Muss man an die Wissenschaft glauben?

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Pluto
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#31 Re: Muss man an die Wisseschaft glauben?

Beitrag von Pluto » Mo 13. Okt 2014, 13:55

ThomasM hat geschrieben:Es ist eine Tatsache, dass bereits im alten Griechenland, in China, in Indien, in den islamischen Staaten usw. lange vor der naturwissenschaftlichen Revolution in Europa Ergebnisse auf Grund der naturwissenschaftlichen Methoden erzeugt wurden und Berühmtheit erlangten. Die Logik hatte bereits eine lange Tradition und war sehr geachtet. Experimentelle Nachweise waren völlig normal.

Warum wohl, lieber Pluto, waren das Einzelereignisse, ohne Einfluss auf die Gesellschaft, ohne Wirkung für die Zukunft, ohne Folgerungen für die gesellschaftliche Entwicklung?
Und wenn du einen Grund gefunden hast, meinst du nicht, dass es in Europa dazu kommen könnte, dass genau diese Gründe auch bei uns wieder gelten?
Der Grund warum wir in Europa eine gesellschaftliche Entwicklung erfuhren, liegt in der politischen Zersplitterung des Kontinents. Wissenschaft muss fianziert werden, und das erfordert das Interesse eines einflussreichen Sponsors. In den von dir erwähnten Ländern gab es kein Interesse an solchen Vorhaben und sie zerliefen im Sand. China war zu groß, der Kaiser zu mächtig; Indien zu zersplittert. Vieles was die Griechen entwickelten wurde erhalten und ist uns heute noch wertvoll.

Columbus war ein Italiener aus Genua. Seine Idee die Westroute nach Asien zu erschließen unterbreitete er zunächst am portugiesischen Hof, wurde aber abgewiesen. Er fand schließlich bei der Konkurrenz, dem spanischen König, einen Mäzen der die finanzielle Unterstützung zusicherte, die er brauchte um seine Reise anzutreten.

Das Beispiel Columbus betont wieder mal die Wichtigkeit (a) des Forschungsgeistes, (b) die Finanzierung von zielgerichteten Forschungsvorhaben, und (c) das menschliche Konkurrenzdenken auch in der Wissenschaft.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Samantha

#32 Re: Muss man an die Wissenschaft glauben?

Beitrag von Samantha » Mo 13. Okt 2014, 14:47

War Wissenschaft immer objektiv bzw. sollte sie es sein?
Ist eine ideale Darstellung wirklich real?

Objektivität ist nur noch eine Tugend unter anderen, mit deren Hilfe Wissenschaftler nach Wahrheit streben.
Das Ende der Objektivität

Pluto
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#33 Re: Muss man an die Wissenschaft glauben?

Beitrag von Pluto » Mo 13. Okt 2014, 14:59

Samantha hat geschrieben:War Wissenschaft immer objektiv bzw. sollte sie es sein?
Ist eine ideale Darstellung wirklich real?

Objektivität ist nur noch eine Tugend unter anderen, mit deren Hilfe Wissenschaftler nach Wahrheit streben.
Ich denke da ist echt was dran!

Wissenschaft ist tatsächlich viel mehr als nur Objektivität. Ich denke da passt Karl Poppers Aussage sehr gut:
"Das Ziel der Wissenschaft ist ... die Wahrheit: Wissenschaft ist Wahrheitssuche.
Und wenn wir auch nie wissen können, ob wir dieses Ziel erreicht haben, so können wir dennoch gute Gründe für die Vermutung haben, daß wir unserem Ziel, der Wahrheit, nähergekommen sind".
Quelle: Karl R. Popper, "Auf der Suche nach einer besseren Welt" (München 1984) 51f.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

ThomasM
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#34 Re: Muss man an die Wissenschaft glauben?

Beitrag von ThomasM » Mo 13. Okt 2014, 15:02

Samantha hat geschrieben:War Wissenschaft immer objektiv bzw. sollte sie es sein?
Ist eine ideale Darstellung wirklich real?
Da Wissenschaft von Menschen betrieben wird und Menschen nicht objektiv sind, ist Wissenschaft niemals rein objektiv gewesen und ist auch heute nicht rein objektiv.
Objektivität ist ein Ziel von Wissenschaft und es muss mit Hilfe der Methode abgesichert werden (so weit es eben geht), dass sie erreicht wird.
Da, wo man diese Mechanismen unterläuft (beispielsweise bei der "christlichen Geologie" in den USA), da wird die Wissenschaft selber zerstört.

Gruß
Thomas
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Samantha

#35 Re: Muss man an die Wissenschaft glauben?

Beitrag von Samantha » Mo 13. Okt 2014, 15:08

Die Aussage: Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse beruhen nur auf Glauben., erregte vor einigen Jahren Aufsehen in der Presse, als zwei physikalisch-qualifizierte Fachjournalisten das Buch Was zu bezweifeln war veröffentlichten.[47] Philipp Frank – ein österreichischer Philosoph, Mathematiker und Physiker - benannte ähnliches: Das, was Physiker experimentell wahrnehmen, entspricht, so Frank, keiner außerhalb ihrer Wahrnehmungen existierenden Wirklichkeit. Die ältere Behauptung Werner Heisenbergs von 1930, dass der Beobachter eines Experimentes immer nur sich selber im Kontext des Experimentes beobachten könne und so Objektivität fragwürdig werde, wird damit wieder aufgegriffen. Wenn dies zutrifft, dann fehlt auch für die Naturwissenschaften – wie für die Geistes- u. Kulturwissenschaften beschrieben - eine wichtige Bedingung für Objektivität: nämlich die Unabhängigkeit vom Subjekt.[48]
Objektivität der Naturwissenschaften

ThomasM
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#36 Re: Muss man an die Wissenschaft glauben?

Beitrag von ThomasM » Mo 13. Okt 2014, 16:24

Ein weiteres Problem ist das Folgende:

Um ein Experiment oder seine Daten zu verstehen ist ein teilweise hochgradiges Fachwissen nötig.
Bereits bei einfachen naturwissenschaftlichen Zusammenhängen ist meisten eine gute Schulausbildung Oberstufenniveau notwendig. Um z.B. die Newtonschen Gesetze zu verstehen (beispielweise die Behauptung, dass die Gravitationskraft nur von der Masse und nicht von der Form eines Körpers abhängt), muss man einiges an Mathematik verstehen und auch mit Formeln hantieren können. Ein gewisses Abstraktionsvermögen ist auch notwendig.

Aber je spezieller die Phänomene sind, desto weniger Menschen sind in der Lage, diese wirklich zu beurteilen. Bereits bei Dingen wie die Quantenmechanik oder gar die Quantenfeldtheorie ist die Zahl der Menschen, die diese Modelle noch beurteilen können, extrem klein.

Geht es um die Daten in Experimenten wie beim CERN, dann schrumpft die Zahl der Menschen auf vielleicht 2-3, denn obwohl die Kollaborationen, die diese Messungen betreuen, in der Regel mehrere hundert Personen umfassen, so ist doch jeder nur ein Zahnrad ohne wirklichen Überblick über das gesamte Experiment. Den Überblick haben (wenn überhaupt) nur wenige Mitarbeiter.

Wie objektiv ist eine Messung, die nur von wenigen einzelnen Menschen verstanden und wirklich beurteilt werden kann?

Man kann in die Organisation vertrauen, dass diese Objektivität und Nachprüfbarkeit garantiert (und tut dies auch), aber was, wenn das Vertrauen verschwindet?

Gruß
Thomas
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#37 Re: Muss man an die Wissenschaft glauben?

Beitrag von Scrypt0n » Mo 13. Okt 2014, 18:21

Samantha hat geschrieben:
Die Aussage: Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse beruhen nur auf Glauben., erregte vor einigen Jahren Aufsehen in der Presse, als zwei physikalisch-qualifizierte Fachjournalisten das Buch Was zu bezweifeln war veröffentlichten.[47] Philipp Frank – ein österreichischer Philosoph, Mathematiker und Physiker - benannte ähnliches: Das, was Physiker experimentell wahrnehmen, entspricht, so Frank, keiner außerhalb ihrer Wahrnehmungen existierenden Wirklichkeit. Die ältere Behauptung Werner Heisenbergs von 1930, dass der Beobachter eines Experimentes immer nur sich selber im Kontext des Experimentes beobachten könne und so Objektivität fragwürdig werde, wird damit wieder aufgegriffen. Wenn dies zutrifft, dann fehlt auch für die Naturwissenschaften – wie für die Geistes- u. Kulturwissenschaften beschrieben - eine wichtige Bedingung für Objektivität: nämlich die Unabhängigkeit vom Subjekt.[48]
Objektivität der Naturwissenschaften
Die Behauptung, auch Wissenschaft sei ein Glaube stimmt nicht. Um eben zu verhindern, dass die Überzeugung eines Wissenschaftlers seine Ergebnisse beeinträchtigt, werden Theorien von vielen unterschiedlichen Leuten immer wieder geprüft, um den Glaubens-/Überzeugungs-Effekt auszuschalten und deshalb auch oft verworfen.

Ein Glaube verifiziert seine Aussage anhand einer ethnischen Geschichte, einer Gesellschaftsstruktur, einer Ethik, kurz gesagt an Inhalten einer kulturellen Zugehörigkeit. Dabei wird oft auf Falsifikation verzichtet und es kommt zur Bildung von Dogmen.
Beispiele für Dogmen sind zum Beispiel der Umgang der katholischen Kirche oder des Islam mit Frauen und Homosexuellen.
Ein Gegenbeispiel wären die zahlreichen geschehenen Reformen, zum Beispiel die Reform schlechthin, die Reformation (auch wenn diese ebenso als Fundamentalismus gesehen werde kann)

Die Wissenschaft hingegen sieht es genau andersherum, denn Wissenschaft basiert auf der Falsifikation, nicht der Verifikation, ihrer eigenen Aussagen. Hier setzt sich die Haltung durch, die der Befundlage am wenigsten wiederspricht, d.h. am besten konsistent mit ihr ist.

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#38 Re: Muss man an die Wissenschaft glauben?

Beitrag von closs » Mo 13. Okt 2014, 19:55

Scrypt0n hat geschrieben:Die Behauptung, auch Wissenschaft sei ein Glaube stimmt nicht.
Innerhalb des wissenschaftlichen Systems ist es ja auch nicht so - wie es Heisenberg meint, weiß ich allerdings nicht. - Vielleicht hat er das bezüglich QM gemeint.

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#39 Re: Muss man an die Wissenschaft glauben?

Beitrag von Scrypt0n » Mo 13. Okt 2014, 19:59

closs hat geschrieben:
Scrypt0n hat geschrieben:Die Behauptung, auch Wissenschaft sei ein Glaube stimmt nicht.
Innerhalb des wissenschaftlichen Systems ist es ja auch nicht so
Ergo in keinem System - außer in kurtischen Gedankenwelten natürlich.

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#40 Re: Muss man an die Wissenschaft glauben?

Beitrag von closs » Mo 13. Okt 2014, 20:10

Scrypt0n hat geschrieben:Ergo in keinem System
Wenn ich Dich richtig verstehe: Ja. - Systeme sind Versuche, zutreffende Wahrnehmung oder nicht-zutreffende Wahrnehmungen zu ordnen - mehr nicht.

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