Janina hat geschrieben:
Ich hatte das Fernziel so definiert, dass es keine Verbesserung im Nahbereich gibt. So dass ein Lebewesen es nur erreichen kann, wenn es im Nahbereich Nachteile in Kauf nehmen muss, um in weiter Entfernung später einmal Vorteile zu haben. Eine Folge von (jeweisl besseren) Nahzielen kommt natürlich vor, darüber besteht gar kein Dissens. Es ging um Fernziele.
Gut, allerdings ist auch diese Definition zu einschränkend.
Es gibt Beispiele, in denen beweisbar ein Fernziel vorliegt, das über eine Serie von positiven Nahzielen erreicht wird. In dem Bereich, in dem ich arbeite, heißt das "agile Methode der Softwareentwicklung"
https://de.wikipedia.org/wiki/Agile_Softwareentwicklung
Dort gibt es beweisbar ein Fernziel, der Projektplan oder die Vorstellung des Kunden, was das Programm am Ende tun soll. Umgesetzt wird das über eine iterative, kurzfristige Vorgehensweise (Nahziele), wo nach jedem Sprint (Zyklus) ein funktionierendes Programm vorliegt, das Teile des Fernziels erreicht (positive Auswirkung).
Tatsächlich ist es bei diesem Vorgehen kennzeichnend, dass Design Entscheidungen, die man am Anfang getroffen hat, am Ende nicht mehr verändern kann, ohne erheblichen Aufwand zu treiben. Daher wird bei solchen Situationen mit Kompromissen gearbeitet. Das beweist aber nicht die Abwesenheit des Fernziels, das ist nach wie vor da.
Janina hat geschrieben:
Evolutionsgegner nehmen Fernziele als Beispiel für eine zielgerichtete Entwicklung. Zum vermeintlichen Nachweis von teleologischer Entwicklung. Biologen dagegen weisen bei den Beispielen entweder eine Nahziel-Kaskade nach (also dass die Entwicklung in der Tat schrittweise vorteilhaft ist - Auge, Flügel, etc...), oder das Fernziel ist tatsächlich eines, und dann kommt es nicht vor.
Die übliche Argumentation ist eher die, die du benutzt: Das Erreichen des Fernziels würde so viele Nachteile mit sich bringen, dass die Wahrscheinlichkeit astronomisch klein ist und daher kann das Fernziel nur durch ein Wunder entstehen.
Du solltest wissen, dass ich einem solchen Fehlschluss nicht nachhänge.
Janina hat geschrieben:
Ein Beispiel für letzteres ist der Kehlkopfnerv, der unpraktischerweise einen Umweg bis in den Brustraum macht, weil er eine Herzarterie kreuzt. Das Fernziel - kurzer Kehlkopfnerv - wäre nur erreichbar, indem der Nerv getrennt und hinter der Arterie wieder zusammengefügt würde.
...
Dies ist ein Nichtexistenzbeweis für Teleologie in der Evolution.
Das ist falsch. Das ist lediglich der Beweis, dass "kurzer Kehlkopfnerv" kein Ziel ist.
Wenn man sich extrem allgemein fasst, ist es das Ziel jedes Lebewesens, möglichst viele Nachkommen zu zeugen. Und das Ziel der Natur scheint zu sein, dies zu verhindern.
Wie bei dem Beispiel der agilen Vorgehensweise und meiner Argumentation Pluto gegenüber, warum der evolutionäre Lösungsraum nicht gleichmäßig durchsucht werden kann, kann das Ziel Maximierung der Nachkommensrate durchaus Nachteile mit sich bringen (langer Kehlkopfnerv), wenn die Auswirkungen der Nachteile klein genug ist.
Es gibt ja tausende Beispiele in der Natur, wo die Lebewesen eben nicht optimal sind (z.B. Hyänen), was aber im Licht des großen Ziels nichts ausmacht (Hyänen gleichen die Nachteile der kurzen Beine durch kooperatives Verhalten aus)
Wir können also feststellen: Es gibt ein (sogar von Dawkins anerkanntes) Fernziel für Lebewesen, nämlich die Maximierung der Nachkommensrate und eines der Umwelt (Minimierung der Nachkommensrate). Mich würde interessieren, wie dieses Ziel in der Natur umgesetzt ist und ob es eventuell noch detailliertere Strukturen gibt.
Letzter Gedanke ist durch die Komplexität der Lösungen, die es gibt geboren. Reicht es zur Erreichung der Fernziele nicht, Bakterien auszubilden? Warum nicht?
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.