ThomasM hat geschrieben:Vielleicht formuliert er das Problem, nämlich dass ich A nicht ohne a,b,c,... verstehen kann und a,b,c,... nicht ohne A. Aber er formuliert KEINE Lösung.
Stimmt - denn er formuliert den sogenannten "Hermeneutischen Zirkel" - "Spirale" wäre besser. Das heisst: Die Beschäftigung a, b, c bringt immer mehr Klarheit über A, was dazu führt, dass man im nächsten Schritt a, b,c genauer aussuchen kann, um damit A wiederum ein Stückchen näher zu kommen - usw.
Es ist ein unendliches "Spiel" und somit keine "Lösung", weil man weiss, dass man A nie endgültig, sondern nur immer besser verstehen kann (Analogie: Ehefrau

).
ThomasM hat geschrieben:Das ist genau das, was ich der Geisteswissenschaft - allen voran der Philosophie - vorwerfe, dass sie mit Worten um sich wirft, aber die Bedeutung der Worte nicht erreichen kann.
Das hat genau damit zu tun. - Die Philosophie bedient keine selbst-geschaffenen Modelle, die man 100%ig einlösen kann, sondern baut in ihr Modell des/der "Hermeneutischen Zirkels/Spirale" bereits die Erkenntnis ein, dass das Ziel nicht erreichbar sein KANN.
Im Grunde spieltst Du damit auf die "Ontologische Differenz" von Heidegger an, die scharf zwischen Subjekt (Seiendes) und Objekt (Sein) unterscheidet. Das Sein (Objekt) "ist" demnach nicht eine Vorstellung, die wir von den Dingen haben, sondern unsere Vorstellungen bleiben immer nur Entwürfe des Objekts, selbst dann wenn diese Vorstellungen objektiver Natur sind (Wissenschaft). - Der Kritische Rationalismus mit seiner Vermeidung eines unendlichen Regresses würde somit von Heidegger vermutlich in seiner Eigenschaft als
pragmatische Methodik anerkannt werden, aber NICHT als Philosophie.
Materialistisch ist Heidegger letztlich NICHT zu verstehen (außer im horizontalen Sinn, wenn Subjekt und Objekt auf gleicher Ebene Sind - etwa "Mensch" (Subjekt) und "Stuhl" (Objekt), weil er - genauso wie das Christentum und Hegel - platonisch ist, indem er das Objekt VOR das Subjekt setzt: "Dies bedeutet, dass die Welt nicht aus singulären Objekten besteht, sondern eine sinnhafte Totalität ist, in der sich immer schon Bezüge unter den Dingen ausgebildet haben", steht dazu in wiki. - Und schon sind wir mittendrin im Thema "Reduktionismus oder Holismus".
ThomasM hat geschrieben: Das hat zur Folge, dass die Beschränkung zunächst einmal (tut mir leid, closs) der Materialismus sein muss
Sogar Zustimmung - aus methodischen Gründen ist dies notwendig, wie auch der methodische Atheismus. - Was aber oft dabei übersehen wird: Es hat methodische, also pragmatische (am liebsten würde ich sagen: arbeits-organisatorische) Gründe - philosophisch ist es letztlich NICHT haltbar.
ThomasM hat geschrieben:Damit wäre dann zwar ein ganzheitlicher Ansatz möglich
Verstehe ich nicht. - Woraus bestünde hier "Ganzheitlichkeit?
Ist es nicht gerade so, dass die (notwendige) Beschränkung auf methodisch objektivierbare Parameter Ganzheitlichkeit ausschließt? Denn die Vermeidung des unendlichen Regresses ist doch nur eine Schein-Fixierung, bei der das Subjekt sagt "Ich tue jetzt mal so, als sei mein letzter Erkenntnisstand ein Fixpunkt". - Pragmatisch ist das ok, solange man nicht in Grenzbereiche gerät. - Aber philosophisch sagt es aus "Ich ersetze die Bezüge unter den Dingen durch das, was ich davon erkenne, tausche also das Subjekt mit dem Objekt aus" - das geht nicht. - Wissenschaftlich geht es natürlich, weil Wissenschaft pragmatisch ist - aber gleichzeitig ist darin der Anthropozentrismus der Wissenschaft begründet.
Wissenschaft KANN gar nicht holistisch sein, sondern MUSS reduktiv sein - nur: Die Entscheidungen aus wissenschaftlichen Erkenntnissen müssen von einer Instanz verwertet werden, die zu holistischem Denken befähigt ist. - Genau das ist heute das Problem: Wissenschaftliche Ergebnisse werden eins zu eins zur Grundlage von Entscheidungen herangezogen - weil der Materialismus nichts anderes hat.