Versagt die Evolutionstheorie?

Evolution vs. Schöpfung Debatte, Alter der Erde
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Anton B.
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#981 Re: Versagt die Evolutionstheorie?

Beitrag von Anton B. » Mo 21. Mai 2018, 19:41

closs hat geschrieben:Vertreter der historisch-kritischen Exegese sagen nun, dass nur ihre Version authentisch zur Wirklichkeit sein könne, weil ihre Methodik wissenschaftlich sei (naturalistisch/keine Wunder möglich/etc.). - Die anderen sagen "Ihr habt wohl den Arsch offen - so einfach könnt Ihr die Wahrheit nicht kidnappen". - Verstehst Du?
Nicht im Mindesten. Die HKM-Leute sind Wissenschaftler und als solche entwickeln sie Modelle, die adäquat zu Beobachtungen sind. Nicht mehr und nicht weniger. Die "Wahrheit" und die "Wirklickeit", das sind ja Deine ausgewiesenen Steckenpferde.

closs hat geschrieben:WÄRE nun aus methodischen/formalen/oder Sonstwas-Gründen nur die historisch-kritische Exegese "wissenschaftlich", hieße dies, dass ihre Ergebnisse für den Fall, dass Jesus wirklich göttlich war, in Bezug auf die Wirklichkeit falsch wären. - Nun erinnere ich mich gerne Deiner, der Du darauf hinweist, dass Wissenschaft nur Modelle, nicht aber die Wirklichkeit widerlegen könne. - Der Haken dabei: Nach außen wird kolportiert, dass nur wissenschaftliche Ergebnisse authentisch zur Wirklichkeit sein könne - und das geschieht bis in höchste intellektuelle Kreise.
Nu ja. Ab der Zugehörigkeit zu einem besonders adeligen intellektuellen Kreis greift der intellektuelle Edelmann auch mal gerne zu einem Werkchen, welches die Wissenschaftstheorie darstellt. Wer allerdings nicht dazu greift und sich auch richtig damit beschäftigt hat, der läuft unter Umständen in die Falle, alles wissenschaftlich vertretene für pure wahre Wirklichkeit zu halten. Ok, ist auch nicht so einfach, kann passieren. Aber es gibt doch immer wieder freundliche (und geduldige) Zeitgenossen (wie den Anton z.B.), die (zwar mit wenig Erfolg) gerne darauf hinweisen. Auch haben diese Zeitgenossen schon mehrfach (sogar HKM-)Literatur (sic! ) empfohlen, in der der eigene Anspruch eindeutig klargestellt ist.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben: Die Welt spezialisiert sich eben immer weiter.
Moment: Das ist doch kein Grund, DIE Fragen NICHT mehr zu stellen ("Woher komme ich?/Wer ist der Mensch?/Wohin gehe ich?"), die früher das Zentrum der Philosophie ausgemacht haben. - Heute lautet die Antwort auf diese Fragen (ich überhöhe satirisch - oder auch nicht, wer weiß das schon): "Der Mensch kommt von der Vereinigung von Same und Ei, er ist ein Individuum in der Welt und er geht ins Grab oder die Urne".
Schon mal an die entfernte Möglichkeit gedacht, dass sich nicht alle Fragen wissenschaftlich beantworten lassen?

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Ordnet sich aber einem "Kanon" jeweils ganz spezifischer Annahmen unter, die ihrerseits nicht vernünftig begründbar sind.
Bin ich nicht tief genug drin - auf jedem Fall kommt hier wieder die Frage, ob man "Vernunft" anthropozentrisch oder universal versteht. - Davon abgesehen: Aus meiner Sicht reicht es, Vorannahmen zu erstellen (ob vernünftig oder nicht) und wissenschaftlich zu untersuchen: "Wie wäre x zu verstehen, wenn diese Vorannahmen richtig wären?" - nichts anderes tut auch die historisch-kritische Exegese.
Nein. Die HKM begründet ihre Methode so, wie es in der Wissenschaft verlangt wird.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Denn selbst die RKK verweist ja im Zusammenhang mit der Dreifaltigkeit auf Mysterien
Moment: Aber "Mysterien" sind nach katholischem Vernunft-Begriff genauso Realität wie etwa historisch Geschichtliches.
Richtig. Nur sagt es die RKK eben auch so und bastelt sich keine wissenschaftliche Verbrämung drum herum.

closs hat geschrieben:Denn DAS muss jedem klar sein, der die Bibel im Kern (und nicht periphär) untersucht: Aus christlicher Sicht ist "die Welt" eine Ableitung des Geistes, der nicht "von dieser Welt" ist.
Im holistischen Anspruch vom closs, so verstehe ich Dich immer wieder, ist es eine spezielle Ausprägung der "Wirklichkeit", die (Entschuldigung!) -- "verdammt noch mal" -- von der Wissenschaft nicht ausgeschlossen werden darf.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Die RKK geht anders als der closs mit den Texten um.
Das wäre jetzt ein Kompliment in Sachen Tiefenverständnis - aber kann das auch die Wissenschaft leisten - genau das ist die Frage.

Aus meiner Sicht JA, weil: Aus meiner Sicht reicht es, Vorannahmen zu erstellen (ob vernünftig oder nicht) und wissenschaftlich zu untersuchen: "Wie wäre x zu verstehen, wenn diese Vorannahmen richtig wären?" - Falls das NICHT geht, ist Wissenschaft bei solchen Fragen im wesentlichen außen vor, wenn sie sich so definiert, dass sie es nicht kann.
Ja bravo. Wissenschaft hat die Setzung, vernünftig begründete Erkenntnisse zu finden. "Wie wäre x zu verstehen, wenn ..." lässt sich untersuchen. Zum Beispiel mit den Mitteln der Logik. "Wie wäre die Welt, wenn x wäre", lässt sich genauso untersuchen. Wenn aber x wäre und die Beobachtungen müssten dann so und so sein, es wird aber anderes beobachtet, dann "ist" x als bewährtes, wissenschaftliches Modell eben nicht.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#982 Re: Versagt die Evolutionstheorie?

Beitrag von closs » Mo 21. Mai 2018, 20:26

sven23 hat geschrieben:Dann brauchen sie sich ja auch bei den Forschungsergebnissen nicht ins Hemd zu machen.
Machen sie ja nicht - sie widersprechen nur, weil diese Ergebnisse begründbar falsch sind.

sven23 hat geschrieben:Es läßt sich nicht plausibel begründen, warum die Deutschen 5-6 mal so defekte Knie- und Hüftgelenke und Wirbelsäulen haben sollen, wie der europäische Durchschnitt.
Das meine ich weiter unten mit Lobbyismus und dem juristischen Aspekt.

sven23 hat geschrieben:Deshalb ist hier die Gesundheitspolitik gefragt.
Das wird sie kaum schaffen - unsere Welt wird immer orwellhafter juristisch. - Die Gesundheitsindustrie bezahlt Horden an Forschungsaufträgen als Grundlage für Fixierungen von "Mitteln der Wahl" - dagegen kommt auch keine GEsundheitspolitik so einfach an - wenn überhaupt.

sven23 hat geschrieben:Wer als Vorannahmen Glaubensbekenntnisse benötigt, scheidet aus.
Dann scheiden ALLE aus, wenn man redlich ist und nicht ideologische Sonderregeln erzwingt.

sven23 hat geschrieben:Egal ob Bildung oder Ausbildung. Religiösität nimmt mit steigender Bildung und Einkommen ab.
Bei Ausbildung kann das sein - bei Bildung ganz sicher nicht. - Wer misst heute noch Bildung, so dass so etwas überhaupt behauptbar ist?

sven23 hat geschrieben:Die HKM ist per se apriorifrei
So ist sie auch als Grundlage von Ratzinger gewünscht - aber sein Wunsch wird nicht erfüllt.

sven23 hat geschrieben:Dann muss sie ihren wissenschaftlichen Anspruch aufgeben.
Nach Deinen Bedingungen hat sie es doch schon. - Ansonsten stimme ich Dir durchaus zu: Wenn man eine nicht-hermeneutische HKE als Grundlage "Wissenschaft" nennen würde und den Rest dann "Theologie", hätte ich nichts dagegen. - Allerdings spricht hier zweierlei dagegen:

1) Die HKE müsste sich brutal ausdünnen, um ihre hermeneutischen Anteile abzugeben.
2) "Wissenschaft" in dieser Definition würde in dem, was man heute "Geisteswissenschaften" nennt, kein zentrale Rolle mehr spielen.

Im Englischen hat man dieses Problem übrigens gelöst: "Science" und "Arts". - Dann wäre Theologie und historische Wissenschaften eben "Arts" - echt nichts dagegen.

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#983 Re: Versagt die Evolutionstheorie?

Beitrag von closs » Mo 21. Mai 2018, 20:54

Anton B. hat geschrieben:Die HKM-Leute sind Wissenschaftler und als solche entwickeln sie Modelle, die adäquat zu Beobachtungen sind. Nicht mehr und nicht weniger.
Genau das tun Kanonische Exegeten auch.

closs hat geschrieben: Ok, ist auch nicht so einfach, kann passieren. Aber es gibt doch immer wieder freundliche (und geduldige) Zeitgenossen (wie den Anton z.B.), die (zwar mit wenig Erfolg) gerne darauf hinweisen. Auch haben diese Zeitgenossen schon mehrfach (sogar HKM-)Literatur (sic! ) empfohlen, in der der eigene Anspruch eindeutig klargestellt ist.
Deine Auffassung ist absolut ok - insofern hast Du vielleicht doch Erfolg. - Aber: Deine Auffassung entspricht ganz und gar NICHT dem, wie "Wissenschaft" in der Öffentlichkeit kommuniziert wird. - Was nützt es, wenn es Einigkeit in einem Elfenbeinturm gibt, die Wirkung in der Breite aber ein ganz andere ist?

Anton B. hat geschrieben:Auch haben diese Zeitgenossen schon mehrfach (sogar HKM-)Literatur (sic! ) empfohlen, in der der eigene Anspruch eindeutig klargestellt ist.
Das wird aber diametral zu dem interpretiert, was drin steht. - Wenn Theißen sagt, dass sein Ergebnisse "methodische Ergebnisse" seien, sagt er damit "nur im Sinne des zugrundegelegten Modells". - Verstanden wird: " 'Methodisch' ist ein hohes Wort - höher geht es nicht, also kann man nicht näher an die Wirklichkeit kommen". - Und darauf baut sich eine Meinungsmacher-Industrie auf.

Anton B. hat geschrieben:Schon mal an die entfernte Möglichkeit gedacht, dass sich nicht alle Fragen wissenschaftlich beantworten lassen?
Ich schon - dem gegenüber steht die Meinung, dass das, was nicht wissenschaftlich greifbar sei, nicht "real" sein könne. - Diese Meinung ist meinungsbildungs-dominant.

Anton B. hat geschrieben:Nein. Die HKM begründet ihre Methode so, wie es in der Wissenschaft verlangt wird.
Wieso "nein" - ich hätte jetzt erwartet "ja, die HKM begründet ...". - Oder willst Du meinen, dass die Aussage "Jesus HATTE eine Naherwartung (im 'haptischen' Sinne)" apriorifrei möglich sei?

Anton B. hat geschrieben:Nur sagt es die RKK eben auch so und bastelt sich keine wissenschaftliche Verbrämung drum herum.
Wie nennst Du es, wenn jemand sagt:

"Jesus könnte historisch göttlich gewesen sein - ob er es war, ist wissenschaftlich nicht ermittelbar, da nicht-falsifizierbar. - Aber man kann die Bibel so auslegen, als sei er göttlich gewesen - und das tun wir jetzt wissenschaftlich mit folgendem Modell". - Wo ist hier der Haken? - Oder anders gesagt: Welchen Sinn macht es, die historische "Realität" Jesu nur unter dem Gesichtspunkt zu erforschen, dass Jesus nur menschlich war? - Noch anders: Warum sagt die HKE nicht, dass der Satz "Jesus hatte eine Naherwartung (im 'haptischen' Sinne)" nur möglich ist, wenn Jesus nur Mensch war?

Anton B. hat geschrieben:Im holistischen Anspruch vom closs, so verstehe ich Dich immer wieder, ist es eine spezielle Ausprägung der "Wirklichkeit", die (Entschuldigung!) -- "verdammt noch mal" -- von der Wissenschaft nicht ausgeschlossen werden darf.
Verständnis-Problem: Wenn Du damit meinst "Welt als Ableitung von Geist" ist eine spezielle Ausprägung der "Wirklichkeit", die (Entschuldigung!) -- "verdammt noch mal" -- von der Wissenschaft nicht ausgeschlossen werden darf, ist in der Tat der Hintergedanke von mir - meinst Du es so.

Oder anders: Modelle sind autonome Größen, die es aber nicht gäbe, wenn man damit nicht etwas in Bezug auf Wirklichkeit herausfinden wollte. - Also autonom und trotzdem zielgerichtet - oder nicht?

Anton B. hat geschrieben:Ja bravo. Wissenschaft hat die Setzung, vernünftig begründete Erkenntnisse zu finden. "Wie wäre x zu verstehen, wenn ..." lässt sich untersuchen. Zum Beispiel mit den Mitteln der Logik.
Das ist genau meine Auffassung von Wissenschaft und betrifft HKE und bspw Kanonische Exegese gleichermaßen.

Anton B. hat geschrieben:Wenn aber x wäre und die Beobachtungen müssten dann so und so sein, es wird aber anderes beobachtet, dann "ist" x als bewährtes, wissenschaftliches Modell eben nicht.
Moment: X ist kein Forschungsgegenstand, sondern nicht-falsifizierbare Grundlage der eigentlichen Forschungs-Aufgabe.

"Wenn Jesus nur Mensch wäre, dann ist das NT logisch so zu verstehen, dass ..." - es ist NICHT falsifizierbar, ob Jesus "nur Mensch" oder "auch Mensch" ist. - "Wenn Jesus auch göttlich wäre, dann ist das NT logisch anders zu verstehen, nämlich ..." - auch diese "Was-wäre-wenn-Grundlage" ist nicht falsifizierbar.

Auf BEIDE "Was-wäre-wenns" setzt man ein Modell und arbeitet es methodisch/systematisch ab - Wissenschaft oder NICHT Wissenschaft?

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#984 Re: Versagt die Evolutionstheorie?

Beitrag von sven23 » Fr 25. Mai 2018, 18:28

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Nur sagt es die RKK eben auch so und bastelt sich keine wissenschaftliche Verbrämung drum herum.
Wie nennst Du es, wenn jemand sagt:

"Jesus könnte historisch göttlich gewesen sein - ob er es war, ist wissenschaftlich nicht ermittelbar, da nicht-falsifizierbar. - Aber man kann die Bibel so auslegen, als sei er göttlich gewesen - und das tun wir jetzt wissenschaftlich mit folgendem Modell". - Wo ist hier der Haken?
Der Haken besteht ganz einfach darin, dass es kein wissenschaftliches Modell für Göttlichkeit gibt.
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#985 Re: Versagt die Evolutionstheorie?

Beitrag von closs » Fr 25. Mai 2018, 18:44

sven23 hat geschrieben:Der Haken besteht ganz einfach darin, dass es kein wissenschaftliches Modell für Göttlichkeit gibt.
Richtig - deshalb untersucht man diese Göttlichkeit ja auch nicht. - Wie gesagt: Es besteht kein Dissenz in der Frage des methodischen Atheismus auf reiner Sachebene - aber dann dürfen keine hermeneutisch-interpretativen Sätze kommen wie "Jesus hatte eine Naherwartung (in Deinem Verständnis)".

Die offene Frage ist, wie man "Wissenschaft" auf hermeneutisch-interpretativer Ebene definieren soll - und da scheint es Auffassungs-Unterschiede zu geben.

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#986 Re: Versagt die Evolutionstheorie?

Beitrag von Scrypton » Fr 25. Mai 2018, 18:50

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der Haken besteht ganz einfach darin, dass es kein wissenschaftliches Modell für Göttlichkeit gibt.
Richtig - deshalb untersucht man diese Göttlichkeit ja auch nicht.
Richtig.
Und deshalb gehört die ersonnene Göttlichkeit auch nicht in einem Thread unter Biologie, indem es über die Evolutionstheorie geht. ;)

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#987 Re: Versagt die Evolutionstheorie?

Beitrag von sven23 » Fr 25. Mai 2018, 19:24

Stromberg hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der Haken besteht ganz einfach darin, dass es kein wissenschaftliches Modell für Göttlichkeit gibt.
Richtig - deshalb untersucht man diese Göttlichkeit ja auch nicht.
Richtig.
Und deshalb gehört die ersonnene Göttlichkeit auch nicht in einem Thread unter Biologie, indem es über die Evolutionstheorie geht. ;)
Stimmt, ich transferiere ins Teufelszeug. ;)
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#988 Re: Versagt die Evolutionstheorie?

Beitrag von Anton B. » Sa 26. Mai 2018, 18:46

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Nur sagt es die RKK eben auch so und bastelt sich keine wissenschaftliche Verbrämung drum herum.
Wie nennst Du es, wenn jemand sagt:

"Jesus könnte historisch göttlich gewesen sein - ob er es war, ist wissenschaftlich nicht ermittelbar, da nicht-falsifizierbar. - Aber man kann die Bibel so auslegen, als sei er göttlich gewesen - und das tun wir jetzt wissenschaftlich mit folgendem Modell". - Wo ist hier der Haken?
Der Haken besteht ganz einfach darin, dass es kein wissenschaftliches Modell für Göttlichkeit gibt.
Genau. Und es kann gar keines geben, da göttliches, übernatürliches Wirken mit der Außerkraftsetzung des Natürlichen, letztlich auch das Potential der Außerkraftsetzung des Logischen an sich hat. Damit ist nicht möglich, diese Phänomene vernünftig begründet zu beschreiben. Es ist noch nicht einmal möglich, solches Wirken nur zu identifizieren. Übernatürlichkeit steht außerhalb des vernünftigen Begründungsvermögens und damit außerhalb "Wissenschaft".

Das ist den Dogmatikern unter den Theologen auch klar. Wenn closs die (statt "Kanoniker" in seiner letzten Antwort an mich) "Dogmatiker" gemeint haben sollte, entwickeln die mitnichten Modelle, die Beobachtungen entsprechen. Aufgabe der Dogmatiker ist es im Wesentlichen, aus den Glaubenssätzen logisch(e) Implikationen abzuleiten und nicht zuletzt damit ein dem Kanon der Glaubenssätze angemessenes (Selbst-) Verständnis zu entwickeln, zu schärfen und darzulegen. Dieser Ansatz lässt sich auch akademisch verfolgen und lässt sich solcherart auch wissenschaftlich betreiben. Jedoch kollidiert dieses Vorhaben in diesem Rahmen gar nicht mit dem Wissen der Naturwissenschaften. Weil das Ergebnis immer noch im Rahmen der Glaubenssätze, also des Glaubens bleibt.

Umgekehrt tangiert die (natur-) wissenschaftliche Rekonstruktion des Jesus als "natürlicher Mensch" auch nicht die Glaubenssätze. Natürlich ist dies unter Annahme einer wahren Wirklichkeit selbstverständlich schwer auszuhalten. Der closs hat allerdings -- wie sich über zahlreiche Threads verfolgen lässt -- zur Auflösung dieser Spannung (die dem closs auch bei anderen Phänomenen begegnet) ein ganz eigenes Arsenal an Denkmustern erarbeitet.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#989 Re: Versagt die Evolutionstheorie?

Beitrag von closs » Sa 26. Mai 2018, 19:58

Anton B. hat geschrieben:Umgekehrt tangiert die (natur-) wissenschaftliche Rekonstruktion des Jesus als "natürlicher Mensch" auch nicht die Glaubenssätze.
Richtig - beides interferiert nicht, wie auch evolutions-theoretische Nicht-Teleologie mit spiritueller Teleologie nicht interferieren.

Wenn Du Dich freundlicherweise darüber äußern würdest, dass folgende Gleichungen allesamt NICHT stimmen, wäre ich Dir zutiefst dankbar:

1) "Ergebnisse aus einem wissenschaftlichen Modell = grundsätzlich näher an der Wirklichkeit als Ergebnisse aus einem nicht-wissenschaftlichen Modell (im Sinne Deiner naturalistisch geprägten Wissenschafts-Definition)".
2) "Nachweis innerhalb eines wissenschaftlichen Modells = 'so ist es in Wirklichkeit' ".
3) "Wissenschaftliche Modelle = keine Vorannahmen".

Anton B. hat geschrieben:Übernatürlichkeit steht außerhalb des vernünftigen Begründungsvermögens und damit außerhalb "Wissenschaft".
Das hat aber etwas mit der Definition von "Vernunft" zu tun - man kann problemlos auf "Vernunft"-Definitionen zurückgreifen, demnach dieser Satz NICHT stimmt.

Anton B. hat geschrieben:Natürlich ist dies unter Annahme einer wahren Wirklichkeit selbstverständlich schwer auszuhalten.
Da hast Du zunächst recht - andererseits ist dies sehr schnell ausräumbar, wenn man erkennt, dass JEGLICHE Wahrnehmung (egal ob wissenschaftlich oder nicht wissenschaftlich) unter dem Vorbehalt der Wirklichkeit steht, die ganz anders sein kann, als es ein Modell erscheinen lässt.

Der Satz "Ich weiß, dass ich (ontisch) nichts weiß" ist kein Bonmot, sondern eine sehr tiefe philosophische Erkenntnis.

Übertragen auf unsere Dauerthemen wie etwa "Naherwartung" wäre für mich die Diskussion fruchtbar beendet, wenn ein Wissenschaftler wie Du dem Satz zustimmen würde:
"Der kerygmatisch ermittelte Jesus kann in Wirklichkeit dem Jesus vor 2000 Jahren näher sein als der historisch-kritisch ermittelte Jesus".

Also strikte Trennung von Modell und Wirklichkeit. - Daran hapert's hier die ganze Zeit.

Anton B.
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#990 Re: Versagt die Evolutionstheorie?

Beitrag von Anton B. » Sa 26. Mai 2018, 22:58

closs hat geschrieben:Wenn Du Dich freundlicherweise darüber äußern würdest, dass folgende Gleichungen allesamt NICHT stimmen, wäre ich Dir zutiefst dankbar:

1) "Ergebnisse aus einem wissenschaftlichen Modell = grundsätzlich näher an der Wirklichkeit als Ergebnisse aus einem nicht-wissenschaftlichen Modell (im Sinne Deiner naturalistisch geprägten Wissenschafts-Definition)".
Also meine Wissenschaftsdefinition ist nicht "naturalistisch" geprägt. Allerdings ergibt sich aus der philosophischen Definition von "Wissen" (und mithin "Wissenschaft") nach dem heutigen Wissensstand die Nicht-Berücksichtigung übernatürlicher Effekte.

Zu der Aussage selber: Kann man so nicht sagen. Die Wirklichkeit kann als Maßstab für wissenschaftliches Wissen nicht bemüht werden. Maßstab sind die Beobachtungen.

closs hat geschrieben:2) "Nachweis innerhalb eines wissenschaftlichen Modells = 'so ist es in Wirklichkeit' ".
Nein!

closs hat geschrieben:3) "Wissenschaftliche Modelle = keine Vorannahmen".
Hier nehme ich mal wie bei den 2 obigen Aussagen an, Du meinst naturwissenschaftliche Modelle.

Aus dem übergeordneten Anspruch der vernünftigen Begründung ergibt sich schon mal die "Annahme" des logisch-mathematischen Wissens. "Annahme" in Anführungszeichen, weil es für das Zutrefen dieses Wissens auch vernünftige Begründungen gibt. Es sind keine willkürlichen Annahmen.

Die Methode des Poppers ergibt sich ebenfalls aus logischen Betrachtungen. Auch das ist vernünftig begründet. Auch diese Begründung kann kritisch betrachtet und in Frage gestellt werden. Des Poppers Methode zielt ja nun auf Untersuchungsgegenstände mit bestimmten Eigenschaften ab und wird über die Berücksichtigung dieser Eigenschaften legitimiert.

Außer dem Anspruch aus der Definition des Wissens heraus sehe ich keine erheblichen willkürlichen Vorannahmen. Aber auch keine noch fundamentaleren Begründungen. Gerade wegen dieses schwachen Begründungsfundaments ergibt sich nicht zuletzt das Phänomen des "infiniten Regresses". Die "vernünftige Methode" selber genauso wie bestimmte Grundannahmen (von mir aus die Axiome von Peano, insbesondere aber die Erkenntnisfähigkeit des menschlichen Forschers) sind nicht wirklich begründet. Da haben wir endlich mal Annahmen. Warum trotzdem "vernünftige Begründung"? Die vernünftige Begründung als grundlegender Maßstab hat angewendet auf viele geistige und materielle Fragen viele fruchtbare und praktische Ergebnisse gezeitigt.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Übernatürlichkeit steht außerhalb des vernünftigen Begründungsvermögens und damit außerhalb "Wissenschaft".
Das hat aber etwas mit der Definition von "Vernunft" zu tun - man kann problemlos auf "Vernunft"-Definitionen zurückgreifen, demnach dieser Satz NICHT stimmt.
Dann überzeuge die Philosophen von dieser Definition von "Vernunft".

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Natürlich ist dies unter Annahme einer wahren Wirklichkeit selbstverständlich schwer auszuhalten.
Da hast Du zunächst recht - andererseits ist dies sehr schnell ausräumbar, wenn man erkennt, dass JEGLICHE Wahrnehmung (egal ob wissenschaftlich oder nicht wissenschaftlich) unter dem Vorbehalt der Wirklichkeit steht, die ganz anders sein kann, als es ein Modell erscheinen lässt.
Aber genau das erkenne ich nicht. Andere auch nicht. Die, die es nicht erkennen, wissen immer noch nicht, ob diese Wirklichkeit mehr als des closs'ens Fetisch ist.

closs hat geschrieben:Der Satz "Ich weiß, dass ich (ontisch) nichts weiß" ist kein Bonmot, sondern eine sehr tiefe philosophische Erkenntnis.

Übertragen auf unsere Dauerthemen wie etwa "Naherwartung" wäre für mich die Diskussion fruchtbar beendet, wenn ein Wissenschaftler wie Du dem Satz zustimmen würde:
"Der kerygmatisch ermittelte Jesus kann in Wirklichkeit dem Jesus vor 2000 Jahren näher sein als der historisch-kritisch ermittelte Jesus".
Der Wissenschaftler weiß, dass er nur etwas mit einem bestimmten Anspruch weiß. Die Wirklichkeit als "was wirklich der Fall ist", kann nicht der Maßstab sein. Deshalb sagt er nichts dazu und macht auch keine Vergleiche. Er kann nur sagen, welches wissenschaftliche Modell des Jesus sich adäquat zu den wissenschaftlichen Beobachtungen verhält.

closs hat geschrieben:Also strikte Trennung von Modell und Wirklichkeit. - Daran hapert's hier die ganze Zeit.
Ist ja auch nicht so einfach. Zumal der Begriff "Wirklichkeit", wenn wir salopp sagen, wir lassen wissenschaftliche Modelle die "Wirklichkeit beschreiben", eben sachlich betrachtet fehl am Platze ist und nur einer saloppen Formulierung entspringen kann.

So wie Du es als Wirklichkeit ansiehst, beim Fummeln an der Steckdose eine nach allen Regeln des naturwissenschaftlichen Wissens eine böse Erfahrung zu machen. Obwohl dieses Wissen sich theoretisch -- auf jedem Fall aber potentiell -- dereinst als (wissenschaftlich) falsch herausstellen kann und Dein Wissen um Leute mit verbrutzelten Fingern sich als eigentlich unwahrscheinliche Aneinanderreihung von Einzelereignissen darbietet. Oder die Beobachtungen waren nicht so systematisch-wissenschaftlich, wie sie hätten sein sollen. Oder, oder, oder ... Die Beobachtung der verbrutzelten Finger wird dann durch ein ganz anderes Modell erklärt und Du hättest eigentlich ohne jede Angst munter in die Steckdose greifen können.

Wichtig ist mir, dass Du Dir selber die strikte Trennung von Wissenschaft und Wirklichkeit in ihrer Striktheit vergegenwärtigen kannst. Ich will Dir Dein Faible für die "Wirklichkeit" nicht ausreden, aber solange Du Wissenschaft daran misst, hast Du Wissenschaft nicht verstanden und verlangst von der Wissenschaft einerseits das Unmögliche, weist ihr andererseits Aussagen zu, die sie so nicht macht.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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