(Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

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closs
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#51 Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von closs » Mo 17. Aug 2015, 20:09

Pluto hat geschrieben:Was ich nicht dabei verstehe, ist warum sich die Theologie bemüht den Mantel der wissenschaftlichkeit überzuziehen.
Weil sie unter Wissenschaft versteht, Erkenntnis-Schritte intersubjektiv nachvollziehbar zu gehen.

Pluto
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#52 Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von Pluto » Mo 17. Aug 2015, 20:17

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Und was tut man wenn ein Widerspruch entsteht, wie es bei der Naherwartung der Fall ist?
Man deutet innerhalb seiner Leisten.
Und welche ist die richtige Deutung?

closs hat geschrieben:Die HKM müsste sich aus meiner Sicht darauf beschränken zu konstatieren: "Aus den uns vorliegenden Quellen ergibt sich bei der Annahme, dass diese Quellen in Wort und Geist dem Urheber (hier: Jesus) gerecht werden, dass Jesus eine eigene Naherwartung hatte". -Möglicherweise kann die HKM mit ihren Mitteln nicht mehr aussagen (das ist kein Vorwurf).
Das klingt mir sehr nach einem ungerechtfertigten Versuch eines "Mundpflasters", um die Stimme der HKM zu zensieren.
Wie so oft... Was nicht ein darf, kann auch nicht sein...

closs hat geschrieben:Insofern sehe ich kein Problem. - Ein Problem entsteht erst, wenn die eine Disziplin im Terrain der anderen Disziplin wildert.
Welche "wildert" denn bei wem?
(Ist das nicht Ansichtssache?)
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Savonlinna
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#53 Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von Savonlinna » Mo 17. Aug 2015, 20:22

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Hat Kant dann erledigt
Meinst Du das wirklich?
Ja, wie denn nicht? Man kann Rationalismus und Empirismus nicht gegeneinander ausspielen. ratio UND Erfahrung sind notwendig, um etwas zu erfassen.

closs hat geschrieben:Wenn wir Probleme grundlegend lösen wollen, kommen wir um fundamentale Gedanken nicht rum - wenn wir uns auf Alltags-Situationen beschränken ("Was würden wir tun, wenn ..."), reicht Instinkt und Charisma. - Wobei "reicht" untertrieben ist, weil es ja eigentlich genau darauf ankommt.
Möglicherweise reden wir ein wenig aneinander vorbei. Ich meinte nicht "Alltagssituationen". Ich weiß ohnehin nicht, was "Alltag" ist, also in Opposition zu was. Ich schrieb:
closs hat geschrieben: Denn in realen Entscheidungsprozessen spielt immer alles gleichzeitig mit hinein
Und hatte mich da auf die Begriffsgegensätze Materialismus/Idealismus und Welt/Geist bezogen.

Bevor ich mich hier verfranse - bin grad in Gefahr ;) -, breche ich da mal ab. Mut zur Lücke! :D


Naqual hat geschrieben:Habe aber den Universalienstreit nie wirklich kapiert
Ehrlich gesagt, habe ich da eine viel einfachere Charakterisierung im Kopf als die, die closs erklärt.
Ich glaube, in einer Philosophie-Vorlesung hat man uns das so erklärt:

Nimm "Vogel". Da gibt es den Begriff Vogel und den realen Vogel, welchletzterer da oben rumflattert.
Was nun hat mehr Substanz, mehr Sein, mehr Göttlichkeit? Der Begriff oder der reale Vogel?

Der Realist sagt: Der Begriff. Der hat das echte Sein. Der reale Vogel hingegen ist weniger bedeutsam.
Der Nominalist sagt genau das Gegenteil.

Und hier eben wurden sowohl Plato als auch Aristoteles nach meinem Dafürhalten verflacht.
Und der Positivismusstreit ist noch wieder anders als der Universalienstreit.

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#54 Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von closs » Mo 17. Aug 2015, 21:31

Savonlinna hat geschrieben:Der Realist sagt: Der Begriff. Der hat das echte Sein. Der reale Vogel hingegen ist weniger bedeutsam.
Wir haben das etwas anders gelernt:

Der "Realist" sagt, dass der reale Vogel bedeutsam ist, weil er Abbild des echten Seins ist. - Konkret würde dies bedeuten, dass der "Realist" einen perfekten Roboter-Vogel als nicht bedeutsam verstehen könnte - da dieser nicht Abbild des echten Seins ist.

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#55 Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von closs » Mo 17. Aug 2015, 21:43

Pluto hat geschrieben:Und welche ist die richtige Deutung?
Beide können richtig oder falsch sein.

Pluto hat geschrieben:Das klingt mir sehr nach einem ungerechtfertigten Versuch eines "Mundpflasters", um die Stimme der HKM zu zensieren.
Nein - beide beschäftigen sich mit kategorial unterschiedlichen Dingen.

So wie der Farmer viel über Wiesen, Weiden, Wetter und Krankheiten seiner Rinder sagen kann und ein Koch viel über die Zubereitung von Beef sagen und deren Kombination mit Gemüse und Weinen. - Beide sprechen vom selben Tier, aber aus ganz anderer Perspektive. - Das Problem kommt dann - und da dieses Problem scheint mehr bei der HKM zu liegen - wenn ein Farmer Vorträge über Haute Cuisine hält. Dann kann das "Mundpflaster" schon mal kommen.

HKM ist EINE Grundlage der Theologie wie die Rinder-Weide EINE Grundlage für die Haute Cuisine ist. - Aber Farmerei und Kocherei sind trotzdem zwei paar Stiefel.

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Savonlinna
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#56 Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von Savonlinna » Mo 17. Aug 2015, 22:17

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Der Realist sagt: Der Begriff. Der hat das echte Sein. Der reale Vogel hingegen ist weniger bedeutsam.
Wir haben das etwas anders gelernt:

Der "Realist" sagt, dass der reale Vogel bedeutsam ist, weil er Abbild des echten Seins ist. - Konkret würde dies bedeuten, dass der "Realist" einen perfekten Roboter-Vogel als nicht bedeutsam verstehen könnte - da dieser nicht Abbild des echten Seins ist.

Ich zitiere mal aus "Kleine Weltgeschichte der Philosophie" von Hans-Joachim Störig, Stuttgart 1969, S.205:

Störig hat geschrieben:Zwei Ansichten stehen sich (zunächst) schroff gegenüber. Die eine Richtung, die dem Allgemeinen die höhere Wirklichkeit gegenüber dem Einzelnen zuerkennt, wird Realismus genannt. Der anderen sind nur die Einzeldinge wirklich; die allgemeinen Begriffe sind ihr nicht in der Wirklichkeit, sondern nur in unserem Intellekt vorhanden, sie sind bloße Namen.

Ich denke, diese Art Gegensatz hat der Positivismusstreit nicht übernommen. Es lohnt sich, den Unterschied zwischen beiden "Streiten" zu berücksichtigen.

Ich glaube aber, für das Threadthema wäre mehr die Frage relevant:
Woran sind die uns bekannten Ideologien gescheitert?

Naqual hat da ja schon angefangen.
Er meint, dass sowohl der DDR-Marxismus als auch das Christentum sich an ihrem Ideal mehr oder weniger verhoben haben. Sie seien an ihrem hohen Anspruch gescheitert.

Nehme ich den DDR-Marxismus, so sehe ich da eher andere Aspekte.
Beispiel:
Ein Junge unserer Klasse war "abgehauen" mit seiner Familie, "hat rübergemacht".

Unsere Lehrerin fragte uns danach über ihn aus: ob er bestimmte "Führereigenschaften" gehabt habe, dominant gewesen sei, uns habe "beherrschen" wollen.
Sie war offenbar der Meinung, die ehrlichen Arbeiter ohne Herrscherallüren würden in der DDR sein, und die miesen Führertypen würden in das Land des Kapitalismus streben, wo schon die anderen ehemaligen Führertypen der Nazizeit sich sammelten.

Das ist in meinen Augen ein verqueres Schwarz-Weiß-Denken, das blind macht für die Realität.
Das charakterisiert für mich Ideologie überhaupt - Ideologie ist immer irgendwie irrational, hat sich ein eigenes Menschensystem zurechtgemacht, das sich von der Realität nicht mehr korrigieren lässt.

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#57 Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von closs » Mo 17. Aug 2015, 22:45

Savonlinna hat geschrieben:Ideologie ist immer irgendwie irrational, hat sich ein eigenes Menschensystem zurechtgemacht, das sich von der Realität nicht mehr korrigieren lässt.
Sehe ich genauso. - Das Problem dabei: Ideologie hält sich selber immer für DEN autorisierten Statthalter für "Realität".

Das heisst folglich: Ideologie ist immer mit Selbst-Immunisierung verbunden. Unterstützt wird dies durch ein Denk-System, das in sich selber folgerichtig ist - nur: Solche Systeme gibt es genauso viele wie Ideologien. - Wir haben also einen Teufelskreis. - Der Ausweg aus Teufelskreisen geht meistens über Leid - insofern ist Leid ein System-Brecher.

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Savonlinna
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#58 Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von Savonlinna » Mo 17. Aug 2015, 22:58

closs hat geschrieben:insofern ist Leid ein System-Brecher.
Wo haste denn den Satz aufgeschnappt. Der ist ja richtig genial. :clap: :thumbup:

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#59 Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von Pluto » Mo 17. Aug 2015, 23:12

closs hat geschrieben:Das Problem kommt dann - und da dieses Problem scheint mehr bei der HKM zu liegen - wenn ein Farmer Vorträge über Haute Cuisine hält. Dann kann das "Mundpflaster" schon mal kommen.
Und das sagst du obwohl sich die HKM der Methodik des Kritischen Rationalismus verpflichtet hat, und du selbst sagtest,
closs hat geschrieben:KR als Methodik (und nichts anderes) steht außerhalb jeglicher Kritik.

closs hat geschrieben:HKM ist EINE Grundlage der Theologie.
Wichtiger ist, die Grundlage der HKM ist der Kritische Rationalismus.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#60 Re: (Historische) Betrachtung verschied. Ideologien

Beitrag von Pluto » Mo 17. Aug 2015, 23:13

Savonlinna hat geschrieben:
closs hat geschrieben:insofern ist Leid ein System-Brecher.
Wo haste denn den Satz aufgeschnappt. Der ist ja richtig genial. :clap: :thumbup:
Verstehe ich nicht. :(

Wenn ich mir das Jemand bitte erklären könnte...
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