Savonlinna hat geschrieben:Auf jeden Fall scheinst Du das gleiche Unbehagen zu haben wie ich, wenn man "warum" auf das Kausale reduziert.
Erst mal, Zustimmung!
Es ist aber ein Phänomen unserer Sprache, dass "warum" Fragen oft verkappte "wie" Fragen sind. So als Beispiel: "Warum gibt es in der Natur eine solche Vielfalt der Arten?", ist eigentlich die Frage: "Wie ist die Vielfalt der Arten entstanden?". Letztere Frage lässt sich mit Modellen (Theorien) sehr wohl kausal, naturwissenschaftlich klären.
Savonlinna hat geschrieben:Aber die Überlegungen von Thomas haben mich überhaupt erst darauf gebracht, dass wir "warum" auch anders verstehen als kausal.
Ja. Echte "warum" Fragen sind nicht kausal. "Warum gibt es etwas und nicht nichts?" ist eine solche akausale Frage, die als Solche von Augustinus gestellt wurde, und ihn dazu bewegte, Gott als Erstbeweger zu definieren.
Savonlinna hat geschrieben:Ich fürchte, dass wir über Jahrhunderte von der Naturwissenschaft mental geprägt wurden, sodass wir tatsächlich ständig Ereignisse kausal in Zusammenhang zu bringen suchen und die Dinge auch so wahrnehmen.
Dass Naturwissenschaft unser Leben prägt, ist doch eigentlich verständlich, ist sie doch die Kraft die die Entwicklung der Zivilisation (im Guten und im Schlechten) vorantreibt.
Savonlinna hat geschrieben:Die zwanghafte Untersuchung von literarischen Werken als kausales Produkt bestimmter sogenannter Ereignisse in Leben der Autoren dieser Werke zeigt das zum Beispiel.
Das macht sich sehr schön in der Biografie von Kant bemerkbar, die ich gerade lese — Kant verbrachte fast sein ganzes Leben in Königsberg, und sein Denken wurde genauso von der Stadt geprägt, wie er auch sein Umfeld mit seinen Büchern und Essays geprägt hat.
Sind wir nicht alle zumindest teilweise vom Umfeld in dem wir leben, geprägt, und beeinflussen mit unseren Handlungen (Vorlieben) unsere Umwelt mit?
Savonlinna hat geschrieben:Der Versuch, die Wahrnehmung von deren Deutung zu lösen, ist aber schwer.
Ich würde noch weiter gehen, und sagen, es ist unmöglich etwas wahrzunehmen, ohne irgendwie eine Erklärung dafür zu suchen. Das liegt doch in unserer Natur.
Savonlinna hat geschrieben:Wenn Du oben schreibst, dass der Mensch "phänomenologisch" wahrnimmt, dann bin ich sehr vorsichtig. Ich möchte nicht von einer Weltanschauung in die nächste fallen. Und nicht von einer fertigen Antwort in die nächste.
Manchmal sind Erklärung schwer, manchmal sogar, nicht zuletzt auf Grund unseres Wissenstandes, unmöglich. Dann sollte wir aber innehalten, und nicht versuchen, Antworten auszudenken, die vielleicht falsch sein könnten. Die Wahrnehmung von Phänomenen ist deshalb aus meiner Sicht ein Balance-Akt, zwischen Physik und Metaphysik.