Reichen Mutation und Selektion aus?

Evolution vs. Schöpfung Debatte, Alter der Erde
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Pluto
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#21 Re: Reichen Mutation und Selektion aus?

Beitrag von Pluto » Do 9. Jan 2014, 23:58

closs hat geschrieben: Für mich reicht es, dass es Epigenese als anerkannte Größe gibt - die Tragweite daraus kann man erschließen - was dann davon nachgewiesen werden kann, ist dann um so besser.
Wenn du einen objektiven Überblick über Epigenetik willst, dann lies diesen Artikel (Englisch):
http://scienceblogs.com/pharyngula/2008 ... igenetics/
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#22 Re: Reichen Mutation und Selektion aus?

Beitrag von Lamarck » Fr 10. Jan 2014, 00:05

Hi closs!

closs hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: Aber tröste Dich, Du musst Dir von Deinem Nachwuchs wohl keine Vorwürfe machen lassen, dass Du in Deiner Jugend nicht im Bodybuilding-Studio gewesen bist ... .
Vielen Dank für die Ausführungen. - Nein - man muss daraus keine Stories machen. - Interessant aus meiner Sicht ist, dass es diesen Ansatz innerhalb der Naturwissenschaft überhaupt anerkannterweise gibt. - Persönlich vermute ich, dass da noch "Luft" ist, was konkrete Erkenntnisse angeht.

Mich verwundert, warum so ein Bohei darum gemacht wird. Klar, Epigenetik ist sehr interessant und insbesondere US-Forscher versuchen, für ihr Handwerk zu klappern. Aber die Rezeption der breiten Öffentlichkeit mündet eher in eine evolutionstheoretisch kontraproduktive Richtung.




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#23 Re: Reichen Mutation und Selektion aus?

Beitrag von Lamarck » Fr 10. Jan 2014, 00:08

Hi Pluto!

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben: Für mich reicht es, dass es Epigenese als anerkannte Größe gibt - die Tragweite daraus kann man erschließen - was dann davon nachgewiesen werden kann, ist dann um so besser.
Wenn du einen objektiven Überblick über Epigenetik willst, dann lies diesen Artikel (Englisch):
http://scienceblogs.com/pharyngula/2008 ... igenetics/

PZ Myers? :thumbup:




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#24 Re: Reichen Mutation und Selektion aus?

Beitrag von Lamarck » Fr 10. Jan 2014, 00:40

Hi Janina!

Janina hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: Mutationen erfolgen spontan.
Wenn du damit ungeplant und zufällig meinst, [...].

Ja: 'Spontan' findet hier genauso Verwendung wie im Ausdruck 'spontaner Zerfall'.




Janina hat geschrieben: [...] ist es das, was ich mit stochastisch gemeint hab.

Klar (Epigenetik hat dabei aber eben keinen direkten Einfluss auf die Basenfolge).




Janina hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: Diese Deine Erkenntnis ist übrigens noch nicht einmal zu allen Profis durchgedrungen.
Profis in was? :shock:
Ich dachte das wäre Einstiegsvoraussetzung...

Profis in Evolutionsbiologie. Aber auch dies ist historisch begründet. Hier in Frankfurt gibt es eine modernere Richtung, die versteht unter Selektion nur 'innere Selektion' - ist also hier nicht Umwelt- sondern Organismuszentriert. Die prozesshafte Modellierung gelingt erst unter der systemischen Perspektive, etwa in der Form, wie sie Rupert Riedl vertreten hat. Zuvor gab es ähnliche Ansätze aus diversen osteuropäischen Staaten (Kybernetische Theorie der molekularen Evolution).




Janina hat geschrieben:
closs hat geschrieben: Kann es sein, dass die Kriegserfahrungen meines Vaters insofern eine "Fernwirkung" auf dessen Nachkommenschaft ausüben, dass ich als Sohn unter epigenetischen Gesichtspunkten anders bin/sein könnte, als ich wäre, wenn er "stressfrei" in Frieden und Reichtum aufgewachsen wäre?
Die "Fernwirkung" besteht schon in seiner Erziehung. Oder wenn du ihn nie kennengelernt hast, dann zumindest deine Mutter, die bei ihrer Erziehung ihn im Kopf hatte.

Auch das. Das ist der Kultureffekt.




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#25 Re: Reichen Mutation und Selektion aus?

Beitrag von closs » Fr 10. Jan 2014, 01:42

Pluto hat geschrieben: Ein gutes Beispiel ist Fettleibigkeit. - Fette Leute zeugen nicht notwendigerweise fette Kinder. Das Kind passt sich an die Essgewohnheiten der Eltern an (z. Bsp. zu viel Fast Food). Wenn es aber bei anderen Eltern aufwächst, dann kann es eine normale Statur erreichen.
Das ist jetzt aber eine Sache der Sozialisierung.

Wie grenzt man Sozialisierung und epigenetische Faktoren voneinander ab? Oder ist die Frage falsch gestellt?

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#26 Re: Reichen Mutation und Selektion aus?

Beitrag von Pluto » Fr 10. Jan 2014, 01:57

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Ein gutes Beispiel ist Fettleibigkeit. - Fette Leute zeugen nicht notwendigerweise fette Kinder. Das Kind passt sich an die Essgewohnheiten der Eltern an (z. Bsp. zu viel Fast Food). Wenn es aber bei anderen Eltern aufwächst, dann kann es eine normale Statur erreichen.
Das ist jetzt aber eine Sache der Sozialisierung.

Wie grenzt man Sozialisierung und epigenetische Faktoren voneinander ab? Oder ist die Frage falsch gestellt?
Schwer zu unterscheiden.
Ein besseres Beispiel ist wohl die Abschaltung eines X-Chromosoms (in dem Artikel erwähnt).
Normale Zellen haben jeweils zwei Gene für ein und dasselbe Merkmal in den Chromosomen. Weibchen haben aber zwei X-Chromosomen, während Männchen nur eines haben. Wenn zweimal das gleiche Gen vorhanden sind, wird seine Wirkung verdoppelt.

Der Organismus kann darauf auf zwei wege reagieren. Entweder es verdoppelt die Aktivität des Y-Chromosoms in Männchen, oder es halbiert die Aktivität der Gene in den beiden X-Chormosomen der Weibchen. Tatsächlich wird in der Natur durchgehend die zweite Option gewählt: Eines der beiden X-Chromosomen der Weibchen wird (durch einen Prozess der als Methylierung bekannt ist) bereits in den ersten Minuten/Stunden der Entwicklung des Fötus abgeschaltet. Diese Abschaltung bleibt ein Leben lang in allen Zellen erhalten. Welches der beiden X-Chromosomen abgeschaltet wird (ob das X vom Vater oder von der Mutter) ist zufällig.
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#27 Re: Reichen Mutation und Selektion aus?

Beitrag von closs » Fr 10. Jan 2014, 02:13

Pluto hat geschrieben:Diese Abschaltung bleibt ein Leben lang in allen Zellen erhalten.
Könnte also nicht re-aktiviert werden?

Kann man abgeschaltetes und nicht-abgeschaltetes Chromosom als jeweils solches identifizieren?

Das Epigenetische daran wäre wohl, dass ein vorhandenes Chromosom abschaltbar ist - richtig?

Kann man ermessen, wieviel "Abgeschaltetes" in unserem Organismus ist? - Ist es theoretisch möglich, dass Abgeschaltetes (oder nie aktiviert Gewesenes) (re-)aktiviert wird?

Oh - da fällt mir noch ein Beispiel ein: Heuschrecken können hunderte von Jahren völlig unauffällig und unbemerkt vom Menschen leben, bis eine besondere Konstellation x eintritt, die sie zu Massen-Vermehrung bringt. - Sind solche Beispiele subsummierbar unter dem Begriff "Epigenetik"?

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#28 Re: Reichen Mutation und Selektion aus?

Beitrag von Pluto » Fr 10. Jan 2014, 02:28

closs hat geschrieben:Kann man abgeschaltetes und nicht-abgeschaltetes Chromosom als jeweils solches identifizieren?
Ja. Die "Enden" der Gene sind chemisch modifiziert, und die Modifikatoren sind grundsätzlich bekannt.

Das Epigenetische daran wäre wohl, dass ein vorhandenes Chromosom abschaltbar ist - richtig?
In dem Beispiel, ja. Aber in anderen Fällen, könnte auch eine Aktivierung verantwortlich sein.
Beides ist möglich.

Kann man ermessen, wieviel "Abgeschaltetes" in unserem Organismus ist?
Nein. Was würde das bringen? Jede (De-)Aktivierung ist individuell.
- Ist es theoretisch möglich, dass Abgeschaltetes (oder nie aktiviert Gewesenes) (re-)aktiviert wird?
Möglich ja.

Heuschrecken können hunderte von Jahren völlig unauffällig und unbemerkt vom Menschen leben, bis eine besondere Konstellation x eintritt, die sie zu Massen-Vermehrung bringt. - Sind solche Beispiele subsummierbar unter dem Begriff "Epigenetik"?
Heuschreckenplagen haben eine viel einfachere Erklärung. Die Bedingungen für die Ausbrütung der Eier sind in einem Heuschreckenjahr besonders günstig.
Mehr braucht es nicht.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#29 Re: Reichen Mutation und Selektion aus?

Beitrag von closs » Fr 10. Jan 2014, 02:45

Pluto hat geschrieben:Die Bedingungen für die Ausbrütung der Eier sind in einem Heuschreckenjahr besonders günstig.
Da kann man nicht widersprechen. - Allerdings wurde der Begriff "Bedingungen" folgendermaßen dargestellt:

Selbst bei guten klimatischen Bedingungen (genug Wärme/Futter/Feuchtigkeit) würde erstmal NICHTS passieren. - Erst wenn in der Gruppe (der Heuschrecken) ein ganz spezieller Zustand (durch viele Parameter definiert) erreicht sei, gäbe es so etwas wie eine "positive Resonanz" (siehe Chaos-Theorie), die das (bisherige) System sprengen würde - Mr. Jekyll wird zu Mr. Hyde (das war die etwas marktschreierische Bezeichnung in der diesbezüglichen Wissenschafts-Sendung).

Mich würde interessieren, ob (beispielsweise) der Komplex der gesamten Hormonsteuerung in diesem Kontext mit dem Begriff Epigenetik begründbar ist.

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#30 Re: Reichen Mutation und Selektion aus?

Beitrag von sven23 » Fr 10. Jan 2014, 17:09

closs hat geschrieben:
Mensch x wird geboren - geht in der Krieg - überlebt - zeugt danach Kinder. - Kann es sein, dass durch heftige Erlebnisse im Krieg etwas "an- oder abgeschaltet" wird, "ohne sich zu verändern"? - Also per Zeugung etwas weiter gegeben wird, was ohne Krieg nicht gewesen wäre?


Epigenetische Markierungen können vererbt werden.

"Traumata sorgen nicht nur für Narben in der Seele, sondern auch für Narben im Erbgut", veranschaulicht der Depressionsforscher Florian Holsboer die epigenetischen Markierungen. Wenn diese Narben auch im Erbgut der Keimzellen sind, dann werden sie sogar weitervererbt,..."
Quelle
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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