Reichen Mutation und Selektion aus?

Evolution vs. Schöpfung Debatte, Alter der Erde
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closs
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#41 Re: Reichen Mutation und Selektion aus?

Beitrag von closs » Sa 11. Jan 2014, 15:46

Pluto hat geschrieben:Was bezweckst du damit anzustellen?
Aktiv gar nichts. - Ich beobachte, ob die Wissenschaft Erkenntnisse hat, die es als möglich erscheinen lassen, dass besondere Begebenheiten im Leben eines Menschen OHNE Änderungen des Genoms (richtig ausgedrückt?) auf epigenetischem Weg für folgende Generationen per Fortpflanzung (also NICHT auf psychologischem Wege) bemerkbar machen KÖNNEN (nicht müssen). - Mehr nicht.

ThomasM
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#42 Re: Reichen Mutation und Selektion aus?

Beitrag von ThomasM » Sa 11. Jan 2014, 16:24

Hallo zusammen

Nun ist die Diskussion schon etwas fortgeschritten und ich will vielleicht kurz erläutern, was mich zu meiner Frage bewegt.

Natürlich sind Mutationen (zu denen auch Genverdopplung und ähnliches zählt) nach wie vor die Basis für Veränderungen im Leben. Aber die direkte Beziehung Ursache - Wirkung löst sich auf. Mutationen bilden eher die statistische Basis der angesammelten Möglichkeiten, die real werden können, aber auch nicht müssen.
Dies erfordert ein anderes Denken, als man oft in diesem Kontext findet. Da findet man Formulierungen wie "Die Umwelt hat sich so oder so verändert und durch eine Mutation entwickelte sich der und der Mechanismus, der sich als vorteilhaft erwies." Dies impliziert einen Ursache-Wirkung Mechanismus Mutation - Vorteil, wie er aber gar nicht in der Form stattfindet.

Angesichts dieser Situation mag es andere Mechanismen geben, die die Situation besser beschreiben.

Die Epigenetik ist durchaus ein Beispiel in diese Richtung. Wenn ein Organismus epigentisch unterschiedlich reagiert, dann spielt er ja nur die Karten aus, die er von Anfang an bereits auf der Hand hatte. Er braucht keine genetische Änderung, weil er die flexiblen Möglichkeiten bereits vorher schon genetisch angelegt hatte. Diese Potenziale können dann über Umwelteinflüsse gesteuert und auch vererbt werden.

Vielleicht sollte man ja ergänzend zu Mutation und Selektion so etwas wie "Variationspotenzial" definieren. Das kann in einer Form bestehen, dass Eigenschaften epigenetisch unterschiedlich ausgeprägt werden, oder - wie beim Menschen - die Möglichkeiten beinhalten, mit denen sich der Organismus vor den Auswirkungen von Umweltänderungen schützen kann.

Aber das ist eben nur so eine wilde Idee von mir. Vielleicht gibt es ja auch andere Mechanismen, die zusätzlich eine Rolle spielen.

Gruß
Thomas

P.S Kulturelle Traditionen sehe ich durchaus auch in Richtung dieser zusätzlichen Evolutions Mechanismen. Durch Dawkings Meme genannt.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

Pluto
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#43 Re: Reichen Mutation und Selektion aus?

Beitrag von Pluto » Sa 11. Jan 2014, 17:43

ThomasM hat geschrieben:Natürlich sind Mutationen (zu denen auch Genverdopplung und ähnliches zählt) nach wie vor die Basis für Veränderungen im Leben. Aber die direkte Beziehung Ursache - Wirkung löst sich auf. Mutationen bilden eher die statistische Basis der angesammelten Möglichkeiten, die real werden können, aber auch nicht müssen.
Dies erfordert ein anderes Denken, als man oft in diesem Kontext findet. Da findet man Formulierungen wie "Die Umwelt hat sich so oder so verändert und durch eine Mutation entwickelte sich der und der Mechanismus, der sich als vorteilhaft erwies." Dies impliziert einen Ursache-Wirkung Mechanismus Mutation - Vorteil, wie er aber gar nicht in der Form stattfindet.
Ich denke du machst hier den Fehler, dass du Mutation und Selektion getrennt betrachtest; so kann das natürlich nichts werden. Wenn man diese Mechanismen einzeln betrachtet, hast du natürlich vollkommen Recht: Mutationen erzeugen statistische Variationen.

  • ...aber...

In Kombination mit der Selektion, können sich Lebewesen tatsächlich an ihre Umwelt anpassen, weil dann jeder auch nur winzige Vorteil in den Variationen durch Umwelteinflüsse sozusagen "potenziert" wird.
Die Selektion wirkt wie ein natürlicher Filter auf die durch Mutationen entstandene Variation.
Die Epigenetik ist durchaus ein Beispiel in diese Richtung.
Nein. Naja, zumindest nicht direkt, weil Epigenetik sich meist nur auf diploide Zellen auswirkt.
Diese Potenziale können dann über Umwelteinflüsse gesteuert und auch vererbt werden.
Erkläre uns mal wie so was geht?
Vielleicht sollte man ja ergänzend zu Mutation und Selektion so etwas wie "Variationspotenzial" definieren.
Das gibt es schon. Nennt sich im Fachjargon "genetic drift". Wie der Name schon sagt, können über sehr lange Zeiten, Mutationen allein einen Wandel in einer Art hervorbringen.

Kulturelle Traditionen sehe ich durchaus auch in Richtung dieser zusätzlichen Evolutions Mechanismen. Durch Dawkings Meme genannt.
Ähm.... Er heißt Dawkins (ohne "g").

Es gibt in der Natur weit mehr Beispiele von der Wirkung der Evolution. Gas Ansammlungen die zu Sonnensystemen werden. Sternhaufen die sich zu Galaxien, und weiter zu Galaxienhaufen und Suvperhaufen entwickeln. Alltäglicher und ebenfalls erwähnenswert wären noch Architektur, Kunst, Mode, Sprache... selbst Religion u.v.m. unterliegt den Prinzipien der Evolution.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#44 Re: Reichen Mutation und Selektion aus?

Beitrag von Lamarck » So 19. Jan 2014, 09:10

Hi Janina!

Janina hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: Ja: 'Spontan' findet hier genauso Verwendung wie im Ausdruck 'spontaner Zerfall'.
Ha, da bin ich wieder zuhause. :)

Klar! :thumbup:




Janina hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: Epigenetik hat dabei aber eben keinen direkten Einfluss auf die Basenfolge.
Was ja erst mangels Kenntnis des Mechanismus noch nichtmal Inhalt der ET war.

Jedenfalls nicht so detailliert. Das Gegebene lässt sich allgemein unter dem Begriff 'Variabilität' subsumieren.




Janina hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: Profis in Evolutionsbiologie. Aber auch dies ist historisch begründet. Hier in Frankfurt gibt es eine modernere Richtung, die versteht unter Selektion nur 'innere Selektion' - ist also hier nicht Umwelt- sondern Organismuszentriert.
Ich versuch mir gerade vorzustellen, wie man ein Ebola-Virus beschreiben will, das KEINEN Einfluss auf seine Umwelt - seinen Wirt - ausübt. :shock:

Es ist ein Problem der adäquaten Beschreibung - etwa der Eichung. ThomasM hatte dies in Bezug der Invarianz angemerkt. Der Apfel hat ja auch einen gravitativen Einfluss auf seine 'Umwelt'. Trotzdem wird verstanden, was damit gemeint ist, die Erde zieht den fallenden Apfel an.

Auch Dein Ebolavirus könnte als individuelle - damit komplexe Lösung in einem Möglichkeitsraum aufgefasst werden, in dem Systemelement mit System in Bezug steht. Ist dies nun Umwelt- oder Organismusbedingt, dass Dein Ebolavirus Einfluss auf seine Umwelt nehmen kann? Ist dies Umwelt- oder Organismusbedingt, dass Du im Falle eines Beinbruchs Dich mit einer Krücke behelfen kannst? Ist dies Umwelt- oder Janinabedingt, dass Janina in der Lage ist, mit dem Satz des Pythagoras zurechtzukommen?




Janina hat geschrieben:
closs hat geschrieben: Ist es theoretisch möglich, dass Abgeschaltetes (oder nie aktiviert Gewesenes) (re-)aktiviert wird?
Atavismen...
Oder mir fällt noch das hier ein: http://de.wikipedia.org/wiki/Axolotl#Neotenie
Und hier wurde was aktiviert, was eigentlich nie aktiv wird:
Bild
http://www.axolotl-online.de/html/metamorphose.html

Genau. Aus ähnlichen Gründen hat der Generationswechsel in der Evolutionsbiologie ebenfalls breite Bedeutung. Hier bsw. ein Generationswechsel bei den Nesseltieren - Polypen-Stadium und Quallen-Stadium. Meist gibt es - in unterschiedlicher Form - beides. Bei manchen Nesseltieren gibt es jedoch nur den Polyp, bei anderen Nesseltieren tritt nur die Qualle auf.




Bild

[Quelle: Wikipedia]




Cheers,

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#45 Re: Reichen Mutation und Selektion aus?

Beitrag von closs » So 19. Jan 2014, 09:56

Lamarck hat geschrieben:Aus ähnlichen Gründen hat der Generationswechsel in der Evolutionsbiologie ebenfalls breite Bedeutung.
Untersucht man, WARUM im gegebenen Fall Abgeschaltetes (oder nie aktiviert Gewesenes) (re-)aktiviert wurde? - Oder kann man nur feststellen, DASS es passiert ist?

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#46 Re: Reichen Mutation und Selektion aus?

Beitrag von Lamarck » So 19. Jan 2014, 10:26

Hi closs!

closs hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: Aus ähnlichen Gründen hat der Generationswechsel in der Evolutionsbiologie ebenfalls breite Bedeutung.
Untersucht man, WARUM im gegebenen Fall Abgeschaltetes (oder nie aktiviert Gewesenes) (re-)aktiviert wurde? - Oder kann man nur feststellen, DASS es passiert ist?

Reaktiviert wird hier nichts - weder bei Neotenie noch beim Generationswechsel - das ist eine Einbahnstraße. Bei der Neotenie ist es immerhin gegebenenfalls möglich, die noch vorhandenen Genschalter unter künstlichen Bedingungen zu betätigen. Was allgemein das 'Warum' betrifft, sind die Verhältnisse hier auch nicht viel anders, als sie bsw. auch in diesem Beispiel zum Ausdruck kommen: http://www.uni-kiel.de/pressemeldungen/ ... 13-quallen (Hier also ein Proteinschalter).




Cheers,

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