Beschreibt die Naturwissenschaft die Welt?

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Andreas
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#31 Re: Beschreibt die Naturwissenschaft die Welt?

Beitrag von Andreas » Do 12. Jun 2014, 16:59

Pluto hat geschrieben:Ontologie ist ein vielseitiges Wort mit unterschiedlichen Bedeutungen in uterschiedlichen akademischen Disziplinen:

1. In der Metaphysik: Die Erforschung des Seins ("Was der Fall ist")
2. In der Philosophie: Eine Theorie der fundamentalen Bausteine (Entitäten) im Universum.
3. In der Logik: Eine Klassifizierung der Entitäen der Welt.
4. In der Informatik: Ein System Modell, dass eine Struktur innerhalb einer nach Beziehungen organiserten Domäne beschreibt.
Und welche Bedeutung hat "Ontologie" in der Naturwissenschaft?

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Andreas
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#32 Re: Beschreibt die Naturwissenschaft die Welt?

Beitrag von Andreas » Do 12. Jun 2014, 17:09

Pluto hat geschrieben:In der Naturwissenschaft folgt man der Methode des ontologischen Naturalismus. Dazu muss man natürlich definieren was "ontologisch" ist.
Ontologie wird in der theoretischen Philosophie verwendet um das "Sein" zu beschreiben. Mit dem Begriff lassen sich folgende Fragen beantworten:
• Was existiert? (Was "ist der Fall"?)
• Wie lassen sich existierende Dinge einteilen (kategorisieren)?
• Was ist die Bedeutung von "Sein"?
• Welche Arten des Seins gibt es?

Das sind für mich Fragen, die man ohne Weiteres mit der Naturwissenschaft beantworten kann.
Und, was sind die Ergebnisse der Naturwissenschaft? Wie sehen ihre Antworten dazu aus?
Was existiert? (Was ist der Fall?)
Was ist die Bedeutung "des Seins eines Atoms?" "Des Seins einer Eiche?", "Des Seins des Menschen?"
Welche Arten des Seins gibt es?

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Andreas
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#33 Re: Beschreibt die Naturwissenschaft die Welt?

Beitrag von Andreas » Do 12. Jun 2014, 17:15

barbara hat geschrieben:
Das ist insofern wichtig, weil ja der Mensch selbst Objekt der Naturwissenschaft ist.

Schon, aber nur dessen quanititative Aspekte. Der Naturwissenschaftler kann elektrische Vorgänge im Gehirn messen oder Hormone im Blut nachweisen - Verliebtheit wird er nie finden.

Hat der Mensch Wahrnehmungsmöglichkeiten, die noch nicht naturwissenschaftlich wahrgenommen und gemessen worden sind?

ja schon.

Die Wissenschaft ist noch längst nicht an ihrem Ende angelangt, sondern hat noch ganze Reihen von Rätseln zu lösen.

gruss, barbara
Wer wird Fußballweltmeister 2014? Auch dazu kann die Naturwissenschaft keine Prognose abgeben. Hawking hat sich damit beschäftigt - aber was kommt dabei raus?

closs
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#34 Re: Beschreibt die Naturwissenschaft die Welt?

Beitrag von closs » Do 12. Jun 2014, 17:19

Andreas hat geschrieben:Gibt es in der Naturwissenschaft eine von der Naturwissenschaft berufene Abteilung, welche aus den vielen naturwissenschaftlichen Einzelbeschreibungen DER NATUR eine (?) ERKLÄRUNG (?) DER WELT macht? Kann ich mir nicht vorstellen.
Ich auch nicht - aber es scheint Usus zu sein, weil man als Wissenschaftler geneigt ist, ein naturalistisches Weltbild zu haben: "Der Naturalismus ist die Auffassung, dass die Welt als rein naturhaftes Geschehen zu begreifen ist. Diese Annahme, die oft auch durch den Spruch Alles ist Natur pointiert wird, lässt für sich genommen offen, wie der Begriff der Natur zu umgrenzen ist. Versteht man unter „Natur“ allein die physische Natur, so ergibt sich aus dem Spruch Alles ist Natur eine materialistische oder physikalistische Position. Derartige Theorien vertreten, dass auch der Geist oder das Bewusstsein Teil der physischen Natur sei oder, alternativ, gar nicht oder höchstens als Illusion existiere".

Deshalb die ständige Vermischung, weil ein (buchstäblich) un-disziplinierten Zusammenhang zwischen Handwerk (Naturwissenschaft) und Weltanschauung (Naturalismus) hergestellt wird - ein konkretes Beispiel:

Wir hatten beim ultralangen Thread zur Homöopathie (ich werde mich hier NICHT zu HP äußern) ständig folgendes Porblem: Die (klassische) Naturwissenschaft sagt: "Wir können mit unseren Mitteln nicht feststellen, dass HP wirkt". - Das ist eine glaubhafte und gewichtige Aussage. - Bei dieser Aussage müsste es aber bleiben. - Es darf NICHT heissen: A) "Wir können nachweisen, dass es keine Wirkung gibt". - Es muss dagegen heissen: B)"Wir können keine Wirkung nachweisen".

B) ist bereits eine Überschreitung naturwissenschaftlicher Kompetenz. Man kann allenfalls sagen: "Wir können nachweisen, dass es gemäß unserer Methodik keine Wirkung gibt". - Naturwissenschaft darf also nur Ergebnisse ihres methodischen Vorgehens anhand von Objekten (hier HP) festhalten - also nur methodisch gestützte Wahrnehmungs-Aussagen, nicht aber ontologische Aussagen treffen - gegen diese Grundregel scheint ständig verstoßen zu werden.

Insofern gibt es sehr wohl Grenzüberschreitungen im Sinne Deiner Fragestellung.

ThomasM
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#35 Re: Beschreibt die Naturwissenschaft die Welt?

Beitrag von ThomasM » Do 12. Jun 2014, 17:25

Andreas hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:In der Naturwissenschaft folgt man der Methode des ontologischen Naturalismus. Dazu muss man natürlich definieren was "ontologisch" ist.
Ontologie wird in der theoretischen Philosophie verwendet um das "Sein" zu beschreiben. Mit dem Begriff lassen sich folgende Fragen beantworten:
• Was existiert? (Was "ist der Fall"?)
• Wie lassen sich existierende Dinge einteilen (kategorisieren)?
• Was ist die Bedeutung von "Sein"?
• Welche Arten des Seins gibt es?

Das sind für mich Fragen, die man ohne Weiteres mit der Naturwissenschaft beantworten kann.
Und, was sind die Ergebnisse der Naturwissenschaft? Wie sehen ihre Antworten dazu aus?
Was existiert? (Was ist der Fall?)
Was ist die Bedeutung "des Seins eines Atoms?" "Des Seins einer Eiche?", "Des Seins des Menschen?"
Welche Arten des Seins gibt es?
Ich denke, dass die Naturwissenschaft gescheitert ist, die Fragen zu beantworten.

Pluto hat insofern Recht, als zu Beginn in der Zeit der klassischen Naturwissenschaft, diese mit dem Anspruch angetreten ist, das Sein zu beschreiben.
Dabei ist sie allerdings davon ausgegangen, dass die Elemente, die sie für die Beschreibung verwendet, ebenfalls zum Sein gehören, hat also den Objekten der Beschreibung eine objektive Realität gegeben (z.B. einer Kraft)

Es hat sich aber immer mehr herausgestellt, dass dieser Anspruch zu hoch ist.
Zwar beschreibt die Naturwissenschaft immer noch das Sein (durch Abgleich mit Experimenten).
Aber es muss inzwischen bezweifelt werden, ob die Elemente der Beschreibung eine eigene Qualität des Seins inne haben.

Daher ist der Begriff des Modells so wichtig geworden.

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

R.F.
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#36 Re: Beschreibt die Naturwissenschaft die Welt?

Beitrag von R.F. » Do 12. Jun 2014, 17:29

Andreas hat geschrieben: - - -
Was ist die Bedeutung "des Seins eines Atoms?" "Des Seins einer Eiche?", "Des Seins des Menschen?"
Welche Arten des Seins gibt es?
Hätte Jesus Seine Bergpredigt in einem derart geistreichen Jargon gehalten, Er wäre im Nu allein auf dem Berg gestanden...

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Andreas
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#37 Re: Beschreibt die Naturwissenschaft die Welt?

Beitrag von Andreas » Do 12. Jun 2014, 17:35

ThomasM hat geschrieben:Ich denke, dass die Naturwissenschaft gescheitert ist, die Fragen zu beantworten.
Das tut doch aber den grandiosen Leistungen ihrer naturwissenschaftlichen Beschreibungen der Natur keinen Abbruch. Davon hat die Menschheit bei richtiger Anwendung doch erheblichen Nutzen.

closs
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#38 Re: Beschreibt die Naturwissenschaft die Welt?

Beitrag von closs » Do 12. Jun 2014, 17:38

R.F. hat geschrieben:Hätte Jesus Seine Bergpredigt in einem derart geistreichen Jargon gehalten, Er wäre im Nu allein auf dem Berg gestanden...
Das ist richtig und genau :!: der Grund, warum man biblische Aussagen als verstehbare Chiffren fürs Volk verstehen muss, also nicht wörtlich. :!:

Andreas hat geschrieben:Das tut doch aber der grandiosen Leistungen ihrer naturwissenschaftlichen Beschreibungen der Natur keinen Abbruch.
Überhaupt nicht - aber es erinnert sie daran, dass sie diszipliniert mit ihrer Disziplin umgehen sollte und bei ihren Leisten bleibt - also keine ontologischen Aussagen trifft. - Dann ist nämlich der Mischmasch-Spuk aus Naturwissenschaft und Naturalismus mit einem Schlag beendet.

Pluto
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#39 Re: Beschreibt die Naturwissenschaft die Welt?

Beitrag von Pluto » Do 12. Jun 2014, 17:46

Andreas hat geschrieben:Und, was sind die Ergebnisse der Naturwissenschaft? Wie sehen ihre Antworten dazu aus?
Andreas hat geschrieben:Was existiert? (Was ist der Fall?)
Wenn man den Leitlinien des ontologischen Naturalismus folgt, dann sind das beliebig reprduzierbare und überprüfbare Wahrnehmungen.

Was ist die Bedeutung "des Seins eines Atoms?" "Des Seins einer Eiche?", "Des Seins des Menschen?"
Alle Dinge im Universum existieren, weil ihre Existenz durch die Naturgesetze erlaubt ist.

Welche Arten des Seins gibt es?
Physische und Geistige (Ideen, Empfindungen, Erfahrungen, etc.).

Der ontologische Naturalismus ist ein notwendiges philosophisches "Regelwerk" für die Naturwissenschaft (wohl auch deshalb, weil er "funktioniert"). Man sollte ihn nicht mit einem ideologischen Materialismus verwechseln, der apodiktisch die Existenz übernatürlicher Dinge ausschließt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#40 Re: Beschreibt die Naturwissenschaft die Welt?

Beitrag von Pluto » Do 12. Jun 2014, 18:09

closs hat geschrieben: Dann ist nämlich der Mischmasch-Spuk aus Naturwissenschaft und Naturalismus mit einem Schlag beendet.
Ich empehle dir dringend die Lektüre des Artikels as dem Stanford Encylopedia of Philosophy zum Thema Ontological Naturalism
Wie dir sicher bekannt ist, ist die Stanford Universität Standort einer der weltweit führenden philosophischen Fakultäten. Mit anderen Worten, sie gehören zu den anerkannten Experten in der modernen Philosophie. Artikel in ihrer Enzyklopedie kann man wahrlich nicht als Mischmasch-Spuk bezeichnen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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