closs hat geschrieben:Janina hat geschrieben:Wenn naturalistische Erkenntnisse logische Schlussfolgerungen außerhalb des bekannten Spielfeldes zur Folge haben, dann sind die Folgerungen zwingend und das Spielfeld damit erweitert. So wurden z.B. die Gravitationswellen vorhergesagt.
Missverständnis: Mit "außerhalb des Naturalismus" habe ich nicht "außerhalb der heute naturwissenschaftlich untersuchten Welt" gemeint
Ich kann dazwischen keinen Unterschied erkennen. Denn Untersuchen ist ein naturalistischer Vorgang. Anders kann Untersuchen gar nicht gedacht werden.
closs hat geschrieben:Die Frage war, ob Du geistig zwingende Widerlegungen in geistigen Fragen als "Falsifizierung" anerkennen würdest.
Vielleicht darf ich dafür mal die Mathematik als Anschauungsobjekt heranziehen, da sie sie einzige Geisteswissenschaft ist, die mir ein wenig vertraut ist.
Eine zwingende Widerlegung ist eine Falsifizierung.
ABER es gibt dort keine Empirie. Man kann vieles ausprobieren, das ist richtig, aber diese Tests beruhen auf der Annahme, dass ein empirisches System der Mathematik dazu "irgendwie" entspricht. Dies ist eine Setzung, die man annehmen kann, aber nicht muss.
Außerdem ruht der Teilbereich, mit dem man sich gerade beschäftigt, auf Axiomen. Das sind Setzungen, die eigentlich im luftleeren Raum schweben. Wenn man Axiome als wahr annimmt, ist das genau die eben erwähnte Setzung. Axiome werden gern mit Dogmen verglichen, das ist fehlerhaft. Das Gebäude der Mathematik ist auf Axiomen aufgebaut, darin besteht Übereinstimmung. Aber man kann Axiome wegnehmen, ohne dafür getötet zu werden, und dann ein verändert aufgebautes kleineres Teilgebäude der Mathematik erhalten. Dieses Wegnehmen ruft bei Mathematikern kein Entsetzen, sondern Interesse hervor. Darin unterscheidet sich ein Axiom von einem Dogma. Bekanntestes Beispiel ist das Parallelenaxiom , das 5. Axiom der Euklidischen Geometrie, das man weglassen kann, und dabei auf die "nichteuklidische" Geometrie stößt.
Was bedeutet: Wenn du eine "geistige" Widerlegung gefunden hast, hast du vielleicht eine Aussage falsifiziert. Aber niemand garantiert dir, dass die Widerlegung auch unter anderen Setzungen erhalten bleibt.
Ich weiß nicht, auf welches Gebiet du diese für die Mathematik geltende Aussage übertragen willst. Vielleicht ist auch hier die Extrapolation an sich unzulässig, aber wenn die Grundlage für logische Aussagen nicht die Mathematik sein soll, was denn dann überhaupt?
closs hat geschrieben:Janina hat geschrieben:Das ist die Annahme der verborgenen Variablen.
Das meine ich nicht. - Ich meine es ontologisch im Sinne von: Wenn etwas ist (egal ob ich es weiß oder nicht weiß oder nachweise oder nicht nachweise), "ist" es unabhängig von meinem Wahrnehmungs-Status.
Ich habe nicht behauptet, dass die Ontologie Quantenmechanik wäre. Ich habe behauptet, dass eine Annahme, die auf unserer beschränkten Vorstellungskraft basiert, die bereits in der QM widerlegt wurde, nicht mehr gültig ist, und damit auch nirgends mehr verwendet werden darf.
Ein von meinem Wahrnehmungs-Status unabhängiges "Sein" ist nicht zwingend. Wir nehmen es häufig an, aber wir haben Gegenbeispiele gefunden. Das Dumme ist, dass sie sich unserer Vorstellungskraft entziehen, aber trotzdem bewiesen sind. Darin spüren wir die Beschränktheit unseres Geistes und müssen uns blind der reinen Logik anvertrauen. Denn wenigstens die stimmt.
closs hat geschrieben:"Wär nicht das Auge sonnenhaft, die Sonne könnt es nie erblicken" (Goethe).
Interessanterweise sind wir bereits darüber hinaus gewachsen. Denn unser Geist ist medioskopisch-welthaft, und wir können nur die medioskopische Welt "denken". Die Welt des Kleinsten (QM) und des Größten (RT) bleibt unserem Geist verborgen, aber nicht der Mathematik. Ist das nicht toll? Wir haben mit unserem beschränkten Geist eine Mathematik erschaffen, die sich weiter entwickelt hat als unser Geist, also über diesen hinaus gewachsen ist.
Dies ist der richtige Zeitpunkt, um religiös / demütig zu werden.
closs hat geschrieben:Janina hat geschrieben:Genug andere Hassprediger schießen wie die Pilze aus dem Boden, um ihre Predigten schneller zu verbreiten als die Vernunft aufklärend hinter ihnen aufräumen kann.
Stimmt - aber das ist im säkularen Bereich genauso - sogar im Namen dessen, was man heute "Aufklärung" nennt.
Die Aussage ist sinnlos. Wie soll es in der Aufklärung vernünftige Hasspredigten geben, die sich schneller verbreiten, als die aufgeklärte Vernunft hinter ihnen wieder sauber machen kann?