Simulation von Evolution

Evolution vs. Schöpfung Debatte, Alter der Erde
Geologie, Plattentektonik, Archäologie, Anthropologie
ThomasM
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#1 Simulation von Evolution

Beitrag von ThomasM » Sa 3. Jan 2015, 16:44

Ich möchte mal diesen thread starten, weil ich vor etwa 4 Jahren über ein Problem gestolpert bin, das entweder zeigt, dass ich zu dumm bin oder eventuell, dass wir Menschen im Prinzip zu dumm sind. Vielleicht seid ihr ja schlauer.

Es geht um die Simulation von Evolutionsvorgängen mit Hilfe eines Computer Programms. Die Vorteile solcher Simulationen sind offensichtlich, ein Computer Programm läuft schneller ab, als die Wirklichkeit, die Parameter lassen sich manipulieren und Zwischenschritte lassen sich detailliert untersuchen.
Außerdem sind Programmiertechniken in Form von evolutionären Algorithmen inzwischen weit verbreitete Technik.

Da ich in der IT Branche zuhause bin und mich dieses Thema fasziniert, habe ich mich ein wenig schlau gemacht. Dabei habe ich herausgefunden, dass alle evolutionären Algorithmen und auch alle Simulationen von Evolution (z. B. die AVIDA artificial live platform http://de.wikipedia.org/wiki/Avida ), die ich kenne, mit einem wesentlichen Trick arbeitet: der Selektionsfunktion

Die Selektionsfunktion ist eine vom Programmierer hereingesteckte Funktion, die "von außen" ein bestimmtes Ziel, eine Richtung programmiert. Sie ist sozusagen der Anker der Teleologie, die Vorgabe des Programmierers, wohin sich die künstlichen Organismen entwickeln sollen.

Schaue ich nun in die Natur, dann kann ich nicht erkennen, wo denn diese Selektionsfunktion ist. Die Selektion in der Natur wird durch die Umwelt, durch die Wechselwirkung zwischen den Arten erzeugt, sie ergibt sich sozusagen "implizit" aus dem Kontext. Ich habe mich gefragt, ob es nicht möglich ist, genau das zu simulieren, eine Simulation von Evolution, die ohne Selektionsfunktion auskommt.

Durch Zufall stieß ich auf eine Methode, von der ich das Gefühl hatte, dass genau das möglich ist. Ich griff diese Methode auf und programmierte eine künstliche Welt, in der meine Lebewesen nur ein Ziel hatten - Vermehrung - und baute Umweltfaktoren ein (mehrere Ressourcen, die unterschiedlich für die Vermehrung notwendig waren, Aufnahme der Ressourcen, Mangelgebiete der Ressourcen, etc), um Selektionsdrücke zu erzeugen. Ich hoffte, auf diese Weise ein gut zu untersuchendes System zu bekommen, in der sich auch Neues formen kann.

Zunächst sah alles recht vielversprechend aus.
Ich nahm ein Anfangs-Lebewesen, das ich so einfach wie möglich aufbaute. Es war gerade in der Lage, sich ab und zu zu vermehren und sich fortzubewegen. Schaltete ich die Mutation aus, dann konnte man sehr schön sehen, wie nur wenige Exemplare so gerade eben ihr Dasein fristeten.
Dann schaltete ich Mutation ein. Zunächst geschah nicht viel. Dann nach einer mittleren Zeit (nicht immer dieselbe, aber immer dieselbe Größenordnung), geschah es. Plötzlich gab es eine explosionsartige Vermehrung entlang der Gebiete, wo viele Ressourcen verfügbar waren. Vollkommen im Sinne der Evolution, ein schönes Phänomen.

Jetzt kommt mein Problem:
Ich hatte erwartet, dass ich durch einen Vergleich der Genome der Lebewesen zu Beginn mit den Lebewesen, die sich explosionsartig vermehrten herausbekommen können würde, welche Eigenschaft im Genom dieses Phänomen hervorgerufen hat. Welcher Schritt, welche Änderung hat den Übergang von dem Lebewesen, das sein Dasein gerade eben fristet zu dem Lebewesen, das sich gut vermehrt, hervorgerufen?
Daran bin ich gescheitert.
Obwohl ich alle Details untersuchen konnte, obwohl ich die tausend oder so Genomvarianten, die entstanden waren, in eine Datei ausgeben und untersuchen konnte, ich habe keine Veränderung gefunden, von der ich sagen konnte "die war es". Ich konnte noch nicht einmal die Verbindung der erfolgreichen Exemplare zu der Tatsache herstellen, dass sie erfolgreich sein müssten.

Obwohl ich der Schöpfer dieser Welt war, obwohl ich alle Details und alle Parameter im Griff hatte, obwohl ich den digitalen Lebewesen im wahrsten Sinn zuschauen konnte, ich konnte keine "Ursache" für den Erfolg finden. Daher habe ich nach einer Weile aufgegeben.

Wie seht ihr das?
Die Natur ist unendlich viel reichhaltiger und komplexer als meine künstliche Welt.
Haben wir überhaupt eine Chance, Evolution auf diesem tiefen Level zu verstehen?
Wie sollen wir in den riesigen Genomen der Realität das Wichtige von dem Unwichtigen trennen?
Ist überaupt denkbar, die Verbindungslinie zu einer genetischen Konfiguration zu den Umweltfaktoren zu ziehen und zwar nicht post-hum, sondern als Vorhersage?

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

Anton B.
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#2 Re: Simulation von Evolution

Beitrag von Anton B. » Sa 3. Jan 2015, 18:16

Sehr spannendes Thema.

ThomasM hat geschrieben:Jetzt kommt mein Problem:
Ich hatte erwartet, dass ich durch einen Vergleich der Genome der Lebewesen zu Beginn mit den Lebewesen, die sich explosionsartig vermehrten herausbekommen können würde, welche Eigenschaft im Genom dieses Phänomen hervorgerufen hat. Welcher Schritt, welche Änderung hat den Übergang von dem Lebewesen, das sein Dasein gerade eben fristet zu dem Lebewesen, das sich gut vermehrt, hervorgerufen?
Daran bin ich gescheitert.
Hm, ja. Das hängt halt sehr wesentlich von der "Implementierung" des Genoms und den daran anliegenden Funktionen ab.

Sehr vereinfacht ausgedrückt: "Echte" Lebewesen sind ja in Schichtenarchitektur organisiert. Es gibt die verschiedenen Genome, die wiederum andere Eiweiße kodieren. Diese Eiweiße haben dann wiederum ihr spezielles physikalisch-chemisches "Verhaltensregelwerk". Der Organismus als ganzes hat auch wieder eigene, wieder auf Gene und Eiweiße zurückgehende Eigenschaften. Der Phänotyp lässt sich dadurch zumindest prinzipiell auf den Genotyp zurückführen. Ist das bei dem von Dir implementierten Genom denn auch der Fall? Ich erinnere an die Implementationen von"heuristischen" Optimierungsstrategien in der Form künstlicher neuronaler Netze, die die Eigenschaft der Introspektivität vom Ansatz her gar nicht haben können (Interferenz der "Gewichte").

Zu Deinen Fragen:

ThomasM hat geschrieben:Die Natur ist unendlich viel reichhaltiger und komplexer als meine künstliche Welt.
Ja, sicher. Das ist aber nicht der Grund für Deinen "Misserfolg" i Verständnis der Leistung des Genoms.

ThomasM hat geschrieben:Haben wir überhaupt eine Chance, Evolution auf diesem tiefen Level zu verstehen?
Ja.

ThomasM hat geschrieben:Wie sollen wir in den riesigen Genomen der Realität das Wichtige von dem Unwichtigen trennen?
Was ist unwichtig und was wichtig? Es kommt auf den Kontext an. Ein Triplet kann nur im Kontext des Genoms wichtig oder unwichtig sein. Es kann nur im Kontext der gebildeten Eiweiße wichtig oder unwichtig sein. Es kann nur in der Interaktion des Organismus mit der Umwelt wichtig oder unwichtig sein. Wenn ausschließlich letzteres zählt: Reverse Engineering inkl. Hilfsmittel wie statistische Verfahren, Beobachtungen des Organismus in verschiedenartigen Umwelten, Züchtung auf bestimmte äußere Bedingungen, Experimente am Genom und anschließende Beobachtungen des Organismus in verschiedenartigen Umwelten usw.

ThomasM hat geschrieben:Ist überaupt denkbar, die Verbindungslinie zu einer genetischen Konfiguration zu den Umweltfaktoren zu ziehen und zwar nicht post-hum, sondern als Vorhersage?
Wird doch heute schon als Verfrachtung von Codeschnipseln mit bestimmten Eigenschaften von einem zum anderen Lebewesen gelebt. Ganz generell aber nur so weit, wie die Mechanismen verstanden sind. Hier tut sich im Augenblick immer noch viel in der Vorhersage von Proteineigenschaften.

Ansonsten bezweifele ich aufgrund der NP-Vollständigkeit, dass sich jemals aus einem Genom ein z.B. höherer Organismus "errechnen" lässt.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#3 Re: Simulation von Evolution

Beitrag von Pluto » Sa 3. Jan 2015, 22:28

Anton B. hat geschrieben:Ansonsten bezweifele ich aufgrund der NP-Vollständigkeit, dass sich jemals aus einem Genom ein z.B. höherer Organismus "errechnen" lässt.
Es muss so sein. So bleibt "Jurassic Park" eine Fiktion.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#4 Re: Simulation von Evolution

Beitrag von Janina » So 4. Jan 2015, 10:06

ThomasM hat geschrieben:Obwohl ich alle Details untersuchen konnte, obwohl ich die tausend oder so Genomvarianten, die entstanden waren, in eine Datei ausgeben und untersuchen konnte, ich habe keine Veränderung gefunden, von der ich sagen konnte "die war es". Ich konnte noch nicht einmal die Verbindung der erfolgreichen Exemplare zu der Tatsache herstellen, dass sie erfolgreich sein müssten.
Ich denke, das ist auch der Grund, warum wir in der "echten" Natur keine Erfolgskriterien für das Überleben vorhersagen können. Das Herausfinden der "Bestangepasstheit" kann nur durch Ausprobieren stattfinden.
Auf die prinzipielle Unmöglichkeit, komplexe Zusammenhänge analytisch vorauszuberechnen, stoßen wir ja bereits beim Dreikörperproblem (Planetenbewegung mit 3 Elementen). Da erstaunt mich das nicht, dass das bei der Evolution genauso ist.

ThomasM
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#5 Re: Simulation von Evolution

Beitrag von ThomasM » So 4. Jan 2015, 12:57

Hallo Anton
Anton B. hat geschrieben: Sehr spannendes Thema.
Hast du Referenzen auf Simulationen von Evolutionsvorgängen, die ohne Selektionsfunktion auskommen?

Die Tatsache, dass ich bislang nicht in der Lage war, solche Referenzen zu finden, sagt mir, dass das Problem zu komplex ist.
Ein Forscher, der ein solches Programm entwickelt, tut das ja nicht zum Selbstzweck, er will bestimmte Dinge erforschen / simulieren und dabei auch noch ein Ergebnis erreichen.
Und zwar in kurzer Zeit (typische Zeitkonstanten sind ein, maximal zwei Jahre. Danach werden die Fördergelder gestrichen).

Anton B. hat geschrieben: Hm, ja. Das hängt halt sehr wesentlich von der "Implementierung" des Genoms und den daran anliegenden Funktionen ab.
Die Grundidee war, das Genom mit Hilfe einer robusten 4GL Sprache darzustellen. Robust deswegen, weil der Programmablauf in dieser Sprache immer ohne Fehler durchläuft, auch wenn man mit zufälligen Mutationen beliebige Änderungen einbringt. Im schlimmsten Fall macht der Code nichts. Aber die Sprache ist Turing vollständig, so dass prinzipiell beliebige Logik abgebildet werden kann. Und sie ist erweiterbar, d.h. man kann beliebige funktionelle Befehle aufnehmen, die etwas tun, was sich in der Natur durch einen komplexen Proteinverbund darstellt.

Der Erfinder der Sprache hat eine Webseite, wenn es dich interessiert, kann ich den Link heraussuchen.

Anton B. hat geschrieben: Sehr vereinfacht ausgedrückt: "Echte" Lebewesen sind ja in Schichtenarchitektur organisiert. Es gibt die verschiedenen Genome, die wiederum andere Eiweiße kodieren. Diese Eiweiße haben dann wiederum ihr spezielles physikalisch-chemisches "Verhaltensregelwerk". Der Organismus als ganzes hat auch wieder eigene, wieder auf Gene und Eiweiße zurückgehende Eigenschaften. Der Phänotyp lässt sich dadurch zumindest prinzipiell auf den Genotyp zurückführen. Ist das bei dem von Dir implementierten Genom denn auch der Fall?
Ich würde in der Natur sogar noch weitere Schichten sehen, z.B. das Gehirn, was eine Steuerungsschicht darstellt.
Die Physik / Chemie stellt eine weitere Schicht dar, die anderen Arten und die Umweltbedingungen weitere usw.
Aber nein, so tief geht meine Simulation nicht. Das Genom ist gleichzeitig das Programm, mit dem sich das Lebewesen bewegt. Das Einzige, was ich dazu erfunden habe, ist eine Umwelt mit dazugehörigen Regeln für Ressourcenverarbeitung. Das war schon schwierig genug.

Anton B. hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:Haben wir überhaupt eine Chance, Evolution auf diesem tiefen Level zu verstehen?
Ja.
Da bin ich - wie Janina - skeptisch.
Unser Ansatz ist bislang immer post-hum. D.h. wir sehen, dass eine Art erfolgreich ist und können durch Probieren herausbekommen, welche Eigenschaft in der konkreten Situation zum Erfolg beiträgt.
Danach gelingt es uns eventuell, über welche evolutionären Wege diese Eigenschaft herausgebildet wurde und welche genetischen Änderungen dazu notwendig waren.
Aber die Beispiele, an denen man dieses post-hum Programm erfolgreich durchgeführt hat, kann man vermutlich an zwei Händen abzählen.

Aber zu sagen: Angenommen, die Umweltbedingungen ändern sich soundso, dann benötigen wir dieunddie genetischen Änderungen bei dieser Art, damit sie erfolgreich ist, solche Aussagen habe ich bislang noch nicht gelesen.

Anton B. hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:Wie sollen wir in den riesigen Genomen der Realität das Wichtige von dem Unwichtigen trennen?
Was ist unwichtig und was wichtig? Es kommt auf den Kontext an.
Genau diese Frage verhindert die Möglichkeit, Wichtiges vom Unwichtigen zu trennen.
Bei meiner künstlichen Welt konnte durch Mutationen Codeteile erzeugt werden, die im Programmverlauf nicht ausgeführt wurden. Also waren die wohl unwichtig.
Aber vielleicht sind sie ja wichtig als neutrale Mutation, d.h. ohne einen Pool von solchem "toten Code" kann ein Organismen manche Umweltänderungen nicht erfolgreich abfedern.

Aber solange ich nicht sagen kann "das ist wichtig und das nicht" ertrinke ich in der Vielzahl von Variationen, die entstehen, sogar bei meiner kleinen künstlichen Welt.

Anton B. hat geschrieben: Ansonsten bezweifele ich aufgrund der NP-Vollständigkeit, dass sich jemals aus einem Genom ein z.B. höherer Organismus "errechnen" lässt.
Prinzipiell hast du Recht, aber ich glaube, dass die Ausprägung des Genoms letztlich nicht eine beliebige Variation zulässt, sondern dass sich diese Ausprägung so in Blöcke unterteilt, dass es möglich ist, das ganze in Teilschritte zu zerlegen.
Dadurch wird das Problem verkleinert und eine Behandlung wird wieder möglich.

Aber noch fehlt dazu eine zündende Idee, wie eine solche Methodik funktionieren könnte.

Gruß
Thomas
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Pluto
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#6 Re: Simulation von Evolution

Beitrag von Pluto » So 4. Jan 2015, 13:16

ThomasM hat geschrieben:Aber zu sagen: Angenommen, die Umweltbedingungen ändern sich soundso, dann benötigen wir dieunddie genetischen Änderungen bei dieser Art, damit sie erfolgreich ist, solche Aussagen habe ich bislang noch nicht gelesen.
So läuft es in der Natur auch nicht ab.

Die Selektion kann nur auf existierende Mutationen zurückgreifen, und nicht selbst welche erfinden.
Dass die Mutationen existieren zeigt uns die enorme Vielfalt die wir in der Zucht erzielen, egal ob es sich um Bananen, Mais, Rinder oder Hunde handelt.

ThomasM hat geschrieben:Bei meiner künstlichen Welt konnte durch Mutationen Codeteile erzeugt werden, die im Programmverlauf nicht ausgeführt wurden. Also waren die wohl unwichtig.
Aber vielleicht sind sie ja wichtig als neutrale Mutation, d.h. ohne einen Pool von solchem "toten Code" kann ein Organismen manche Umweltänderungen nicht erfolgreich abfedern.
Du hast Mutationen in Programm-Code dargestellt? Das erscheint mir ein grundsätzlich falscher Ansatz. Die Vielfalt des lebendigen Genoms ergibt sich aus den Codecs (dreier-Gruppen von Basenpaaren) die eine Auswahl aus 64 Möglichkeiten (Buchstaben) ergeben.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

ThomasM
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#7 Re: Simulation von Evolution

Beitrag von ThomasM » So 4. Jan 2015, 13:40

Pluto hat geschrieben: So läuft es in der Natur auch nicht ab.

Die Selektion kann nur auf existierende Mutationen zurückgreifen, und nicht selbst welche erfinden.
Dass die Mutationen existieren zeigt uns die enorme Vielfalt die wir in der Zucht erzielen, egal ob es sich um Bananen, Mais, Rinder oder Hunde handelt.
Es geht mir ja auch nicht um die Beschreibung, wie es abläuft, sondern um Vorhersagen.
Können wir feststellen, welche genetischen Variationen nötig wären, so könnten wir bei einer Art prüfen, ob sie diese bereits verfügbar hat und damit vorhersagen, dass diese Art sich vermutlich anpassen kann.

Pluto hat geschrieben: Du hast Mutationen in Programm-Code dargestellt? Das erscheint mir ein grundsätzlich falscher Ansatz. Die Vielfalt des lebendigen Genoms ergibt sich aus den Codecs (dreier-Gruppen von Basenpaaren) die eine Auswahl aus 64 Möglichkeiten (Buchstaben) ergeben.
Möglich, dass dieser Ansatz eine zu starke Vereinfachung ist. Bei Beispielen, wie Avida ist das auch so, aber die arbeiten eben zusätzlich mit einer Selektionsfunktion.

Aber eine Simulation der Schichtarchitektur der Natur ist extrem schwierig (ich habe mir durchaus darüber ein paar Gedanken gemacht, als ich meinen Code entwickelt habe).
Das Problem ist nicht die Grundcodierung. Es muss ja nicht die Triplett Codierung sein, die man direkt nachahmt. Jede beliebige Codierung tut es auch.

Das Problem sind die Proteine.
Die Welt der Proteine ist meines Erachtens praktisch unendlich. Das kann man nicht simulieren, nicht, wenn das eigentliche Interesse der Evolution gilt.
Ich habe noch nicht einmal eine Referenz gefunden, die mir sagt, welche Typen von Proteinen es so gibt, die versucht, diese Welt zu klassifizieren, die Eigenschaften von Proteinen vergleicht und eventuelle Ähnlichkeiten oder Unterschiede aufzeigt usw. usw.
Bei Proteinen kommt es ja noch nicht einmal alleine auf die Aminosäure Sequenz an, es kommt auch auf eingebettete Atome, auf räumliche Faltung auf ... an.

Eine Simulation müsste eine Möglichkeit bereitstellen, diese funktionelle Vielfalt einem Genom zur Verfügung zu stellen, die dann wiederum mit den Umweltbedingungen, der Physik und Chemie wechselwirkt.
Und genau hierum geht es bei Evolution: Die unendliche Welt der Proteine wird mit dem "random search" Algorithmus der Mutation und Selektion abgesucht, um Lebewesen als Proteinkonfiguration zu bilden.
Wie man das simulieren könnte, ohne das gewünschte Ergebnis von Beginn an hineinzustecken, ist mir schleierhaft.

Gruß
Thomas
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#8 Re: Simulation von Evolution

Beitrag von Flavius » So 4. Jan 2015, 17:37

Die Selektion kann nur auf existierende Mutationen zurückgreifen, und nicht selbst welche erfinden.
Dass die Mutationen existieren zeigt uns die enorme Vielfalt die wir in der Zucht erzielen, egal ob es sich um Bananen, Mais, Rinder oder Hunde handelt.

== Ich wollte mich eigentlich raushalten, aber - Nur als kleiner Hinweis der aber villeicht auch nicht so wichtig ist : Die von Pluto genannte "enorme" Vielfalt (durch Zucht oder durch natürliche Mutation) ist aber endlich bzw. sogar ziemlich begrenzt. (Durch die Größe des Gen-Pool ist zahl der Variationen begrenzt). Egal wieviele verschiedene Dutzend von Hundearten man züchten kann, begrenzt ist die Anzahl am Ende doch auf relativ wenige (uns hier mehr äusserliche) Änderungen- Ein Hund bleibt dennoch immer erkennbar ein Hund.

- Aber bastelt mal weiter - ich will nicht weiter stören...
(Es ist ein interessantes Unterfangen!, Thomas. HUT AB ! .. Ich finde es höchst spannend).

Ergänzung: Die künstlichen Zuchterfolge der Menschen sind das Eine. Aber nur sehr wenige von Menschen verursachten Züchtungen sind - wenn denn sich selbst überlassen auch dauerhaft beständig (Manche würden kein 1 Jahr überleben). Sie fallen wieder in einen dem orginal ähnlichem oder "Ideal-Angepassten "-Zustand zurück, der über Tausende von Generationen heraus gearbeitet wurde - und m.E. vermutlich auch auf eine frühere Grund - oder eine Anfangs-Programmierung basiert. VIELLEICHT ist diese "Grund-Programmierung" das was in deienn Modell noch mit hineingehört?
-
W.B.
Dogmen - aller couleur- sind oft sehr hinderlich. (nach Feuerbach).

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#9 Re: Simulation von Evolution

Beitrag von Pluto » So 4. Jan 2015, 19:27

ThomasM hat geschrieben:Es geht mir ja auch nicht um die Beschreibung, wie es abläuft, sondern um Vorhersagen.
Können wir feststellen, welche genetischen Variationen nötig wären, so könnten wir bei einer Art prüfen, ob sie diese bereits verfügbar hat und damit vorhersagen, dass diese Art sich vermutlich anpassen kann.
Eine schwierige Frage.

Mutationen geschehen mit statistischer Regelmäßigkeit, selbst dann wenn sie sich phylogenetisch nicht auswirken. DNA Analysen erlauben es uns den Verswandschaftsgrad der Arten festzustellen: Je weiter auseinander die Gene liegen, umso länger existieren die Arten getrennt (ohne sich zu paaren). So lange sich die Umwelt nicht verändert, bleiben die Arten mehr oder weniger unverändert. Das hast du auch in deinen Simulationen festgestellt, sodass dein Modell ziemlich gut zu sein scheint! :thumbup:

Verändert sich die Umwelt, hat das Genom die notwendige Vielfalt um Anpassungen (oder sogar Neues) hervorzubringen. Dann beobachtet man oft eine explosionsartige Entwicklung. Das lässt sich sehr schön am Beispiel der gründlich erforschten kalifornischen Salamander zeigen, die sich in wenigen millionen Jahren an die trockenen Bedingungen (Wüste) östlich der Küstengebirge anpassten. Nebenbei: Kalifornische Salamander sind ein sehr gutes Lehrbeispiel für die Entwicklung von Ringspezies.
Verändert sich die Umwelt dagegen ständig, hat der Organismus kaum "Reserven" an Mutationen. Wo andere Arten sich sprunghaft weiterentwickeln, können bei Arten mit wenig genetischer Diversifikation (z. Bsp. der Mensch) dramatische Umwälzungen zum Aussterben der Art führen.

Fazit: Der genetische Abstand von einer Art zur Nächsten lässt sich anhand von DNA Analysen feststellen, aber ob eine Art sich an Umweltveränderungen anpassen kann, oder nicht, ist schwer festzustellen, weil dies von der Zahl der potentiell brauchbaren Mutationen abhängt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Pluto
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#10 Re: Simulation von Evolution

Beitrag von Pluto » So 4. Jan 2015, 19:50

Flavius hat geschrieben:Ergänzung: Die künstlichen Zuchterfolge der Menschen sind das Eine. Aber nur sehr wenige von Menschen verursachten Züchtungen sind - wenn denn sich selbst überlassen auch dauerhaft beständig (Manche würden kein 1 Jahr überleben). Sie fallen wieder in einen dem orginal ähnlichem oder "Ideal-Angepassten "-Zustand zurück, der über Tausende von Generationen heraus gearbeitet wurde - und m.E. vermutlich auch auf eine frühere Grund - oder eine Anfangs-Programmierung basiert. VIELLEICHT ist diese "Grund-Programmierung" das was in deienn Modell noch mit hineingehört?
Auerochse und Zuchtbulle
Bild Bild
[ Quelle: http://www.tierpark-sababurg.de/unsere_ ... -f-taurus/ ] [ Quelle: http://www.eurogenetik.com/de/aktuell/d ... /1032.html ]

Zuchtbanane und wilde Banane
Bild Bild
[Quelle (links) : http://www.duden.de/rechtschreibung/Banane]
[Quelle (rechtst): http://www.biothemen.de/Qualitaet/tropen/bananen.html]

Vielleiht verstehst du jetzt besser was ich meine.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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