ThomasM hat geschrieben:So viel ich weiß, ist dialektische Logik eine Methode und damit wissenschaftlich. Insofern würde ich Hegel zustimmen.
Aber mir fehlen viele Grundlagen:
- Warum soll es nur These und Anti-These geben, warum nicht viele, vielleicht unendlich viele Ausprägungen?
So weit ich mich erinnern kann, liegt die Anti-These im dialektischen Denken bereits in Wartehaltung in der These. Es bedarf der geschichtlichen Entwicklung, um die Antithese zur Entfaltung zu bringen.
ThomasM hat geschrieben:- Warum soll es nötig sein, These und Anti-These aufzuheben? Was bedeutet das eigentlich?
Der Gegensatz wird als Nicht-Gegensatz erkannt, und als Folge wird beides als Etappen zum "Selbst-Bewusstsein" begriffen.
Ich habe jetzt zwar gerade in Hegels "Phänomenologie des Geistes" rumgeblättert, aber so schnell kriege ich das nicht auf den Punkt.
Darum also Wiki, wo erst ein Hegel-Zitat gebracht wird, dann eine Auslegung davon:
Wikipedia hat geschrieben:„Das Logische hat der Form nach drei Seiten: α) die abstrakte oder verständige, β) die dialektische oder negativ-vernünftige, γ) die spekulative oder positiv-vernünftige.“
– G. W. F. Hegel:
Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse[12]
1.
Das endliche, verständige Moment: Der Verstand setzt etwas als seiend.[13]
2.
Das unendlich negative, dialektische Moment: Die Vernunft erkennt die Einseitigkeit dieser Bestimmung und verneint sie. Es entsteht so ein Widerspruch. Die begrifflichen Gegensätze negieren einander, d. h. sie heben sich gegenseitig auf.[14]
3.
Das unendlich positive, spekulative Moment: Die Vernunft erkennt in sich selbst die Einheit der widersprüchlichen Bestimmungen und führt alle vorherigen Momente zu einem positiven Resultat zusammen, die in ihr aufgehoben[15] werden.[16]
http://de.wikipedia.org/wiki/Dialektik#Hegels_Dialektik
Ein irrsinnig spannendes Thema, vor allem darum für mich, weil hier bei Hegel - im Bogen zurück zu Heraklit, der ebenfalls dialektisch dachte ("Der Streit ist der Vater aller Dinge") und im Bogen vorwärts zu den Frühschriften von Karl Marx - Marx als Philosoph - und denen, die nach Marx dialektisch dachten, eine echte Alternative zum nicht-dialektischen Denken der althergebrachten Wissenschaft ist.
ThomasM hat geschrieben:- Wieso sollte die Aufhebung von Subjekt und Objekt diese Aufhebung erreichen? Was soll das bedeuten?
Subjekt und Objekt bei Hegel - hab gerade Textfetzen davon in Hegels Buch überflogen - haben mit "Entfremdung" zu tun.
Der Witz ist, dass Karl Marx das tatsächlich fast eins zu eins von Hegel übernommen hat - nur dass er das, was Hegel als Geschichte des Geistes behandelt hat, "vom Kopf auf die Füße" gestellt hat: das heißt, Marx schaute sich das reale Leben in seiner geschichtlichen Entwicklung an - ebenfalls dialektisch -, Hegel aber innerhalb der Geistesgeschichte.
"Entfremdung" heißt: das Subjekt sieht die Objekte als KEINEN Teil des Subjekts. Das Subjekt ist sich selber fremd, weil es "das andere" - mein Begriff dafür - als nicht sich selber zugehörig erfährt.
Bei Hegel handelt es sich da um das "Bewusstsein", bei Marx um konkrete Arbeit im Beruf.
Bei Hegel entwickelt sich das Bewusstsein, indem es das erst als fremd Wahrgenommene dann doch als Teil von sich erkennt, es in sich integriert und damit ein neues Subjekt entsteht.
Zu diesem Thema erneut ein Wiki-Zitat aus einem anderen Artikel:
Wikipedia hat geschrieben:Bei Georg Wilhelm Friedrich Hegel um 1800 ist Entfremdung Selbstentfremdung, so wie Erkenntnis gleich Selbsterkenntnis ist – ein Prozess, in dem das Selbst seine Wirklichkeit als durch seine Tätigkeit geworden begreift und sich diese seine Wirklichkeit aneignet. Es ist also ein höheres Bewusstsein seiner selbst, der Geist wird im menschlichen Bewusstsein Gegenstand seiner selbst. Dabei treten Subjekt als Selbstbewusstsein und Objekt, als die äußerliche Welt auseinander. Entfremdung ist die Bewegung des sich selbst Wirklichkeit gebenden Subjekts, also Selbstentfremdung. Daraus folgt eine sich sukzessiv höherentwickelnde Durchdringung von Subjekt und Objekt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Entfremdun ... hilosophie
Zusammengefasst vielleicht:
Um überhaupt erkennen zu können, muss der Mensch sich in Subjekt und Objekt teilen.
Was also ein Vorteil ist, hat aber auch einen Nachteil: der Mensch erkennt im Objekt nicht mehr das Subjekt.
Da alles aber sich entwickelt, wird das Subjekt - These - sich dann doch im Objekt - Antithese - erkennen und sich zum erweiterten Bewusstsein erweitern, in dem das Objekt mit dem Subjekt eine höhere Einheit bildet - Synthese.
Wikipedia hat geschrieben:Die Aufhebung der Entfremdung sieht Hegel in der „wahrhaft religiösen Versöhnung mit der Wirklichkeit, welche die Philosophie begreift […] nicht aber im Glauben, der Flucht aus dem ‚Reiche der Gegenwart‘ ist.“
„Was der Geist will, ist, seinen eigenen Begriff erreichen (den Ort an dem er theoretisch und praktisch in Harmonie mit dem Ganzen steht); aber er selbst verdeckt sich denselben, ist stolz und voll Genuß in dieser Entfremdung seiner selbst.“
– Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Die Vernunft in der Geschichte, hier zitiert nach: Reinhart Maurer 1973
http://de.wikipedia.org/wiki/Entfremdun ... hilosophie
Diese "Versöhnung mit der Wirklichkeit" meint vermutlich, dass man alles als Prozess versteht.
Marx hat vielleicht nicht so Unrecht, wenn er sagt, dass eine Versöhnung im Geiste nicht ausreicht.
Stattdessen müssen die Ärmel hochgekrempelt werden, die konkrete Gesellschaft muss einen Weg finden, um diese Entfremdung in der Form aufzuheben, dass der Mensch sich in seiner Arbeit verwirklichen kann: dass die Arbeit ihm dazu verhilft.