ThomasM hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:
Hypothese: Menschen stehen in gewissem Sinne auch noch anders in Zusammenhang miteinander, als durch Sichtbares.
Das war der Satz, der mich ins Nachdenken gebracht hat. Was machst du hier? Du stellst hier eine Hypothese über eine Kausalität oder mindestens eine Korrelation auf. Zumindest behauptest du "da ist mehr als Koinzidenz". So etwas bringt Pluto natürlich sofort dazu, nach der Falsifizierbarkeit zu fragen.
Nein. Ich habe keinerlei Kausalität in meine Frage bringen wollen. Woraus liest Du das?
Und es ging mir auch nicht um Koinzidenz. Insofern auch nicht um "mehr als Koinzidenz".
Mein Themenfeld betraf die Projektion. Dass man eben erst einen anderen für X hielt, der gleich danach kam.
Ich fragte nicht, warum X die Straße entlang kam.
Dann muss ich wohl doch nicht eindeutig mein Beispiel gebracht haben, und ich bitte Pluto um Verzeihung; denn ich hielt mein Beispiel für klar beschrieben.
Sicher ist auch das interessamt. Aber daran verhebe ich mich hier erst mal nicht.
Selbst wenn in diesem Falle "warum" da steht, wäre es
kein kausales "Warum".
Das ist wieder die Vieldeutigkeit von Sprache, deren einzelne Bedeutungsebenen man nicht auf nur eine reduzieren darf.
Die Sprache hat noch kein Extra-Wort für das Gemeinte geschaffen, darum bin ich auf "warum" in dem Falle angewiesen.
Das Festnageln auf Wörter und deren eindimensionale Bedeutung verhindert in dem Falle neue Beobachtungen und Fragestellungen.
Wenn man fragt: "Warum musste gerade mein Kind sterben"? dann ist da pro forma ein "warum" drin, aber dieser Verzweiflungsschrei ist nicht kausal gemeint. Darum kann man nicht sagen: Diese Frage sei falsch gestellt, man habe keine fachliche Kompetenz dafür, diese zu beantworten, ja, überhaupt zu haben.
Was dieses "warum" dann ist in diesem Fall, darüber werde ich noch nachdenken. Aber kausal nicht.
Außerdem bin ich nicht sicher, dass nur die Naturwissenschaft das Recht hat, kausale Zusammenhänge zu ergründen.
Es
könnte aber auch stimmen.
Falls es stimmt, hätte ich erstmalig eine Begründung - Achtung, "Begründung" ist formal kausal, aber ich meine keine Kausalität - dafür, warum die Literaturwissenschaft sich daran verhebt, wenn sie Zusammenhänge zwischen der Biographie eines Autors und einem Werk herzustellen sucht: Das Werk sei entstanden, weil der Autor das und das erlebt hat, zum Beispiel.
So dachte der literarische Positivismus des 19. Jahrhunderts, der längst von der Literaturwissenschaft aussortiert ist, aber zur Zeit eine heftige Renaissance bei Literaturfreunden hat, aber auch bei einigen Literaturwissenschaftlern.
ThomasM hat geschrieben:Doch ich stelle hier einmal einen Kernsatz auf, der das Ergebnis meiner Überlegungen darstellt:
Das Formulieren, Feststellen und Untersuchen von kausalen Zusammenhängen, die auch die Basis von Korrelationen sind, ist alleine Aufgabe der Naturwissenschaft.
"Korrelationen" sind von der Naturwissenschaft nicht gepachtet. Und sie hat kein Recht, Zusammenhänge auf kausale Zusammenhänge für andere Wissenschaften vorzuschreiben.
Es gibt jede Menge andere Zusammenhänge, die nicht kausal sind. Es wäre in dem Falle Ideologie, wollte man jeden Zusammenhang als kausal behaupten.
Vielleicht liegt hier der Knackpunkt.
ThomasM hat geschrieben:Was solltest du also eigentlich tun? Eben das, was das Ziel und die Aufgabe der Geisteswissenschaft ist und wo deren Methodik auch funktioniert. Das führt mich zu meinem zweiten Kernsatz:
Das Formulieren, Feststellen und Untersuchung von Bedeutung, Zweck und Ziel ist alleine Aufgabe der Geisteswissenschaft.
"Zweck und Ziel"? Das war noch nie die Aufgabe der Geisteswissenschaften. Deren Untersuchung fällt für mich nicht in das Feld einer Wissenschaft.
ThomasM hat geschrieben:Das heißt, du hast aus deinem Erlebnis die falschen Fragen gestellt. Richtige Fragen in diesem Sinn wären:
- Was für eine Bedeutung hat der Mensch X in deinem Leben und in deinen Gedanken?
- Was für ein Ziel hat die Begegnung mit ihm, welchem Zweck dient sie?
- Was macht dieses Zusammentreffen der Ereignisse mit dir?
usw.
Du verstehst mein Beispiel offenbar wie Pluto. Dabei ging es mir allein um diese Projektion - welche Wahrnehmungsfähigkeit das sein könnte.
Aber selbst wenn ich es so gemeint hätte, wie Du es verstehst: warum sei ich diesem Menschen begegnet? sehe ich nicht, dass die Geisteswissenschaft - die ja übrigens nicht so klar definiert ist - auf das beschränkt ist, was Du sagst.
Die Untersuchung aber,
welche Wahrnehmungsfähigkeiten ein Mensch hat, ist Teil der Psychologie. Und zwar Teil
der Psychologie, die nicht naturwissenschaftlich ist.
Zur Kausalität insgesamt:
Kant hat aufgezeigt, dass wir Menschen zwanghaft die Dinge in Raum und Zeit und Kausalität einordnen.
Das war ein großer Befreiungsschlag, weil diese drei Dinge eben durch die Struktur des Menschen bedingt seien.
Man kann aber - und das wäre die Anschlussfrage an Kant - auch beobachten und beschreiben, dass der Mensch
nicht nur kausal die Dinge wahrnimmt.
Wie er sie außerdem wahrnimmt, das ist meine Kernfrage.