Das Gehirn und unser Bewusstsein.

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Savonlinna
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#251 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Savonlinna » Do 16. Apr 2015, 15:18

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:
closs hat geschrieben:[...]
Auf jeden Fall scheinst Du das gleiche Unbehagen zu haben wie ich, wenn man "warum" auf das Kausale reduziert.
Erst mal, Zustimmung!
Es ist aber ein Phänomen unserer Sprache, dass "warum" Fragen oft verkappte "wie" Fragen sind. So als Beispiel: "Warum gibt es in der Natur eine solche Vielfalt der Arten?", ist eigentlich die Frage: "Wie ist die Vielfalt der Arten entstanden?". Letztere Frage lässt sich mit Modellen (Theorien) sehr wohl kausal, naturwissenschaftlich klären. .

Und darum läge diesen "wie"-Fragen ebenfalls ein kausales Denken zugrunde.
Andere Menschen aber haben andere Fragen, die von der Naturwissenschaft - durch ihre Selbstbeschränkung bezüglich ihrer Zuständigkeit und daraus resultierend ihrer Methodik - weder gestellt noch beantwortet werden können.

Es könnte sein, dass naturwissenschaftlich geschulte Menschen anders als kausal nicht mehr denken können. Was ich allerdings schade fände. Aber zm Glück haben wir ja auch andere Wissenschaften.


Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Aber die Überlegungen von Thomas haben mich überhaupt erst darauf gebracht, dass wir "warum" auch anders verstehen als kausal.
Ja. Echte "warum" Fragen sind nicht kausal. "Warum gibt es etwas und nicht nichts?" ist eine solche akausale Frage, die als Solche von Augustinus gestellt wurde, und ihn dazu bewegte, Gott als Erstbeweger zu definieren.
Das ist aber ein Beispiel, dass suggerieren könnte - will ich aber nicht unterstellen -, dass solche Fragen zu Gott führen müssen.
Müssen sie aber nicht, weil "Gott" eben auch ein Konstrukt ist, das so vielfältig ist wie "Natur" und "Mensch".

Im Übrigen ist für mich diese Frage "Warum gibt es etwas und nicht nichts" mittels der Sprachwissenschaft zu beantworten. Denn "ist" ist ein Wort aus dem sprachlichen System. Manche Sprachen haben kein "ist", und deren Mitglieder hätten solche philosophischen Fragen auch nicht.
So viele philosophische Fragestellungen brechen in sich zusammen, wenn man einmal erfasst - und akzeptieren kann -, dass sie nur aus der Sprache erwachsen sind. Es sind Scheinprobleme. Habe ich selber schmerzlich - und gleichzeitig befreiend - begreifen müssen.


Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ich fürchte, dass wir über Jahrhunderte von der Naturwissenschaft mental geprägt wurden, sodass wir tatsächlich ständig Ereignisse kausal in Zusammenhang zu bringen suchen und die Dinge auch so wahrnehmen.
Dass Naturwissenschaft unser Leben prägt, ist doch eigentlich verständlich, ist sie doch die Kraft die die Entwicklung der Zivilisation (im Guten und im Schlechten) vorantreibt.
Mir ging es nicht darum, ob etwas verständlich ist. Sondern darum, was man gegen eine solche mentale Reduzierung tun kann.

Verständlich finde ich, wenn naturwissenschaftlich Interessierte nur noch kausal denken können. Ich bewerte das nicht, ich suche eigentlich nur nach Zusammenhangen. Aber der Kampf gegen die, die nicht nur kausal denken, ist mitunter sehr heftig.
Das bringt einen aber immerhin dazu, darüber nachzudenken, wie das nicht-kausale Denken, das vermutlich Teil eines jeden Menschen ist, eigentlich beschaffen ist.

ThomasM
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#252 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von ThomasM » Do 16. Apr 2015, 16:28

Hallo Savolinna
Savonlinna hat geschrieben: In der Regel besteht dieses "Raster" aus mindestens drei Komponenten:
a. die eigene Kultur und die eigene Zeitepoche
b. die persönlichen Voraussetzungen
c. das persönliche Interesse an dem Werk

Dieser drei Dinge sollte sich der Untersuchende also bewusst zu werden suchen und deutlich auf den Tisch legen.
...
Eco nennt das "Werkintention", im Gegensatz zur "Autorenintention".
Danke für diese Darstellung aus der Literaturwissenschaft, das finde ich sehr interessant und auch einsichtig.
Ich möchte nun ein paar kühne Analogieschlüsse ziehen (ohne sicher zu sein, ob das zulässig ist)

Die "Werkintention" sollte ja eigentlich "objektiv" sein, d.h. unabhängig von Zeit und Literaturforscher. Doch wer kennt die Werkintention?
Ja eigentlich nur der Autor. Aber was, wenn er schon tot ist? Oder wenn er Dinge in sein Werk gelegt hat, deren er sich selbst nicht bewusst war?
Kann ich die Werkintention irgendwie "messen" oder feststellen?

Nun mache ich den kühnen Analogiesprung zur Naturwissenschaft.
Die Werkintention sind die natürlichen Prozesse und Abläufe. Sie bestimmen, was läuft und wie es läuft. Autor des Werkes ist "die Natur" und die hat den Vorteil, dass sie immer da ist und immer dieselben Antworten gibt. Wenn ich etwas über die Werkintention der Natur erfahren will, dann muss ich sie einfach fragen. Nennen wir das Experiment.

Bei der Autorenintention sollte sich ein guter Interpret über die drei von dir genannten Komponenten klar sein. Aber viele Menschen sind sich ihrer eigenen Motive überhaupt nicht klar, auch hier im Forum finden sich da so einige. Aber nun gut. Klar ist, dass die Interpretation des Werkes damit von Zeitepoche zu Zeitepoche unterschiedlich ist. Das begründet die Subjektivität von Werkbeurteilungen.
Zumindest sollte sich ein guter Interpret darüber klar sein, dass er nicht behaupten sollte, dass "seine Interpretation die einzig richtige ist"

Wieder der kühne Analogiesprung:
Im Gegensatz zur Meinung von zu vielen hier gibt es auch in der Naturwissenschaft die Autorenintention. Das sind die Modelle, die benutzt werden, um die Naturvorgänge zu analysieren und zu verstehen. Diese Modelle sind abhängig von der Zeitepoche, von den persönlichen Voraussetzungen und auch von den persönlichen Interessen dessen, der das Modell formuliert hat.
Die Subjektivierende Wirkung dieser Autorenintention ist wohl nicht so stark, wie bei der Literatur, aber es fällt z.B. auf, dass es verschiedene Epochen gab, in denen bestimmte Begrifflichkeiten in den Modellen prägend waren.
So war im 18. Jahrhundert die "Stofflichkeit" ein wesentlicher Begriff, z.B. ausgedrückt in der Flogistron Theorie der Verbrennung. Die Denkvorstellungen haben sich eine lange Zeit gehalten.
Im 19. Jahrhundert waren es die Energiefelder, die die Phantasie der Menschen anregte. Dadurch wurden Konzepte entwickelt, die auch heute noch gültig sind, wie elektrisches und magnetisches Feld. Andere Konzepte aus dieser Zeit wurden wieder verworfen, wie die des "Lebensfeldes".
Heutzutage ist der Begriff des "Quent" in aller Munde und wird sehr oft verwendet. Wieder gibt es Situationen, in denen der Begriff sehr gut angebracht werden kann, aber auch solche, wo dessen Anwendung zweifelhaft ist.

Meiner Meinung kommen die Probleme bei der Interpretation der naturwissenschaftlichen Ergebnisse aus diesen Autorenintentionen, also den impliziten Begriffen, die man so benutzt, ohne sich klar zu machen, dass das eine Modellvorstellung ist.
So reden die Leute davon "dass der Raum gekrümmt ist". Dabei ist diese Aussage falsch. Korrekt wäre es zu sagen "Die Experimente verhalten sich so, dass das Nachvollziehen mit einem Modell gekrümmter Raum gute Ergebnisse liefert".

Trotz dieser Analogie gibt es signifikante Unterschiede zwischen der Naturwissenschaft und der Literatur. So sind die Modelle der Naturwissenschaft in Mathematik geschrieben. Das ist so eine Art Universalsprache, die viele objektive Charakteristiken trägt. Das ist so, als wenn Goethe seinen Faust in einer Universalsprache geschrieben hätte. Und es bleibt die Tatsache, dass die Natur immer befragt werden kann.

So weit erst einmal. Denkt man in diesen Analogien, wird es etwas einfacher, die Gemeinsamkeiten, aber auch die Unterschiede zwischen Natur- und Geisteswissenschaften zu verstehen.

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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Savonlinna
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#253 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Savonlinna » Do 16. Apr 2015, 18:34

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:
Rembremerding hat geschrieben: Vom Mensch her gedacht geschieht Wahrnehmung über Sinne und Bewusstsein. Wenn man keine Deutung von Wahrnehmung zulassen würde, dann müsste sie ohne Sinne und Bewusstsein geschehen. Da sind wir dann bald bei der Frage: Macht ein umstürzender Baum ein Geräusch, auch wenn niemand zuhört?
Er macht natürlich kein Geräusch, da er sowieso nie ein Geräusch macht.
Mag sein, dass Niemand es hört, aber Schallwellen entstehen nicht weil Jemand zuhört. Sie sind ein von der Wahrnehmung unabhängiges Phänomen.
Dann ist dieser Satz also falsch? ->

Aus Schwingungen der Trommelfelle konstruiert das Gehirn eine reichhaltige akustische Welt
https://www.dasgehirn.info/wahrnehmen/h ... ngung-2216
Die Schallwellen machen also, wenn ich Deine Aussage richtig verstehe, Geräusche von alleine? Sie bedürfen keines Resonanzkörpers oder Umwandlers in Geräusch?

Rembremerding
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#254 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Rembremerding » Do 16. Apr 2015, 19:05

Pluto hat geschrieben: Mag sein, dass Niemand es hört, aber Schallwellen entstehen nicht weil Jemand zuhört. Sie sind ein von der Wahrnehmung unabhängiges Phänomen.
Es gibt also "Phänomene", die nicht wahrgenommen werden können, die aber doch Realität sind. Interessant, @Pluto, dies aus Deiner Feder zu lesen!

Dann kann man auch fragen: Ist Zucker auch süß, wenn niemand da ist, der ihn schmeckt? :geek:
Oder ist "süß" auch ein Phänomen, dass von der Wahrnehmung unabhängig ist?
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closs
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#255 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von closs » Do 16. Apr 2015, 20:23

Rembremerding hat geschrieben:Oder ist "süß" auch ein Phänomen, dass von der Wahrnehmung unabhängig ist?
Das, was "süß" erscheint, wenn es menschlich wahrgenommen wird, ist "Realität", auch wenn es NICHT menschlich wahrgenommen wird - ganz recht.

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Savonlinna
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#256 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Savonlinna » Do 16. Apr 2015, 20:48

Nur sagte Rememberding etwas anderes, wenn mich nicht alles täuscht.
Und Rememberding sagte etwas anderes als Pluto.
Und Pluto sagte etwas anderes als ich.
Alle sprechen von Verschiedenem. Das ist der moderne Diskurs.
:welcomeani:

closs
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#257 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von closs » Do 16. Apr 2015, 20:57

Savonlinna hat geschrieben:Rememberding
Remember-Ding ist gut. :lol:

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#258 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Rembremerding » Do 16. Apr 2015, 21:02

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Rememberding
Remember-Ding ist gut. :lol:
Alle sprechen von Verschiedenem. Das ist der moderne Diskurs (Savonlinna). :D
Karl Valentin wäre stolz auf uns.
Dieser katholische User ist hier dauerhaft inaktiv

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#259 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Savonlinna » Do 16. Apr 2015, 21:03

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Rememberding
Remember-Ding ist gut. :lol:
Ich hab x-mal hin- und hergeschaltet, um diesen Namen unfallfrei in meinen Text zu kriegen. :roll:

Pluto
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#260 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Pluto » Do 16. Apr 2015, 21:46

Savonlinna hat geschrieben:Dann ist dieser Satz also falsch? ->

Aus Schwingungen der Trommelfelle konstruiert das Gehirn eine reichhaltige akustische Welt
https://www.dasgehirn.info/wahrnehmen/h ... ngung-2216
Die Schallwellen machen also, wenn ich Deine Aussage richtig verstehe, Geräusche von alleine? Sie bedürfen keines Resonanzkörpers oder Umwandlers in Geräusch?
Die Schallwellen treffen auf das Trommelfell und werden in elektrische Impulse verwandelt, die vom Gehirn als Geräusche interpretiert werden.
Ursache für wahrgenommene Geräusche sind Schallwellen die (in deinem Beispiel) von einem umfallenden Baum erzeugt werden.

Alltagssprachlich werde Schallwellen als Geräusche bezeichnet.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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