmer er ist, desto leichter kann er beherrscht werden. Das gilt für Sektenmitglieder ebenso wie für die Anhänger der großen Weltreligionen mit gewalttätig intolerantem "Wahrheits"-Anspruch. Dagegen hilft, auf Dauer, nur Aufklärung."
(Adolf Holl, Religionssoziologe)

Sachlich betrachtet sind Glaube und Wissen einander ergänzende Pole, aber keine Gegensätze. Wir leben in einer polaren Welt. Sobald wir einen Pol isolieren, gibt es Probleme. Aufklärung ist ein Prozess innerhalb der polaren Welt und somit umfasst er alle diese Aspekte. Ausnahmslos alle Menschen sind daran beteiligt. Wenn sich einzelne Menschen für „die“ Aufklärer halten (die Antriebskraft dahinter ist letztlich Arroganz und nicht Wissen oder Weisheit), dann sind wir schon wieder in der Matrix der einseitigen Abgrenzung und Identifikation drin. Die buddhistische Philosophie ist da näher an der Wahrheit, denn sie geht vom Einssein, der „Abhängigkeit“ von alles und jedem aus. DA finden Lebendigkeit, Bewusstheit, Verständnis und Mitgefühl statt.

barbara
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#67 Re: Aufklärung durch Wissenschaft

Beitrag von barbara » Sa 19. Jul 2014, 10:22

sven23 hat geschrieben:Lichtenberg spricht ein weises Wort, wenn er sagt:

"Was hilft alle Aufklärung, alles Licht, wenn die Leute entweder keine Augen haben oder die, die sie haben, vorsätzlich verschließen."
(J. Chr. Lichtenberg, dt. Physiker u. Schriftsteller, 1742-1799)

Erinnert doch sehr an Johannes: "Ich bin das Licht der Welt, das jeden Menschen erleuchtet" :thumbup:

man könnte ja meinen, die Aufklärer hätten die Licht-Metaphorik eins zu eins vom Christentum kopiert, oder von andern spirituellen Verwendungen des Lichts.


Paßt auch wieder zum Selbsttäuschungs-Thread.
Aber gibt es eine Alternative zur Aufklärung? Ich denke nicht.

"Je religiöser ein Mensch, desto mehr glaubt er; je mehr er glaubt, desto weniger denkt er; je weniger er denkt, desto dümmer ist er; je dümmer er ist, desto leichter kann er beherrscht werden. Das gilt für Sektenmitglieder ebenso wie für die Anhänger der großen Weltreligionen mit gewalttätig intolerantem "Wahrheits"-Anspruch. Dagegen hilft, auf Dauer, nur Aufklärung."
(Adolf Holl, Religionssoziologe)

Das würde ich doch bestreiten, dass einer, der viel glaubt, wenig denkt.

es sind schliesslich zwei unterschiedliche Kontexte. Glauben ist in die Zukunft gerichtet; es hat mit Vertrauen und Hoffnung zu tun und mit der Bereitschaft, sich ins Ungewisse zu wagen und Risiken einzugehen. Wer nichts glaubt, der tut auch nichts. und da spielt es keine Rolle, ob Glaube sich auf Sätze bezieht wie "ich glaube an Gott" oder an alltäglichere Sätze wie "ich glaube, der Bus wird morgen pünktlich fahren." Wenn Kolumbus glaubte "mit unseren Schiffen werden wir Land erreichen, bevor die Vorräte zu Ende gehen und wir alle verhungern und verdursten", so ist das ein grosser Akt des Glaubens - vor allem, da er von zahlreichen Menschen darauf hingewiesen wurde, dass die Erde grösser ist als es seine Berechnungen zeigen, dass Japan und Indien deutlich weiter weg sind, als er meinte.

Denken hingegen analysiert die Vergangenheit, das, was schon geschehen ist. Denken bleibt somit beim Bekannten, bei dem, was schon geschehen ist.

Sinnvoll ist logischerweise, Denken und Glauben zu verbinden - also bekannte Daten aus der Vergangenheit sauber und gründlich zu analysieren, und somit einigermassen sinnvolle Prognosen für die Zukunft zu erstellen - aber eben: das Unerwartete, das Neue, das noch-nicht-Erforschte hat im Denken nie Platz. Es is nicht das richtige Werkzeug dafür. Wer Risiken eingeht und etwas tut, was noch nie gemacht wurde, braucht immer einen starken Glauben.

gruss, barbara

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#68 Re: Aufklärung durch Wissenschaft

Beitrag von closs » Sa 19. Jul 2014, 10:43

sven23 hat geschrieben:Aber gibt es eine Alternative zur Aufklärung? Ich denke nicht.
Das denkt keiner hier - weder die materialistische noch die geistige Fraktion. Das Problem ist eher, dass es die kantsche "Unmündigkeit" gleichermaßen bei Naturalisten wie auch bei Christen gibt. Ob diese Unmündigkeit "selbstverschuldet" ist, sei dabei dahingestellt.

sven23 hat geschrieben:"Was hilft alle Aufklärung, alles Licht, wenn die Leute entweder keine Augen haben oder die, die sie haben, vorsätzlich verschließen." (J. Chr. Lichtenberg, dt. Physiker u. Schriftsteller, 1742-1799)
Ein urchristlicher Satz - das ist exakt das Problem, vor dem Christen stehen, wenn sie geistiges Sein vermitteln wollen.

sven23 hat geschrieben:"Je religiöser ein Mensch, desto mehr glaubt er; je mehr er glaubt, desto weniger denkt er; je weniger er denkt, desto dümmer ist er; je dümmer er ist, desto leichter kann er beherrscht werden. Das gilt für Sektenmitglieder ebenso wie für die Anhänger der großen Weltreligionen mit gewalttätig intolerantem "Wahrheits"-Anspruch. Dagegen hilft, auf Dauer, nur Aufklärung." (Adolf Holl, Religionssoziologe)
Der intolerante "Wahrheits-" Anspruch ist seit dem 20. Jh. eher auf die materialistische Seite gewandert - hier hat es einen Paradigmen-Wechsel gegeben.

Du siehst also: Die Argumente sind immer spiegelverkehrt.

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sven23
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#69 Re: Aufklärung durch Wissenschaft

Beitrag von sven23 » Sa 19. Jul 2014, 12:04

closs hat geschrieben: Der intolerante "Wahrheits-" Anspruch ist seit dem 20. Jh. eher auf die materialistische Seite gewandert - hier hat es einen Paradigmen-Wechsel gegeben.

Du siehst also: Die Argumente sind immer spiegelverkehrt.

Sehe ich nicht so. Wenn es einen Pardigmenwechsel gegeben hat, dann auf einer gründlichen und nachvollziehbaren Basis. Irgendwann muß es ja auch mal gut sein mit Mythen und Märchen. Da sah auch Goethe so:

"Das Märchen (der Bibel) ist Ursache, dass die Welt noch 10.000 Jahre stehen kann und niemand recht zu Verstande kommt, weil es ebensoviel Kraft des Wissens, des Verstandes, des Begriffes braucht, um es zu verteidigen, als es zu bestreiten."

(Johann Wolfgang von Goethe, dt. Dichter, 1749-1832)


Und ob Lichtenberg es in deinem Sinne meinte, wage ich zu bezweifeln, wenn man dies liest:

"Kindliche Wundermärchen über Wandeln auf dem Wasser und Wiederauferstehung eines Toten werden um so eher als Wunder geglaubt je weniger die eigene Bildung dazu befähigt, die tatsächlichen Wunder des Mikrokosmos des Universums und der unendlich komplizierten Systeme des Lebens auch nur annähernd als solche wahrzunehmen".

(Georg Christoph Lichtenberg, dt. Physiker u. Schriftsteller 1742 - 1799)
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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Demian
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#70 Re: Aufklärung durch Wissenschaft

Beitrag von Demian » Sa 19. Jul 2014, 12:09

sven23 hat geschrieben:Sehe ich nicht so. Wenn es einen Pardigmenwechsel gegeben hat, dann auf einer gründlichen und nachvollziehbaren Basis. Irgendwann muß es ja auch mal gut sein mit Mythen und Märchen.

Ich erwidere mit Konrad Weiß: „Ich werde die Wahrheit nicht finden, nicht wissen, wie es war, selbst wenn ich sie suche. Ich suche die verlorene Wahrheit; ich werde sie nicht finden, sondern eine andere, die ich nicht suchte, und sie verlangt viel von dir, damit du das Leben eines wissenden und sehenden Menschen leben und Zeiten und Dinge verstehen kannst. Ich weiß nicht, und ich kann auch nicht sagen: Diese eine Wahrheit ist auch für mich und auch für dich. Nein, sie ist nur meine Wahrheit, denn so wollte ich es wissen. Und gehe du und suche deine Wahrheit.“
Zuletzt geändert von Demian am Sa 19. Jul 2014, 12:19, insgesamt 2-mal geändert.

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