Simulation von Evolution

Evolution vs. Schöpfung Debatte, Alter der Erde
Geologie, Plattentektonik, Archäologie, Anthropologie
JackSparrow
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#21 Re: Simulation von Evolution

Beitrag von JackSparrow » Mo 5. Jan 2015, 22:55

ThomasM hat geschrieben:Doch warum kann man Evolution nur dann erfolgreich simulieren, wenn man mit der Selektionsfunktion arbeitet? Also ein Ziel vorgibt.
Weil wir eine gewisse Vorstellung davon haben, wie ein Organismus oder eine Mutation zu sein hat, damit sie als "evolutionär erfolgreich" bezeichnet werden darf?

Es bildet sich eine einzelne Konfiguration des Organismus heraus, die in der Vielzahl der Möglichkeiten zufällig entsteht, aber den Umweltbedingungen entspricht.
Jeder lebende Organismus besitzt eine einzigartige genetische Konfiguration, und trotzdem entsprechen alle lebenden Organismen den Umweltbedingungen, denn sonst würden sie nicht leben. Gleichzeitig verschwindet in jeder Generation per Zufallsprinzip (man kann es nicht vorausahnen) ein Teil aller Organismen aus dem Genpool, weil er an den eigenen Mutationen (oder an Alterschwäche) zugrunde ging, bevor er fortpflanzungsfähige Nachkommen hervorbringen konnte.

Da ich den Zufall als Werkzeug Gottes ansehe, ist damit eine göttliche Teleologie natürlich nicht ausgeschlossen.
Gott ist allmächtig. Er würde die Umweltbedingungen einfach an seine Haustiere anpassen, so wie wir es in einem Terrarium machen würden.

ThomasM
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#22 Re: Simulation von Evolution

Beitrag von ThomasM » Di 6. Jan 2015, 12:12

Pluto hat geschrieben: Ich verstehe nicht, warum das anthropische Prinzip etwas mit den Prinzipien des Evolutionprozesses zu tun hat.
Wären die Umweltbedingungen durch das "Fine Tuning" anders, hätte sich das Leben anders oder vielleicht gar nicht entwickelt. Ein anderer Einfluss ist für mich nicht erkennbar.
Das Fine Tuning Problem ist bislang nur auf Grund physikalischer Überlegungen formuliert worden. Meines Erachtens wird das Fine Tuning Problem noch ein paar dutzend Größenordnung schlimmer, wenn man auch biologische Randbedingungen einbezieht.

Das anthropische Prinzip wird dann nur als Erklärungsansatz verwendet, wenn man an so etwas wie Multiversen glaubt. Das ändert sich nicht.

Gruß
Thomas
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ThomasM
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#23 Re: Simulation von Evolution

Beitrag von ThomasM » Di 6. Jan 2015, 12:13

JackSparrow hat geschrieben: Jeder lebende Organismus besitzt eine einzigartige genetische Konfiguration, und trotzdem entsprechen alle lebenden Organismen den Umweltbedingungen, denn sonst würden sie nicht leben. Gleichzeitig verschwindet in jeder Generation per Zufallsprinzip (man kann es nicht vorausahnen) ein Teil aller Organismen aus dem Genpool, weil er an den eigenen Mutationen (oder an Alterschwäche) zugrunde ging, bevor er fortpflanzungsfähige Nachkommen hervorbringen konnte.
Meine Frage war, wie man so etwas simulieren könnte, ohne durch eine Selektionsfunktion das Ergebnis von vorne herein vorzugeben.

Gruß
Thomas
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Anton B.
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#24 Re: Simulation von Evolution

Beitrag von Anton B. » Di 6. Jan 2015, 13:28

ThomasM hat geschrieben:
JackSparrow hat geschrieben: Jeder lebende Organismus besitzt eine einzigartige genetische Konfiguration, und trotzdem entsprechen alle lebenden Organismen den Umweltbedingungen, denn sonst würden sie nicht leben. Gleichzeitig verschwindet in jeder Generation per Zufallsprinzip (man kann es nicht vorausahnen) ein Teil aller Organismen aus dem Genpool, weil er an den eigenen Mutationen (oder an Alterschwäche) zugrunde ging, bevor er fortpflanzungsfähige Nachkommen hervorbringen konnte.
Meine Frage war, wie man so etwas simulieren könnte, ohne durch eine Selektionsfunktion das Ergebnis von vorne herein vorzugeben.
Das tut sie nicht. "Ziel" in der Simulation ist es, die bestmögliche Anpassung an die "Umwelt" zu erreichen. Die Umwelt wird durch die Anpassungslandschaft modelliert, der Organismus durch seine Eigenschaften irgendwo da rein projeziert. Die Selektionsfunktion ermittelt den Anpassungsgrad von einem Elter und seinen mutierten Kindern und entscheidet für jeden Organismus aufgrund dieser 2 einfachen Werte, ob er weiter existieren soll. Die Selektionsfunktion weiß nicht, in welcher globalen Richtung das Ziel, die erwartete bestmögliche Anpassung liegt. Sie weiß nicht den genauen Ort, sie weiß nicht ob er überhaupt erreichbar ist, sie weiß außer den zwei Eingangsparametern und einigen implementierten Regeln, wie sie im Vergleich gegeneinander auszuspielen sind, rein garnichts.

Ich kann den grundsätzlichen Fehler einer Selektionsfunktion in Deiner Simulation noch immer nicht nachvollziehen.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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Janina
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#25 Re: Simulation von Evolution

Beitrag von Janina » Di 6. Jan 2015, 13:59

ThomasM hat geschrieben:Meine Frage war, wie man so etwas simulieren könnte, ohne durch eine Selektionsfunktion das Ergebnis von vorne herein vorzugeben.
http://www.4religion.de/viewtopic.php?p=113325#p113325

ThomasM
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#26 Re: Simulation von Evolution

Beitrag von ThomasM » Di 6. Jan 2015, 17:30

Anton B. hat geschrieben: Das tut sie nicht. "Ziel" in der Simulation ist es, die bestmögliche Anpassung an die "Umwelt" zu erreichen. Die Umwelt wird durch die Anpassungslandschaft modelliert, der Organismus durch seine Eigenschaften irgendwo da rein projeziert. Die Selektionsfunktion ermittelt den Anpassungsgrad von einem Elter und seinen mutierten Kindern und entscheidet für jeden Organismus aufgrund dieser 2 einfachen Werte, ob er weiter existieren soll. Die Selektionsfunktion weiß nicht, in welcher globalen Richtung das Ziel, die erwartete bestmögliche Anpassung liegt. Sie weiß nicht den genauen Ort, sie weiß nicht ob er überhaupt erreichbar ist, sie weiß außer den zwei Eingangsparametern und einigen implementierten Regeln, wie sie im Vergleich gegeneinander auszuspielen sind, rein garnichts.

Ich kann den grundsätzlichen Fehler einer Selektionsfunktion in Deiner Simulation noch immer nicht nachvollziehen.
Sorry, Anton, ich weiß nicht, ob du die konkrete Ausgestaltung einer solchen Selektionsfunktion mal gesehen hast.

Nehme das bereits erwähnte Beispiel aus Avida.
Die Organismen enthalten im Genom eine Darstellung einer logischen Funktion und man startete mit einer sehr einfachen logischen Funktion (z.B. einer UND Verknüpfung).
Die Selektionsfunktion wurde so gesaltet, dass sie besagte:
Je dichter die logische Funktion des Organismus an der gewünschten komplexen logischen Funktion war, desto mehr "Überlebenspunkte" bekam der Organismus.
Organismen mit niedrigeren Überlebenspunkten wurden von der Vermehrung ausgeschlossen.

Die Selektionsfunktion gibt konkret das Ziel der Selektion vor. Wie willst du auch anders das berechnen, was du den "Anpassungsgrad" genannt hast.

Gruß
Thomas
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Pluto
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#27 Re: Simulation von Evolution

Beitrag von Pluto » Di 6. Jan 2015, 18:01

ThomasM hat geschrieben:Die Selektionsfunktion wurde so gesaltet, dass sie besagte:
Je dichter die logische Funktion des Organismus an der gewünschten komplexen logischen Funktion war, desto mehr "Überlebenspunkte" bekam der Organismus.
Organismen mit niedrigeren Überlebenspunkten wurden von der Vermehrung ausgeschlossen.
Das mit den "Überlebenspunkten" ist eine geniale programmatische Umsetzung des Fortpflanzungserfolgs.

Aber was ist mit der "komplexen Funktion". Was beinhaltet sie? Wie stellt sie dar?
Sollte sie nicht einer (mindestens) dreidimensionalen Landschaft gleichen?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Anton B.
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#28 Re: Simulation von Evolution

Beitrag von Anton B. » Di 6. Jan 2015, 19:29

ThomasM hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Ich kann den grundsätzlichen Fehler einer Selektionsfunktion in Deiner Simulation noch immer nicht nachvollziehen.
Sorry, Anton, ich weiß nicht, ob du die konkrete Ausgestaltung einer solchen Selektionsfunktion mal gesehen hast.
Ja, weil ich mich in jungen Jahren mit heuristischen und semi-heuristischen Verfahren zur Lösung NP-vollständiger Probleme in der Stratigraphie (automatische Seriation und Parallelisierung von Events) beschäftigt habe. Später hatte ich übrigens Projekte mit einem Bioinformatik-Papst in Deutschland, vom Vornamen her ein Namensvetter von Dir. Daher kenne ich mich auch ein wenig mit der Prognostizierung von Proteineigenschaften aus.

Die Selektionsfunktion, wie ich sie dargestellt habe, bezieht sich auf den von mir dargestellten Optimierungsansatz. Es gibt Abwandlungen dieses Ansatzes, die ohne Selektionsfunktion auskommen. Das wären zum Beispiel die Kohone-Maps und auf dem Simulated-Annealing basierende Verfahren. Ich halte den klassischen Ansatz mit Anpassungs-Landkarte, Permutation der Subjekte und Selektionsfunktion als erste Annäherung an Dein Problem allerdings für adäquat.

Und ja, die in diesem Kontext verwendete Selektionsfunktion "funktioniert" genauso, wie von mir beschrieben.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

JackSparrow
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#29 Re: Simulation von Evolution

Beitrag von JackSparrow » Mi 7. Jan 2015, 00:42

ThomasM hat geschrieben:Meine Frage war, wie man so etwas simulieren könnte, ohne durch eine Selektionsfunktion das Ergebnis von vorne herein vorzugeben.
Man legt zwei Zahlen fest: n := die maximale Anzahl von Nachkommen pro Individuum, m := die Anzahl von Generationen, wie lange die Simulation laufen soll.

Nun entscheidet man per Zufallsprinzip, wie viele Nachkommen (von Null bis n) ein Individuum hervorbringen soll. Von allen Genomen, die nach m Generationen noch existieren, behauptet man, sie seien am besten angepasst gewesen. Anschließend ignoriert man, dass man einen Zufallsgenerator verwendet hat, und versucht gute Gründe dafür zu finden, wieso ausgerechnet diese Genome überleben konnten.

ThomasM
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#30 Re: Simulation von Evolution

Beitrag von ThomasM » Mi 7. Jan 2015, 08:56

Pluto hat geschrieben: Das mit den "Überlebenspunkten" ist eine geniale programmatische Umsetzung des Fortpflanzungserfolgs.

Aber was ist mit der "komplexen Funktion". Was beinhaltet sie? Wie stellt sie dar?
Sollte sie nicht einer (mindestens) dreidimensionalen Landschaft gleichen?
Nein, es war der Versuch, den Weg zu komplexen Eigenschaften zu simulieren. Ziel war also darzustellen, wie das entsteht, was bestimmte Kreise als "irreduzibel komplex" bezeichnen.

Die Arbeit dazu ist hier zu finden:
http://myxo.css.msu.edu/papers/nature20 ... omplex.pdf

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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