Versagt die Evolutionstheorie? II

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CoolLesterSmooth
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#421 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von CoolLesterSmooth » Mi 3. Okt 2018, 22:10

closs hat geschrieben:Wann ist eine Kultur oder eine Einzelperson so weit, dieses oder jenes zu erkennen?
Gibt es denn eine Kultur, die sich nicht zuschreiben würde, bereits so weit zu sein? Und selbst wenn geistiges Erkennen möglich ist, aber bestimmte Kulturen noch nicht so weit sind/waren, denkst du, dass man in diesen Kulturen weniger überzeugt von den Früchten seiner Erkenntnis ist/war, als du es bist?

Doch - solange eine Religion egal welcher Art geistig/geistlich univesal denkt, ist sie kompatibel mit anderen Religionen, die das tun.
Aber meine Frage bezog sich ja auf inkompatible Religionen.
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closs
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#422 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von closs » Mi 3. Okt 2018, 22:34

CoolLesterSmooth hat geschrieben:Und selbst wenn geistiges Erkennen möglich ist, aber bestimmte Kulturen noch nicht so weit sind/waren, denkst du, dass man in diesen Kulturen weniger überzeugt von den Früchten seiner Erkenntnis ist/war, als du es bist?
Weiß ich nicht - aber die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich hoch, dass jeder viel von sich hält

Da helfen zweierlei dagegen:

1) Fundamental-philosophische Erkenntnisse, die komischerweise bei Sokrates, Augustinus und Descartes bei aller Verschiedenheit sehr ähnlich sind. - Da passt übrigens auch Kant rein - möglicherweise auch Heidegger. - Raus kommt dabei: Die Negation des Anthropozentrischen als Maßstab.

2) 1.Kor. 1ff

Übrigens: Wenn ich von etwas in MEINER Erkenntnis überzeugt bin, ist es genau das - mehr nicht. - Alles andere ist Zeugs, das danach kommt.

CoolLesterSmooth hat geschrieben:Aber meine Frage bezog sich ja auf inkompatible Religionen.
Inkompatibel aus wessen Sicht?

Es kann zwei Antworten geben:
1) Etwas erscheint inkompatibel, ist es aber nicht.
2) Etwas ist eine Wider-Religion, ist also tatsächlich inkompatibel.

Wer soll das entscheiden, wenn man das Anthropozentrische/Anthropogene NICHT als Maßstab akzeptiert? - Kein Mensch kann es. - Trotzdem versuchen viele Menschen, authentisch zu denken in Bezug auf die Wahrheit und urteilen sozusagen mit Vorbehalt.

Konkret: "Islam sensu IS ist NICHT kompatibel" - das ist mein GLAUBE. -- "Wohlstands-Christentum ist NICHT kompatibel" - das ist mein Glaube. - Mehr hat man nicht bei solchen Fragen.

Natürlich kann man diesen Glauben begründen - aber jeder Begründung liegt eine Hermeneutik zugrunde, die selber wieder angezweifelt werden kann - ein infiniter Regress. - Trotzdem: Man kriegt ein Gefühl dafür - aber dieses ist nicht intersubjektiv überprüfbar.

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CoolLesterSmooth
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#423 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von CoolLesterSmooth » Do 4. Okt 2018, 01:14

closs hat geschrieben:Weiß ich nicht - aber die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich hoch, dass jeder viel von sich hält
Das ist auch meine Vermutung.

closs hat geschrieben:Inkompatibel aus wessen Sicht?
Gerne aus deiner persönlichen.
Letztendlich geht es mir wieder um die Frage, ob jemand, der meint zu einer Erkenntnis gelangt zu sein, die in direktem Widerspruch zu dem steht, was du meinst erkannt zu haben, ob diese Person dabei das gleiche Gefühl der Erkenntnis verspüren kann, wie du, ob diese Person auch etwas verspüren kann, das sie als einen Heureka-Moment bezeichnen würde?
Denn wenn wir das nicht ausschließen können (ich würde mich schon über Gründe freuen, die zumindest in die Richtung tendieren lassen, dass es nicht sein kann), dann sind wir wieder an dem Punkt, dass wir anhand des Gefühls, das wir beim (vermeintlichen) Erkennen haben, nicht sagen können, ob wir nun wirklich erkannt haben oder ob wir uns einbilden erkannt zu haben.
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#424 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von closs » Do 4. Okt 2018, 10:04

CoolLesterSmooth hat geschrieben:Denn wenn wir das nicht ausschließen können (ich würde mich schon über Gründe freuen, die zumindest in die Richtung tendieren lassen, dass es nicht sein kann), dann sind wir wieder an dem Punkt, dass wir anhand des Gefühls, das wir beim (vermeintlichen) Erkennen haben, nicht sagen können, ob wir nun wirklich erkannt haben oder ob wir uns einbilden erkannt zu haben.
Richtig - das kriegst Du nie weg.

Was ist die Alternative? - Man lässt - so tut es der Kritische Rationalismus - alles weg, was nicht falsifizierbar, also methodisch nicht "beweisbar" ist. - Da damit "ist" das nicht weg, was nicht "beweisbar" ist - es ist immer noch da.

Etwas salopp: Du stellst fest, dass es nicht "beweisbar" ist, dass Deine Frau nicht liebt - also gibt es keine Liebe. - Kann's ja nicht sein, oder?

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#425 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von Pluto » Do 4. Okt 2018, 10:46

closs hat geschrieben:Etwas salopp: Du stellst fest, dass es nicht "beweisbar" ist, dass Deine Frau nicht liebt - also gibt es keine Liebe. - Kann's ja nicht sein, oder?
Nein. Das kann nicht sein, denn Liebe gibt es sehr wohl. Sie ist sogar nachweisbar, durch die Messung von Hormonausschüttungen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#426 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von CoolLesterSmooth » Do 4. Okt 2018, 14:36

closs hat geschrieben:Richtig - das kriegst Du nie weg.
Und wie ich geschrieben habe, fordere ich nicht nicht einmal, es direkt komplett weg zu bekommen, sondern ich sehe hier noch nicht einmal einen Ansatz, der die Vermutung nahelegt, dass man sich auf "Erkennen" verlassen kann. Ich wäre schon einigermaßen beeindruckt, wenn es etwas gäbe, das die Waage nur ganz leicht zum Kippen bringt.

Was ist die Alternative? - Man lässt - so tut es der Kritische Rationalismus - alles weg, was nicht falsifizierbar, also methodisch nicht "beweisbar" ist. - Da damit "ist" das nicht weg, was nicht "beweisbar" ist - es ist immer noch da.
Die Alternative für mich ist, dass ich nicht akzeptieren kann, dass mich Erkennen eher zu dem bringt, was ist, als zu etwas, das nicht ist und damit ist der Verlass auf Erkennen für mich gleichgesetzt mit blindem Glauben und das, das hatte ich bereits geschrieben, ist keine Basis für mich, um mein Weltbild darauf zu begründen. Vielleicht riskiere ich damit, dass mir gewisse Kenntnisse über die Welt damit für immer verborgen bleiben, aber selbst wenn ich mich auf den Gedanken einlassen würde, dass Erkennen prinzipiell möglich ist, die fehlende Möglichkeit wahre von falscher Erkenntnis zu unterscheiden, verhindert, dass ich irgendeinem Produkt meiner Erkenntnis vertrauen schenken könnte.
Mit Blick auf z.B. das Problem eines möglichen confirmation bias, haben deine Ausführungen bei mir sogar eher den Eindruck bestärkt, dass Erkennen nichts ist, das mein Vertrauen verdient.

Etwas salopp: Du stellst fest, dass es nicht "beweisbar" ist, dass Deine Frau nicht liebt - also gibt es keine Liebe. - Kann's ja nicht sein, oder?
Ich glaube ein Reibungspunkt hier ist, dass wir mit unterschiedlichen Definitionen arbeiten, wenn es um "Liebe" geht.
Dieser Kommentar wurde von einem heimlich bescheidwissenden und unglaublich boshaften Hund mit finsterer Seele, zerfallenem Geist und Aussicht auf finanziellen Gewinn verfasst.

Anton B.
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#427 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von Anton B. » Do 4. Okt 2018, 18:10

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Richtig! Muss sich Hans Muff aber nicht ärgern. Bezüglich Deiner Wirklichkeit zumindest ist er in allerbester Gesellschaft.
Das entspricht aber nicht dem allgmeinen Verständnis des Wortes "wissen" (s.o.: "Polysem"). - "Ich weiß, dass der Schulbus um 7:20 h bei uns abfährt"
Hans Muff hat sich ja auch nicht damit auseinander gesetzt, was er wissen kann.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Wüsste nicht, dass sich die Wissenschaft den Sinneseindrücken von Hans Muff entgegen stellt. Im Gegenteil, sie erklärt ja wissenschaftlich, warum Hans Muff es so sieht. Und deshalb muss doch nun niemand direkt die AFD wählen ...
;) Diese Übereinstimmung gibt es halt oft NICHT. - Auch wenn es wissenschaftliches "Wissen" ist, dass der Mensch nicht nur 3, sondern unendlich viele Geschlechter hat, distanziert sich Hans Muff davon - und fühlt sich verarscht, wenn ihm das als mangelnde Aufgeklärtkeit angelastet wird.
Welches Wissen soll das sein? Was genau ist die im Wissen vertretene Aussage?

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Und das nicht etwa wegen der Erkenntnis "ich weiß nichts" sondern "ich weiß besser, ich -- der allmächtige Hans Muff -- lasse mir doch kein x für ein u vormachen und das hier ist Firlefanz!"
Nee - das ist allenfalls die letzte Stufe. - In den Stufen vorher glaubt er erst mal, was er da hört, weil er ja meint, dass wissenschaftliche Ergebnisse "wahr" sind, und schiebt die Schuld erst mal auf sich ("Da muss ich den Mund halten - kommt mir komisch vor - naja, was es nicht alles gibt"). - Die letzte Stufe kommt erst, wenn es überhaupt nicht mehr aufhört und eine gewisse Schwelle überschritten ist.
Also zuerst glaubt er an Wissenschaft. Das ist durchaus zutreffend ausgedrückt. Und er hat auch Gründe dafür. Die liegen nicht darin, dass er die wissenschaftliche Argumentation fachgerecht nachverfolgen kann, sondern, weil der "Strom aus der Steckdose fließt", das Licht mit dem Drücken eines Knopfes angeht, weil sein erstes Taschenmesser als kleiner Junge die Schärfe gut behält und nicht rostet usw. usf. Das Problem entsteht, wenn er anfängt, zu hinterfragen. Wenn ihm die ein oder andere Aussage "nicht gefällt". Sozusagen, wenn Hans Muff mündig wird. Wenn er mündig wird, aber die Grundlagen -- das heißt die Begründungsstruktur für wissenschaftliche Aussagen -- weder rezipieren, noch nachvollziehen kann.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Und ja, ich meine auch, hier gibt es ein Problem. EIn Problem bei Hans Muff.
Sehe ich nach wie vor anders. - Wenn ich Dir als Germanist erkläre, dass man sich im 17. Jahrhundert im Garten "gepaart" hat, musst Du denken, dass ich damit meine: "Die hatten dort Sex". Trotzdem wirst Du erstmal zur Kenntnis nehmen, dass die Geisteswissenschaft das sagt ("Kommt mir komisch vor - naja, was es nicht alles gibt").

Was Du nicht weißt: "Paaren" hieß in der Zeit, dass man sich getroffen hat ("Anton und Closs paarten sich im Garten" - sie haben sich dort also auf einen Spaziergang getroffen). - Und wenn Du komisch guckst, weil Du das anders verstanden hast, sage ich Dir: "Ich meine auch, hier gibt es ein Problem. EIn Problem bei Hans Muff". - Verstehst Du?
Nein. Ich bin kein Germanist, habe mich damit nicht ausreichend beschäftigt und muss, wenn mir eine solche Aussage zu Ohren kommt und es mich interessiert, nachfragen.

closs hat geschrieben:Nur mal ein persönliches Beispiel: Erst durch MArtin Bubers AT-Übersetzung habe ich im zarten Alter von über 50 Jahren gelernt, wie man phänomenisch liest - also nur das liest, was dasteht, OHNE zu interpretieren/bewerten. - Warum? Meine Denk-Formatierung war zu abendländisch (wobei das schon wieder ein eigenes Thema wäre) - aber verstehst Du?
Nö. Kann ich in unsere Diskussion nicht einordnen. Was ist das "Ziel" des phänomenischen Lesens.

closs hat geschrieben:Dabei fällt mir ein: Eine neuere wissenschaftliche Sau, die man durchs Dorf zu treiben beliebt - so ähnlich wie: Man soll Kinder nicht loben, da sie dies beeinflussen würde und damit ihre Selbstverwirklichkung in Frage stellen würde - kam in der ZEIT vor gut einem Jahr. - Wenn DAS ein Hans Muff mit seinem möglicherweise halbwegs intakten Seelenleben hört, macht der sein Kreuzchen - finito.
Pech für Hans Muff. Er müsste fragen, was genau soll komplett die wissenschaftliche Aussage sein, wie sieht die Begründungsstruktur aus, welcher "Diskurs" wird in der Wissenschaft darüber gerade geführt. Wenn er das nicht kann, hat er schlechte Karten.

closs hat geschrieben:Da kannst Du jetzt 10 Mal damit kommen, dass dies Aussage eines Modells war, in dem die verwendeten Begriffe "so" gemeint waren (= weit weg von dem, was Hans Muff darunter versteht) - der Zug ist trotzdem abgefahren. - Das Problem: Solche Sachen werden dann auch in irgendwelchen Kursen gelehrt und dann hat man es plötzlich mit Lehrern und Eltern (die helikopterartig ebenfalls solche Kurse besuchen) zu tun, die die Kinder - ich sage es hart - systematisch kaputt machen. - Das sagt dann der kulturell stabile Hand Muff: "Ihr könnt damit Eure Kinder Karriere machen lassen - mir ist es lieber, wenn meine Kinder gesund sind". - Und schon sind wir wieder im gesellschaftlichen Kontext.
Noch vor dem gesellschaftlichen Kontext liegt eben Hans Muffs persönlicher Kontext. Er -- bzw. seine kleine Familie -- ist ja direkt betroffen. Er hat eine Entscheidung zu treffen, seine Erfahrungswelt meldet aber Widerstreitendes zurück. Das ist doch hier sein Problem. Und die wissenschaftliche Einsicht, warum das eine denn nun womöglich gut sein soll, die wird er wahrscheinlich nicht erlangen können.

closs hat geschrieben:Mit "selbstverschuldeter Unmündigkeit" meine ich NICHT, dass ein Wissenschaftler seine Arbeit gewissenhaft tut und dementsprechende Ergebnisse erzielt, sondern dass die Gesellschaft jeweiliges Modell-Wissen der Wissenschaft blind übernimmt, ohne sich ihres Verstandes "ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung" (Kant).
Sich dem eigenen Verstand ohne "Leitung durch einen anderen" anzuvertrauen, bedingt sicherlich Mut. Nur, wo willst Du den Mut erproben? In der Schule denkst Du Dir nicht Deine eigene Mathematik, Schrift und Sprache aus. Als junger Facharbeiter und Ingenieur greifst Du auf das bewährte Wissen Deiner Lehrer und älteren Kollegen zurück. Jederzeit hast Du die Möglichkeit, selbst zu denken. Etwas fortzudenken, etwas neu zu denken, altes in Frage zu stellen und ggflls. aus einem eckigen Holzklotz nochmal von Vorne ein neues, grundsätzlich viel besseres Rad zu formen.

In vielen Fällen setzt Du da auf, wo Dir Dein fundiertes Wissen Fragen stellt. Das andere, einfach mutig ohne Ahnung d'rauf los zu denken, geht ja auch und ist nicht verboten. Du entscheidest, was Sapere aude für Dich bedeuten soll.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Möchtest Du Hans Muff 'ne Denkklingel in seinem Oberstübchen installieren oder soll ich das tuen?
"Denkklingel" wäre in erster Linie "Misstrauens-Klingel". - Nimm den Fall Chemnitz: Auch ich habe zuerst geglaubt, dass das thematisierte Video eine "Hetzjagd" zeigen würde ("30 Braune hetzen 20 arme Ausländer durch Straßen und Stadtteile"). - Warum? Weil es so berichtet wurde? - "Denkklingel" wäre jetzt: "Achtung - Closs - Alarm - es wird SO berichtet, aber bestimmt war es anders" - war's dann ja auch. - Eigentlich forderst Du von Hans Muff bedingloses Misstrauen - und dann die Energie, die Sache selber zu richten. - Kann es das sein?
Ganz und gar nicht. Aber womöglich ist es das, wo Du den armen Hans Muff hintreibst.

In der Erkenntnistheorie gibt es die Figur des "Skeptikers". Leider zeigt sich, dass auch die gewieftesten Philosophen dem Skeptiker mit seinen Einwänden gegen das, was der Mensch "wissen kann", nicht beikommen können. Immer hat er den Einwand "mehr". Das ist leider die Situation. In toto als auch für uns Individuen, ob innerhalb oder außerhalb einer Gesellschaft. Das Problem des Skeptikers, nachdem er alles, was ihm als sicheres Wissen über die Welt präsentiert wurde, elegant zerlegt hat: Er selber weiß nichts!

Was bedeutet das für uns, wie können wir uns trotzdem durch die Welt "schlingeln"? Gibt es, obwohl wir nicht wirklich "wissen" können, vielleicht ökonomische Strategien. Das sind die zentralen Fragen. Und die adressieren sich genauso an uns Wissenschaftler, als Berufsausübende und als Menschen, wie sie sich an den closs und Hans Muff adressieren.

Sich dessen bewusst zu sein, weder die Flinte in das Korn zu schmeißen und sich auch nicht mit Gedankeneskapaden wie "der" Wirklichkeit an einen vermeintlich sicheren Rettungsanker einer angeblich objektiv begründbaren Gewissheit anzubinden, das meint "Sapere aude" als Leitspruch der Aufklärung.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#428 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von closs » Fr 5. Okt 2018, 21:00

CoolLesterSmooth hat geschrieben: Ich wäre schon einigermaßen beeindruckt, wenn es etwas gäbe, das die Waage nur ganz leicht zum Kippen bringt.
Vermutlich läuft es drauf raus, dass es das täglich tut, Du es aber anders nennst. Sprich: Man beschreibt heute Dinge nicht mehr geistig/geistlich, sondern naturalistisch - etwa so:
Pluto hat geschrieben:denn Liebe gibt es sehr wohl. Sie ist sogar nachweisbar, durch die Messung von Hormonausschüttungen.
Das heißt: Wenn man alles auf seine materielle Herkunft beschränkt UND dies genügt, ist in der Tat kein Platz für geistige/geistliche Interpretationen.

CoolLesterSmooth hat geschrieben:Vielleicht riskiere ich damit, dass mir gewisse Kenntnisse über die Welt damit für immer verborgen bleiben
Zumindestens auf der Refelktuions-Ebene ist das so. - Man nennt es heute "aufgeklärt", wenn man dieses Risiko auf sich nimmt.

CoolLesterSmooth hat geschrieben:haben deine Ausführungen bei mir sogar eher den Eindruck bestärkt, dass Erkennen nichts ist, das mein Vertrauen verdient.
Spätestens hier ist die Frage: Was ist "Erkennen"? - Biblisch/geistig/geistlich ist Erkennen die bewusstseins-getragene und verstehende Verschmelzung von A mit B: "Adam erkannte Eva" - "Gott erkannte Abraham". - Heute versteht man unter "Erkennen" intersubjektiv nachvollziehbares "Wissen" - also etwas GANZ anderes.

Etwas einfacher: Wenn Dich ein Musikstück an ganz tiefer Stelle in Dir erreicht, ist das biblisches "Erkennen" - es ist NICHT "Dieses Stück ist in G-Dur, entstand 1797 und wurde in Wien komponiert".

CoolLesterSmooth hat geschrieben:Ich glaube ein Reibungspunkt hier ist, dass wir mit unterschiedlichen Definitionen arbeiten, wenn es um "Liebe" geht.
Das ist meistens so, wenn kritisch-rationales Denken mit geistigem/geistlichem Dnken kollidiert. Dies ist dem Umstand zu verdanken, dass die materialistische Philosophie ab dem 19. Jh. konsequent bestehende Begriffe übernommen hat und semantisch neu besetzt hat.

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#429 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von closs » Fr 5. Okt 2018, 21:47

Anton B. hat geschrieben:Welches Wissen soll das sein? Was genau ist die im Wissen vertretene Aussage?
Das wird ja medial nicht gesagt. - Medial wird ein bestehendes Wort ("Geschlecht"), von dem man weiß, wie es alltagssprachlich besetzt ist, im Verständnis eines wissenschaftlichen Modells weitergegeben und diese neue Besetzung als "wissenschaftliche Wahrheit" alias "Wirklichkeit" etikettiert (= "Was Du, Hans Muff, bisher geglaubt hast, ist falsch") - das Verhältnis von Modell und Wirklichkeit, so wie Du es immer beschreibst, wird ohnehin nicht thematisiert - das wissen nicht einmal Medien-Profis.

Anton B. hat geschrieben:Das Problem entsteht, wenn er anfängt, zu hinterfragen.
Richtig - aber WO hinterfragt er? - Er hinterfragt NICHT bei Themen der "Artes Mechanicae" ("Ich hinterfrage, dass der Jura aus Kalkstein besteht") - das will er gar nicht beurteilen können. - Er hinterfragt ebenfalls nicht, dass das Wasserkraftwerk x eine Energie y erzeugen kann - so etwas glaubt man (tue ich genauso - ich kann es doch gar nicht nachprüfen).

Hinterfragt wird in sozialwissenschaftlichen Bereichen und in geistigen/geistlichen Bereichen. - Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass man Kinder nicht loben solle? ALARM. --- Es gäbe nicht nur 3 Geschlechter, ...? ALARM. --- 38% aller Muslime seien extremistisch? ALARM (bzw. hier auch umgekehrt: "Ich hab's schon immer gewusst" - es soll nicht der Eindruck erweckt werden, Hans Muff sei ohne Fehl und Tadel). - Mit anderen Worten: Chaos, bei dem man sich auf keinen verlassen kann - weder auf das, was im Namen der Wissenschaft medial verbreitet wird noch auf die Hans Müffer, die es aufnehmen. - Mit anderen Worten: Man nimmt es selber in die Hand - mit dem Risiko, das Kind mit dem bade auszuschütten.

Anton B. hat geschrieben:Sozusagen, wenn Hans Muff mündig wird.
Richtig - genauso fühlt sich dann Hans Muff: "Ich bin aufgeklärter als der obrigkeits- (alias Wissenschafts-/Social-Correctnes.) Mainstream.

Anton B. hat geschrieben:aber die Grundlagen -- das heißt die Begründungsstruktur für wissenschaftliche Aussagen -- weder rezipieren, noch nachvollziehen kann.
Das kann doch der gläubige Mainstream genausowenig, nur dass er sich wie ein Schaf ausliefert!

Anton B. hat geschrieben:Ich bin kein Germanist, habe mich damit nicht ausreichend beschäftigt und muss, wenn mir eine solche Aussage zu Ohren kommt und es mich interessiert, nachfragen.
Aber nur, wenn Du misstrauisch wirst: "Paaren" ist heute im Sinne von "sich körperlich vereinigen" in der Alltagssprache klar definiert - "Extremistisch" ist heute im Sinne von "gegen den Staat eingestellt sein und sogar gewalttätig sein" klar definiert. - Warum solltest Du auf die Idee kommen, nachzufragen? Woher sollst Du wissen, dass Dir etwas untergeschoben wird, was ganz anders (bei gleichem Wort) definiert ist?

Anton B. hat geschrieben:Er müsste fragen, was genau soll komplett die wissenschaftliche Aussage sein, wie sieht die Begründungsstruktur aus, welcher "Diskurs" wird in der Wissenschaft darüber gerade geführt. Wenn er das nicht kann, hat er schlechte Karten.
Wissenschafts-intern ist das richtig - sobald es an die Öffentlichkeit dringt, ist das falsch.

Wenn Wissenschaftliches an die Öffentlichkeit dringt, muss es erklärt werden ("Wie sieht die Begründungsstruktur aus, welcher "Diskurs" wird in der Wissenschaft darüber gerade geführt?") - ansonsten hat es in Publikums-Medien nichts zu suchen.

Anton B. hat geschrieben:Und die wissenschaftliche Einsicht, warum das eine denn nun womöglich gut sein soll, die wird er wahrscheinlich nicht erlangen können.
Möglicherweise wird umgekehrt der Verfasser dieser wissenschaftlichen Einsicht nie begreifen können, warum das Modell, auf Basis dessen er seine Ergebnisse ermittelt hat, in Bezug auf die Wirklichkeit falsch ist. - Wer der beiden ist aufgeklärter?

Anton B. hat geschrieben:In vielen Fällen setzt Du da auf, wo Dir Dein fundiertes Wissen Fragen stellt.
Hans Muff versteht unter "fundiertes Wissen" auch das, was er aus kultureller und sozialer Lebenserfahrung erkannt hat. Da lässt er sich auch was draufsetzen - aber eben drauf und nicht daneben.

Anton B. hat geschrieben:Pech für Hans Muff.
Pech für Gesellschaft als Ganzes. - Nicht Hans Muff wird die Sachen um die Ohren kriegen, sondern andere.

Anton B. hat geschrieben:Aber womöglich ist es das, wo Du den armen Hans Muff hintreibst.
Doch nicht "ich". - Das ist doch gerade MEIN Vorwurf an die mediale Vermittlung von Wissenschaft - und nicht nur der Wissenschaft. - Die AfD-ler fühlen sich subjektiv gezwungen, Instanzen, denen sie lange genug geglaubt haben, zu misstrauen und "es" selber in die Hand zu nehmen. - Und jetzt sagst Du sinngemäß, dass es DEREN Problem sei. - Nein, gerade NICHT.

Anton B. hat geschrieben:Das Problem des Skeptikers, nachdem er alles, was ihm als sicheres Wissen über die Welt präsentiert wurde, elegant zerlegt hat: Er selber weiß nichts!
Richtig - aber genau das gibt er auch zu (Aber die das tun, sind keine Hans Müffer).

Anton B. hat geschrieben:Sich dessen bewusst zu sein, weder die Flinte in das Korn zu schmeißen und sich auch nicht mit Gedankeneskapaden wie "der" Wirklichkeit an einen vermeintlich sicheren Rettungsanker einer angeblich objektiv begründbaren Gewissheit anzubinden, das meint "Sapere aude" als Leitspruch der Aufklärung.
Wie gesagt: In Bezug auf die Artes Mechanicae wirst Du damit keine Probleme mit Hans Muff bekommen.

Einen ganz anderen Themenkomplex jenseits von Wissenschaft haben wir überhaupt noch nicht angesprochen: Die Routine der Täuschung durch Medien, Parteien, Werbung, etc. --- Letztlich läuft das all hier Besprochene hinaus auf: "Man kann niemandem mehr glauben". - Diese Einsicht wird als Aufklärung verstanden.

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sven23
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#430 Re: Versagt die Evolutionstheorie? II

Beitrag von sven23 » Sa 6. Okt 2018, 09:33

closs hat geschrieben: Einen ganz anderen Themenkomplex jenseits von Wissenschaft haben wir überhaupt noch nicht angesprochen: Die Routine der Täuschung durch Medien, Parteien, Werbung, etc. --- Letztlich läuft das all hier Besprochene hinaus auf: "Man kann niemandem mehr glauben". - Diese Einsicht wird als Aufklärung verstanden.
Dann erklär das mal den Verschwörungstheoretikern.
Wo ist die Grenze zwischen einem Schuß gesunder Skepsis und Verschwörungtheorien? Zwar sind Verschwörungstheorien auch Zeichen eines Vertrauensverlustes in die staatlichen Institutionen und die gesellschaftlichen Eliten im allgemeinen, aber im Grunde tauschen Verschwörungstheoretiker nur eine Autorität durch eine andere aus, der sie glauben, blind Vertrauen zu können, ohne Skepsis. Darin liegt ihr Kardinalfehler.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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