Pluto hat geschrieben:Der methodologische Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt existiert und was nicht. - [Robert Pennock - 1999]
Wunderbar - aber was bringt das, wenn man in der PRaxis die Welt so interpretiert, als sei alles in ihr falsifizierbar?
Pluto hat geschrieben:Was kann die HKM dafür, wenn es keine untersuchbaren Spuren gibt?
Nichts - dann ist es WISSENSCHAFTLICH richtig zu sagen:
"Das, was wir methodisch untersuchen können, führt zu folgendem Ergebnis". - Da hat keiner was dagegen, auch nicht Ratzinger.
Pluto hat geschrieben:Oder kannst du mir Anhand eines Beispiels zeigen wo das in der HKM so gehandhabt wird?
Unsere "Naherwartung" ist da ein gutes Beispiel.
Die HKM zieht hier ihre Untersuchungen mit Fokus auf die Rezipienten-Meinung (= Evangelisten und danach) durch - das ist methodisch angemessen. - Sie untersucht aber NICHT unter dem Aspekt der sog. "Heilsgeschichte" (= der Mensch/die Menschheit erkennt immer mehr mit der Zeit - das ist jetzt sehr vereinfacht gesagt). - Im HKM-Fall ist die älteste Quelle die authentischste - im Fall der "grammatisch-historischen Exegese" (ein andere Exegese-Form) ist das komplett offen - eben aus heilsgeschichtlichen Erwägungen.
Nun kann man sagen, die methodische Setzung "Wir binden den heilsgeschichtlichen Gedanken mit ein", sei "unwissenschaftlich" (niemand weiß, ob dieser Ansatz zur historischen Wahrheit führt). - Das gilt aber dann auch für die methodische Setzung "Wir fokussieren uns auf die Rezeption" (niemand weiß, ob dieser andere Ansatz zur historischen Wahrheit führt).
Ist es deshalb "unwissenschaftlich"? - Nach meinem Wissenschaftsverständnis ist es NICHT unwissenschaftlich, also wissenschaftlich, da beide Seiten auf Basis der gewählten Methodik wissenschaftlich sauber arbeiten. - Das Ergebnis experimentell überprüfen können beide eh nicht - denn nach wie vor ist komplett offen, ob Jesus historisch nur Mensch oder auch göttlich war.
Pluto hat geschrieben:Das Problem ist ein anderes: Es gibt keine theologische Arbeit, die davon ausgeht, dass ihre Setzung "Jesus ist göttlich", falsch sein könnte.
Umgekehrt: Die HKM geht nicht davon aus, dass ihre METHODISCHE Setzung (Stichwort: KR) "Jesus ist nur Mensch" falsch sein könnte.
Pluto hat geschrieben:Die HKM arbeitet nicht so, denn sie setzt nicht, dass Jesus nur-menschlich war.
Doch - die Methodik verbietet den Fall, dass Jesus göttlich war. - Hier nochmals Stichwort KR: "Alles, was nicht falsifizierbar ist, ist im Sinne der KR irrelevant". - "Jesus=göttlich" IST aber nicht falsifizerbar, also methodisch irrelevant. - Wenn es jedoch irrelevant ist, ist es nicht im HKM-Ergebnis-Korridor drin, also ausgeschlossen. - Daran ändert auch Pennock nichts mit seinem Spruch.
Pluto hat geschrieben:Etwas was nicht falsifizierbar ist, entzieht sich einer wissenschaftlichen Untersuchung, weil das Ergebnis beliebig wird.
No problem - dann sind wir wieder an dem Punkt, dass HKM-Exegese nur eine periphäre Exegese sein kann.
Pluto hat geschrieben:Dann bitte ich um den Beleg, sonst ist dein Kommentar nichtig.
Hatten wir eben:
"Alles, was nicht falsifizierbar ist, ist im Sinne der KR irrelevant". - "Jesus=göttlich" IST aber nicht falsifizerbar, also methodisch irrelevant. - Wenn es jedoch irrelevant ist, ist es nicht im HKM-Ergebnis-Korridor drin, also ausgeschlossen.
Pluto hat geschrieben:Die historische Realität, der man mittels einer wissenschaftlichen Untersuchung näher kommt, als mit jeder anderen Methode.
Kann sein, muss nicht sein.
Es gibt u.a. das Missverständnis, dass man die HKM (wie ich sie aus der Literaturwissenschaft kenne) einfach so über die Bibel stülpen kann ("Die Bibel ist ein Buch wie jedes andere"). - Denn wenn Jesus der ist, für den er es HKM-fernen Gründen gehalten wird, passt das nicht mehr - dann haben wir es mit einer Singularität zu tun, was ein Methodiker selbstverständlich ungern hört, weil er seine Methodik über "Randomisierung" (= Erfahrung mit anderen Texten) verfeinert, die hier wegfällt.
Komischerweise hat aber eine Exegese wie die "Grammatisch-historische Exegese" keinerlei Probleme damit. - Zwar bedient sie sich exakt des Instrumentariums der HKM, aber sie INTERPRETIERT anders - konkret:
Stelle Dir ein Gespräch zwischen einem HKM-ler und G(rammatisch)H(istorisch)M-ler vor: Dort werden beide ihre reine SACH-Ergebnisse vergleichen - in Bezug auf Datierung, historisches Umfeld, Verfasser, etc. - und werden im wesentlichen eine identische Sachlage haben. - Nun sagt der HKM-ler: "Daraus schließe ich, dass Jesus eine Naherwartung hatte". - Darauf wird der GHM-ler sagen: "Verstehe ich aus Deinen Voraussetzungen heraus - meine sind aber anders: Denn ich fokussiere mich nicht auf den Textverfasser/Rezipienten als letzte Instanz, sondern auf Jesus. - Und (meinetwegen) vor dem Hintergrund, dass Jesus ständig sagt, dass er (noch) nicht verstanden ist, integriere ich den heilsgeschichtlichen Aspekt mit ein und komme zu einem ganz anderen Ergebnis".
Welcher Ansatz ist der historischen Realität in Bezug auf Jesus näher? - Persönlich bin ich sicher, dass der GHM-ler recht hat, kann es aber nicht nachweisen. - Du könntest der Meinung sein, dass der HKM-ler recht, kannst es aber nicht nachweisen. - Es bleibt in beiden Fällen offen, weil wir nicht wissen, ob Jesus nur als Mensch oder auch als göttlich anzusetzen ist. - Beides ist historisch gut begründbar, aber eben nicht nachweisbar.
Pluto hat geschrieben:Deshalb sind nicht-falsifizierbare Setzungen die reinste Augenwischerei.
Gar nicht - das ist gang und gäbe in philologischen/theologischen Wissenschaften. - Oder anders: Man muss den Auftrag an die Wissenschaft sehr eng fassen, dass es um Falsifizierbares geht (bspw: "Wie oft war Goethe in Prag?" - das ist falsifizierbar) - aber dann ist Wissenschaft halt wieder nicht mehr als eine Hilfskraft der Philologie - was die Philologie nicht so gerne sieht.
Pluto hat geschrieben:Wann und wo wurden sie hinterfragt?
Hermeneutik hat immer eine Vorerkenntnis, auf der sie aufbaut - einfacher Beispiel:
"Da ist eine Person, bei der Du 'merkst', dass es eine Frau ist - auf dieser Basis untersuchst Du sie". - Wenn Du sie nach 10 Jahren wirklich gut kennst, dann nur deshalb, weil Du damals Dein 'Anfangswissen' als Faden genommen hast, an dem Du dann gezogen hast. - Ohne diesen Faden hättest Du nicht ziehen können. ---- Irgendwo habe ich einen Fachtext zur Hermeneutik eingestellt - da ist das recht gut beschrieben.
Pluto hat geschrieben:Dabei kann es UNTERSCHIEDLICHE Methodiken geben - es gibt also nicht nur eine.
Naja - die zweite ist die Hermeneutik. - Auf anderer Ebene gibt es unterschiedliche Methodiken je nach Exegeseform (eine HKM geht methodisch anders vor als eine GHM).
Pluto hat geschrieben:Welche scheitern denn?
Diejenigen, die über reine Sacharbeit hinaus in die Substanz der Bibel hinein-interpretieren. - Das wird als Ärgernis empfungen ("Antichrist"), aber sachlich überhaupt nicht ernst genommen - um es salopp zu sagen: Aus theologischer Sicht gelten die MATERIALISTISCH-INTERPRETIERENDEN HKM-ler als kleine Trumps.
Pluto hat geschrieben:Das Problem ist aber ein anderes... Kern der Wissenschaft ist die Falsifizierbarkeit. Warum will die Theologie das nicht begreifen?
Die begreift mehr, als Du ahnst (da gibt es echt brillante Köpfe). - Und sie könnten sagen:
"OK - machen wir einen New Deal: 'Wissenschaft' bezieht sich streng auf Falsifizierbares, also nur auf rein sachlich Nachweisbares/Widerlegbares. Dann haben wir zwar auch Wissenschaft innerhalb der Theologie (es gibt viele Arbeiten wie meinetwegen "Der Einfluss von Augustinus' Lehre auf die Französische Revolution"), aber in der Exegese und Hermeneutik sind wir weitgehend oder ganz im nicht-falsifizierbaren Bereich. - Aber wir machen nur dann mit, wenn die HKM ebenfalls mitmacht, also im Namen der Wissenschaft NICHT nicht-falsifizierbare Aussagen trifft wie 'Jesus hatte eine Naherwartung'. - Denn 'INNER-methodische Folgerichtigkeit' und 'Falsifizierbarekeit' ist nicht dasselbe. - Also: Wie wollen wir es machen: Konsequent 'so' oder konsequent 'so'?"
Da möchte ich mal miterleben, wie die Diskussion zwischen Theologie und HKM weitergeht.
