Hi Thomas!
ThomasM hat geschrieben: Im Grunde sagt Junker, dass Mikroevolution das ist, was alle Entwicklungsbiologen als Evolution bezeichnen. Makroevolution soll die Entstehung von etwas Neuem sein. Doch wann ist etwas etwas Neues?
Vielleicht hilft dir hier eine Analogie: versuchen wir mal ein Fahrrad, in einer Fabrik graduell in ein Motorrad evolvieren zu lassen. Es geschehen also, im ständigen Produktionsprozess, kleine Produktionsfehler (=Mutationen), die manchmal positiv sind. Die Kundennachfrage und natürlich die Qualitätskontrolle bilden die Selektion. Der Sattel kann auf diese Weise über lange Zeiträume zufällig größer werden, die Reifen motorradähnlicher usw. Aber wo kriegen wir den Motor her? Er ist im Bezug auf das Fahhrad "neu"! Selbst wenn in der Fahrradfabrik zufällig ein alter Rasenmähermotor rumlag und der zufällig irgendwo ans Fahrrad gelangt ist, dann wäre dieser Produktionsfehler nicht selektionspositiv. Niemand würde so ein Fahrrad kaufen. Unnötiger Ballast solange er nicht sinnvoll befestigt und mit der Antriebskette verbunden wäre. Vom Kraftstofftank und dem Gashebel ganz zu schweigen. All das kann nicht graduell, ohne "makroevolutive Sprünge" zugehen. Solche Beispiele gibt es in der Natur zu Hauf.
ThomasM hat geschrieben: Junker hat geschrieben: Seite 2 rechts unten
Der Unterschied zwischen Mikroevolution und Makroevolution soll also nicht an Taxongrenzen oder mittels anderer formaler bzw. bloß deskriptiver Kriterien festgemacht werden, sondern soll sich an Qualitäten orientieren.
Abgesehen davon, dass er natürlich nicht sagt, was „Qualitäten“ sind,…
Selbstverständlich sagt er das. Junker schreibt einen Satz zuvor: "
Im folgenden werde ich dafür plädieren, Mikroevolution und Makroevolution
qualitativ zu unterscheiden und Gründe für diese Unterscheidung diskutieren."
Und er tut das im folgenden ausführlich.
ThomasM hat geschrieben: … ist der entscheidende Schritt hier, dass er keine formale, deskriptive Kriterien haben will.
Das ist falsch, Junker bemängelt, dass "Gruppe 2"
keine Aussagen über Mechanismen macht sondern den Begriff
"nur" deskriptiv verwendet.
Dass Junker "keine formale, deskriptive Kriterien haben will" ist, wohlwollend ausgedrückt, ein Missverständnis deinerseits.
ThomasM hat geschrieben: Junker hat geschrieben: Hier ist eine möglichst genaue Bestimmung dessen erforderlich, was unter „neuen Konstruktionen“ bzw. einem „grundlegenden Umbau“ zu verstehen ist, und eine quantitative Charakterisierung ist erstrebenswert
aber genau diese Bestimmung bleibt er schuldig und bringt nur Beispiele, auf die ich später zurückkommen werde.
Erstens ist auch das flasch und zweitens: Was heißt denn er bringt "nur" Beispiele? Was kann es denn Besseres geben?
Also das Beispiel des von der ET postulierte Umbaus vom bezahnten Kiefer zum Hornschnabel:
Junker hat geschrieben: Dabei wären in mehrfacher Hinsicht Umbauten erforderlich, die mit bloßen Variationen (dicker, dünner, länger, kürzer) nicht zu erreichen sind. Außerdem kann ein Hornschnabel deutlich andere Funktionen ausüben als ein bezahnter Kiefer. Ein Hornschnabel ist aus anderem Material als Zähne aufgebaut; die Muskulatur muß angepaßt sein, das Verhalten (Nahrungserwerb, Freßbewegungen) muß entsprechend abgestimmt sein, die Integration des Schnabels im Schädel ist anders als bei einem Zahnkiefer usw.
Eines von vielen postulierten Beispielen für eine völlig neue Konstruktion. Und der Mechanismus soll laut ET sein: viele, graduelle, mikroevolutive Schritte, die zufällig und richtungslos verlaufen, sowohl, was Mutation, alsauch was Selektion angeht. Also Variationen (dicker, dünner, länger, kürzer).
ThomasM hat geschrieben: Man kann diese Bemerkungen explizit machen zu einer Definition von der Art Junkers:
"Definition Makroevolution nach Junker"
Makroevolution ist die Entstehung von etwas Neuem, wobei es vorher keinerlei Basis im genetischen Code gegeben haben darf…
Wie ich im anderen Thread bereits erwähnt habe, existiert bei vielen Lebewesen "potentielle Komplexität", sie besitzen im Genom Fähigkeiten und Merkmale, die sie gewissermaßen bei Bedarf ausbilden können. Das ist experimetell nachweisbar. Wenn also Wasserflöhe in Anwesenheit von Fressfeinden spitz zulaufende Helme, Nackenstachel oder verlängerte Schwanzspitzen ausbilden, dann ist das ein Verteidigungsmechanismus, den sie sozusagen im genetischen Gepäck dabei haben. Und das ist natürlich nicht die Entstehung von Neuem durch Evolution, also Makroevolution.
Das ist gemeint mit: "Solche Fälle sind keine Beispiele für Makroevolution", wenn du den Zusammenhang noch mal nachlesen würdest.
ThomasM hat geschrieben:… und es darf auch kein bekannter biologischer Mechanismus dafür verwendet werden.
Das wiederum ist schlicht falsch. Richtig ist: Es wurde bisher keiner gefunden! Der Gradualismus ist, auch nach Waschke, der ja an deinem Buch mitgewirkt hat, aus den mehrfach genannten Gründen mausetot.
ThomasM hat geschrieben: Sollten es also Forscher gelingen, den evolutionären Weg des bezahnten Kiefers zum Hornschnabel so detailliert nachzuzeichnen, dass auch das energischste Leugnen nichts mehr nützt, dann zuckt Junker mit der Schulter und sagt „Ah, das war also doch Mikroevolution. Aber für Makroevolution gibt es keinen Hinweis, ich hätte da ein Beispiel...“
Nein. Sollte das gelingen, dann wäre der Gradualismus wieder im Rennen. Aber das ist, auch nach dem Bekunden vieler Biologen, sehr unwahrscheinlich. Man sucht inzwischen längst wieder nach Mechanismen der sprunghaften Evolution, geht z.B. der Frage nach, ob konstruktive Änderungen früher Phasen der Ontogenese experimentell belegt werden können (Evo-Devo).
Dann könnte man Neuerungen prinzipiell mit solchen Ereignissen in Verbindung bringen, was aber natürlich auch nur hypothetisch möglich wäre.
M. E. gilt, was im Lehrbuch von Storch/Welsch/Wink steht: Makroevolution wird postuliert, also angenommen oder vorausgesetzt. Aber die der Makroevolution "
zugrunde liegenden Mechanismen sind einer experimentellen Forschung kaum zugänglich." (Evolutionsbiologie, 2.Auflage 2007, S.229)
ThomasM hat geschrieben: Die Definition von Makroevolution ist also von Junker so gewählt, dass es niemals ein Nachweis der Makroevolution geben kann, denn sobald man einen Nachweis hat, ist es keine Makroevolution mehr.
Ich hoffe, dass dieses Missverständnis mit dem zuvor Gesagten ausgeräumt ist.
Die Entstehung des qualitativ Neuen ist meistens klar abgenzbar und definiert. Wenn nachgewiesen würde, dass Mikroevolution zur Konstruktion neuer Baupläne führt, dann wäre Makroevolution nachgewiesen. So einfach ist das.
ThomasM hat geschrieben: Je mehr wir über Evolution (=Mikroevolution) lernen, desto kleiner werden die Lücken
Das Gegenteil ist der Fall. "Evolution (=Mikroevolution)", also der Gradualismus, kann durchaus als widerlegt betrachtet werden (siehe oben). Auch wenn das einige Hardcore-Darwinisten noch bestreiten.
Seit Darwin haben sich die Lücken nicht nur hartnäckig gehalten sondern sie sind größer geworden.
ThomasM hat geschrieben: und umso weniger bleibt für Gott zu tun.
Auch dass Gott "arbeitslos" würde, wenn Versuche scheitern, besondere Signale für sein Wirken aufzuzeigen, ist ein Missverständnis.
Wenn ein solcher Versuch scheitert, dann war es kein solches Signal. Nicht mehr und nicht weniger wird damit gezeigt. Gott ist damit kein Stück kleiner geworden. Die "creatio continua" wird davon garnicht berührt.
ThomasM hat geschrieben: Seine Behauptung ist ja, dass noch niemals ein evolutionärer Übergang zwischen Grundtypen beobachtet wurde.
Auch das ist eine selbst beweisende Behauptung, weil sie geradewegs aus der Definition folgt.
Hier die Definition von Junker:
Junker hat geschrieben: Grundtypen werden wie folgt definiert: „Alle Individuen, die direkt oder indirekt durch
Kreuzungen verbunden sind, werden zu einem Grundtyp gerechnet“
[…] Man kann die Definition von Grundtyp also modifizieren, indem man sagt:
Zwei Arten gehören zu verschiedenen Grundtypen, solange noch nicht nachgewiesen wurde, dass sie evolutionär aus einem gemeinsamen Vorfahren hervorgegangen sind.
Sobald der Nachweis gelingt, gehören sie zu demselben Grundtyp
Den "Nachweis" experimentell zu führen, welche Lebewesen zu einem Grundtyp gehören, ist nur bei lebenden Tierarten möglich. Eben durch Kreuzungsanalysen. Das gilt grundsätzlich für jeden Nachweis von Verwandtschaft in der Tierwelt.
Gemeinsame Vorfahren aus ferner Vergangenheit, kann man nur mit weicheren Methoden, mittels Ähnlichkeitsvergleichen und der Merkmalsverteilung zu bestimmen versuchen. Das bleibt immer eine Rekonstruktion und somit nicht mehr als eine Hypothese von der Vergangenheit.
Die Tatsache, dass bei lebenden Tierarten Grundtypgrenzen experimentell plausibel gemacht werden können, die nicht überschritten werden können, macht nun z.B. die postulierte Entstehung etwa der Vögel aus den Echsen unplausibel und unwahrscheinlich. Darum geht’s.
Grundsätzlich finde ich deinen Versuch dem Christen Junker Unlauterkeit zu unterstellen nicht in Ordnung. Noch vor einer Woche musste ich dir erst mal den Begriff "Artbildung" erklären und was "höhere Taxa" sind und nun schwingst du dich auf, einem Biologen Missbrauch biologischer Begriffe zu unterstellen. Ich verstehe diese Agressivität nicht und würde dir empfehlen, dich erstmal intensiv und unvoreingenommen, aus erster Hand, mit der Schöpfungslehre zu beschäftigen.
Gruß Roland