Wie wahr sind Tatsachen?

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closs
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#101 Re: Wie wahr sind Tatsachen?

Beitrag von closs » Sa 10. Jun 2017, 01:16

Thaddäus hat geschrieben:Genau dieser "Einstieg", der ein anderes Wort für den intellektuellen Bankrott ist, bedeutet ja die unerträgliche Verbiegung, die ich leisten müsste.
Wenn Du Dich verbiegen musst, ist es der falsche Einstieg. - Wer so geistig formatiert ist, dass er sich verbiegen muss, um die Bibel geistig zu verstehen, sollte in der Tat keine Theologie studieren.

Und gerade weil dies oft so ist, gibt es ja diese Spannungen innerhalb einer Theologie, die sowohl von Einstiegs-Authentischen als auch von Verbogenen oder sich auf falscher Basis nicht Verbiegen-Lassenden bevölkert ist - was dann dazu führt, dass Ratzinger vom "Antichrist" innerhalb der Theologie spricht - ich verstehe ihn wirklich.

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sven23
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#102 Re: Wie wahr sind Tatsachen?

Beitrag von sven23 » Sa 10. Jun 2017, 12:11

closs hat geschrieben: Anders gesagt: Es ist ein Unterschied ob man kritisch-rational setzt "Wir beachten nur naturalistisch Falsifizierbares" oder ob man theologisch setzt "Folgende Interpretationen gelten nur dann, wenn es Gott gibt". - Die Ergebnisse sind bei identischer Quellenlage ganz unterschiedlich, sobald die reine Sachebene ("Zur Zeit Jesu war Pilatus Präfekt"/"Das Volk glaubte damals Folgendes: ...") verlässt.
Unsinn, das Thema der Schreiber war nicht der Volksglaube, sondern Jesus himself.
Und dieser hatte auf Grund der Quellen eine Nahewartung. Das läßt sich nicht wegleugnen oder weginterpretieren. Wenn ein konservativer Kardinal wie Kaspar von Verheißungsüberschuss spricht, dann heißt das nichts anderes, als dass Jesus mehr versprach, als er halten konnte. Das bedeutet nicht automatisch, dass er ein Betrüger war. Wie alle religiösen Eiferer glaubte auch er mit großer Wahrscheinlichkeit an das, was er seinen Zuhörern predigte.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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closs
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#103 Re: Wie wahr sind Tatsachen?

Beitrag von closs » Sa 10. Jun 2017, 12:34

sven23 hat geschrieben:das Thema der Schreiber war nicht der Volksglaube, sondern Jesus himself.
Aber Du interpretierst Jesus so, als sei er ein Vertreter des Volksglaubens gewesen - oder nicht?

sven23 hat geschrieben:Und dieser hatte auf Grund der Quellen eine Nahewartung.
qed

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sven23
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#104 Re: Wie wahr sind Tatsachen?

Beitrag von sven23 » Sa 10. Jun 2017, 14:03

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:das Thema der Schreiber war nicht der Volksglaube, sondern Jesus himself.
Aber Du interpretierst Jesus so, als sei er ein Vertreter des Volksglaubens gewesen - oder nicht?
Man soll bitte nicht so tun, als habe es damals eine breite gesellschafliche Diskussion darüber gegeben, ob man dem Apokalyptiker und Wanderprediger folgen soll oder nicht. Jesus war - auf ganz Israel bezogen- ein Nobody, der vielleicht ein paar Hundert Juden in seinem begrenzten Wirkungskreis bekannt war. Er war so unbekannt, dass es so gut wie keine außerbiblischen Belege für ihn gibt. Und was es an "Belegen" gibt, entpuppt sich als schlecht gemachte nachträgliche christliche Fälschung. Bei seiner propagierten Thoraverschärfung sind ja einige Anhänger mitgegangen, aber die paulinische Kreuzestheologie war für die meisten Juden eine nicht akzeptable Zumutung. Man muss aber das Judentum wenigstens in seinen Grundzügen verstehen, um zu begreifen, dass es eine Zumutung war.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und dieser hatte auf Grund der Quellen eine Nahewartung.
qed
Genau so sieht es die historische Jesusforschung seit 250 Jahren. :thumbup:
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#105 Re: Wie wahr sind Tatsachen?

Beitrag von Pluto » Sa 10. Jun 2017, 16:57

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und dieser hatte auf Grund der Quellen eine Nahewartung.
qed
Woran soll man es sonst feststellen, wenn nicht anhand der Schriften?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#106 Re: Wie wahr sind Tatsachen?

Beitrag von closs » Sa 10. Jun 2017, 19:48

sven23 hat geschrieben:Jesus war - auf ganz Israel bezogen- ein Nobody, der vielleicht ein paar Hundert Juden in seinem begrenzten Wirkungskreis bekannt war.
Korrekt.

sven23 hat geschrieben:Man muss aber das Judentum wenigstens in seinen Grundzügen verstehen, um zu begreifen, dass es eine Zumutung war.
Natürlich war es eine Zumutung, sonst wäre das Judentum doch Jesus eher gefolgt!!!

Aber was hat das damit zu tun, dass Du Jesus so interpretierst, als habe er sich in Sachen Naherwartung den diesbezüglichen Hype der Zeit angeschlossen?

Pluto hat geschrieben:Woran soll man es sonst feststellen, wenn nicht anhand der Schriften?
Das tun doch die christlichen Exegesen genauso. - Es gibt keine Äußerung der RKK, die sich nicht auf Bibel-Quellen und Schlussfolgerungen daraus bezieht.

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sven23
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#107 Re: Wie wahr sind Tatsachen?

Beitrag von sven23 » Sa 10. Jun 2017, 20:56

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Jesus war - auf ganz Israel bezogen- ein Nobody, der vielleicht ein paar Hundert Juden in seinem begrenzten Wirkungskreis bekannt war.
Korrekt.
Deshalb ist allein schon die Frage, warum ihm nicht alle Juden gefolgt sind, unsinnig. Und vor allem: wohin gefolgt? In die Apokalypse, die nicht kam?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Man muss aber das Judentum wenigstens in seinen Grundzügen verstehen, um zu begreifen, dass es eine Zumutung war.
Natürlich war es eine Zumutung, sonst wäre das Judentum doch Jesus eher gefolgt!!!
Ein paar sind ihm doch gefolgt, so wie anderen Apokalyptikern auch. Nur die posthume Vergottung empfanden die Juden als Gotteslästerung. Wer will es ihnen verdenken?
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#108 Re: Wie wahr sind Tatsachen?

Beitrag von SilverBullet » Sa 10. Jun 2017, 20:59

closs hat geschrieben:Mit "ontologischen" ist gemeint: "WENN etwas 'ist', 'ist' es, egal ob wir es wissen". - WENN es also einen Klein-Planeten eines Sonnensystems in einer Galaxie ca. 100 Mio Lichtjahre von uns entfernt gibt, ist er eine Tatsache, auch wenn wir ihn nie wissenschaftlich wahrnehmen können. - WENN es Gott als Entität gibt, ist er eine Tatsache, auch wenn wir ihn nie wissenschaftlich oder emotional wahrnehmen können.
Ist dir dein „lustiger Fehler“ aufgefallen?

Für „kleiner Planet“ liegen beliebig viele Zusammenhänge vor, um über ein Ding zu sprechen und zwar direkt über das Ding.

Für „Gott“ liegt kein einziger Zusammenhang vor. Alles, was du vorweisen kannst, ist wieder einmal nur die Frage aus dem Schöpfungsverdacht.

Warum möchtest du solche plumpen Analogiesuggestionen einsetzen, verwendest du diese „Tricks“ etwa auch bei dir selbst?

closs hat geschrieben:Also was meint man mit "Tatsache": Das, was unverrückbar "ist" (völlig unabhängig davon, ob wir es wissen) - oder das, was wir als Ergebnis einer Methodik oder einer Erfahrung für wahr halten.
„Tatsache“ ist ein reiner Wahrnehmungsbegriff.
Wer diesen Begriff einsetzt, möchte damit ausdrücken, dass er, rund um einen Zusammenhang, keinen Zweifel mehr für angebracht hält.

„Tatsache“ soll also das Verhalten des Wahrnehmenden beschreiben.

Oftmals wird es auch als eine Art „Befehl“ an andere eingesetzt, auf dass sie sich gefälligst genauso verhalten, wie es der eigenen Einstellung entspricht.

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#109 Re: Wie wahr sind Tatsachen?

Beitrag von closs » So 11. Jun 2017, 00:34

sven23 hat geschrieben:Deshalb ist allein schon die Frage, warum ihm nicht alle Juden gefolgt sind, unsinnig.
Warum? - Es geht um das Faktum, dass ihm die Juden nicht gefolgt sind - egal warum.

sven23 hat geschrieben:Und vor allem: wohin gefolgt? In die Apokalypse, die nicht kam?
Nein, in das, was Jesus Erfüllung des AT und der theologische Volksmund NT nennt.

SilverBullet hat geschrieben:„Tatsache“ ist ein reiner Wahrnehmungsbegriff. Wer diesen Begriff einsetzt, möchte damit ausdrücken, dass er, rund um einen Zusammenhang, keinen Zweifel mehr für angebracht hält. „Tatsache“ soll also das Verhalten des Wahrnehmenden beschreiben.
Das ist eine klare Antwort, die allerdings mit anderen Auffassungen kollidiert, dass "Tatsache" ein Synonym ist für "Faktum" im Sinne von "es IST sicher so".

Halten wir also fest - "Tatsache" kann heißen:
1) Menschliche Erkenntnis eines Zusammenhangs, an dem man keinen Zweifel für angebracht hält.
2) Das, was ohne Zweifel ontologisch "ist".
Da 1) kategorial etwas anderes ist als 2), wäre es schön, wenn es eine einvernehmliche Definition gäbe (rein aus Gründen des sauberen Arbeitens, damit nicht wieder Polyseme in der Diskussion rumgeistern)

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#110 Re: Wie wahr sind Tatsachen?

Beitrag von Pluto » So 11. Jun 2017, 09:08

closs hat geschrieben:Halten wir also fest - "Tatsache" kann heißen:
1) Menschliche Erkenntnis eines Zusammenhangs, an dem man keinen Zweifel für angebracht hält.
2) Das, was ohne Zweifel ontologisch "ist".
Da 1) kategorial etwas anderes ist als 2), wäre es schön, wenn es eine einvernehmliche Definition gäbe (rein aus Gründen des sauberen Arbeitens, damit nicht wieder Polyseme in der Diskussion rumgeistern)
Tatsache heißt nichts von alledem und ist auch kein Polysem, sondern es bezieht sich auf das was (tatsächlich) IST (egal ob ontologisch oder epistemologisch).
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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