Was hat das mit der Definition von "Bewusstsein" zu tun?Pluto hat geschrieben:Er war sicherlich gläubig, aber er war auch ein Rationalist; will heißen er suchte und fand Erkenntnisse in der Welt.
Nein - die Bezugs-Befähigkeit zu Gott ist Kern des christlichen Bewusstseins-Begriffs. - Ohne diese Befähigung (sei diese Befähigung intellektueller oder emotionaler Natur) ist der Begriff "menschliches Bewusstsein" nicht hinreichend definiert.Pluto hat geschrieben:Das Bewusstsein ist Kern des christlichen Bewusstsein...
Die heute dominierende Definition von Bewusstsein ist doch nicht Folge von mehr Erkenntnis, sondern anderer Erkenntnis. - Es ist doch kein Fortschritt, der mehr beinhaltet als die christliche Definition.Pluto hat geschrieben:Sind nicht alte Setzungen da, um sie zu hinterfragen, und nötigenfalls durch neue Erkenntnisse zu ersetzen?
Weil Deine Interpretation nicht zutreffend ist. - Die Suche nach innerweltlichen Erklärungen ist doch auch im Sinne der christlichen Definition sinnvoll und möglich. - Descartes setzt doch nicht sein Glaubensbild und das damit verbundene Bewusstseins-Verständnis aufs Spiel, sondern versucht, das Bewusstsein rational zu erklären.Pluto hat geschrieben: Warum nimmst da nicht einfach zur Kenntnis?
Die europäische Geistesgeschichte bis ins 19. Jh. ist die Begründung - man hat vorher nicht so gedacht, wie man heute denkt.Pluto hat geschrieben:Du behauptest das zwar vehement, aber wo ist die Begründung?
Moment: "Conscientia" hat schon seit frühchristlicher Zeit "Gewissen"/"Mit-Wissen" bedeutet. - Wolff hat diesen Begriff in die deutsche Sprache überführt und den Begriff "Bewusstsein" neu interpretiert - in Anlehnung an die Urbedeutung "Gewissen"/"Mit-Wissen". - Mit diesem "Mit-Wissen" ist natürlich "Mit-Wissen" nicht nur der Natur, sondern an der GÖTTLICHEN Natur, also an Gott, gemeint. - Wolff und Descartes wären nie auf die Idee gekommen, diesen Begriff aufgrund seiner Anbindung an christliche Inhalte auf Schimpansen zu übertragen.Pluto hat geschrieben:Also kann es vor Wolffs Begriffs-Prägung gar keine vorangehende christlich-geistliche-Geschichte des Begriffs gegeben haben.
Zwei Aspekte sind dabei zu beachten: Es war unüblich bis zum 18. Jh., auf Universitäten in deutsch zu sprechen und zu veröffentlichen - insofern war es eine Leistung für die Volks-Sprache "deutsch", "Bewusstsein" als Lehnwort aus dem Lateinischen "conscientia" zu übertragen.
Viele wichtiger: Zweitens muss man Wolffs Wirken vor dem Hintergrund der "Theologie Naturalis" verstehen:
"Als Natürliche Theologie (auch: theologia naturalis oder philosophische bzw. rationale Theologie, teilweise identisch mit Natürlicher Religion), wird der Versuch bezeichnet, aus natürlichen Quellen Erkenntnis über Gott zu gewinnen. Mit „natürlichen Quellen“ sind hier vor allem die menschliche Vernunft und die Betrachtung der Schöpfung, insbesondere der mit den Sinnen wahrnehmbaren Welt gemeint. Obwohl von Gott geredet wird, handelt es sich bei der natürlichen Theologie dem Anspruch nach nicht um Glauben und Religion, sondern um die denkerische Durchdringung des Weltzusammenhangs mit wissenschaftlich verantworteter und nachvollziehbarer Methodik" (wik)
Etwas platt gesagt: Man möchte Gott rational erklären. - Insofern ist eine Definition von "Bewusstsein" ohne Gott-Bezug schlechterdings unmöglich. - Descartes und Wolff würden also aller Wahrscheinlichkeit auf Deine Hypothese, Schimpansen würden Bewusstsein und Gewissen haben, enweder entsetzt sein (Blasphemie) ODER interessiert nachfragen, wie man herausgefunden habe, dass Schimpansen einen Gottes-Bezug hätten. - Insofern sind Descartes und Wolff keine guten Testimonials für die heutigen Definitionen, die Schimpansen plötzlich Bewusstsein und Gewissen haben lassen können.