Das Gehirn und unser Bewusstsein.

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ThomasM
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#121 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von ThomasM » Mo 13. Apr 2015, 14:29

Savonlinna hat geschrieben: In der DDR wurde unter "Aufklärung" verstanden: das sozialistische Modell als richtig erkennen.
Nicht einmal die einfachsten DDR-Bürger ließen sich leimen. Sie kuschten vielleicht, aber sie ließen sich nicht leimen.

Darum glaube ich auch nicht, dass viele den Materialismus als "Aufklärung" durchgehen lassen. Warum sollen die Bundesrepublikaner dümmer sein als die DDRler?
Hat denn die "Aufklärung" deiner Meinung nach etwas gebracht, ich meine die erste im 16ten Jahrhundert?

Das Problem der "Aufklärung" in der DDR war dasselbe, das zur ersten Aufklärung geführt hat. Obrigkeiten haben dem dummen Volk vorgeschrieben, was sie zu denken hatte.
Hauptsache, es konnte alles auf Aristoteles (in der DDR war es Marx) zurückgeführt werden.
Da war dann selbst die dümmste Aussage die echte und einzige Wahrheit.

Die orginale Aufklärung war die Einführung des Materialismus: Glaubt keinen Obrigkeiten mehr, schaut auf die Fakten.
Wieso sollte die Erde denn flach sein, wenn die Fakten dagegen sprechen?
Warum sollte die Erde im Mittelpunkt stehen, wenn die Fakten dagegen sprechen?
usw.

Der Materialismus war die Befreiung vom Obrigkeitszwang.
Pluto und Co treiben diese Tatsache der Geschichte ins Extreme und sagen: Nichts als nur allein der Materialismus bringt die seligmachende Erkenntnis.

Will man gegen dieses Denken "aufklären", würde eine objektive und faktische Gegenargumentation aus Richtung der Geisteswissenschaft benötigt.
Die gibt es nur leider nicht.

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

closs
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#122 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von closs » Mo 13. Apr 2015, 14:37

Pluto hat geschrieben:Nach seiner Meinung, hat Aufklärung sehr viel mit Mündigkeit und der Anwendung des Verstands zu tun.
Da würde jeder eifrig unterschreiben - der Materialist genauso wie der Christ genauso wie der Sprachkritiker genauso wie der Ontologe. - Das führt nicht weiter.

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Faransil
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#123 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Faransil » Mo 13. Apr 2015, 15:05

Nur hat Ontologie nichts mit dem Einsatz des Verstandes zu tun, sondern viel mehr mit dessen Aussetzen.

Pluto
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#124 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Pluto » Mo 13. Apr 2015, 15:10

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Nach seiner Meinung, hat Aufklärung sehr viel mit Mündigkeit und der Anwendung des Verstands zu tun.
Da würde jeder eifrig unterschreiben - der Materialist genauso wie der Christ genauso wie der Sprachkritiker genauso wie der Ontologe. - Das führt nicht weiter.
Verstehe ich nicht. Warum sollte eine allgemein anerkannte Definition nicht weiterführend sein?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#125 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von closs » Mo 13. Apr 2015, 16:45

Pluto hat geschrieben: Warum sollte eine allgemein anerkannte Definition nicht weiterführend sein?
"Verstand" nehmen Materialisten und Christen gleichermaßen für sich in Anspruch - genauso "Aufklärung". - Was Du mit "allgemein anerkannt" meinst, ist eher eine Frage sprachlichen Monopolismus. - Das führt nicht weiter.

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Faransil
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#126 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Faransil » Mo 13. Apr 2015, 16:47

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Warum sollte eine allgemein anerkannte Definition nicht weiterführend sein?
"Verstand" nehmen Materialisten und Christen gleichermaßen für sich in Anspruch
Nur besitzen letztere eher wenig davon.
Dogmen haben mit Verstand nichts zu tun.

Novas
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#127 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Novas » Mo 13. Apr 2015, 21:22

JackSparrow hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Wir können sie erkennen, Einsicht in sie gewinnen oder in eine sinnvolle Beziehung zu ihr gelangen - darum geht es in den spirituellen Lehren.
Da gehts darum, geheimnisvolle göttliche Wahrheiten zu erfinden und dann so zu tun, als sei man was Besseres als der eigene Nachbar. Der ist nämlich nur ein gewöhnlicher Sterblicher ohne Superkräfte

Es geht um ein wirklich lebendiges Leben in Liebe und geistiger Freiheit. Nicht als Opfer der Welt, sondern mit wachem und inspirierten Schöpfer-Geist. Das bedeutet für mich, dass ich meiner höchsten Begeisterung und Freude folge. Nur der, der seine Freude lebt, kann ein guter Liebhaber sein.
Zuletzt geändert von Novas am Mo 13. Apr 2015, 22:02, insgesamt 1-mal geändert.

Novas
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#128 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Novas » Mo 13. Apr 2015, 21:50

Faransil hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Warum sollte eine allgemein anerkannte Definition nicht weiterführend sein?
"Verstand" nehmen Materialisten und Christen gleichermaßen für sich in Anspruch
Nur besitzen letztere eher wenig davon.
Dogmen haben mit Verstand nichts zu tun.

Klar. Alles, was Du nicht verstehst, muss minderbemittelt sein. So einfach ist die Welt :lol:

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Savonlinna
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#129 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Savonlinna » Mo 13. Apr 2015, 21:58

Savonlinna hat geschrieben:[...]
ThomasM hat geschrieben:Hat denn die "Aufklärung" deiner Meinung nach etwas gebracht, ich meine die erste im 16ten Jahrhundert?

Die Aufklärung hat viele Bereiche, die in unterschiedlichen Jahrhunderten begonnen haben, und sie haben fast alle tiefe historische Wurzeln.
Ihr Gemeinsames ist wohl die Emanzipation der eigenen Vernunft und der eigenen Persönlichkeit von jeglicher Form des Beherrschtwerdens und des Manipuliertwerdens.

In der deutschen Literaturgeschichte kann man sehr schön sehen, dass die Epoche der Aufklärung - wo Humanität, Säkularisierung, Vernunftreligion die Ziele waren - sehr bald als einseitig aufgefasst wurde und sofort eine Gegenbewegung weckte: Sturm und Drang und später die Epoche der Romantik. Dort wurde formuliert, dass die Vernunft nur ein Teil des Menschen sei, und dass die irrationalen Kräfte des Menschen - in positiver wie in negativer Form - ebenso literarisch ihren Platz haben mussten, und auch bekamen. Deren Unterdrückung sah man als gefährlich an, darum wurden sie salonfähig.

Aber auch die Romantik weckte wieder Gegenbewegungen, sodass sich diese beiden Pole Rationalismus/Irrationalismus andauernd abwechselten, aber immer die vorigen Epochen in ihrem Gedankengut mit einbezogen - sodass sich das doch hochschraubte und nicht einfach nur wiederholte.

Auch die Romantik kann man darum mit einem gewissen Recht als Teil des aufklärerischen Impulses ansehen: es wurde die Akzeptanz des seelischen - oder tiefenpsychologischen - Bereiches verlangt.

Bis heute sehen wir diese beiden Strömungen - Rationalismus und Irrationalismus - parallel nebeneinander, einander bekämpfend. Und witzigerweise wird die eine umso heftiger, je heftiger die andere wird.

Das als Vorbemerkung, um Deine oben zitierte Frage zu beantworten, Thomas:
Ja; in meinen Augen hat die Aufklärung - in allen ihren Facetten und Bereichen - Entscheidendes gebracht. Es ist nicht mehr rückgängig zu machen, dass Menschen sich befreien wollen, wenn ein Druck zu groß wird. Und weil inzwischen die Weltgemeinschaft das alles mit verfolgt, wird jeder Emanzipationsversuch geistig mitgetragen.

Aber, und jetzt kommt das große ABER.
Die Aufklärung, insofern sie die Vernunft als das Entscheidende ansah, ist in ihr Gegenteil umgeschlagen: sie hat selber mittels der Vernunft die Herrschaft übernommen und nicht nur die Natur, sondern auch den Menschen zerstört. Ihm sozusagen die Balance geraubt.
Weiter sind ihre irrationalen Gegenbewegungen teilweise über die Ufer getreten, haben völlig die Vernunft überschwemmt und das Irrationale sozusagen siegen lassen, siehe Nationalsozialismus.

Darum muss auch die Aufklärung sich in ihrem Vernunft- und Faktenwahn korrigieren lassen, denn sonst blubbert als Gegenbewegung ein neuer Faschismus hoch. Die Balance muss austaxiert werden, und jegliche Einseitigkeit kann ins Kippen führen.

Die Aufklärung mag mit der Befreiung der Vernunft begonnen haben - aber ihr wirklicher Auftrag scheint mir die Emanzipation des gesamten Menschen zu sein. Und die halte ich nicht für aufhaltbar.

Damit bin ich bei den Überlegungen, die Du am Ende Deines Beitrages geäußert hast.
Den Materialismus halte ich für marginal. Dass es außer Materie nichts gibt, wird wohl von den wenigsten geteilt.

Für gefährlicher halte ich die Wissenschaftsgläubigkeit, die deutlich anti-aufklärerisch ist. Denn rational kann man ihr kaum noch beikommen. Sie hat sich der Kritik - wesentliches Merkmal der Aufklärung - entzogen; will selber kritisieren, sich selber aber als immun gegen jegliche Kritik darstellen.

ThomasM hat geschrieben:Will man gegen dieses Denken "aufklären", würde eine objektive und faktische Gegenargumentation aus Richtung der Geisteswissenschaft benötigt.
Die gibt es nur leider nicht.
Vielleicht gibt es sie ja doch. Eine Weile wurden einige Neurologen von dem Taumel erfasst, dass der Mensch bald gänzlich über das Gehirn steuerbar sei - juchhu, juchhu - und schrieben begeisterte Bücher darüber.
Ehrlich, in der Zeit war ich auch vom Glauben abgefallen. Hab gedacht, eine neue Finsternis bricht an.
Aber dann schrieben die anderen Neurologen ihre Aufsätze. Und zeigten auf, dass die Jubeler ihre Grenzen überschritten hatten und statt Ideologie zu betreiben, bei ihren Schusterleisten bleiben sollten: forschen und sammeln, aber nicht dilettantisch philosophieren über das, was der Mensch ist.

Novas
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#130 Re: Das Gehirn und unser Bewusstsein.

Beitrag von Novas » Mo 13. Apr 2015, 22:06

Ein sehr schöner Beitrag. Da erschließt sich mir noch mal mehr von deiner interessanten Gedankenwelt. Ich glaube, da haben wir viele Gemeinsamkeiten. :)

Für gefährlicher halte ich die Wissenschaftsgläubigkeit, die deutlich anti-aufklärerisch ist. Denn rational kann man ihr kaum noch beikommen. Sie hat sich der Kritik - wesentliches Merkmal der Aufklärung - entzogen; will selber kritisieren, sich selber aber als immun gegen jegliche Kritik darstellen.

Die Tendenzen zu einer globalen Technokratie und Überwachung sind unübersehbar.

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